Mittwoch, 28. Juni 2017

Timbuktu - entschleunigte Realitäten ab FSK12

Wenn wir mal wieder zum Gottesdienst nach Lankwitz unterwegs sind, setzen wir gerne das Wort Timbuktu als Metapher für den Anfahrtsweg ein. Gibt es Timbuktu wirklich?



Dass es Bielefeld nicht gibt, hat sich in Berlin schon herumgesprochen. Eine mittlere Entfernung ins Nirgendwo, Mecklenburg Vorpommern beispielsweise, wird gerne als Fahrt nach Buxtehude bezeichnet. Wenn die Länge des Weges und die tatsächliche Ankunft am Zielort unkalkulierbar erscheinen, kommt Timbuktu ins Spiel.

Es gibt mehrere Dinge, die Zeitgenossen aus unserem Umfeld nicht wissen:

  • Timbuktu gibt es wirklich.
  • Timbuktu liegt am Niger.
  • Timbuktu liegt in Mali.
  • Timbuktu hat großen Stress mit islamistischem Terror.
  • Timbuktu wurde in den letzten Jahren stark zerstört.
  • Timbuktu war und ist Austragungsort eines großen jährlichen Musikfestivals.
  • Timbuktu ist nur mit hohen finanziellen und logistischen Anstrengungen zu erreichen.

Der letzte Punkt schließt dann wieder den Kreis zum Gebetsabend der FBG in Lichterfelde Ost.

Timbuktu - der Film

Seit 2014 gibt es sogar einen Film mit dem Titel Timbuktu. Die Länge des Films ist mit etwa 92 Minuten angegeben und fühlt sich deutlich länger an. Der Film ist sehr entschleunigt, überaus entschleunigt. Aber gerade in dieser Entschleunigung wird das Ausmaß der Herausforderungen der dort lebenden Menschen deutlich. Die Sinnlosigkeit und Brutalität der herrschenden Milizen zergeht langsam auf der Zunge und entfaltet dadurch eine ganz besondere Wirkung. Eine Wirkung, die ein Action-Streifen nie vermitteln könnte.

Doppelmoral, sinnfreie Regeln und Kontrollzwang

Die dargestellten Verhaltensmuster tangieren auch uns Mitteleuropäer. Wer christliche Gemeinden erlebt hat, die geistlichen Missbrauch praktizieren, wird typische Elemente wie Doppelmoral, sinnfreie Regeln und Kontrollzwang wiederentdecken. Hier im Mantel islamischer Gotteskrieger. Zweifel sind nicht erlaubt, Regeln sind nicht zu hinterfragen und Strafen sind unangemessen hoch.

Im Verlauf des Films füllt sich das Gefängnis von Timbuktu kontinuierlich. Das reale Fußballspiel wird durch Pantomime ohne Ball ersetzt und dann blendet die Kamera zu einer Steinigung wegen vermeintlichen Ehebruchs über. Und das alles sehr entschleunigt und so real ohne wirkliche Helden oder reißerische Befreiungsaktionen. Die Bilder wirken. Der allgegenwärtige feine Sand wird schon fast zum würzenden Salz bei der Aufnahme des Gesehenen.

Sand überall

In einem Logistik-Journal der Bundeswehr las ich, dass gerade der Sand eine hohe Herausforderung für Menschen und Material in Mali darstellt. Bei Regen pappt der Staub so fest zusammen, dass er in den Radkästen der Fahrzeuge zur scharfen Sichel wird, die die Reifen zerschneidet und andere Schäden anrichtet. Regnet es nicht, ist der Sand überall. "Und wenn ich sage überall, dann meine ich auch überall", erzählte mir in der letzten Woche ein Unteroffizier, der eigene Mali-Erfahrungen gesammelt hatte.

Der Film Timbuktu hatte in den Jahren 2014 und 2015 mehrere Preise abgeräumt. Zu Recht, wie ich meine.

Sonntag, 25. Juni 2017

Kreuzkirche Lankwitz

Die Kreuzkirche Lankwitz ist eine gesunde Gemeinde für alle Generationen mit einem guten Ruf über den Süden Berlins hinaus. Heute besuchten wir den Vormittags-Gottesdienst.



Ob bei Mavuno, den Nazarenern oder beim Kneipengottesdienst in Lankwitz - immer ist von der Kreuzkirche die Rede. Ein guter Ruf eilt ihr voraus. Aber Lankwitz? 10 Uhr? Einmal quer durch die Stadt mitten in der Nacht?

Ich hatte meine eigenen Vorstellungen von der Kreuzkirche: Großer roter Backsteinbau mit Kirchturm und überdimensioniertem Kirchenschiff. Als wir mit methodistischer Pünktlichkeit 15 Minuten vor Beginn in die sehr enge Zietenstraße einbogen, wurde ich eines Besseren belehrt. Die Kreuzkirche befindet sich auf dem Areal eines ehemaligen Dachdecker-Betriebes und nutzt einen flachen Gebäudekomplex, der in der Tat dunkelrot ist. Aber weder ein Kirchturm noch der erwartete Sakralbau.

Alleinstellungsmerkmal: Jugendgruppe

Wir wurden sehr freundlich begrüßt und betraten einen Raum, der etwa 400 Besucher fasst. Bühne und Taufbecken befanden sich an der Längsseite des Saales. Dadurch hatten die Besucher von allen Seiten einen guten Blick auf das Geschehen.

Uns fiel die breite Altersdurchmischung auf. Ein Alleinstellungsmerkmal der Kreuzkirche ist wohl, dass es hier eine Jugendgruppe gibt, offensichtlich sogar eine große. Dieser Altersbereich fehlt in vielen Gemeinden der Stadt oder ist so versippt, dass eine externe Erweiterung kaum möglich ist. Dann wurde ich Zeuge, wie unsere Kinder angesprochen und zum parallelen Jugend-Gottesdienst eingeladen wurden. Alles ohne Druck und sehr charmant. Sie wollten aber lieber bei uns bleiben.

Klassik und Moderne

Wir entdeckten erstaunlich viele Bekannte: Team.F, Internetmission, Leute aus unseren früheren Gemeinden. Die Atmosphäre, der Umgang der Besucher miteinander und das Altersspektrum vermittelten einen sehr gesunden Eindruck.

Der Gottesdienst enthielt traditionelle und moderne Elemente. Klassisches Orgelspiel und Lobpreis mit Schlagzeug wechselten sich ab. Wegen einer Konferenz bekamen wir gleich noch die neuesten Informationen aus dem Methodismus vermittelt. So wussten wir bisher nicht, dass die Pastoren wohl jedes Jahr wie Russisch Roulette verteilt werden und die Gemeinde regelmäßig aufatmet, wenn die zweieinhalb Pastoren noch ein Jahr bleiben dürfen. Das wäre mir zu aufregend.

Heute ist dieses Wort vor euren Ohren erfüllt.

Nach wenigen Liedern, der Kollekte und den Ansagen ging es relativ schnell zur Predigt über. Es ging um einen meiner Lieblingstexte aus Lukas 4: Jesus liest in der Synagoge von Nazareth aus Jesaja vor, setzt sich, alle gucken und "Heute ist dieses Wort vor euren Ohren erfüllt". Ein genialer Text mit erheblicher Tiefe. Pastor Frank Drutkowski stellte drei Fragen, die er in etwa vierzig Minuten entfaltete. Wir waren zu sechst erschienen. Bei der anschließenden Reflexion stellten wir erfreut fest, dass die Aufmerksamkeit bei jedem von uns an einer anderen Stelle ausgesetzt hatte. Dadurch konnten wir das Gesagte gemeinsam vervollständigen. Mich hatte insbesondere der Teil mit "Das ist doch Josefs Sohn?!" und der Entwicklung von Jesus als Kind zu Jesus als dem Gesalbten Gottes angesprochen.

Lobpreis, Kaffee und Kontakte

Nach der Predigt gab es noch ein Sahnehäubchen: Lobpreis mit bekannten Liedern und zwei Sängern in Personalunion mit Keyboarder und Drummer. Mal wieder eine der wenigen Lobpreiszeiten, in denen sich Gänsehaut über meine Arme breitete. Ich war fasziniert, wie nur zwei Musiker mit nur zwei Instrumenten solch eine Klangfülle in den Saal gießen konnten.

Nach Vaterunser und Segen versorgten wir uns mit Kaffee und tauchten in die Konversation mit den oben erwähnten Bekannten ein. Mehrfach wurde uns berichtet, dass es bei der Kreuzkirche sehr kompetente Seelsorge gäbe. Insgesamt alles sehr herzlich, hell und freundlich. Auch die Kaffee-Logistik funktionierte wie ein Schweizer Uhrwerk. Letztlich mussten wir uns von der Gemeinde losreißen und fühlten uns dabei ein wenig wie Paulus in Apostelgeschichte 20.

Auf dem Rückweg kamen wir an der EFG (Baptisten) und ICF Tempelhof vorbei. Dann ging es auf die Stadtautobahn. Die vielen Baustellen in der City wollten wir uns nicht antun. Zum Mittag gab es Eierkuchen und einen regen Austausch über die äußerst positiven Erfahrungen in der Kreuzkirche Lankwitz.

Sonntag, 18. Juni 2017

10 x Danke pro Tag verändert den Termin mit Gott

Der Ablauf des täglichen Termins mit Gott wurde durch einen Vorschlag meiner Tochter geändert. Sie drückte uns eine Herausforderung der ganz besonderen Art auf.



Jedes Wochenende freuen wir uns auf die Familienkonferenz. Die Aufgaben Catering, Agenda, Protokoll und Aufräumen rotieren. Bei der 37. Konferenz war meine Tochter mit der Agenda dran und hatte die Hoheit über Themen und Timing des Ablaufs.

Sie holte ihren Notiz-Zettel von Saddleback - ausgesprochen Zettel-Bäck - heraus. Rick Warren hatte wohl über den überfließenden Becher aus Psalm 23 Vers 5 gesprochen. "Ich habe hier eine Challenge für die nächste Woche". Jeder von uns sollte jeden Tag 10 Danksagungen aufschreiben.

Ich hatte schon etwas länger überlegt, wie ich mal ein wenig den eingefahrenen Ablauf meiner Morgenandacht umbauen kann.

Hörendes Frühgebet

Viele Monate hatte ich das Frühgebet praktiziert. Das war insbesondere für das Hören auf Gott effektiv. Eine Stunde vor dem normalen Wecksignal stieg ich aus dem Bett, schwankte ins Büro, machte die Tür zu und betete. Völlig im morgendlichen Delirium war ich gar nicht in der Lage, einen klaren eigenen Gedanken zu fassen. So konnte ich ungestört auf Gottes Reden achten und bekam sehr viele wertvolle Antworten und Hinweise auf die nächsten Schritte.

Gebet nach dem Frühstück

Etwa ein dreiviertel Jahr praktizierte ich das sehr erfolgreich und verlagerte den Zeitpunkt auf den Zeitraum nach dem Frühstück mit den Kindern. So ist das bis heute. Der Ablauf war fast zwei Jahre lang identisch: mindestens ein Bibelabschnitt oder Kapitel, Tür zu und Gebet.

Die Dank-Challenge meiner Tochter veränderte diesen Ablauf: A5-Zettel, Kugelschreiber und schon rauschten zehn Themen durch den Stift. Das ging ja schnell. Das besondere an der Dank-Herausforderung war, dass sich die Danksagungen nicht doppeln durften. So arbeitete ich mich systematisch vor:

10 x Danke pro Tag

Erst die Familie, dann die Familie und sachliches Drumherum, dann die berufliche Situation und die sagenhafte Versorgung, Jesus in mir und die vielen Freunde, innerer Frieden und geistliche Nahrung, Umgang und Bewertung von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft bis hin zum Loslassen können. Der siebte Tag beschäftigte sich mit Gemeinden, Taufen und der Fähigkeit, anderen Christen in schwierigen Situationen Trost zu spenden.

Nach dem Schreiben und Beten las ich den üblichen Abschnitt in der Bibel und stieg nach diesem Termin mit Gott ins Tagesgeschäft ein.

Streber und Motivator

Bei der 38. Familienkonferenz war ich für die Agenda zuständig und fragte nach den Erfahrungen mit dem 10er-Dank. Die Reaktionen waren unterschiedlich. Um der Aktion das Sahnehäubchen aufzusetzen, schlug ich den heutigen Morgen zwischen Frühstück und Gottesdienst zum Verlesen der Zettel vor. Als Streber fing ich an. Die Danksagungen für die Familienmitglieder taten auch ihnen gut, so dass auch die anderen Zettel herausgeholt und vorgelesen wurden.

Ob ich das in der nächsten Woche fortsetze, weiß ich noch nicht. Zumindest hatte der Wechsel im Ablauf den Termin mit Gott erfrischt. Hinzu kommt, dass ich schon wieder fast mit dem Neuen Testament durch bin und vor der üblichen Entscheidung stehe: Vollbibel, Neues Testament, Übersetzung, Sprache?

Freitag, 16. Juni 2017

Internetmission Berlin: 8-Jährige macht Party

Die Internetmission Berlin feierte heute ihren 8. Geburtstag. Es gab Rap, Falafel und viele neue Kontakte.



Pünktlich zum #Kirchentag war die neue Webseite der Internetmission Berlin mit ihrem Branding GottinBerlin.de an den Start gegangen. 14 Monate war konzipiert, layoutet, projektiert und programmiert worden. 14, eine durchaus biblische Zahl, die uns in Matthäus 1 Vers 17 gleich dreimal über den Weg läuft. 14 entspricht dem Zahlenwert des Namens David (דוד).

David, CIA und Push!

Soweit ich mich erinnere, war jedoch kein David anwesend. Dafür aber Sammelbegriffe aus dem 50er-Segment wie Thomas oder Matthias. Überhaupt war die heutige Party eher ein Event für die ganze Familie. Kleinkinder, Jugendliche, Best Ager und Greise saßen im Saal und lauschten den Klängen der CIA. Da die CIA zur Zeit kaum in den Schlagzeilen ist, ersetzte ich das Wort auf dem Liedblatt durch NSA. Ohnehin war CIA hier im Sinne von Christen in Aktion zu verstehen.

Die CIA machten eine ähnliche Musik wie TCM: Rap. Richtig cooler Rap! Hey Yoh - Push! Und das demografisch durchmischte Publikum setzte mit ihrem Push! ein. Push hier im Sinne von Pray until something happens! (Bete bis etwas passiert!) Ein cooler Satz, den man sich so ähnlich wie BMW - Bete mal wieder! - gut merken kann.

Jänsehaut, Dominicus und Smartphone

Jänsehaut konnte man beim Gesang der schwarzen Mädels von Mélodie du Ciel (Melodie des Himmels) bekommen. Sie sangen auf Französisch oder so. Zumindest gab es eine deutsche Übersetzung. Auch der katholische Pfarrer vor uns wippte mit. Bertram Tippelt leitet die Gemeinde St. Dominicus in Gropiusstadt. Er betrat die Bühne und redete völlig frei über Jesus, den Konjunktiv und darüber, was Jesus mit einem Smartphone gemacht hätte. In der Predigt erfuhren wir zudem, dass hoch qualifizierte Kirchenmusiker wie Hausmeister bezahlt werden. Das fand der Mann im Baumwolltalar nicht angemessen.

Falafel, Würstchen und Quizduell

Anschließend gab es das von den Anwesenden ersehnte Buffet. Heute mit Spezialitäten aus dem Nahen Osten wie Humus und Falafel. Es war sehr lecker und ich entdeckte kein Fleisch. Deshalb wurden wohl draußen noch Würstchen gegrillt. Insbesondere dieser Teil der Gott-in-Berlin-Party ist hervorragend für die Vernetzung in der Szene geeignet. Meine Frau wurde von mehreren Schlüsselpersonen auf die Strategien beim Quizduell angesprochen, während ich mich über neue Technologien der Mülltrennung in China und Pakistan unterhielt.

Webseite, Kneipe und die große Uhr

Mit einer großen Uhr wurde der dritte Teil des Abends eingeleitet. Die neue Webseite und die Arbeit der Internetmission sollten vorgestellt werden. Jeder Redner hatte maximal 5 Minuten - zumindest laut Plan. Im Durchschnitt blieb es bei einer Verdoppelung dieser Vorgabe, so dass tatsächlich um 22:00 Uhr mit einem Gebet abgeschlossen werden konnte.

Ungeplant blieben wir jedoch noch eine weitere Stunde vor Ort. Während emsig Flaschenkisten und andere Utensilien an uns vorbeigetragen wurden, nahmen wir uns Zeit für ein wichtiges Gespräch mit einer alten Bekannten.

Sonntag, 11. Juni 2017

Kirche des Nazareners in Steglitz

Die Kirche des Nazareners ist eine Gemeinde-Bewegung, die vor etwa 100 Jahren ihren Anfang nahm. Auf Empfehlung eines Nazarener-Protagonisten besuchten wir heute die Johannes-Gemeinde in Steglitz.



Was hat Johannes mit Nazareth zu tun? Bereits im ersten Kapitel des Johannes-Evangeliums wird gefragt, ob aus Nazareth etwas Gutes kommen könne. Jesus verbrachte seine Kindheit und Jugend in Nazareth. Deshalb wurde er Nazarener genannt. Auch die Moslems sprechen von Nazarenern, wenn sie Christen meinen.

Erweckung 1908

Die Kirche des Nazareners ist eine weltweite Bewegung, die ihre Wurzeln im Methodismus hat. Ihr Startpunkt kann auf die Erweckungsbewegung von 1908 in den USA datiert werden. Innerhalb von fünfzig Jahren hatten sich die Nazarener über verschiedene Länder verteilt und waren 1958 auch in Deutschland angekommen, zunächst in Frankfurt am Main.

In den 1990er Jahren galt es bei Jugendlichen in Berlin als trendy, die Gebetskonzerte der Nazarener zu besuchen. So gehört Musik auch heute noch zu den definierten Grundwerten:

  • Gemeinschaft mit viel Lobpreis
  • Bibel kennen lernen in Hauskreisen und Seminaren
  • Authentisch als Christ den Alltag meistern
  • Missionsprojekte unterstützen

Bible Belt Steglitz

Die heute besuchte Johannes-Gemeinde gehört zum Verband der Kirche des Nazareners. Im Umkreis von etwa 100 Metern treffen sich mindestens sechs weitere Gemeinden, darunter auch Powerhouse Ministries. Letztere nutzt die Räume der Nazarener, die jeden Samstag zusätzlich an eine arabische Gemeinde untervermietet sind. Wrangelstraße als "Bible Belt" von Berlin.

Ein besonderes Merkmal der Johannes-Gemeinde ist wohl die ausgesprochen herzliche Willkommenskultur und integrative Atmosphäre. Der Lobpreis ist entschleunigt. Die Liedtexte werden präzise auf der Leinwand eingeblendet. Der Gemeindesaal bietet Platz für rund 70 Personen. Heute waren etwa 50 Erwachsene mit mehreren Kindern erschienen. Als besonderes Highlight durften die Kinder die gesamte Lobpreiszeit bei den Eltern bleiben und gingen dann in ihr Programm. Jugendliche sahen wir keine.

Virale Wirkung nach Lukas 13

Statt Pastor Martin Wahl predigte ein Gast aus Alabama, der sich zurzeit um Flüchtlinge in Griechenland kümmert. Der Amerikaner Jacob hatte spontan das Thema Trinitatis (Drei-Einigkeit) gewechselt und war seinem Eindruck gefolgt, dass heute Lukas 13 dran sei. In den Versen 18 bis 21 geht es um das Reich Gottes im Vergleich mit dem Senfkorn und dem Sauerteig.

Ein oft gelesener und bekannter Text, aber mit vielen neuen Sichtweisen. So hatte ich mir bisher noch nie darüber Gedanken gemacht, dass der Sauerteig biblisch eher negativ belegt ist. Sauerteig galt damals als Metapher für Korruption und hatte auch beim Passah-Mahl nichts zu suchen. Soll das Reich Gottes also in Korruption bestehen? Nein, Jesus widmet die Bilder um und zeigt anhand dessen, dass menschliche Maßstäbe von rein und unrein eben nur menschliche Maßstäbe sind. Auch das Senfkorn galt als unrein und gehörte nicht in einen gepflegten Gemüsegarten. Zu viral breite es sich aus und sauge den anderen Nutzpflanzen die Nährstoffe ab. Eine sehr spannende Auslegung.

Als wir uns losgerissen hatten ...

Nach dem Segen strebten viele der Besucher dem Tisch mit Getränken und Kuchen entgegen. Andere kamen auf uns zu, so dass wir längere Zeit im Saal standen und über die IGA, die Nazarener und gemeinsame Bekannte redeten. Wir mussten uns regelrecht losreißen.

Das Auto war durch die pralle Sonne gut beheizt. Während der Hinweg nur 34 Minuten gedauert hatte, nahm der Rückweg fast eine Stunde in Anspruch. Das lag nicht an der Fahrrad-Sternfahrt, sondern an den unzähligen Baustellen in der Stadt.

Samstag, 3. Juni 2017

Bibel durchlesen in 3 Tagen

Ein Tag für Mose und Geschichtsbücher, ein Tag für Psalmen und Propheten und ein Tag für das Neue Testament sind möglich: Die Bibel in Kurznachrichten. In der letzten Woche hatte ich es getestet.



"Und Gott chillte" lautet der Titel der "Bibel in Kurznachrichten". Die drei Exemplare, die wir im Bücherzelt auf dem #Kirchentag fanden, waren alle in Folie verschweißt. Wir ließen eines der Bücher auspacken und schauten hinein: Tatsächlich waren auf den 332 Seiten alle Kapitel der Bibel zu finden, nur eben deutlich komprimierter als im Original. Das diente als Kaufgrund.

1.000 Kurznachrichten-Schreiber

Auf der Rückfahrt mit der Tram las ich das Vorwort: Das Bibel-Projekt wurde beim #Kirchentag 2009 ins Leben gerufen. Dazu segmentierten die Ideengeber eine Lutherbibel in 3.906 Teile und fanden etwa 1.000 Freiwillige, die sich auf das Schreiben von 3.906 Kurznachrichten einließen. Eine Aktion mit hohem didaktischen Wert und eine Motivation auch über den zugewiesenen Text hinaus das Wort Gottes zu lesen.

Bibel in Kurznachrichetn - Und Gott chillte
Bibel in Kurznachrichten - "Und Gott chillte"
Ein jugendlicher Teilnehmer sagte, dass er evangelisch, aber nicht gläubig sei. Das zeigt, wie unterschiedlich die Hintergründe der Übersetzer auf Twitter-Deutsch waren.

140 Zeichen auf Lutherdeutsch und Jugendsprache

Der Titel lässt einen ähnlich flapsigen Stil wie bei der Volxbibel vermuten. Dem ist aber nicht so. Nur wenige Passagen sind in Jugendsprache verfasst, andere melodisch, Lutherdeutsch oder nüchtern.

Die starke Komprimierung auf 140 Zeichen je Abschnitt ermöglicht einen sehr schnellen Gesamteindruck über biblische Bücher und einzelne Kapitel. Das Lesen der Langversion der Bibel kann es jedoch nicht ersetzen. Das Buch stellt eine wertvolle Ergänzung zur Einprägung des Gesamtkontextes dar. Namenslisten werden auf Formulierungen zusammengefasst wie: "Der Mensch pflanzt sich fort, immer und immer wieder" (1. Mose 5).

Besonders ermutigend sind die Psalmen. Diese sind auf den Umfang von 150 Kalenderblättchen im A7-Format reduziert.

Zeitformen und Überarbeitungsbedarf

Es liegt in der Natur dieses besonderen Projektes, dass einige sachliche Schnitzer enthalten sind, die sich im Neuen Testament mehren. Hinzu kommt der ständige Wechsel der Zeitformen, was insbesondere beim Einlesen ins Alte Testament gewöhnungsbedürftig ist.

Eine Überarbeitung auf diese beiden Punkte würde der Twitter-Bibel einen professionellen Schliff geben und diese auch für Bibel-affine FEG-Mitglieder interessant machen. Theologie-Studenten sollten sie bereits jetzt in ihre Bibliothek aufnehmen.

3 Tage, 4 Wochen, 7 Monate

Selbst-Tests zum Timing des Bibellesens haben ergeben, dass eine Vollbibel wie die Elberfelder nicht unter 7 Monaten durchzulesen ist. Das Alte Testament in einer anderen Sprache benötigt auch mehr als 7 Monate. Den kürzesten Durchlauf beim Neuen Testament hatte ich bei 4 Wochen registriert. Vorausgesetzt, man versteht und beachtet noch, was man da liest.

Donnerstag, 1. Juni 2017

Patriarch von Konstantinopel trifft den Bundespräsidenten

Orthodoxie ist für viele Deutsche ein Buch mit sieben Siegeln. Zurzeit bereist Bartholomaios I unser Land. Heute referierte er in der Konrad-Adenauer-Stiftung und besuchte anschließend den Bundespräsidenten.



Die Gold-Else am Großen Stern reflektierte die pralle Sonne. Schwerfällig wälzte sich der Verkehr um den Platz. Ich lief zur Konrad-Adenauer-Stiftung. Akribisch wurde die Gästeliste abgeglichen. Wer nicht im "Buch" gefunden wurde, musste am Rand warten.

Schwarz

Ich setzte mich in die Nähe des Rednerpultes. In der Mitte des Saales sah ich Schwarz: schwarze lange Gewänder, schwarze Hüte, schwarze Mützen, schwarze und graue Bärte. Über den Gewändern goldene Ketten mit großen goldenen und Stein-besetzten Broschen. Keine Rapper aus Brooklyn, sondern Metropoliten, Archimandriten und der Patriarch selbst.

Das Casting für eine Komplettverfilmung der Bibel mit Abraham, Petrus und anderen wäre hier schnell und erfolgreich abgeschlossen worden.

Erzbistum und EKBO

Im Saal saßen neben den Botschaftern von Griechenland, der Türkei und Zyperns auch der katholische Erzbischof Heiner Koch aus Berlin und sein evangelischer Kollege Markus Dröge von der EKBO. Ein breites Grinsen ging regelmäßig durch die Reihen, wenn in den Grußworten die "Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz" in der Langversion ausgesprochen wurde.

Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I in Berlin
Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I, in Berlin



Grüß Gott!

Bartholomaios begann seinen Vortrag über Menschenrechte mit einem schwungvollen "Grüß Gott". Er hatte in München drei Semester Deutsch gelernt und las seine Rede fließend auf Deutsch vor. Es sah so aus, als hatte er nur fünf Blätter in der Hand. Gelesene Seiten gruppierte er unter den flachen Stapel. So oft, wie er die Seiten wechselte, müssen es um die zwanzig Blätter gewesen sein.

Seine Kollegen in Schwarz genossen den Sekundenschlaf oder beschäftigten sich mit ihrem Smartphone. Erzbischof Koch wechselte Blicke mit dem Apostolischen Nuntius des Heiligen Stuhls, Erzbischof Nikola Eterović. Dann kam ein langes Wort und der Patriarch warf spontan ein: "Zu lang!" Lachen. Der Saal war wieder in die Realität des Vortrages geholt. "Wenn ich ein bisschen müde bin, Sie müssen viel müder sein", war sein verständnisvoller Kommentar zum Vortrag.

Menschenrechte

Obwohl der Vortrag über Menschenrechte etwa eine dreiviertel Stunde gedauert hatte, war er doch sehr interessant. Mir war gar nicht bewusst, dass nicht-christliche Religionen eine große Distanz zu Menschenrechten hegen, denn:

  • Menschenrechte seien westliches Kulturgut.
  • Menschenrechte tragen das Siegel des Christentums.
  • Menschenrechte schützen einen gefährlichen Individualismus.
  • Menschenrechte stehen für Säkularisierung und Anthropozentrik.
  • Menschenrechte verbünden sich mit dem Atheismus.
  • Menschenrechte widerstreben der Souveränität Gottes.

Kein Wunder also, dass Menschenrechte außerhalb der westlichen Welt abgelehnt und missachtet werden. Die Botschafter verzogen keine Miene.

Orthodoxie

Die Magna Charta der Orthodoxie sei eine "Kultur der Person". Selbstlose Liebe könne ungeahnte Kräfte freisetzen. Er nannte das die "Liturgische Diakonie", was im Sinne einer alltäglichen Liturgie nach der sonntäglichen Liturgie zu verstehen sei. Der Patriarch wurde sehr emotional, als er sagte, dass die "defensive Haltung gegenüber der Aufklärung endgültig überwunden" werden müsse. "Fehlentwicklungen" in der Orthodoxen Kirche sollten auf keinen Fall zur pauschalen Verurteilung dieser Konfession genutzt werden. Eine große Baustelle sei die Ethnozentrik.

Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I in Berlin
Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I, in Berlin
Ökumene

Bartholomaios hat viele Titel, so dass seine späteren Gesprächspartner im Schloss Bellevue erst einmal abklärten, wie sie ihn genau anzusprechen haben. "Seine Allheiligkeit Batholomaios I, Ökumenischer Patriarch von Konstantinopel" ist der volle Titel. Bei der offiziellen Anrede wird "Eure Allheiligkeit" verwendet, während die Bischöfe wie säkulare Botschafter mit "Eure Exzellenz" angesprochen werden.

Die Ökumene im Titel ist vergleichbar mit der Wortbedeutung von katholisch und erklärt den übergeordneten Anspruch auf die Definition der Rechtgläubigkeit. Zurzeit findet jedoch ein intensiver Austausch zwischen Othodoxen, Katholiken und Protestanten statt. Letztere sehen Ökumene als Gemeinschaft von Christen jedweder Konfession um das Zentrum Jesus Christus und die Bibel. So wurde es auf dem #Kirchentag ausgedrückt.

Der Patriarch im Schloss

Anschließend wurden die Herren in Schwarz mit schwarzen BMW 5er-Limousinen zum Bundespräsidenten ins Schloss Bellevue gefahren. Kein Ehrenposten, keine militärischen Ehren, kein roter Teppich. Dafür aber ein blauer Teppich und eine sehr familiäre Atmosphäre. Vier Kameraleute, ein Gästebuch und eine vertrauliche Unterredung mit Frank-Walter Steinmeier. Diese war nicht presseöffentlich.

Bei immer noch strahlendem Sonnenschein staute ich durch die Innenstadt nach Hause.