Reformationstag zusammen mit einer katholischen Gemeinde? Geht sowas überhaupt? In der Dorfkirche Marzahn sahen wir heute, wie das funktioniert.
Es begann um 17:45 Uhr. Acht Wellen morbide geschminkter Kinder fluteten durch unsere Straße. Näääääht, schrillte die Klingel. Ich war allein zu Hause und machte die Bürotür zu. Meine Familie nutzte den Eingang des Nachbarhauses und schlich sich über den Durchgang in der neunten Etage in unseren Aufgang. Erwischt! Überall totgeschminkte Kinder, die nach Süßigkeiten bettelten.
Im Familien-Chat der Großfamilie wurden Gruselvideos geteilt und mit entsprechenden Emojis kommentiert. Meine Schwiegermutter setzte ihren eigenen Akzent: "Damit kann ich mich nicht anfreunden, für mich ist heute Reformationstag". Zuvor hatte sie darum geworben, mit uns zusammen das Abendmahl in der Dorfkirche Marzahn einzunehmen. Das entsprach nicht ganz so unseren Vorstellungen. Dennoch kamen meine Frau und ich ihrem Wunsch nach.
Bereits an der Tür begegnete uns eine junge Frau in knallrotem Mantel. Soviel Frische hatte ich nicht erwartet. In der Kirche war es gut geheizt, aber nicht überheizt. In den Bänken saßen viele ältere Herrschaften. Wir platzierten uns auf einer der vorderen Reihen, damit meine Schwiegermutter gut hören konnte.
Es kamen weitere Besucher, auch jüngere Leute. Die Empore war voll. Der ökumenische Chor, bestehend aus evangelischen und katholischen Sängern, hatte sich auf diesen Abend gut vorbereitet. Geleitet wurde er vom Kantor der benachbarten katholischen Kirche. Die Beziehungen zwischen den beiden Gemeinden bestehen schon sehr lange. Immer wieder werden gegenseitig Räume zur Verfügung gestellt und Feste des Kirchenjahres gemeinsam zelebriert.
Der Gottesdienst zum Reformationstag lief mit einer umfangreichen Liturgie ab. Lieder von Paul Gerhard und anderen bekannten Kirchenmusikern wurden gesungen oder durch den Chor vorgetragen. Da Pfarrer Ludewig verhindert war, führte ein theologischer Mitarbeiter durch das Programm und hielt auch die Predigt.
In der Predigt ging es um den Galaterbrief mit der Kernaussage (Galater 5, 1): "Zur Freihat hat uns Christus befreit". Freiheit, die in Verantwortungsbewusstsein gelebt wird und uns entspannt das Richtige zur richtigen Zeit tun lässt. Im Mittelpunkt stand Jesus. Jesus war auch das Bindeglied des heutigen Abends für die katholischen und evangelischen Christen.
Dann sangen wir zusammen mit den Katholiken noch den Reformationsklassiker "Ein feste Burg", sprachen das Glaubensbekenntnis und nahmen gemeinsam das Abendmahl ein. Drei Sachverhalte, die normalerweise in dieser Form nicht üblich sind.
Bei den Ansagen erfuhren wir, dass das katholische Gemeindehaus zurzeit renoviert wird. deshalb nutzt die Gemeinde die evangelische Dorfkirche für ihre Gottesdienste und sonstigen Veranstaltungen. Auch das Martinsfest wird in diesem Jahr in der Dorfkirche stattfinden.