Dienstag, 8. November 2016

Pick a Communion Set

Formen und Bedeutung des Abendmahls unterscheiden sich in den christlichen Denominationen und Konfessionen teilweise deutlich voneinander. Es geht sogar so weit, dass Christen ausgeschlossen werden, wenn sie einer anderen Gemeinde angehören oder nicht im passenden Alter getauft wurden.



Schon als Kind steckte mir meine Mutter heimlich etwas Weißbrot zu, das zusammen mit einem Metallkelch durch die Reihen unserer damaligen Baptistengemeinde ging. Ich ließ es auf der Zunge zergehen, war mir dessen Bedeutung jedoch nur theoretisch bewusst. Immerhin wurden ja dazu die sogenannten Einsetzungsworte aus dem elften Kapitel des ersten Korintherbriefes gelesen.

Erst viele Jahre später las ich Römer 5 und 6 sowie Kol 2,12 und verstand die Bedeutung des stellvertretenden Sterbens und Auferstehens von Jesus und was das mit mir zu tun hat.

Gemäß der Passage aus dem Vaterunser "vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern" wurde beim Abendmahl immer ein starker Fokus auf die Reflexion und das Vergeben von Schuld gelegt, die andere verursacht hatten oder wo ich selbst Fehler gemacht hatte. Das ist zwar durchaus sinnvoll, allerdings geht der Text aus 1. Kor 11,17-34 in eine andere Richtung.

1. Korinther 11, 17 - 34

Die Verse 17 bis 22 beschäftigen sich zunächst mit der fehlenden Einheit in der Gemeinde. Einige füllen sich beizeiten mit leckerem Essen und ordentlich Wein ab, während andere erschöpft von der Arbeit kommen und dann kaum noch etwas zum Essen vorfinden. Ähnliche Tendenzen sind bisweilen auch heute noch in Gemeinden mit kulinarischem Gemeinschaftsteil zu beobachten. Das kann jedoch in der Regel mit einem symbolischen Kostenbeitrag kanalisiert werden.

Ab Vers 23 stellt Paulus noch einmal den Sinn des Abendmahls dar, geht ab Vers 27 auf die Folgen der "unwürdigen" Teilnahme ein und schließt in den Versen 33 und 34 den Bogen zur gemeindlichen Einheit.

Schuldig und unwürdig

In Gemeinden, die einen latenten Wert auf die Nachhaltigkeit der Schuldgefühle ihrer Mitglieder legen, wird die Unwürdigkeit immer auf das mehr oder weniger beladene Gewissen der Teilnehmer abzielen. In solchen Konstrukten könnte theoretisch niemand das Abendmahl einnehmen, da alle Anwesenden ja irgendwie ständig unwürdig sind.

Einheit, Vertragsabschluss und das Reden darüber

Vers 24 beinhaltet drei Stichworte: Bruch, Körper, Erinnerung. Wenn also die Gemeinde das zerteilte Brot isst, verschmilzt sie wieder zu dieser Einheit des Körpers Jesu. Kein Wunder also, dass es in Kapitel 12 gleich mit den unterschiedlichen Begabungen weitergeht, die sich zu einem funktionierenden Ganzen zusammen fügen (siehe insbesondere 1. Kor 12,12).

Vers 25 spricht vom Kelch als Symbol für den neuen Vertrag (Neues Testament), den Jesus mit seinem Blut unterschrieben hat. Wann immer die Gemeinde davon trinkt, erinnert sie an diesen Vertragsabschluss.

Das Abendmahl ist demnach eine Aktion, die mit mehreren Personen und auf gleichberechtigter Ebene stattfindet. Ein klarer Erinnerungsfokus liegt auf Jesus und was er für die Menschheit getan hat. Vers 26 redet davon, dass mit dem "Mahl des Herrn" dessen Tod und Wiederkunft verkündet wird.

Fauxpas

Bei einer unserer Besuche in der katholischen Kirche war uns nicht bewusst, dass wir dort nicht zum Abendmahl zugelassen sind und stellten uns brav in die Reihe. Wir bekamen auch die Oblate, da wir formal unsere Vorgänger kopierten. Wein oder Traubensaft gab es nicht. In einer der nächsten katholischen Gemeinden wurde uns vorab seitens des Priesters mitgeteilt, dass wir besser nicht am Abendmahl teilnehmen sollten. So blieben wir während dieses liturgischen Elementes sitzen.

Pick a Communion Set

Beim Abschlussabend der New Yorker Movement Day Conference war ich schon eine Stunde vor Beginn im Saal, da wir eine Einweisung als Fahnenträger bekommen sollten. Als ich an einem prall gefüllten Korb vorbeieilte, rief eine schwarze Mitarbeiterin hinter mir her: "Pick a Communion Set"! Was bitte? "Pick a Communion Set", wiederholte sie freundlich, als ich scharf abbremste und zurück kam.

Pick a Communion Set #MDGC16
Pick a Communion Set - Abendmahl beim Movement Day Global Cities #MDGC16

Vorsichtig beäugte ich den Inhalt des Korbes. Es waren viele kleine Plastikbecher mit roter Flüssigkeit, wie man sie aus unseren Gemeinden kennt. An der Oberseite waren die Becher zugeschweißt. Im Deckel konnte man eine kleine gelbe Oblate erkennen, die durch die äußere Folie sichtbar war. Ich nahm solch ein Communion Set und steckte es in die Jackentasche.

Etwas schwierig wurde es jedoch, als der Zeitpunkt des Abendmahls gekommen war und die wissenden Amis ihre Sets öffneten. Ich zog vorsichtig an der Lasche. Der Lobpreis hallte durch den Saal. Die Österreicher neben mir hatten bereits die Oblate freigelegt. Der Deckel gab nach und ich konnte die rote Flüssigkeit ausbalancieren. Die Oblate steckte im Plastikdeckel. Was tun? Entgegen der Reihenfolge des Korinthertextes trank ich zuerst den Saft, betete darüber und widmete mich dann der Freilegung der Hostie. Die Österreicher neben mir gaben Tipps und halfen letztlich bei der Entnahme. Endlich konnte auch ich Teil des internationalen Leibes aus etwa 3.000 anwesenden Bestandteilen werden.

Wein oder Saft

Seit etwa dreißig Jahren wird in vielen Gemeinden Saft statt Wein verwendet und mit der Anwesenheit eventuell trockener Alkoholiker begründet. Auch der Kelch wird nur noch selten durch die Reihen gegeben. Das hat wohl hygienische Gründe, wobei Metallbecher immer noch hygienischer sind als kunstgewerbliche Steingutkelche.

In einigen jüngeren Gemeinden erlebten wir, dass neben Saft auch wieder Wein gereicht wurde, so dass bei Bedarf entsprechend der biblischen Grundlagen getrunken werden kann. Nur einmal nahmen wir an einem Abendmahl teil, wo oranger Fruchtsaft in den großen Kelch gefüllt worden war. Jemand hatte den roten Traubensaft vergessen.