Sonntag, 4. Dezember 2016

FEG Chemnitz

Wegen eines runden Geburtstages waren wir an diesem Wochenende im Großraum Chemnitz unterwegs. Auf Empfehlung besuchten wir die wenige Kilometer südlich der City gelegene FEG Chemnitz.



Die Suche nach einem passenden Gottesdienst in Chemnitz begann damit, dass wir uns bei der Heilsarmee, dem Kirchenportal Kirche-Chemnitz.de und weiteren Webseiten umschauten. So wirklich aussagekräftig waren die Webseiten und Informationen jedoch nicht, so dass wir etwas ratlos waren. Erschwerend kamen weitere Parameter hinzu, nämlich dass das Altersspektrum der Besucher zwischen dreizehn und neunundsechzig lag und die Geschmäcker von anglophiler Trendgemeinde bis traditioneller Kirche gingen. Die Heilsarmee wurde mehrheitlich abgelehnt, da der dortige Gottesdienst erst um 16:00 Uhr beginnt. Sogar der Vormittag stand auf der Kippe, da der Besuch einer Tante eingeschoben werden sollte. Schon war ein Fernsehgottesdienst mit Direktübertragung aus Herrnhut im Gespräch.

Mein Halbschwager feierte am Samstag seinen Fünfzigsten. Verlässliche Prognosen über den Restalkoholpegel der am Gottesdienst Interessierten waren dadurch auch nicht möglich. Die angereiste Verwandtschaft wohnte in einer Pension in Rabenstein. Rabenstein liegt westlich von Chemnitz, verfügt über eine Burg und ein Schloss sowie eine imposante Fußgängerbrücke. Wir waren bereits am Freitag angereist und konnten beim samstäglichen Freikratzen der Autoscheiben den Morgennebel, die tief stehende Sonne und den weihnachtlichen Duft des Kaffeehauses unterhalb der rostigen Stahlträgerbrücke genießen. Dann fuhren wir in die Radon-Therme Schlema.

Lutherkirche oder FEG Chemnitz?

Nachdem wir genügend Radon getankt hatten, klingelte das Handy und Frank Heinrich MdB begrüßte uns in seinem Wahlkreis. Er freute sich, dass wir ausgerechnet im heimatlichen Rabenstein übernachten und feiern. Dann gab er uns zwei Gottesdienst-Empfehlungen unter Berücksichtigung der oben geschilderten personellen Herausforderungen: Lutherkirche Chemnitz und FEG Chemnitz.

Der Gottesdienst in der Lutherkirche startet um 9:30 Uhr und der Gottesdienst in der FEG um 10:30 Uhr. Meine Schwiegermutter plädierte für die Lutherkirche, so dass wir die Geburtstagsfeier schon kurz vor elf verließen und ein frühes Aufstehen anpeilten. Erwartungsgemäß zog sich das Frühstück jedoch so lange hin, dass wir flexibel auf FEG Chemnitz umdisponieren mussten.

Wir trafen eine halbe Stunde vor Beginn bei der FEG ein. Das Kirchengebäude ohne Glockenturm steht separat inmitten eines Wohngebietes mit niedrigen sanierten Plattenbauten. Ein großes schlichtes Kreuz markiert das helle Gemeindehaus. Die Klapptafel mit der Gottesdiensteinladung hatten wir übersehen, da wir nicht aus Richtung City gekommen waren.

Schwiegermutter setzt Akzente

Im Gemeindesaal wurden Lobpreislieder geübt und Tüten für eine weihnachtliche Verteilaktion sortiert. Es war noch sehr leer. Meine Schwiegermutter strebte die zweite Reihe an. Solche Momente stärken die Beziehung zwischen angeheirateter Mutter und Schwiegersohn. "Warum sitzen wir so weit vorne? Hier sehen wir doch nicht, wann wir aufstehen müssen", protestierte die Familie. "Ich höre sonst nichts", war das unschlagbare Argument meiner Schwiegermutter. Ich saß schützend neben ihr und unterstützte sie bei der Verteidigung ihrer Position. Allerdings hoffte ich, dass wir keine Stammplätze besetzt hatten.

Pastor Bernard Millard und einige Verantwortliche kamen an uns vorbei und grüßten sehr freundlich. Besonders unterhaltsam war der nicht erwartete Countdown. Jede der fünf Minuten blinkte eine Zahl auf. Dazwischen wurden Informationen zu den WCs, den parallelen Kindergruppen und dem Gemeinschaftsteil eingeblendet. Die verantwortlichen Mitarbeiter wurden wahlweise aus Sicht der Kinder, der Jugendlichen oder des Geschirrspülers dargestellt.

Gottesdienst

Mit der letzten Filmsequenz schritt ein Mitarbeiter an die Kanzel und begrüßte die Gemeinde. Der Raum hatte sich in der letzten halben Stunde gut gefüllt, so dass es um die achtzig Besucher gewesen sein müssen. Die Altersstruktur war sehr gut durchmischt. Es gab viele Kinder und Jugendliche, aber auch Senioren. Das sah gesund und auf Wachstum angelegt aus.

Es folgten Weihnachtslieder und Jugendlieder aus den 1990ern, die wir weitestgehend ohne Blick auf den Text mitsingen konnten. Meine Tochter fand es "cool", dass immer schon der Text der nächsten Strophe eingeblendet war. Das hilft, falls der Techniker einmal abgelenkt ist. Bei der FEG Chemnitz klappte es jedenfalls perfekt.

Beziehung statt Betriebsamkeit

Die Predigt startete mit einem Rückblick auf den vergangenen Sonntag, wo es um Psalm 24 gegangen sei. "Wer ist der König der Ehren?" und "Öffnet die Tore!" ist dort zu lesen. Bernard Millard leitete zu Off 3,20 über: "Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an". Es war also immer noch der rote Faden vorhanden. Jesus solle in alle unsere Lebensbereiche eingelassen werden. Um das zu unterstreichen, sprang er zu Off 2,4, wo es um das Schreiben an die Gemeinde in Ephesus geht, die die erste Liebe mit gemeindlicher Betriebsamkeit vertauscht hatte. Ergänzend hätte noch Off 3,1 zitiert werden können, worin zur Gemeinde Sardis gesagt wird: "Ich kenne deine Werke. Du hast den Ruf, lebendig zu sein, aber du bist tot". Statt dessen leitete er zu Joh 21 über, wo es ebenfalls um die Liebe bzw. die Beziehung zu Jesus geht.

Dank einer Bibel-App konnte ich recht schnell die sämtlichen Stellen aufrufen und nachlesen. Zusammengefasst ging es darum, die persönliche Beziehung zu Jesus zu intensivieren und sich nicht durch andere Dinge inklusive innergemeindlicher Betriebsamkeit ablenken zu lassen. Die Predigt stieß auf familiäres Wohlwollen.

Ich wunderte mich nur, warum die dunkelbraune Holzkanzel so sehr in die Ecke des Altarbereiches gestellt war. Sollte das eine besondere Art der Demut demonstrieren, oder war das ein ungeplanter Nebeneffekt der jüngsten Reinigungsaktion? Redner mit ausladenden Armbewegungen wären regelmäßig mit der Wand kollidiert.

Aufstehen zum Segen

Weitere Lobpreislieder, eine Kollekte und ein sehr umfangreicher Programmpunkt mit Ansagen rundeten den Gottesdienst ab. Die Befürchtungen meiner Frau, dass man nicht wisse, wann Aufstehen und Hinsetzen gewünscht sei, wurden nicht bestätigt. Ein Alleinstellungsmerkmal der FEG Chemnitz ist wohl, dass lediglich zum abschließenden Segen aufgestanden wird. Gebete, Ansagen, Kollekte und Lobpreis fanden komplett im Sitzen statt.

Gemeindemitglieder bedankten sich beim Pastor für die Predigt. Wir wechselten einige Worte mit ihm, ließen unseren Blick über das muntere Treiben im Gemeindesaal schweifen und verließen kurz darauf die FEG.

Es standen noch der Chemnitzer Weihnachtsmarkt und ein gemeinsames Essen am Schlossteich auf dem Programm. Bei letzterer Gelegenheit trafen wir auch die übernächtigten Geburtstagsgäste wieder und ließen mit einem gestellten Gruppenfoto per Selbstauslöser unseren Besuch in Chemnitz ausklingen.

Mittwoch, 30. November 2016

Gemeinsam e1ns - Schnuppertreffen für Ehepaare

In den ersten Ehejahren hatte ich Paar-Seminare immer belächelt. Inzwischen weiß ich die wertvollen Impulse sehr zu schätzen. und besuchte heute zusammen mit meiner Frau einen Schnupperkurs von "Gemeinsam e1ns", einer Initiative von Campus für Christus.



Bei strömendem Regen und eingeschalteter Sitzheizung erreichten wir nach genau einer Stunde Marienfelde. Viel schwieriger als der per Google-Maps eingeprägte Weg war der Eingang zum Haus zu finden. Es war von sämtlichen Seiten gut einsehbar, nur der Zugang fehlte.

Helge stand im Regen an der Straße und lotste die Erstbesucher auf das Hammergrundstück. Das Haus offenbarte eine gewisse Vorliebe für ein skandinavisches Land mit blau-gelber Fahne und einem dazugehörigen Möbelhaus. Wir waren nicht die ersten Gäste. Auf einem Tisch standen Salzstangen und Süßigkeiten. Tee dampfte aus einer Tasse und Kaffee gab es auch.

Das Wohnzimmer von Helge und Birgit füllte sich, so dass sich letztlich siebeneinhalb Ehepaare um den Tisch scharten. Da der Abend unter den Chatham House Rules abgehalten wurde, dürfen hier nur sehr wenige Details nach Außen dringen. Nur soviel, dass die Paare zwischen vier und vierzig Jahren verheiratet und die Teilnehmer zwischen dreißig und siebzig Jahre alt waren. Marienfelde war lediglich für die Gastgeber zentral gelegen. Viele der Besucher kamen aus der urbanen Peripherie und freuten sich über den anschließenden Vorschlag, die folgenden Eheabende nach Schöneberg zu verlegen.

Vorab hatten wir bereits fünfzehn Seiten Arbeitsmaterial für den "Schnupperkurs" erhalten. Bei dem durchaus gemütlichen Licht stellte ich fest, dass der nachhaltige Ausdruck von zwei Seiten auf einem A4-Blatt ein recht herausforderndes Betrachtungsszenario mit meiner neuen Gleitsichtbrille darstellte. Als ich dann noch eine Stelle aus dem Römerbrief vorlesen sollte, hatte ich mich gerade in der Bibel-App verlaufen und kam nicht mehr aus dem Markiermodus heraus.

Anhand des ausgedruckten Leitfadens kamen wir sehr gut ins Gespräch und lernten einander besser kennen. Das "Du" war noch etwas gewöhnungsbedürftig, half aber bei der im Raum verbleibenden Offenheit. Wir tauschten uns über vorbildhafte Ehen aus und bekamen interessante Denkanstöße zu den Bedürfnissen unserer Ehepartner. Auch Helge und Birgit erfuhren lange gehegte Geheimnisse voneinander.

Nach zwei Stunden endete der Schnupperkurs mit einem Gebet und der Abstimmung weiterer Termine. Es regnete nicht mehr. Den Ausgang mussten wir nicht suchen. Dafür suchte Helge sein Auto. Per Fernbedienung konnte es sichtbar gemacht werden. Auf dem Rückweg nahmen wir noch eines der Ehepaare mit und unterhielten uns über die vielen Aspekte der Kleinkinderziehung.

Montag, 28. November 2016

Chasing Daylight - die letzten 100 Tage

Da wir uns in den letzten vierzehn Monaten von beiden Vätern alias Großvätern verabschieden mussten, spricht "Chasing Daylight" von Eugene O'Kelly genau in unsere familiäre Situation. Viele Passagen sind emotional nachvollziehbar und ich bin beeindruckt, wie rational der Top-Manager O'Kelly mit seinem ungeahnt plötzlich diagnostizierten Ableben umgeht.



Wohl dem, der das Privileg hat, sich auf den Tod vorbereiten zu können. Mein Vater wurde im Sommer 2014 sehr plötzlich mit einer angehenden Blutvergiftung im Bereich der Nieren ins Krankenhaus eingeliefert. Die sofort eingeleitete Operation war die ultimative Hilfe, die ihm noch ein weiteres Lebensjahr ermöglichte. Er erlebte seine Goldene Hochzeit, ein Weihnachtsfest, seinen 75. Geburtstag und sogar noch den einundfünfzigsten Hochzeitstag.

Geklärte Beziehung und Abschied

Die Einlieferung im Sommer 2014 war für mich ein Alarmsignal, noch alle offenen Dinge mit ihm zu klären. Ich schrieb ihm einen längeren Brief. Das war sehr gut so! Er war davon so bewegt, dass wir anschließend gemeinsam beteten und noch ein intensives Jahr der Vater-Sohn-Beziehung leben konnten. Wir telefonierten regelmäßig, lasen uns Bibeltexte vor und beteten gemeinsam. Die Zeit, die uns noch blieb, nutzen wir als bewusste Abschiedszeit und erlebten eine Tiefe in der Beziehung, die es in den vorangegangenen Jahren kaum gegeben hatte. Er schlief im August 2015 in Frieden ein und auch die Beerdigung wurde zu einem positiven Erlebnis.

Einfach tot umfallen

Im Januar 2015 saßen wir mit den Eltern meiner Frau in Costa Calma (Fuerteventura) auf der Terrasse unseres Hotelzimmers und füllten die Patientenverfügungen aus. Bei Zigarre, Chips und Kerzenschein kreuzte mein Schwiegervater die Fragen zur maschinellen Lebenserhaltung an und schrieb darunter, dass er am liebsten einfach "tot umfallen" wolle. Das geschah im Oktober diesen Jahres in seinem Bad. Nach einer intensiven Wiederbelebung wurde er ins künstliche Koma versetzt und an Beatmungsmaschinen gehängt. Es folgte eine Zeit des bewussten Abschieds. Bekommt er noch etwas mit? Hört er uns? Wir redeten mit ihm und beteten für ihn und bedankten uns für die gemeinsame Zeit.

Als ich gerade das Handy ausschalten wollte, um das Flugzeug nach New York zu besteigen, rief meine Frau an und sagte, dass ihr Vater am frühen Morgen verstorben sei. Später erfuhr ich, dass er lächelnd auf der Bahre lag.

Chasing Daylight Eugene O'Kelly
Chasing Daylight - Eugene und Corinne O'Kelly
Chasing Daylight von Eugene und Corinne O'Kelly

Das Buch "Chasing Daylight" (Jagd nach dem Tageslicht) beschreibt eine ähnliche Situation, nur dass der Autor wesentlich jünger war. Als CEO der Beratungsgesellschaft KPMG war Eugene O'Kelly es gewohnt, ständig in Flugzeugen, in Hotelzimmern, auf Golfplätzen und den Chefetagen der Welt unterwegs zu sein. Seine Arbeitswoche umfasste gerne siebzig bis neunzig Stunden.

Der Top-Manager aus New York war 53 Jahre alt, als seine Frau einen ungewohnten Schweißtropfen auf seiner Wange bemerkte. Nach einer aktiven Woche lässt sich solch ein Symptom auch als normale Stressreaktion bagatellisieren. Dennoch suchten sie einen Arzt auf. Mehrere Untersuchungen an aufeinander folgenden Tagen brachten die finale Klarheit über seinen Gesundheitszustand: drei Tumore in der Größe von Tennisbällen hatten sich in seiner linken Gehirnhälfte gebildet und waren ohne Schmerzen oder merkliche Beeinträchtigungen gewachsen. Der Zeitpunkt für einen sinnvollen Eingriff war bereits weit überschritten.

Lebenserwartung 100 Tage!

Der Top-Manager beschreibt seinen Umgang mit der Diagnose und die rationale Planung seiner letzten 100 Tage. Er traf zunächst die Entscheidung, die Situation zu akzeptieren und diese letzte Phase seines Lebens zur wichtigsten Phase werden zu lassen. Er stellte sich der Realität und fertigte eine Todo-Liste an, die sich im Wesentlichen mit der Übergabe seines Postens bei der KPMG, den Formalitäten für die Beisetzung und die Erbschaftsangelegenheiten und dem bewussten Loslassen seiner Beziehungen beschäftigte. Darüber hinaus wurden noch einige prinzipielle Verhaltensregeln aufgestellt. Hier die Liste:

+ ordne rechtliche und finanzielle Dinge
+ verabschiede dich (unwind relationships)
+ vereinfache alles
+ lebe im Jetzt
+ schaffe große oder perfekte Momente (oder sei offen dafür)
+ beginne den Übergang zum neuen Lebensstatus
+ plane das Begräbnis

Der Nachfolger war innerhalb von drei Tagen gefunden. Die sonstigen Formalitäten liefen eher nebenher und das "Entwinden" (unwinding) der Beziehungen in möglichst "besonderen Momenten" war Hauptfokus seiner Aufmerksamkeit. Dazu fertigte er ein Diagramm mit Kreisen an. Im innersten Kreis stand seine Familie, dann kamen angeheiratete Verwandte, engere Freunde und nähere Geschäftspartner. Im äußersten der Kreise standen die langjährigen Bekannten und Business-Kontakte. Er entschied sich für eine Abarbeitung von außen nach innen.

Abschied

Er schrieb die Menschen auf, mit denen er eine Zeit seines Lebens oder kurze intensive Momente verbracht hatte und kam letztlich auf 1.000 Namen. Einige schrieb er per Mail an, andere rief er an, wieder andere traf er persönlich. O'Kelly nahm diese letzten Stunden so intensiv auf, dass fast jede dieser letzten Begegnungen mit anschließendem "Good bye" zu einem "Perfect Moment" für ihn und auch die Gesprächspartner wurde. Der Abschied von dieser Personengruppe nahm drei Wochen in Anspruch, was bei einem Budget von 100 Tagen schon recht viel war.

Schwieriger wurde es mit den engeren Bezugspersonen zwischen äußerem und innerem Kreis. Einige genossen den Abschied in einem dieser perfekten Momente im Central Park, einem Restaurant oder am Telefon. Andere waren wütend über das Leben, das Schicksal und konnten gar nicht verstehen, warum ausgerechnet dieser begabte Mann sterben müsse. Er solle doch kämpfen und nicht einfach so dem als nah diagnostizierten Tod entgegengehen.

Zum Schluss lud er seine Familienangehörigen an den Lake Tahoe ein, fuhr in einem schnellen Motorboot mit ihnen über das spiegelglatte Wasser und genoss auch diese Momente. Er freute sich an gutem Wein, an gutem Essen, dem Blick auf den East River und anderen bisher überhörten Dingen. Von seiner Tochter Dina verabschiedete er sich mit dem Buch selbst. Sie war damals erst vierzehn und verarbeitete vieles in Gedichten.

Dann enden die Aufzeichnungen Eugenes

Der bewegendste Teil des Buches war für mich das Ende der Aufzeichnungen von Eugene und die Fortsetzung durch seine Frau Corinne. Auf 155 Seiten war einem dieser Manager mit seinen vertrauten Denkstrukturen so nahe gekommen, dass die finale Beschreibung seiner letzten Tage dem oben geschilderten Miterleben des Abschiedes von unseren Vätern glich.

Auch wenn Gott recht selten in diesem Buch thematisiert wird, kommt doch zum Ausdruck, dass eine Hoffnung auf die Ewigkeit bei Gott sowie ein guter Abschluss von Beziehungen wesentlich zur Entspannung und einer friedlichen "Transition" beitragen.

Sonntag, 27. November 2016

#MarzahnConnection - Gebet für 260.000

Nur selten lässt sich die reale Zeit wie auf der Timeline eines YouTube-Videos zurückstellen. "Lola rennt" ist ein Film, der mehrfach an der gleichen Stelle einsetzt, aber immer einen anderen Verlauf der Geschichte erzählt. Im CVJM-Haus Trinity erlebten wir heute einen Rewind und Neustart mit Potenzial für eine rennende Lola aus Marzahn.



Mehrere Tische waren zu einer Tafel zusammengestellt. Die Sitzecke mit ihren bequemen schwarzen Lederpolstern war für die Gäste des Abends vorbereitet. Es waren vier Gebetsstationen eingerichtet. Erinnerungen an alte Zeiten des Wachstums einer gesunden Jugendkirche in Marzahn wurden wach. Damals feierten wir hier Gottesdienste und Themenpartys. Es gab vier große Hauskreise, die beständig wuchsen. Ja, damals ...

Als die Kanzlerin beim Besuch des Don-Bosco-Zentrums nach der Einwohnerzahl Marzahns fragte, antwortete die Bezirkspolitikerin Dagmar Pohle: "260.000". Eine Zahl, die mit der Population deutscher Kleinstädte wie Münster (296.000) vergleichbar ist. Die Gemeindelandschaft in Marzahn bedient viele traditionelle Bedürfnisse wie die evangelische Landeskirche, die Baptisten, die SELK und die katholische Kirche. Wachstum scheint es jedoch nur bei den Katholiken, dem Lichtblick e.V. oder Gemeinden mit Fokus auf Aussiedler zu geben.

260.000 Marzahner haben also nur dann eine Anlaufstelle für den christlichen Glauben, wenn sie sich auf traditionelle Strukturen einlassen, zur Zielgruppe des Lichtblick e.V. gehören, eine russische Prägung haben oder sich über die Bezirksgrenzen hinaus orientieren. Doch wo kann Otto Normalverbraucher aus Marzahn eine Beziehung zu Jesus aufbauen? In welche Gemeinde kann er ohne Bedenken seine Freunde oder Kollegen mitnehmen?

So saß heute eine gute Anzahl ehemaliger Mitglieder der Jugendkirche Marzahn (jetzt Kirche43) zusammen und überlegte und betete, wie eine neue Gemeinde im und für den Bezirk aussehen könnte. Die Atmosphäre war angenehm entspannt. Die Timeline nach CVJM Trinity (2006) wurde kaum thematisiert und bei Lobpreis, Andacht und Essen wurde vorwärts gedacht.

Da viele der Anwesenden bereits eine neue Homebase bei ICF, der Kreativen, JKB Treptow, Saddleback oder anderen Gemeinden gefunden hatten, verständigten wir uns auf regelmäßiges Gebet für den Bezirk und zum Hören auf die opportunen Instruktionen Gottes. Ein guter Plan, der allgemeine Zustimmung fand.

Freitag, 25. November 2016

A Disruptive Gospel - Transforming Your City

Ein Evangelium, das die Metropolen dieser Welt durchdringt, beschreibt Mac Pier in seinem Buch "A Disruptive Gospel". Er stellt in achtzehn Kapiteln diverse Beispiele urbaner Transformation vor und geht auch auf die Grundprinzipien erfolgreicher Bewegungen ein.



Das über zweihundert Seiten umfassende Buch "A Disruptive Gospel" von Mac Pier war ein wertiger Bestandteil unseres dunkelblauen Jute-Begleitbeutels zur #MDGC16-Konferenz in New York. Während viele Flyer, Heftchen und Visitenkarten auf der allgemeinen Ablage der NYSUM landeten, wurden dieses Buch, eine Tony-Evans-DVD und die Pfefferminz-Pillen einer Bibelschule ins Reisegepäck transferiert.

Beispiel New York City

Bereits der Titel verspricht eine moderne Auseinandersetzung mit der effektiven Verbreitung des Evangeliums. Besonders hatte mich Kapitel 2 beeindruckt, wo die geistliche Disruption New Yorks beschrieben wird. Die Not war in den 1980er und 1990er so groß, dass sich Leiter unterschiedlicher Gemeinden zum Gebet und gemeinsamen Aktionen trafen. Das taten sie so nachhaltig, dass innerhalb weniger Jahre die Mordrate deutlich nach unten ging, der soziale Frieden gestärkt und viele neue Gemeinden gegründet wurden. Die Wirkung ist statistisch belegt und auch in den Straßen und Untergrundbahnen spürbar. Queens, Brooklyn und die Bronx lassen sich heute auch als weißer Tourist gut per Spaziergang erkunden, was vor fünfundzwanzig Jahren weniger denkbar gewesen wäre.

Diese beachtliche Harmonie einer multiethnischen Population erlebte ich bereits bei meiner Ankunft in New York, als ich mich vom Busbahnhof nach Queens begab. Gleiches in den Gemeinden, die wir besuchten und auf der Straße. Man musste morgens um acht dem Gangsta-Rapper im Donuts-Shop nur freundlich zunicken und schon bekam auch er ein breites Lächeln auf dem Gesicht und grüßte zurück.

A Disruptive Gospel Mac Pier
A Disruptive Gospel - Mac Pier


Transformation durch Einheit

Das Geheimnis liegt in der Einheit. Einheit der geistlichen Leiter und Einheit mit parakirchlichen Werken und dem "Marketplace". Während in Deutschland nur die Pastoren und eventuell noch christliche Hilfsorganisationen auf dem Radar sind, stellen in sämtlichen Teilen der Welt die christlichen Unternehmer (Marketplace) einen wichtigen Bestandteil der Vernetzung dar.

Mac Pier trifft sich in Kapitel 6 im einunddreißigsten Stockwert eines Bürohauses in Downtown Dallas mit Ray Nixon, einem texanischen Unternehmer. Er hat dort einen weiten Blick über die Stadt und erfährt viele interessante Dinge über die Geschichte, die Zusammensetzung der Bevölkerung und die aktuellen Herausforderungen. Auch hier geht es um Einheit der christlichen Leiter, Gebet und praktische Hilfe. Mit praktischer Hilfe ist durch das gesamte Buch hindurch Hilfe zur Selbsthilfe sowie Bildung gemeint.

Statistiken

Die Berichte enthalten viele Zahlen und strategische Hintergrundinformationen, warum beispielsweise Kinder ohne präsente Väter suboptimale Entwicklungen nehmen, wie der Präsident Ruandas für Einheit im Volk und einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgt oder wie ausgewanderte Menschen aus Haiti zur Rückkehr auf die Insel zwecks humanitärer Hilfe motiviert werden.

Es werden konkrete Beispiele aus Dubai, Pretoria, Indien, Ruanda, Haiti und anderen Regionen mit Großstädten dargestellt. Immerhin wurden auch schon in der Apostelgeschichte die großen Städte der Antike bereist, um dort einen viralen Einfluss (Impact) auf das Römische Reich zu initiieren. Auch Großbritannien und Schweden geben viel Grund zur Hoffnung. In Frankreich entstehen momentan neue Gemeinden, was wohl eine Folge der Terroranschläge von Paris ist.

Und bei uns?

Allein Mitteleuropa wirkt in Kapitel 17 etwas blass und eingeschlafen nach den vielen ermutigenden Schilderungen. Das wird wohl daran liegen, dass das Prinzip des effektiven Zusammenspiels von lokaler Gemeinde, christlichen Organisationen und Marketplace (siehe Dreibeinhocker) in unseren Regionen noch nicht angekommen ist. Die lokale Gemeinde stellt oftmals das Maß aller Dinge dar und grenzt sich gerne gegen benachbarte Denominationen ab. Dann kommen christliche Organisationen und dann erst einmal gar nichts. Unternehmer und Führungskräfte aus dem säkularen Berufsleben werden in Deutschland selten als geeignete Player für das Reich Gottes angesehen.

Die im Buch mehrfach skizzierten Vernetzungen über Schlüsselpersonen aus Politik und Wirtschaft sind in Europa eher unterentwickelt. Sehr beeindruckend, was Mac Pier in diesem Zusammenhang über Dubai berichtet. Das Schlusswort von Bob Doll widmet sich komplett den christlichen Leitern aus dem Marketplace-Segment und ermutigt sie zum Denken und Handeln in der Reich-Gottes-Perspektive.

Wer das Buch lesen möchte, sollte Englisch verstehen. Eine Übersetzung des zweiten Kapitels über die statistisch belegten Veränderungen in New York City ist bereits angedacht.

Sonntag, 20. November 2016

Mosaik Berlin und der Abgleich einer Webseite

Mosaik Berlin ist eine relativ neue multiethnisch geprägte Gemeinde in Berlin, die sich im Schatten des Axel-Springer-Hochhauses trifft. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist eine Sonntagspredigt auf Englisch, die konsekutiv auf Deutsch übersetzt wird.



"Wir müssen viertel nach halb vor fünfzig los", erklärte mein Sohn noch einmal die Uhrzeit, wann wir startklar sein sollten. Er wollte zusammen mit meiner Frau zu Saddleback fahren, während ich endlich einmal Mosaik Berlin auf dem Programm hatte. Da sich anhand der Webseite schon ein Bild zur Gemeinde geformt hatte, wollte ich unbedingt meine Tochter als Zweitstimme dabei haben und aus der üblichen Meinungspluralität eine sinnvolle Schnittmenge extrahieren. 10:35 Uhr war ein guter Zeitpunkt des Losfahrens, den wir wie üblich um fünf Minuten überzogen.

Kurz nach elf setzten wir Frau und Sohn bei der Kalkscheune ab und fuhren weiter zu Axel Springer. "BILD Dir deine Meinung", war auch unser heutiges Motto. Im Sommer hatte ich erstmalig vom Gründungsprojekt "Mosaik Berlin" gehört, als wir Christopher auf dem SOLA getroffen hatten. Darauf googelte ich die Gemeinde und stellte fest, dass sie sich in unmittelbarer Nähe zu anderen modernen Gemeinden wie Berlin Connect, Kulturwerkstatt Mitte, Berlinprojekt oder Saddleback befindet. Es kam die Frage auf, wer in dieser Region so viele coole Gemeinden brauche? Während in Marzahn die geistliche Flaute herrscht, trampeln sich Missionare und kreative Mittdreißiger in der City auf den Füßen herum.

Der Häuserblock um die Besselstraße 13 wirkte verlassen. Herbstlaub wehte über Freiflächen und Straßen. Es gab sehr viele ungenutzte Parkplätze. Wir liefen am Haus entlang und kamen an einem großen bunten Schild vorbei, das auf ein Game-Science-Event hinwies. Durch die Schaufenster war ein dicht mit jungen Leuten gefüllter Raum zu sehen. Wir liefen weiter und kamen schließlich fast am Ende des Häuserblocks an. Wo war der Eingang zu Mosaik? Als wir uns umsahen, bemerkten wir ein kleines schwarzes Schild mit einem eingekreisten "M". Dieses war völlig von dem massiven Gamer-Schild überdeckt worden. Ein Problem, das sich durch die üblichen Aufstellfähnchen in Segelform lösen ließe.

Proaktiv grüßend betraten wir die hellen Räumlichkeiten und legten unsere winterlichen Jacken ab. An einer Theke konnte man sich mit Tee oder Kaffee bedienen. Der oben erwähnte Christopher kam vorbei und begrüßte uns freundlich, blieb einige Momente bei uns stehen. Smalltalk. Dann musste er noch einige Dinge für den Gottesdienst erledigen. Durch väterlichen Druck gelang es mir, endlich mal wieder etwas weiter vorne zu sitzen: fünfte Reihe.

Pastor Neville Jones lief hin und her und traf letzte Abstimmungen vor dem Beginn. Der Gottesdienst startete mit Lobpreis und den Ansagen. Das Mikro der Moderatorin versagte seinen Dienst. Sie erwähnte auch einen Welcome Desk, den wir beim Betreten der Location gar nicht bemerkt hatten. Dann trat Neville Jones mit einer Übersetzerin auf die Bühne. Noch einmal stellte er sich als Pastor vor, der gemeinsam mit seiner Frau Sue diese Gemeinde leite. Dass man ihn bei Kaffee und Kuchen nach dem Gottesdienst in der zweiten Etage kennen lernen könne, erfuhren wir mehrfach an diesem Vormittag. Das war uns auch schon durch die Webseite bekannt.

Anhand der bisher veröffentlichten Predigtmitschnitte zur Themenreihe "Seeing Jesus" hätte ich heute einen Text aus Johannes 6 oder 7 erwartet. Statt dessen predigte er über mein Lieblingskapitel Johannes 9. Neville Jones hatte die Predigt in drei Blöcke eingeteilt und ging darin auf die Jünger, die Pharisäer als geistlich Blinde und den Blindgeborenen ein. Er las dazu die ersten und die letzten Verse des Kapitels und blieb während der gesamten Predigt am Text. Besonders angesprochen war ich wieder einmal von den Ausführungen zu den Versen 28 und 34.

Nach der Predigt gab es Abendmahl, welches wahlweise mit Saft oder Wein genommen werden konnte. Begleitet wurde es musikalisch von der aus vier Personen bestehenden Lobpreisband. Danach trat die Moderatorin für ein Abschlussgebet und die Verabschiedung auf. Wieder versagte ihr schnurloses Mikro. Ich vermisste die Kollekte.

Der Gottesdienst hatte fast zwei Stunden gedauert, so dass der Rest der Familie bereits vor der Kalkscheune stand und uns per WhatsApp zum Aufbruch drängte. Auf dem Weg tauschte ich mit meiner Tochter die Eindrücke aus.

Die Webseite hatte abgesehen von den ständigen Sicherheitswarnungen des Browsers ein Bild gezeichnet, das durch diesen Besuch vor Ort korrigiert werden konnte. Anhand der Webseite war ich davon ausgegangen, dass es sich um eine auf den Pastor zentrierte und schwach besuchte Gemeinde mit erheblichem Mangel an Mitarbeitern handelt. Das entspricht jedoch so nicht der Realität:

Der Pastor und seine Frau scheinen sich zwar als zentrale Bezugspersonen zu sehen, dennoch lässt sich einiges an Leitungspotenzial in den Reihen von Mosaik erkennen. Die Gemeinde und die Mitarbeiterschaft wirken sehr intakt. Schade, dass letzterer Umstand auf der Webseite so unterrepräsentiert ist. Neben der Webseite birgt auch das Thema Welcome ein gewisses Optimierungspotenzial. Obwohl Mosaik erst vor wenigen Wochen nach Kreuzberg umgezogen ist, kommt der Raum bei über siebzig Besuchern so langsam an seine Kapazitätsgrenzen.

Freitag, 18. November 2016

Zwei Schiffe begegnen sich in der Nacht

Es muss mindestens sieben Jahre zurück liegen, wo wir das Sprichwort "zwei Schiffe begegnen sich in der Nacht" zum ersten Mal gehört hatten. Es wird gebraucht, wenn Menschen eine völlig unterschiedliche Denkweise und Wahrnehmung haben.



Eine Falle der Egozentrik ist es, davon auszugehen, dass alle anderen Menschen so denken und wahrnehmen wie ich selbst. Ich betrachte mich als Normativ für Denkweise und Wahrnehmung und setze vergleichbare Parameter bei den Menschen in meiner Umgebung voraus.

Doch weit gefehlt!

Ein Mann mit Burnout denkt in Angstszenarien, ein echter Beamter denkt in Amtsdeutsch, ein Offizier denkt in Strategien, ein Grüner denkt ökologisch, ein Rechtsanwalt denkt in Paragraphen, ein Journalist denkt in Stories und ein Softwareentwickler in If-Then-Else-Schleifen. Letzteres kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Nur wenn es Schnittmengen gibt, vermengt sich das Denken und macht die Handlungsweisen des Anderen nachvollziehbar oder gar berechenbar.

Solch eine Schnittmenge kann der gemeinsame Glauben an Jesus Christus sein. Wie wir kürzlich bei einer internationalen Konferenz feststellen konnten, verbinden sich ethnische, soziale, sprachliche und kulturelle Unterschiede zu einer bemerkenswerten Harmonie, wenn sich Menschen um den Mittelpunkt Jesus versammeln. Das entspricht der praktischen Umsetzung von Joh 13,35. In Städten wie New York oder Boston war irgendwann die Not so groß, dass sich Gemeinden unterschiedlichster Prägung aufeinander zu bewegten und gemeinsam für die Stadt eintraten. Die Ergebnisse lassen sich in beachtenswerten Zahlen dokumentieren.

Luxus in Berlin

In Berlin hingegen leistet man sich den Luxus von Divergenz, Abgrenzung und Parallelwelten. Während steuerfinanzierte Berufschristen Papiere mit durchaus wohlklingenden Absichtserklärungen für die Ablagesysteme ihrer Gremien produzieren, disruptieren neue Gemeinden die Stadt mit geistlichem und quantitativem Wachstum sowie regelmäßigen Taufen. Vernetzung findet jedoch nur weitestgehend auf der Basisebene statt.

Das entspricht in etwa dem, was Executuve Vice President Christoph Keese von Axel Springer SE im Rahmen eines Vortrages über Disruption auf einer Landwirtschafts-Konferenz im Januar 2016 gesagt hatte. Demnach sei die allgemeine Arroganz des "Establishments" bemerkenswert, das sich als "Halbtoter auf dem Weg zum Friedhof" lange über die Bemühungen des Disruptors amüsiere und dann plötzlich vor dem Aus stehe. Christoph Keese prognostizierte eine Sterblichkeit durch alle Branchen von 95%.

Schauen wir in die christliche Szene, so gibt es reichlich Unverständnis zwischen Evangelikalen und Landeskirchlern, zwischen Katholiken und Protestanten oder Charismatikern und Bibelkennern. Gerne wird in diesen Zusammenhängen das Christsein des Anderen in Frage gestellt, wenn er anders tauft, zu alte Lieder singt, sich zu wenig in der Bibel auskennt oder gar betet und mit dem aktiven Eingreifen Gottes in Lebenssituation rechnet.

Wenn Joh 13,35 nicht mehr in der Praxis sichtbar wird, kommen auch die Moslems zum Zuge. Im Koran können sie mehrfach lesen, dass sich die "Menschen der Schrift" nicht einig waren und deshalb der Koran als letzte Offenbarung herabgesendet wurde. Aber auch Islamisten sind sich nicht einig. Die Sunniten betrachten die Welt anders als Schiiten. Die daraus folgenden und für unsere Wahrnehmung abstrusen Handlungsmuster können nur nachvollzogen werden, wenn man sich mit den Denkmustern dieser Personen beschäftigt.

Es beginnt ja generell schon damit, dass ein Theoretiker anders als ein Praktiker denkt und handelt. Der Visionär denkt selten in den Strukturen des Managers. Ein Handwerker denkt oftmals nicht kaufmännisch, was gelegentlich suboptimale Folgen hat. Dabei ergibt sich aus diesen Unterschieden auch ein erhebliches Potenzial an Ergänzung, wie es beispielsweise in 1. Kor 12 beschrieben wird.

Was beim Miteinander hilft ist Empathie.

Empathie schlägt eine Brücke zwischen unterschiedlichen Menschen. Insbesondere Verkäufer haben diese Gabe und nutzen sie zum Vermarkten ihrer Produkte. Wenn der Verkäufer merkt, wo beim Kunden der Schuh drückt, muss er nur das passende Argument finden, das das Produkt als Lösung für genau dieses Problem darstellt. Selbst einem Eskimo kann ein Kühlschrank verkauft werden. Dazu fallen mir ad hoc zwei Vertriebsargumente ein. Zuerst könnte beim winterlichen Bedarf an Licht angesetzt werden. Licht erstrahlt, sobald der Eskimo den Kühlschrank öffnet. Ein zusätzlicher Vorteil wäre die geschlossene Tür. Diese hält Eisbären vom Verzehr des Inhaltes ab. Ob also die Tür des Kühlschrankes offen oder geschlossen ist, der Eskimo hat in jedem Fall einen Vorteil und braucht deshalb? Klar, einen Kühlschrank!

An Empathie und dem Bewusstsein für divergente Denkstrukturen mangelt es aber auch in der großen Politik. So kann der humanistisch geprägte Europapolitiker mit seinem juristisch-soziologischen Hintergrund nicht nachvollziehen, wie ein Präsident Putin oder ein Donald Trump seine Entscheidungen findet. Hillary Clinton wäre die europäische Wunschpräsidentin gewesen, da sie ein gewisses Maß an Kontinuität in der Außen- und Sicherheitspolitik suggerierte. Mit Donald Trump hingegen kann man in Europa nichts anfangen. Die Verunsicherung wird insbesondere dadurch manifestiert, dass sich zur Zeit sämtliche europäische Staatschefs  in Berlin mit dem scheidenden Präsidenten Obama treffen und mit ihm über Donald Trump reden. Aber schon Hiob 42 zeigt, dass man lieber "mit" als "über" jemanden reden sollte.

Personen des Zeitgeschehens

Dabei muss man sich lediglich Persönlichkeit, Herkunft und Umgebung der jeweiligen Akteure ansehen:

Putin ist ein Geheimdienstmann, der sich mit ehemaligen Kollegen umgeben hat. Er denkt und handelt wie ein Mann aus dem Nachrichtendienst. Das macht ihn berechenbar für Menschen, die die Denkweise von Geheimdienstlern kennen. Agenten denken in langfristigen Schachzügen, beobachten die rote Linie des Gegners und wenn es mal schnell gehen muss, wird ein Bauer geopfert. Dabei kann der Bauer oder die gegnerische Dame auch einmal unsanft vom Tisch fallen, was nicht immer mit den rechtsstaatlichen Auffassungen des Europäers harmoniert. Das Bewusstsein dessen ist jedoch hilfreich für die Bewertung von Gegenwartsszenarien und zur Erstellung von Zukunftsprognosen.

Donald Trump ist Unternehmer. Ein sehr erfolgreicher Unternehmer sogar. Wer weiß, wie Unternehmer ticken, wird auch Trump berechnen können. Dass in Europa so eine große Verunsicherung herrscht liegt daran, dass unsere Politiker eben wie Bürokraten denken und nicht wie Unternehmer. Den Unternehmer zeichnen im wesentlichen drei Grundprinzipien aus:

1) Aus jeder Situation - egal wie herausfordernd - den höchst möglichen Profit ziehen (Röm 8,28)
2) Nicht reden, sondern machen! (Mt 7,21)
3) Entscheidungsfreudigkeit (Lk 19,5-6)

Punkt 2) und 3) bringen natürlich eine ganz andere Dynamik ins politische Geschehen und können bei weniger durchdachten Entscheidungen unangenehme Folgen haben. Aber es lässt sich berechnen, so man sich auf die Handlungsprinzipien eines Unternehmers einstelt.

Vergleicht man nun die Denkmuster Putins mit denen des Unternehmers Trump, wird deutlich, dass beide gut harmonieren. Allerdings wird dann auch deutlich, dass für europäische Harmoniepolitik kein Platz bleibt, außer es wird ein Punching Ball benötigt.

Vielleicht entwickelt sich dadurch ja letztlich ein Szenario, das die Christen in Berlin auch über Grenzen von Charisma, Taufverständnis und steuerlicher Komfortzone zusammen bringt.

Donnerstag, 17. November 2016

Robert Saunders und der Dreibeinhocker

Zurzeit hält sich Robert Saunders in Berlin auf und hat einen prall gefüllten Kalender mit Coaching-Terminen für Geschäftsleute aus ganz Deutschland. Wenn ein Präsenztreffen für Süddeutsche oder Rheinländer zu aufwendig ist, wird flexibel auf Telefonkonferenz umgeschaltet.



Bis vor eineinhalb Jahren war mir der Zugang zu christlichen Unternehmern weitestgehend verschlossen. So nutzte ich die geschäftlichen Vorbilder des säkularen Umfeldes und extrahierte christliche Handlungsweisen aus dem eigenen Bibelstudium. Dennoch hätte ich gerne Vorbilder aus dem christlichen Umfeld gehabt, die sich in Krisen bewährt, bei Null angefangen und allgemein einen guten Ruf als ehrbare Kaufleute erworben haben.

Erst bei der intensiveren Begegnung mit Unternehmern aus dem Umfeld der FBG erschlossen sich ganz neue Horizonte in Bezug auf "Kingdom Companies" und den Austausch innerhalb einer homogenen Gruppe aus dem Berufsleben. Ähnliche Herausforderungen und Erfahrungen ermöglichten einen Dialog, der auf der gleichen Verständnisebene abläuft, die übliche Neidkultur weitestgehend ausklammert und Hilfe bis in Beschaffungs- und Finanzbereiche anbietet.

Die FBG ist es auch, die regelmäßig kostenlose Coachings mit Robert Saunders anbietet. Robert Saunders hat in seinen siebzig Lebensjahren mehrere Firmen geleitet, Unternehmen aufgebaut, Weihnachtsanhänger verkauft und viel Zeit in sämtlichen Teilen der Welt verbracht. Er war und ist Investmentbanker und ein Christ, der Freude daran hat, anderen Geschäftsleuten mit Rat und Seelsorge zur Seite zu stehen.

Die Gespräche laufen sehr unterschiedlich ab. Man trifft sich beim Lunch, beim Dinner, nach dem Frühstück, beim Tee, bei Mineralwasser, in Hausschuhen, am Telefon oder im Massagesessel. Robert Saunders ist sehr flexibel und stellt sich auf jeden der Gesprächspartner individuell ein. Es gibt normale Unterhaltungen, klare Frage-Antwort-Szenarien und gemeinsame Gebete. Je nachdem, wie sich das Gespräch entwickelt und was der Banker empfindet, dass von Jesus her gerade dran ist.

Viele dieser Meetings enden in klassischer Seelsorge, thematisieren die vielen Facetten von Misserfolg und familiärem Background oder hinterfragen die aktuelle Geschäftsstrategie.

Heute saß ich mit ihm auf einer Couch in Nikolassee und ließ ihn auf meine aktuellen Fragen zur unternehmerischen Ausrichtung schauen. Ich hatte eine Prophetie dabei, die uns als Familie vor eineinhalb Jahren zugesprochen wurde und in vielen Punkten bereits eingetroffen war. Von kompetenter Stelle ließ ich bestimmte geschäftliche Entscheidungswege validieren und war erleichtert, dass die gemachten Fehler letztlich in einen Optimierungsprozess eingemündet waren.

Vieles war für Robert Saunders nachvollziehbar. Betriebswirtschaftliche Zusammenhänge oder Mitarbeiterprofile mussten nicht weiter erläutert werden. Kurze Schlagworte reichten aus, um auf der gleichen Verständnisebene effektiv das Gespräch fortzusetzen. Er stellte herausfordernde Fragen und gab mit eindringlichem Blick Handlungsempfehlungen. Wenn er nicht sicher war, ob ich den finalen Punkt verstanden hatte, ließ er es noch einmal von Joe Hartung (FBG) erklären. Wenn wir beide falsch lagen, erklärte er seine Gedanken noch einmal mit anderen Worten. Wir kommunizierten auf Englisch.

Am Ende zeigte er sich zuversichtlich, dass die neue Richtung Erfolg versprechend sei. Ich solle lediglich nicht zu viel Zeit mit Nachdenken verbringen, da mir das wertvolle Lebenszeit raube, die ich besser in die Entwicklung des Unternehmens stecken könne.

Nach zwei Stunden meldete sich der Kalender. Es stand ein Telefontermin an und danach Lunch mit einem Hamburger. Mit Hamburger ist in diesem Fall ein Norddeutscher gemeint und nicht das mögliche Angebot auf der Speisekarte.

Greift man das Bild des Dreibeinhockers von #MDGC16 auf, stellen die Coachings mit Robert Saunders eine praktische Umsetzung dar. Christen im Beruf brauchen geistliche und seelsorgerliche Unterstützung, um das Reich Gottes außerhalb der Gemeinde bauen zu können.

Sonntag, 13. November 2016

Familienkonferenz

Auf unserer Eltern-Kind-Kur im Sauerland hatten wir viele gute Anregungen für den Familien-Alltag bekommen. Eine davon war die Etablierung einer Familienkonferenz.



Schon während unserer Kur im Juli kauften wir in der nächst größeren Stadt ein dickeres Notizbuch im A4-Format. Damit wurde der greifbare Grundstein für die Einführung der Familienkonferenz gelegt. In einem der Erziehungsseminare hatte die Referentin von ihren guten Erfahrungen mit der Familienkonferenz berichtet. Sie hatte deutlich mehr Kinder im Haushalt und konnte mit diesem Instrument ein geeignetes Podium schaffen, bei dem alle Akteure der Familie gleichberechtigt zu Wort kommen und Entscheidungen gemeinsam getroffen werden.

Wir legten einen wöchentlichen Turnus fest, den wir seit dem sechsten August mehr oder weniger konsequent eingehalten haben. Bei vier Personen lassen sich die Aufgaben sehr gut verteilen. Im Rotationsprinzip bedienen wir folgende Arbeitsbereiche:

1) Agenda und Leitung
2) Protokoll
3) Catering (Tisch decken und für Essen, Trinken, Knabbereien sorgen)
4) Aufräumen (Tisch abräumen und Ausgangszustand des Zimmers wieder herstellen)

Der nächste Termin und die Aufgabenverteilung werden am Ende jeder Konferenz festgelegt und in das Buch geschrieben. So kann man im Zweifelsfall immer wieder nachschlagen und auch der Papa kann sich nicht vor dem Catering drücken.

Am sechsten November, also drei Monate nach Start, fand die elfte Familienkonferenz statt. Das spricht schon einmal für die Regelmäßigkeit. Meine Frau war für Agenda und Leitung zuständig, die Kinder für Catering und Aufräumen und ich für das Protokoll. Nach einer Gebetsrunde mit aktuellen Themen kamen wir zu TOP2: "Gottesdienste". Es wurde der Vorschlag unterbreitet, dass wir jetzt ein bis dreimal im Monat zu Saddleback fahren, da der SYM Saddleback Youth Ministry wohl gut zu unseren Teenagern passe. Auch die Predigten hatten bisher immer einen wertvollen und im Alltag umsetzbaren Inhalt. Deshalb stimmte ich zu, obwohl sich noch diverse weitere Gemeinden auf der Church-Checker-Agenda befinden.

Es ging dann noch um eine E-Ukulele, die Handbrems-Reparatur bei unserem Volvo, die vielen Termine der bevorstehenden Woche, den Lehrersprechtag und das Taschengeld. Wenn die Diskussion hitziger wurde oder in humoristische Exkurse abglitt, nutzen wir eine Art Erzählstein, so dass immer nur ein Familienmitglied zur gleichen Zeit reden durfte. Auf diese Weise wurde jeder gehört und wir entwickelten gemeinsam einen Konsens.

Nach über einer Stunde war die Agenda mit insgesamt acht Punkten durchthematisiert. Sonstige Tagesordnungspunkte gab es diesmal nicht. Abschließend konnten wir den Termin und die Aufgaben für die nächste Familienkonferenz festlegen.

Heute jedenfalls besuchen wir, wie in der elften Konferenz festgelegt, wieder die Saddleback Church in der Kalkscheune.

Dienstag, 8. November 2016

Pick a Communion Set

Formen und Bedeutung des Abendmahls unterscheiden sich in den christlichen Denominationen und Konfessionen teilweise deutlich voneinander. Es geht sogar so weit, dass Christen ausgeschlossen werden, wenn sie einer anderen Gemeinde angehören oder nicht im passenden Alter getauft wurden.



Schon als Kind steckte mir meine Mutter heimlich etwas Weißbrot zu, das zusammen mit einem Metallkelch durch die Reihen unserer damaligen Baptistengemeinde ging. Ich ließ es auf der Zunge zergehen, war mir dessen Bedeutung jedoch nur theoretisch bewusst. Immerhin wurden ja dazu die sogenannten Einsetzungsworte aus dem elften Kapitel des ersten Korintherbriefes gelesen.

Erst viele Jahre später las ich Römer 5 und 6 sowie Kol 2,12 und verstand die Bedeutung des stellvertretenden Sterbens und Auferstehens von Jesus und was das mit mir zu tun hat.

Gemäß der Passage aus dem Vaterunser "vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern" wurde beim Abendmahl immer ein starker Fokus auf die Reflexion und das Vergeben von Schuld gelegt, die andere verursacht hatten oder wo ich selbst Fehler gemacht hatte. Das ist zwar durchaus sinnvoll, allerdings geht der Text aus 1. Kor 11,17-34 in eine andere Richtung.

1. Korinther 11, 17 - 34

Die Verse 17 bis 22 beschäftigen sich zunächst mit der fehlenden Einheit in der Gemeinde. Einige füllen sich beizeiten mit leckerem Essen und ordentlich Wein ab, während andere erschöpft von der Arbeit kommen und dann kaum noch etwas zum Essen vorfinden. Ähnliche Tendenzen sind bisweilen auch heute noch in Gemeinden mit kulinarischem Gemeinschaftsteil zu beobachten. Das kann jedoch in der Regel mit einem symbolischen Kostenbeitrag kanalisiert werden.

Ab Vers 23 stellt Paulus noch einmal den Sinn des Abendmahls dar, geht ab Vers 27 auf die Folgen der "unwürdigen" Teilnahme ein und schließt in den Versen 33 und 34 den Bogen zur gemeindlichen Einheit.

Schuldig und unwürdig

In Gemeinden, die einen latenten Wert auf die Nachhaltigkeit der Schuldgefühle ihrer Mitglieder legen, wird die Unwürdigkeit immer auf das mehr oder weniger beladene Gewissen der Teilnehmer abzielen. In solchen Konstrukten könnte theoretisch niemand das Abendmahl einnehmen, da alle Anwesenden ja irgendwie ständig unwürdig sind.

Einheit, Vertragsabschluss und das Reden darüber

Vers 24 beinhaltet drei Stichworte: Bruch, Körper, Erinnerung. Wenn also die Gemeinde das zerteilte Brot isst, verschmilzt sie wieder zu dieser Einheit des Körpers Jesu. Kein Wunder also, dass es in Kapitel 12 gleich mit den unterschiedlichen Begabungen weitergeht, die sich zu einem funktionierenden Ganzen zusammen fügen (siehe insbesondere 1. Kor 12,12).

Vers 25 spricht vom Kelch als Symbol für den neuen Vertrag (Neues Testament), den Jesus mit seinem Blut unterschrieben hat. Wann immer die Gemeinde davon trinkt, erinnert sie an diesen Vertragsabschluss.

Das Abendmahl ist demnach eine Aktion, die mit mehreren Personen und auf gleichberechtigter Ebene stattfindet. Ein klarer Erinnerungsfokus liegt auf Jesus und was er für die Menschheit getan hat. Vers 26 redet davon, dass mit dem "Mahl des Herrn" dessen Tod und Wiederkunft verkündet wird.

Fauxpas

Bei einer unserer Besuche in der katholischen Kirche war uns nicht bewusst, dass wir dort nicht zum Abendmahl zugelassen sind und stellten uns brav in die Reihe. Wir bekamen auch die Oblate, da wir formal unsere Vorgänger kopierten. Wein oder Traubensaft gab es nicht. In einer der nächsten katholischen Gemeinden wurde uns vorab seitens des Priesters mitgeteilt, dass wir besser nicht am Abendmahl teilnehmen sollten. So blieben wir während dieses liturgischen Elementes sitzen.

Pick a Communion Set

Beim Abschlussabend der New Yorker Movement Day Conference war ich schon eine Stunde vor Beginn im Saal, da wir eine Einweisung als Fahnenträger bekommen sollten. Als ich an einem prall gefüllten Korb vorbeieilte, rief eine schwarze Mitarbeiterin hinter mir her: "Pick a Communion Set"! Was bitte? "Pick a Communion Set", wiederholte sie freundlich, als ich scharf abbremste und zurück kam.

Pick a Communion Set #MDGC16
Pick a Communion Set - Abendmahl beim Movement Day Global Cities #MDGC16

Vorsichtig beäugte ich den Inhalt des Korbes. Es waren viele kleine Plastikbecher mit roter Flüssigkeit, wie man sie aus unseren Gemeinden kennt. An der Oberseite waren die Becher zugeschweißt. Im Deckel konnte man eine kleine gelbe Oblate erkennen, die durch die äußere Folie sichtbar war. Ich nahm solch ein Communion Set und steckte es in die Jackentasche.

Etwas schwierig wurde es jedoch, als der Zeitpunkt des Abendmahls gekommen war und die wissenden Amis ihre Sets öffneten. Ich zog vorsichtig an der Lasche. Der Lobpreis hallte durch den Saal. Die Österreicher neben mir hatten bereits die Oblate freigelegt. Der Deckel gab nach und ich konnte die rote Flüssigkeit ausbalancieren. Die Oblate steckte im Plastikdeckel. Was tun? Entgegen der Reihenfolge des Korinthertextes trank ich zuerst den Saft, betete darüber und widmete mich dann der Freilegung der Hostie. Die Österreicher neben mir gaben Tipps und halfen letztlich bei der Entnahme. Endlich konnte auch ich Teil des internationalen Leibes aus etwa 3.000 anwesenden Bestandteilen werden.

Wein oder Saft

Seit etwa dreißig Jahren wird in vielen Gemeinden Saft statt Wein verwendet und mit der Anwesenheit eventuell trockener Alkoholiker begründet. Auch der Kelch wird nur noch selten durch die Reihen gegeben. Das hat wohl hygienische Gründe, wobei Metallbecher immer noch hygienischer sind als kunstgewerbliche Steingutkelche.

In einigen jüngeren Gemeinden erlebten wir, dass neben Saft auch wieder Wein gereicht wurde, so dass bei Bedarf entsprechend der biblischen Grundlagen getrunken werden kann. Nur einmal nahmen wir an einem Abendmahl teil, wo oranger Fruchtsaft in den großen Kelch gefüllt worden war. Jemand hatte den roten Traubensaft vergessen.

Montag, 7. November 2016

Was machst du morgen um diese Zeit?

Beim Movement Day #MDGC16 wurde in einer Plenumsrunde ein Hocker mit drei Beinen zusammen geschraubt. Ein Bein symbolisierte übergemeindliche Organisationen und Werke, ein weiteres Bein stand für Christen im Berufsalltag und das dritte Bein für die lokale Gemeinde. Die Sitzfläche Verband die Teile zu einer stabilen Einheit.



Vor einigen Jahren hatte ich im Dünenhof die Predigt eines international bekannten Evangelisten gehört. Die Rede hatte einen roten Faden und war mit ordentlich viel Humor gewürzt. Ein brillanter Rhetoriker! Er hatte diverse Beispiele parat, die die Zuhörer bei der Stange hielten. Als wir das in unserer Gruppe reflektierten, fiel mir auf, dass ich die ganzen Beispiele schon kannte. Glyn Norman, unser erster Missionsleiter in der Jugendkirche Marzahn, hatte schon Mitte der 1990er von diesem Mann geschwärmt und genau dieselben Beispiele aus dessen Leben erzählt. Darauf stellte ich mir ernsthaft die Frage:

Erlebt der Mann inzwischen nichts mehr mit Gott?

Beim Movement Day Global Cities #MDGC16 gab es einige Panels und Seminare, die am Großteil der Teilnehmer vorbei gerauscht waren. Auf Nachfrage konnten sie sich nicht mehr daran erinnern.

So verpuffte die wertvolle Information, dass Social Media und Suchmaschinenoptimierung ein wichtiges Werkzeug moderner Gemeinden sind und von Google sogar mit einem AdGrants-Werbebudget über 10.000 Dollar pro Monat unterstützt werden können.

Ebenso wenig Beachtung fand die Sektoren übergreifende (cross sectoral) Diskussionsrunde mit dem dreibeinigen Hocker, einem Symbol für das Zusammenspiel von parakirchlichen Organisationen, Christen im säkularen Beruf und der lokalen Gemeinde.

Doppelleben in Gemeinde und Beruf

Genau an diesem Tag fanden auch zwei Seminare für Unternehmer und Christen im außergemeindlichen Berufsleben statt. Diese waren ebenfalls recht überschaubar besucht.

Es wurde deutlich, dass Christen oft ein Doppelleben von Gemeinde versus Alltag führen. Dieser Zustand werde dadurch gefördert, dass in der Gemeinde gelehrt werde, wie man der Gemeinde selbst diene, bete, Lobpreis mache oder andere geistliche Übungen verrichte. Die Ganzheit des christlichen Lebensstils, auch Jüngerschaft genannt, werde jedoch weitestgehend vernachlässigt. Pastoren verlieren je nach Programmhäufung den Kontakt zur Außenwelt und seien dann gar nicht mehr in der Lage, ihre Gemeindeleute für den Alltag fit zu machen.

Plötzlich tauchte der Pastor auf

Einer der wenigen anwesenden Pastoren verblüffte einmal sein Gemeindemitglied, als er auf einer säkularen Konferenz erschien und auch mal schauen wollte, was seine Leute so die Woche über beschäftigt. Das brachte Punkte und intensivierte die Relevanz des pastoralen Standings.

In einer Abschlussrunde mit den deutschen Teilnehmern der Konferenz setzte ich mich in die Gruppe der "Cross-Sectoralen", da ich ja zwei der Beine bediene. Ein Mann aus Stuttgart erzählte, dass in seiner Gemeinde jeden Sonntag jemand auf die Bühne geholt und gefragt werde:

"Was machst du morgen um diese Zeit? Wofür können wir beten?"

Teamleiter Axel Nehlsen fragte mich darauf, in welcher der achtundfünfzig bis Oktober besuchten Gemeinden mir solch eine konkrete Aussendung in die Arbeitswoche bereits begegnet sei. Irritiert stellte ich fest, dass mir ad hoc keine dazu einfiel.

Bei ICF Tempelhof, EFG Weißensee, Saddleback, Christus Kirche Mitte, Berlin Connect und einigen weiteren Gemeinden hatten die Predigten zwar einen starken Alltagsbezug, aber an eine konkrete Aussendung in die Arbeitswoche konnte ich mich nicht erinnern. Beim Christus Treff, der Kirche43 oder in der FCJG Lüdenscheid wurde zu Beginn des Gottesdienstes von den Erlebnissen der Woche erzählt, was schon der richtige Ansatz ist.

Ein gut funktionierendes Netz an Kleingruppen oder Zweierbeziehungen mit Fokus auf Jüngerschaft kann sicher sehr förderlich sein. Dennoch sollte diese große Sicht auf das Reich Gottes außerhalb der eigenen Räume ein Teil des gelebten Selbstverständnisses einer lokalen Gemeinde sein. Uns ist in den letzten fünfzehn Monaten immer wieder aufgefallen, dass viele wertvolle Kräfte innerhalb des Gemeindesystems gebunden sind und dann gar keine Kapazitäten mehr für den außergemeindlichen Bau des Reiches Gottes inklusive Kontakt zu nichtchristlichen Freunden zur Verfügung stehen.

Beim Gebetsabend des CVJM Kaulsdorf geht es regelmäßig um offene Türen bei befreundeten Nachbarn und Kollegen. Verblüfft stellen wir dann fest, wie diese Gebete erhört werden und sich Menschen sogar zwei Wochen vor dem Ableben nachweislich für Jesus entscheiden oder sehr komplexe Alltagssituationen von Gott gelöst werden.

Noch viel zu oft spreche ich das Wort "Gemeinde" aus, obwohl ich den "Leib Christi" als wesentlich größere Einheit erlebe. Nach vielen Gesprächen mit Pastoren und geistlichen Leitern in den letzten Wochen gewöhne ich mir so langsam den Begriff "Reich Gottes" an.

In diesem Zusammenhang sei auf das Buch "97 Prozent" von Roger Fraser verwiesen, worin es um die Berufung zum Bau des Reiches Gottes außerhalb der Gemeinde geht.

Erhart Zeiser von der ChristusKirche Mitte brachte das cross-sectorale Umdenken als Pastor und ehemaliger Manager sehr gut auf den Punkt:

"Ich sehe mich als Unterstützer der Profis."

Sonntag, 6. November 2016

Psalm 23 @SaddlebackBLN

Während meine Tochter und ich krank zu Hause blieben, fuhren die übrigen Familienmitglieder in die City zu Saddleback. Wegen der starken Präsenz an Bekannten aus Marzahn, besuchten sie die Predigt mit Simultanübersetzung. Diese bediente ein Thema, dass sie bereits eine Woche vorher in der EFG Cantianstraße gehört hatten.



Auch diesen Sonntag ging es um Schafe und Hirten, allerdings nicht mit der Suche des Schafes sondern ganz klassisch mit Psalm 23.

Kann man noch Neues über Psalm 23 predigen? So, dass man bis zum Ende zuhören kann? Der Psalm den ich in Luther-Version schon in der Jungschar auswendig gelernt habe?

Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf grüner Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquickt meine Seele
und führet mich auf rechter Straße um Seines Namens Willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück.
Denn Du bist bei mir,
Dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feine.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Ja man kann, denn in dieser hektischen Zeit ist es immer wieder gut erinnert zu werden an Urlaub für die Seele. "Wie Deine Seele zur Ruhe kommt" war die Überschrift von Tom Holladays Predigt.

Bemerkenswert an dieser Predigt war das Tempo, mit dem sie vorgetragen wurde. Es war so enorm, dass sich Pastor Dave Schnitter von Saddleback Berlin hinterher für die extrem schnell gesprochene deutsche Übersetzung entschuldigte.

Bemerkenswert war aber auch die Berlin-getreue Übertragung der Beispiele. Ich nehme nicht an, dass der Pastor aus der Hauptgemeinde in Kalifornien um die Neckereien von Berlinern und Spandauern weiß. Nichtsdestotrotz kam in der Predigt vor, dass manche Berliner annehmen, dass es in Spandau nur einen Ikea gibt. Ich weiß es inzwischen besser, es gibt auch eine sehr sehenswerte Zitadelle, aber das nur am Rande.

Nicht zuletzt war auch der Inhalt (be)merkenswert. Du bist nur ein (manchmal dummes) Schaf, also verlass dich auf Gott, deinen Hirten. Das Gras ist auf der anderen Wiese nur von weitem grüner. Vertraue auf Gottes Erfrischung. Genieße es, wenn du Überfluss hast und freue dich daran. Folge Gottes Weg. Erinnere dich daran, dass Gott bei dir ist. Er wird durch Schutz und Zurechtweisung trösten. Sei dankbar für alles, was Gott gibt. Es gibt Feinde und dunkle Täler, aber Gott deckt uns den Tisch. Schau auf das, was ewig bleibt.

Ja, innehalten fällt mir oft schwer. Ich renne rum und mache dies und das. Aber die Rückbesinnung auf meinen guten Hirten, Jesus Christus, wird meine Seele nachhaltig für die nächsten Herausforderungen erfrischen. Danke, Tom Holladay, für diese Erinnerung an den guten alten Psalm.

Autorin: Frau des Church Checkers

Samstag, 5. November 2016

Frauentag in der EFG Tempelhof mit Werten und Wahrheit

Als meine Frau die Einladung für den Frauentag bekam, war nicht die Frage, ob sie dort hinfahre. Vielmehr überlegte sie, wem sie mit den stets guten Impulsen solcher Frauentage in diesem Jahr etwas Gutes tun könne, indem sie sie dazu mitnehme. Hier der Bericht meiner Frau zu Werten, Wahrheit und einem Frauentag in der EFG Tempelhof:


 
Zum diesjährigen Frauentag, der wie jedes Jahr durch ein Organisationsteam, unter anderem mit Moderatorin Birgit Lutter, einberufen wurde, fuhr ich nun also mit Mutter und Schwiegermutter. Veranstaltungsort war baulich bedingt dieses Jahr nicht in der FEG Schöneberg, sondern in der EFG Tempelhof. Vernetzung praktisch zwischen Brüdern und Baptisten, und die Gastfreundschaft war großartig.

Pünktlich um 10 ging es nach einem Aufwärmkaffee mit einigen Liedern des Dankens und Lobens los. Das war ein kräftiger Gesang, aber ganz ungewohnt nur mit Sopran- und Altstimmen. Klar, wir befanden uns auf einem Frauentag.

Unsere Referentin, Esther Schneider aus der EFG Wiedenest machte ganz plastisch deutlich, wie sich das Thema "Lebenswert" ganz praktisch auf den Alltag auswirkt. Beispielsweise, welche Werte wir im Umgang miteinander haben, wenn wir in der Schlange an der Kasse einen Vordrängler erleben. Wird der Vordrängler übel beschimpft oder nur dumm angeguckt? Sind wir es gar selbst, die vordrängeln? Und so ziehen sich unsere "Lebenswerte" in alle Alltagsbereiche, nicht nur bei riesigen Entscheidungsbergen.

Frei nach dem Motto ihres Gemeindekollegen "Stellt die Stangen auf, heute ist Frauentag", durften wir ganz offiziell unser eigenes Wertealphabet nicht nur für uns selbst durchbuchstabieren, sondern auch unseren Nachbarinnen zugackern, ähm mitteilen. Bei mir stand der Wert der Ehrlichkeit ganz weit oben und passte somit auch sehr gut zum Nachmittagsreferat mit dem Titel "Wahrheit".

Referentin Esther entfaltete noch so manchen guten Gedanken. Was macht ein Leben lebenswert? Wie wird man würdevoll alt? Wie können wir für gute Werte aufstehen? Mit solchen Fragen und deren teilweise ambivalenten Antworten gingen wir in die Mittagspause, wo wir uns ein wertvolles Essen mit Puffern, Nudelauflauf und Joghurt einverleiben durften.

Danach gab es vier Seminare und wir bekamen Anregungen zum Thema Bibellesen, Loslassen, Engel basteln oder konnten das Referatsthema vom Vormittag weiter vertiefen.

Der Nachmittag brachte mit Referentin Esther Schneider noch einige Stichworte zu "Gottes Wahrheit in meinem Leben". Dabei stellte Esther anhand eines Suchbildes heraus, dass die Wahrnehmung sehr unterschiedlich sein kann (jeder kennt bestimmt das Bild mit der alten Frau und dem jungen Mädchen in einer Zeichnung). Anhand von Johannes 8,31 wurde festgestellt, dass Jesu Jünger sein, an Seinem Wort der Wahrheit festhalten letztlich dazu führen wird, dass die Wahrheit frei machen wird. Nun stellt sich die Frage, was die Wahrheit in der jeweiligen Situation ist. Wie ist Gottes Perspektive dabei? Wie können wir wahrhaftig miteinander umgehen?

Und was hilft? "Oh komm du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein!" Na denn!

Mit diesem schönen Ohrwurm schließe ich den diesjährigen Bericht vom Frauentag. Nächstes Jahr bin ich bestimmt wieder dabei und kann mir ja jetzt schon überlegen, wem ich damit Gutes tun kann.
 
Autorin: Frau des Church Checkers

Freitag, 4. November 2016

Gemeinde ohne Gebet und 10 typische Folgen

Es soll Pastoren geben, die eine Gemeinde anhand von Bibelstellen davon zu überzeugen suchen, dass Gebet gerade nicht(!) dran ist. Ein Grund könnte die Angst vor dem Reden Gottes sein, das nicht immer mit den individuellen Vorstellungen harmoniert. Beim internationalen Gebetsabend in der Brooklin Tabernacle Church wurde uns das "Prayer Global Magazine" übergeben, worin sich ein interessanter Artikel zu diesem Thema befand.



Der nachfolgende Text ist eine freie Übersetzung des Originalartikels von Bishop Joseph Mattera, welcher bei Mattera Missions International nachzulesen ist. Der Text in der Printausgabe des "Prayer Global Magazine" (1st edition, October 2016, Seiten 42/43) weicht ohnehin in einigen Formulierungen von der Internetversion ab. Deshalb wurde hier auf eine sinngemäße Wiedergabe geachtet.

Joseph Mattera schreibt:

Als Pastor war ich über 34 Jahre in viele lokale, regionale oder nationale Gebetsinitiativen involviert. Gott hatte mir sehr deutlich gezeigt, dass es die erste Priorität eines Leiters ist, Zeit vor und mit Ihm im Gebet zu verbringen, bevor wir zum eigentlichen Dienst starten können (Mk 3,14). Der Apostel Paulus wirbt mit Nachdruck dafür, dass alle Gläubigen beständig im Gebet bleiben (1.Thes 5,17). Trotz alledem gibt es jede Menge Gemeinden, in denen kein regelmäßiges Gebet stattfindet. In letzter Konsequenz ergibt sich trotz vieler durchaus umfangreicher Programme eine gefährliche Lücke.

Folgende 10 Probleme ergeben sich, wenn das Gebet in der Gemeinde vernachlässigt wird:

1) Es zeigt, dass die Leiter nicht beten

Gemeinden reflektieren die Prioritäten und den Lebensstil ihrer Gründer bzw. ihrer Leiter. Wenn die Hauptpriorität des Pastors das Suchen von Gottes Angesicht ist, wird sich das auf das Gebetsleben der ganzen Gemeinde durchschleifen. Wenn der Pastor selbst wenig oder gar nicht betet, wird die Gemeinde mit Strategien arbeiten, die nicht vom Heiligen Geist geleitet sind. Als sich Petrus in Apg 6,4-6 zwischen der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und Gebet entscheiden musste, entschied er sich für Gebet. Auch Mose wusste, dass die vertikale Sicht besser ist als die horizontale (Ex 18,19 oder Ex 33,13+18). Die grundsätzliche Frage ist doch, wie wir Gott bekannt machen wollen, wenn wir Ihn gar nicht persönlich kennen?

2) Unfähigkeit zu hören, was der Heilige Geist sagt

Wenn eine Gemeinde nicht betet, verpasst sie den Moment, in dem sie von Jesus aufgesucht wird (Kairos in Lk 19,44). Gemeinden und Leiter, die nicht regelmäßig im Gebet auf Gott warten, bekommen nicht mit, was Er ihnen zu sagen hat. Paulus und Barnabas wären gemäß Apg 13,1-2 niemals ausgesendet worden, wenn es kein Gebetstreffen gegeben hätte.

3) Wahre Einheit fehlt

Die Kraft der ersten Gemeinde bestand in der besonderen Einheit der Kerngruppe (Apg 2,44 und Apg 4,32-33). Wie funktionierte das? Im ersten Kapitel der Apg lesen wir, dass einhundertzwanzig Jünger für zehn Tage in einem Raum zusammensaßen und im Gebet auf Gott warteten. Das Pfingstereignis hätte gar nicht in dieser Form stattfinden können, wenn dem nicht diese besondere Zeit des Gebetes und der Einheit vorausgegangen wäre. Gemäß Joh 17,20-23 ist die Einheit der Gemeinde ein Indikator für ihre Echtheit und damit eine wichtige Voraussetzung, dass Menschen zum Glauben an Jesus finden.

4) Kaum göttliches Eingreifen in schwierige Situationen

Die Bibel ist voll von Berichten über Gottes Eingreifen in schwierige Situationen. Der Prophet Hesekiel bemerkte, dass das Land zerstört werde, weil niemand in die Lücke getreten sei (Ez 20,30-31). Aaron stand zwischen den Lebenden und den Toten mit Weihrauch, was eine Metapher für das Gebet ist, und konnte damit die Plage in der Wüste abwenden. Es gibt so viele Beispiele von Gottes Eingreifen in der Bibel, dass man diese hier gar nicht alle aufzählen kann. Gerade in der Apg lesen wir oft von Gottes Eingreifen als direkte Folge von Gebet. In Apg 4,31 wird die Gemeinde mit Mut zum Reden über Jesus ausgestattet, in Apg 10,4-5 sendet Gott während der Gebetszeit einen Engel zum Centurio und in Apg 13,1-2 werden Paulus und Barnabas im Rahmen einer Gebetsversammlung ausgesendet. Das heißt, dass eine Gemeinde ohne regelmäßiges Gebet einen erheblichen Mangel an Gottes Eingreifen in das Alltagsgeschehen erlebt.

5) Arbeitsbereiche dümpeln dahin

Die Bibel lehrt uns, dass wir stark im Herrn und in der Kraft Seiner Stärke sein sollen (Eph 6,10-13). In Jes 40,31 lesen wir, dass wir auf den Herrn warten sollen, damit Er unsere Kraft erneuert. Ohne Gebet im Kämmerlein und in der Gruppe können Gemeindemitglieder schnell ausbrennen und sind dann nicht mehr fähig, das Reich Gottes zu bauen.

6) Oberflächliches Wissen über Gott

Hosea lehrt uns, dass wir Gott unbedingt kennen lernen sollen (Hos 6,3) und dass ein Volk dadurch zugrunde geht, dass es Gott nicht oder nur oberflächlich kennt (Hos 4,6). Ohne regelmäßiges Bibellesen und Kommunikation mit Gott wird die Erkenntnis von Gottes Wegen oberflächlich und man handelt sich so einige vermeidbare Probleme ein. Während die ständig wankenden Israeliten nur die Taten Gottes kannten, waren Mose Gottes Wege und Ziele bekannt (Ps 103,7).

7) Gemeindemitglieder werden nicht zu Jüngern

Ich habe bisher keinen Menschen erlebt, der begeistert von Jesus war und dabei kein robustes Gebetsleben hatte. Deshalb können in einer Gemeinde nur dann reife Jünger entstehen, wenn regelmäßig und gemeinsam gebetet wird. Auch habe ich noch nie einen Menschen vom Glauben abfallen gesehen, der ein intensives Gebetsleben pflegt. Wer jung ist im Glauben kann Beten nicht aus der Theorie lernen, sondern muss in die Praxis hineingenommen werden. Am besten geht das beim gemeinsamen Gebet.

8) Handlungsmuster des Feindes werden nicht erkannt

In Mt 26,41 sagt Jesus: "Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallt. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach". Dummerweise schlief Petrus ein, während Jesus im Garten betete. Dadurch lief er völlig unvorbereitet in das Verhör Jesu hinein und verleugnete letztlich sogar seinen Herrn. Ich habe es mehrfach erlebt, dass im Gebet Handlungsmuster und direkte Angriffe des Feindes offenbart wurden, die wiederum durch Gebet gestoppt werden konnten. Eine Gemeinde ohne Gebet ist ein gefundenes Fressen für Täuschungen und Versuchungen des Feindes.

9) Arbeit ist umsonst

Jesus sagt, dass Er die Gemeinde baut (Mt 16). Wenn also nicht gebetet wird, wird Jesus die Möglichkeit entzogen, die Gemeinde selbst zu leiten. Stattdessen muss sich die Gemeinde auf ihre begrenzte Sichtweise und menschliche Fähigkeiten verlassen. Wie auch immer, wenn Gott das Haus nicht baut, bauen die Arbeiter umsonst (Ps 127,1).

10) Gefährliche Lücke im Verteidigungssystem

Letztlich sagt der Apostel Paulus, dass die Schlüsselkomponente der Waffenrüstung Gottes das kontinuierliche Gebet füreinander ist (Eph 6,18). Eine nicht betende Gemeinde hat damit eine riesige ungeschützte Stelle in ihrem Verteidigungssystem, eine Lücke durch die sie leicht angreifbar wird.


Quellenangabe mit Verlinkung siehe oben