Sonntag, 28. Mai 2017

#Kirchentag: Abschluss-Gottesdienst in Wittenberg

Heute fand auf den Elbwiesen südlich von Wittenberg der Abschlussgottesdienst zum #Kirchentag statt. Unsere Schlafgäste aus England, der Bundespräsident und ich waren auch dort.



122 km mehr standen auf dem Tacho, als ich das Auto in einem Wohngebiet der Lutherstadt Wittenberg abstellte. Die überall angekündigten Park-Leitsysteme fehlten. Wir liefen nach Gefühl Richtung Elbe. Dabei durchquerten wir die Innenstadt mit den wichtigsten Luther-Gebäuden. Kurz vor der Elbe stellten wir fest, dass wir noch einen großen Umweg über eine Bahnbrücke zu absolvieren hätten.

30°C und eine Stunde Fußweg

Es dauerte eine volle Stunde vom Parkplatz bis zum Ziel: Umweg, Schleuse für den Sicherheits-Check, Ponton-Brücke, Eingang an der Südseite des Feldes. Letzteres bedeutete, dass wir einmal am Feld vorbei und dann innen wieder zurück laufen mussten. Solche Aktionen waren uns schon von der Messe vertraut. 30°C. Die ersten Sanitäter liefen mit Tragen über die Wiese.

#Kirchentag Abschlussgottesdienst Wittenberg Elbwiesen
#Kirchentag - Abschlussgottesdienst in Wittenberg auf den Elbwiesen
Ich verabschiedete mich von unseren englischen Schlafgästen und stapfte der Bühne entgegen. In der dritten Reihe fand ich noch einen Platz. Passend zu den vielen Sanitätern und Hitzschlag-Gefährdeten war Gesundheitsminister Gröhe bereits vor Ort. Er trug kein Sakko, aber Krawatte und einen orangen Schal. Kurz vor Beginn des Gottesdienstes gesellte sich Innenminister de Maizière dazu. Auch er war sehr sommerlich gekleidet.

Nach dem Vorbild des Neuen Testamentes saßen in den Blöcken direkt vor der Bühne nicht nur die Ersten aus Kirche und Staat, sondern auch Lahme, Blinde und Taube.

Gleich geht es los!

Ein letztes Statement vom Chef der koptischen Christen aus Ägypten. Dann eine kurze Pause; herzliche Umarmung des schwarz gekleideten Kopten mit Hermann Gröhe und anderen; freundliche Begrüßung eines katholischen Bischofs.

#Kirchentag Abschlussgottesdienst Wittenberg Elbwiesen
#Kirchentag - 1/7 der Bläser beim Abschlussgottesdienst in Wittenberg auf den Elbwiesen
Hinter der Bühne blinkten hunderte Blasinstrumente und stimmten "Nun jauchzt dem Herren, alle Welt" an. Gigantisch! Posaunen, Pauken - so ähnlich muss das im Himmel sein, wenn die Ankündigungen aus der Offenbarung greifbare Realität werden. Als ich noch über die Zukunft vor dem Thron Gottes sinnierte, schritt der Bundespräsident neben der Bühne entlang und ging zu seinem Platz im Nachbarblock. Auch seine Frau - Elke Büdenbender - und jede Menge Fotografen waren dabei.

Predigt auf Englisch über 1. Korinther 13, 12

Der Gottesdienst nahm seinen Lauf. Liturgie mit Liedern, Gebet, Lesung aus 1. Korinther 13, Glaubensbekenntnis und Kollekte bildeten den Auftakt. In der Predigt sollte es laut Programmheft um 1. Korinther 13, 12 gehen: "Von Angesicht zu Angesicht". Es predigte Erzbischof Thabo Makgoba von der Anglikanischen Kirche Südafrikas. Als Schwarzer sprach er Englisch mit afrikanischem Akzent. Wer kein Englisch verstand, konnte auf dem linken Screen deutsche Untertitel und eine Übersetzung in Gebärdensprache sehen. Die rechte Videowand stand für das unkommentierte Original zur Verfügung. Viele der aus "Bade-Würte-Berg" stammenden Sitznachbarn konnten nur Deutsch.

So rauschte die Predigt an ihnen vorbei. An mir auch. Die Predigt hatte mit Martin Luther begonnen und lief über die allgemeine Ungerechtigkeit in der Welt in einem postulierten "I have a dream" aus.

#Kirchentag Abschlussgottesdienst Wittenberg Elbwiesen
#Kirchentag - Abschlussgottesdienst mit Abendmahl
Viel spannender war also das Drumherum. Dazu gehörten die immer wieder einsetzenden Bläser hinter der Bühne - wie schon erwähnt: Hunderte! Bewegend auch das gemeinsame Vaterunser, das gemeinsame Abendmahl und der Segen von EKD-Chef Bedford-Strohm im wehenden schwarzen Gewand. Die Sonne blitzte in das Kreuz über dem Talar und tauchte es in einen goldenen Glanz.

Einheit in Jesus Christus

Der Altar war eine Leihgabe des Deutschen Katholikentages. Überhaupt zeigten sich die katholischen Gastredner sehr erfreut über die guten Beziehungen zu den Protestanten. Das sei vor zehn Jahren noch nicht so selbstverständlich gewesen.

Frank-Walter Steinmeier begrüßte die Besucher mit "Liebe Schwestern und Brüder" und zeigte sich ebenfalls hoch erfreut darüber, dass die Christen unterschiedlicher Konfessionen und Denominationen auf einem guten Weg zur Bündelung ihrer Kräfte seien. Das solle weiter intensiviert werden. Der Bundespräsident war selbst viele Jahre lang aktiv an den Evangelischen Kirchentagen beteiligt. Ein katholischer Redner brachte es auf den Punkt: Uns verbindet die Einheit in Jesus Christus.

#Kirchentag Abschlussgottesdienst Wittenberg Elbwiesen
#Kirchentag - Abschlussgottesdienst mit Segen von Heinrich Bedford-Strohm
Gegen 14:00 Uhr nutzte ich den VIP-Ausgang neben der Bühne und wollte möglichst vor dem großen Abgang den Hot Spot verlassen. Immer noch um die 30°C und pralle Sonne. Vorbei an etwa zwanzig schwarzen Limousinen mit Blaulicht, vorbei am Pressezelt, vorbei an vielen Polizeiautos, durch einen hohen Gitterzaun, hinaus auf das freie Feld. Es dauerte etwa eine halbe Stunde, bis ich die Pontonbrücke passiert und die Strecke über die Bahnlinie absolviert hatte.

Das Auto war extrem aufgeheizt. Ich entfernte die Decke über dem Lenkrad und trat den Heimweg an. 29,5°C war neben dem Tacho abzulesen. Unsere britischen Gäste hatten noch eine Verabredung in Wittenberg. So fuhr ich die 122 km alleine mit aufgedrehter Musik nach Hause.

Donnerstag, 25. Mai 2017

#Kirchentag: Messe Berlin und City

Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag wartet mit vielen Veranstaltungen in Berlin, Wittenberg, Potsdam und Leipzig auf. Heute schauten wir uns auf dem Messegelände am Funkturm und am Alexanderplatz um.



Die Entscheidung für den öffentlichen Nahverkehr fiel heute leicht. Bequem erreichten wir die Nordseite des Messegeländes, liefen an schwer bewaffneten Polizisten vorbei, lehnten Flyer dubioser Gruppen ab und betraten das Palais am Funkturm. Hier, wo seit Jahren die goldenen Lolas an Filmschaffende vergeben werden und wilde After Show Partys toben, flatterten heute orange Schals und orange Fahnen mit großen runden Augen.

Wahrheit vor der Kamera

Wir steuerten die Bühne an und setzten uns in die dritte Reihe. Der Innenminister diskutierte vor laufenden Kameras des ZDF über Wahrheit. Thematisch entglitt das Ganze in Richtung Medienkompetenz, Shit Storm und juristische Optionen. Es wurde kontrovers diskutiert, enthielt aber für alle Teilnehmer des Panels wertvolle Impulse. Alle waren sich einig, dass gegenteilige Meinungen durchaus erwünscht seien, jedoch sollte der Diskurs in einer respektvollen Atmosphäre geführt werden.

#Kirchentag
#Kirchentag - Sitzplätze in den Messehallen
Leere, Pilgerweg und Seelsorge

Anschließend unternahmen wir den Versuch, uns systematisch von Nord nach Süd durch die Messehallen zu arbeiten. Die ersten Hallen waren etwas spartanisch eingerichtet. Hier und dort ein vereinzelter Stand, dann eine ganze Halle als Pilgerweg. Die übliche Optik schillernder Messebauten mit Jutebeuteln und Kugelschreibern begegnete uns nicht. Wir kauften zwei Pizzabrote und liefen weiter.

Eine ganze Halle für Seelsorge: Paarberatung, Einzelberatung, Gebetskabinen, Wartelisten. Interessant, woran beim Kirchentag gedacht worden war. Die Population wurde dichter. Immer mehr orange Schals und Beutel mit DEKT-Aufschrift kamen uns entgegen. Eine jung gebliebene Dame hatte sich einen grauen Hoodie im Kirchentags-Look zugelegt. Zwei großen Augen schauten mich von ihrem Rücken aus an.

Markt der Möglichkeiten

Wir näherten uns den eigentlichen Messeständen und fanden uns plötzlich in einem wilden Durcheinander wieder. Das heißt, über einigen Ständen waren Tafeln mit Kategorien angebracht. Allerdings erschloss sich die Zusammenstellung nicht wirklich unserer Logik.

Hier eine Israel-Ecke, dort Freizeitheime, hier Hospitalschiffe und dort die Bundespolizei; Bücher, Verlage, Bibelschulen, Missionsgesellschaften, Godly Play, Nagelkreuz-Verein, Verein der ostpreußischen Ostkirche und interreligiöse Stände. Dazwischen noch Aktionen gegen Menschenhandel, Podiumsdiskussionen, Pfadfinder, die Internetmission, die Christoffel Blindenmission, die Jesuiten, christliche Berufsperspektiven und World Vision.

#Kirchentag
#Kirchentag - Du siehst mich.
Mitglieder und Spender

So muss Luther Rom erlebt haben: Spende für Kaffee, Spende für den Verein, ein Euro für den bedruckten Radiergummi, eine Unterschrift gegen die Bundeswehr und hier noch das Formular zum Eintritt in einen Förderverein. Wären wir auf all diese Wünsche eingegangen, hätte uns das viel Geld gekostet und rein rechnerisch täglich zur Teilnahme an mehreren Jahreshauptversammlungen verpflichtet. Die Vielfalt ist schön und bunt, könnte aber sicher auch gebündelt und damit effizienter gestaltet werden.

"Christ und nicht hetero", lasen wir an einem Stand, der uns auf die Umwidmung des Regenbogens einstimmte. Beim nächsten Anbieter mussten wir erst einmal schauen, in welchem Kontext der Regenbogen dort genutzt wurde. Aha, Holzspielzeug für Kinder. Überhaupt wirkten die Besucher wenig heterogen. Wer "kirchlich" ist, offenbart sich durch ein wesentliches Merkmal:

Die Brille.

Es muss ein Modell im dreistelligen Preissegment sein. Dazu graue oder weiße Haare. Frauen tragen das Haar maximal schulterlang und Männer zusätzlich einen kurzen Bart. Sportliche Ökokleidung und gepflegtes Äußeres, kombiniert mit einem intelligenten Blick runden den homogenen Kirchgänger ab. Was wir bisher nur instinktiv kategorisiert hatten, notierte ich auf einem Zettel und evaluierte es im weiteren Verlauf des (Kirchen-)Tages.

#Kirchentag
#Kirchentag - Marienkirche am Alexanderplatz (Foto: Archiv 27.06.2017)
Alexanderplatz

Am Abend schauten wir uns mehrere Musikveranstaltungen rund um den Alexanderplatz an. Mit geschärftem Blick erkannten wir die DEKT-Teilnehmer auch ohne den markanten orangen Schal. Eine Band aus dem Libanon fiel jedoch durch das kulturell-ethnische Raster. Die Rocker hätten auch als Europäer oder Amerikaner durchgehen können. Fasziniert lauschten wir ihrer musikalischen Darbietung. Ein Schwarzer tanzte, Frauen mit Kopftüchern blieben stehen und EKD-Mitglieder offenbarten ihr Rhythmus-Gefühl.

Im benachbarten Bücherzelt kauften wir eine Twitter-Bibel. In der Marienkirche lauschten wir dem Konzert von Einheimischen und Geflüchteten: Klassik auf höchstem Niveau aus einem Mix europäischer und nahöstlicher Klänge und Gesänge.

Auf dem Rückweg mit der Tram setzten sich zwei ältere Damen zu uns. Den Zweck ihres Berlin-Besuchs erkannten wir an den Brillen und den schulterlangen grauen Haaren.

Mittwoch, 24. Mai 2017

#Kirchentag: Eröffnungs-Gottesdienst am Reichstag

Sehen und gesehen werden bei der Eröffnung des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentages #DEKT. Wer und was war alles beim Gottesdienst am Reichstag und dem anschließenden Empfang beim Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU zu sehen?



Es muss schon eine charismatische Persönlichkeit sein, die mehrere tausend Erwachsene zu seltsamen Handbewegungen anstiftet: Eckart von Hirschhausen. Beim Gottesdienstes zur Eröffnung des #DEKT motivierte er die Teilnehmer, mit ihren Händen ein Fernrohr zu formen und einen beliebigen Punkt in der Umgebung zu fixieren. Ich ließ mein Fernrohr von der Ministerbank zum Dach der Bühne schweifen und blieb dort haften: ein Dach über vielen Christen aus vielen Gemeinden und Konfessionen.

Sehen und gesehen werden

Als Hagar in 1. Mose 16, 13 - frei übersetzt - "Du siehst mich" sagte, wusste sie noch nicht, dass 4.000 Jahre später ein Kirchentag unter diesem Motto stattfinden wird. Im Bereich vor der Bühne galt jedenfalls das "Sehen und gesehen werden". Wolfgang Thierse, Christian Wulff, Franz Josef Jung, Hermann Gröhe, Petra Pau, Thomas de Maizière und Norbert Lammert sahen sich und andere Personen in ihrem Umfeld. Dazu gehörten Eckart von Hirschhausen, Friede Springer, Martin Pepper und jede Menge unbekannter Kirchenvertreter, die sich alle kannten. Letzteres war daran zu erkennen, dass sie sich sehr herzlich grüßten, als sie sich sahen.

#Kirchentag Reichstag Eröffnungsgottesdienst
#Kirchentag - Eröffnungsgottesdienst vor dem Reichstag
Du siehst mich ab 18:00 Uhr

Der Gottesdienst vor dem Reichstag startete um 18:00 Uhr. Immer wieder schallten Klänge vom Parallel-Gottesdienst am Brandenburger Tor herüber. Die eigentliche Musik spielte aber hier auf dem Platz der Republik:

Die Zuschauer sahen und hörten unter anderem den Landesbischof Heiner Koch. Als Katholik machte er sich stark für die Zusammenarbeit von evangelischen und katholischen Christen in der Stadt. Es gebe mehr Christen in Berlin, als wir denken. Eine Aussage, die ich nach dem Besuch von weit über 70 Gemeinden bestätigen kann.

Sehr positiv wurde auch der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, aufgenommen. Ausgehend vom Nagelkreuz, das er sichtbar über seinem schwarzen Gewand trug, predigte er über Jesus und "Eine feste Burg ist unser Gott". Diesen Satz zitierte er mehrfach auf Deutsch. Der Rest wurde von der Bühne aus übersetzt.

Mit "Schwestern und Brüder" begrüßte Norbert Lammert die Gottesdienst-Besucher und redete davon, dass Christen sichtbar sein sollten - auch im Alltag. Überhaupt blieb der gesamte Gottesdienst am Thema "Sehen": Mitmenschen wahrnehmen, in die Augen sehen, etwas sehen, übersehen, herabsehen, Gott sehen, von Gott gesehen werden.

#Kirchentag Reichstag Eröffnungsgottesdienst
#Kirchentag - Eröffnungsgottesdienst vor dem Reichstag - Predigt des Erzbischofs von Canterbury
Ich sehe einen Parkplatz und die Kanzlerin

Als ich zum Auto zurückkam, sah ich ein Ticket: 10 Euro. Behutsam entfernte ich es und fuhr zur CDU-Bundesgeschäftsstelle. Das war gar nicht so einfach. Die City war weiträumig abgesperrt. Ich parkte am Großen Stern und lief die 600 Meter zum Konrad-Adenauer-Haus.

Dort sah ich weitere Bekannte: Angela Merkel, EKD-Chef Heinrich Bedford-Strohm, Erhart Zeiser und Allianz-Primus Ekkehart Vetter. Eckart von Hirschhausen und Norbert Lammert standen neben mir und folgten dem Grußwort der Kanzlerin, die sich über den wachsenden Mut zum Outen als Christ redete. Ursula von der Leyen sah ich nicht, dafür aber die Kirchentags-Präsidentin Christina Aus der Au. Die Schweizerin mit dem starken fränkischen Akzent hatte schon beim Gottesdienst einen sehr sympathischen Eindruck hinterlassen.

Wir sehen die zu spät Kommenden

Wegen der oben erwähnten Verkehrssituation kamen fast alle Altvorderen zu spät, also die Personen, die in der ersten Reihe neben der Kanzlerin und Peter Tauber sitzen durften. Peter Tauber hätte ich nach dem Gottesdienst am Reichstag fast eine Mitfahrgelegenheit angeboten. Sein nächstens Ziel war absehbar.

Auch Erzbischof Welby mit dem Nagelkreuz und Landesbischof Bedford-Strohm kamen zu spät. Bedford-Strohm ist dafür bekannt, seinen Halsschmuck auf den Anlass anzupassen. Statt eines Kreuzes trug er heute einen DEKT-Schal. Sein Grußwort war frei gesprochen und zeigte, dass er auch Latein kann: Dreimal wiederholte er mit den Worten "homo incurvatus in se ipsum", dass der Mensch verkrümmt in sich selbst sei. Diese Verkrümmung könne sich nicht nur in Sünde äußern, sondern auch in einem um sich selbst Drehen. Das gelte für Einzelpersonen und ganze Gemeinden. Applaus.

Siehe, ein D!

Immer wieder grüßten mich völlig unbekannte Leute. Einer davon raunte mir in vertraulichem Ton zu: "Essen gibt's oben". Oben wurden die Gäste mit belegten Broten, Wein, Bier und anderen Getränken versorgt. Gemeinsam mit Allianz-Chef Ekkehart Vetter wurde die Demokratie einer Belastungsprobe unterzogen. Wir lehnten uns gegen das zwei Meter hohe D des CDU-Schriftzuges. Es gab nach und rutschte Richtung Fenster. Wir stellten den Buchstaben an seinem ursprünglichen Ort und wechselten den geografischen Standpunkt.

Am Ende des Ganges wurden Eierkuchen gebacken. Ich bekam einen in Form des CDU-Schriftzuges. Sollte das mein Gewissen herausfordern? Keine Ahnung. Ich tauchte die drei Buchstaben in rote Fruchtsoße und verspeiste das D zum Schluss.

Apropos rote Fruchtsoße: Die Kanzlerin hatte den EKD-Ratsvorsitzenden trotz seiner politischen Orientierung sehr herzlich begrüßt und dann von der Kanzel aus bemerkt, dass sie die geschwisterliche Gemeinschaft über Parteigrenzen hinweg genieße. Am Promi-Tisch saß Angela Merkel dann jedoch neben dem Briten mit dem Nagelkreuz.

Sonntag, 21. Mai 2017

RESET Berlin sorgt für Updates in Friedenau

RESET Berlin ist ein Jahr jünger als unser Sohn und gehört zum Ecclesia-Verband, der wiederum ein Teil des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) ist. Heute besuchten wir den Gottesdienst im ehemaligen Computerladen an der Bundesallee.



Meine Winterräder hatte ich in der Nähe von RESET Berlin gekauft und stellte bei der Montage fest, dass die keine RDC-Sensoren haben. RDC-Sensoren messen den Luftdruck und melden ihn ans Cockpit. Gelbes Warnsymbol! Nach dem Einbau der Sensoren brauchten die Räder einen RESET.

Mit einem Reifendruck von 2,4 bis 2,7 Bar rollten wir heute auf die Location von RESET Berlin in der Bundesallee zu. Als wir den Eckladen mit der markanten Schrift sahen, bogen wir ab und fanden etwa hundert Meter weiter einen Parkplatz.

Cappuccino, Milchkaffee, Filterkaffee

Zum Konzept der Besucherführung gehört es, dass die Räume von der Nebenstraße aus betreten werden. Wir öffneten die Tür und standen sofort in einem kleinen Vorraum mit Theke. Die Dame dahinter fragte uns, was wir denn trinken möchten. "Kaffee", sagte ich und wurde durch die Gegenfrage sofort in einen Entscheidungsnotstand versetzt: Cappuccino, Milchkaffee, Filterkaffee und weitere Arten von Kaffee wurden genannt. Filterkaffee kannte ich. Den zapfte ich aus einer großen silbernen Kanne. Meine Frau ließ sich eines der anderen Getränke zubereiten.

Im Saal standen elf kleine Tische mit Barhockern. Der Raum hatte ein Fassungsvermögen von maximal siebzig Personen. Auf den Tischen standen Schälchen mit Kaffeebohnen und Teelichten.

Gemeinsames Essen

Der Gottesdienst bei RESET beginnt um 10:30 Uhr. Es gibt kein akademisches Viertel. Wer schon um zehn kommt, kann die halbe Stunde vorher zum Frühstücken und Netzwerken nutzen. Langsam-Esser dürfen während der Lobpreiszeit im Saal den Rest verzehren. Es gebe einmal im Monat auch ein Mitbring-Buffet, welches nach dem Gottesdienst verspeist werde. Kaffee-Atmosphäre und gemeinsames Essen ist ein wichtiges Merkmal von RESET.

Säule des Hauses und Säulen der Gemeinde

Wir kamen mit dem Pastor Jim Johnson, seiner Frau und einigen Leuten aus der Gemeinde ins Gespräch. Dann setzten wir uns an einen Tisch direkt vor der Bühne. Neben uns - also mitten im Raum - stand eine Säule. Sie muss wohl eine tragende Rolle für das darüber liegende Mietshaus spielen. Ansonsten wäre sie ein Fall für die nächste Baumaßnahme. Heute trug sie den Beamer, eine Kamera und die Verantwortung dafür, dass Tisch 9 nur akustisch dem Geschehen folgen konnte.

Apropos Säule: Die Gemeinde hat ein breit aufgestelltes Leitungsteam, das sogar Sprechstunden anbietet. Der Pastor ist also kein Alleinunterhalter. Er kann delegieren und die Mitglieder von RESET ihren Gaben gemäß agieren lassen.

Kurz vor Beginn stellte sich der Pastor mit den Akteuren zusammen und betete für den Gottesdienst. Es gab einen Werbeblock für Kleingruppen und eine längere Lobpreiszeit. Das Team mit zwei Gitarren und einem Keyboard war recht jung. Überhaupt gab es in der Gemeinde viele Mittzwanziger. Es wurde mehrfach betont, dass es sonst voller sei. Zwanzig Personen hätten heute noch gepasst.

Englisch, Deutsch und Römer

Pastor Jim predigte auf Englisch. Er wurde von der Bühne aus übersetzt, so dass wir das wichtige Thema doppelt hören konnten. Evangelium pur: Römer 6, 6-7 und weitere Bibelstellen untermalten die Folgen der Kreuzigung. Durch das Blut von Jesus seien die Sünden abgewaschen worden. Tod und Kreuz seien darüber hinaus ein Zeichen für neue Lebensqualität. Eine Lebensqualität, die nicht mehr vom "Selbst" bestimmt werde:

Gott an erster Stelle; Gott mit höchster Priorität; dann der Rest: Familie, Kinder, Eltern, Beruf, Träume. Das sei jedoch kein Freibrief für geistlich begründete Verantwortungslosigkeit. RESET der Denkmuster, RESET der Prioritäten, RESET der Entscheidungsgrundlagen.

Während der Predigt versuchten Frau und Sohn, den Kaffeebohnen aus der Deko ihren ursprünglichen Duft zu entlocken. Sie zerbröselten diese auf dem Tisch und streuten sie anschließend ins Teelicht. Als das nicht gelang, stellte ich die Bohnenschale an meine Ecke des Tisches und schirmte sie mit vier Tassen vom weiteren Zugriff durch die Familie ab. RESET!

UPDATE bei RESET

Im Zuge von Gebet und Segen wurde angesagt, dass in fünf Minuten das UPDATE beginne. UPDATE ist Englisch und bedeutet im Kontext von RESET: Gemeindeversammlung. Fünf Minuten sind ein sportliches Limit. Deshalb verließen wir schnell die Räume.

In der Nähe gab es nur zwei Restaurants. Deshalb fuhren wir nach Schöneberg-City und testeten dort einen Perser. In diesem Falle keinen Teppich, sondern ein Restaurant mit dem Namen Shayan. Da die Körbe für "das Opfer" nur Gemeinde-Leuten gereicht worden waren, reichte das Bargeld für fünf Mahlzeiten, zwei Mango-Lassis und drei Softdrinks.

Dienstag, 16. Mai 2017

Berlin Connect macht Sex zum Thema

Berlin Connect ist Teil der Hillsong Family. Zur Planung einer Familie gehört auch das Thema Sex. Heute Abend besuchten wir eines der Seminare aus der Themenreihe "God, Sex & Culture".



Nachdem ich nach einiger Zeit der Suche den Wagen irgendwo im Parkverbot abgestellt hatte, lief ich mit meinem Sohn zurück zur Brunnenstraße. "Wir sind hier die Ausländer", bemerkte er. Wedding.

Das Einhorn

Beim Studieren des Flyers zur Seminarreihe "God, Sex & Culture" hatte ich mich gefragt, ob "Unicorn" (Einhorn) bewusst als Veranstaltungsort ausgewählt wurde. Unicorn ist ein Co-Location Workspace, wie man ihn in dieser Gegend reichlich findet. Bereits am Eingang mussten wir dichte Trauben junger Leute passieren und landeten kurz darauf am Empfangstisch. Schnell waren wir über Eventbrite eingebucht, zahlten jeweils zehn Euro und bekamen einen kleinen B/C-Stempel auf den Arm.

Welcome Home

Alles sehr professionell. Dann tauchten wir in die gelebte Willkommenskultur ein. Die Leiterin des Welcome-Home-Teams kam auf uns zu. Andere Mitarbeiter der Gemeinde unterbrachen ihren emsigen Lauf und blieben für ein kurzes Gespräch stehen. So viele Namen konnten wir uns auf die Schnelle gar nicht merken. Zielgerichtet steuerte uns die Frau des Pastors an und holte auch ihren Mann dazu. Wir unterhielten uns über die Vernetzung in der Stadt und freuten uns an gemeinsamen Bekannten.

(en)large Learning

Es gab kein akademisches Viertel, statt dessen ein akademisches Halb. Gegen 19:30 Uhr wurden die Türen zum Saal geöffnet. Über hundert Wissbegierige im Durchschnittsalter von 25 fluteten den Raum. Dieser war anschließend fast bis auf den letzten Platz besetzt. "(en)large Learning" zieht einen großen Teil der Mitglieder und Freunde von Berlin Connect an.

Nach zwei mit Power vorgetragenen Hill-Songs startete die erste Lehreinheit. Sie wurde von Joyce Wilkinson eingeleitet, die von der Hochzeitsreise mit Mark, dem bärtigen B/C-Pastor, berichtete. Die Beiden gehen straff auf die Silberhochzeit zu und haben deshalb eine gewisse Kompetenz in Fragen von "Single, Ehe und Familie" oder "Baue göttliche Freundschaften und Beziehungen" oder wie heute "Sex & Sexualität - Warum geht Religion so negativ damit um?".

Die Inhalte des vermittelten Wissens, das maßgeblich von Mark Wilkinson vorgetragen wurde, können im Prinzip mit einem Satz zusammengefasst werden:

It's all about Jesus!

OK, in den zweieinhalb Stunden wurde das alles etwas detaillierter betrachtet, führte aber immer wieder auf die eine Kernaussage: Wenn die Beziehung zu Jesus maßgeblicher Bestandteil des eigenen Lebens ist, regelt sich der Rest fast von selbst. Wenn Jesus im Leben fehlt, wird dieser Platz von etwas anderem ausgefüllt, beispielsweise von Sex, Geld und ungesunden Beziehungen.

Sex sei die höchste Form von Vertrauens. Das solle nicht billig verspielt werden. Gott habe das so gewollt, als er den Menschen und damit auch die Möglichkeit zu dessen Vermehrung schuf. Mark ging sehr emotional auf Menschenhandel und Pornografie ein. Er erwähnte, dass über Sex vor der Ehe und Masturbation kaum etwas in der Bibel steht. Wenn es darin stehe, wäre immer noch die Frage, ob man sich daran halten wolle. Was gut ist und was schadet, ergebe sich aus der gelebten Beziehung zu Gott, die liebevoll, heilend und korrigierend auf uns einwirke.

Überhaupt klebte das Publikum an Marks Lippen und Bewegungen auf der Bühne. Der Mann ist rhetorisch hochgradig talentiert. Mit britischem Humor bringt er die Zuhörer zum Lachen und schaltet dann plötzlich auf Ernst um, so dass die Pointe sicher im Tor landet. "Amen", "Ja", waren die regelmäßigen Zustimmungen, die der Vortrag erregte.

Sein Wortschatz war so breit, dass wir nicht an allen Stellen lachen konnten: Wir kannten die Vokabeln einfach nicht. Mein Sohn und ich hatten wie üblich auf die Simultan-Übersetzung verzichtet. Diese wurde für mehrere Sprachen angeboten.

Pause mit Fritz und Abendmahl

Kurz vor dem Ende gab es eine kurze Pause. Wir kauften an der offiziellen Theke der Co-Location für sechs Euro eine Fritz-Cola und eine Rhabarber-Schorle. Am langen Holztisch, wo tagsüber die MacBooks der Kreativszene stehen, waren nun Bücher, Flyer und Utensilien für das Abendmahl aufgebaut. Drei junge Männer reichten sich Brot und Wein(?), während ich ein Buch zum Stehen bringen wollte, das ich kurz zuvor von einem Stapel genommen hatte. Es klappte nicht. Wir wechselten den Standort.

Immer wieder wurden wir angesprochen: spanisch, englisch, deutsch. Namen über Namen, die wir teilweise noch nie gehört hatten. Alles connected in Berlin und wir als Exoten mittendrin: Berliner in zweiter und dritter Generation.

Gemeinde connected

Gegen zehn war das Seminar zu Ende. Unfassbar, dass solch ein großes Interesse an einem Gemeindeseminar besteht; mitten in der Woche und zehn Euro Eintritt. Beim Gehen erspähte ich noch einen Bekannten aus der internationalen Politikszene. Er bestätigte mir, dass gerade die Willkommenskultur und die integrative Atmosphäre bei Berlin Connect zur Entscheidung für diese Gemeinde geführt hatten.

Sonntag, 14. Mai 2017

Kleines Jota die Kraft es hat

Meister Yoda ist klein und grün. Das Jota ist klein und schwarz. Beim Lesen des 1. Korinther machte ich dazu eine interessante Entdeckung.



Es begann mit einem Jod, dem kleinsten Buchstaben des hebräischen Alphabets. Das Jod wird von Griechen, Römern und der Elberfelder als Jota bezeichnet und hat den Zahlenwert 10. Für die folgende Betrachtung ist das zwar egal, passt aber zur Bibelstelle: Vers 10 aus Kapitel 10 des 1. Korintherbriefes, also:

1. Kor 10, 10

Am Ende des Verses lesen wir: "Hamalacha Hamaschchith". Das erste Wort Hamalacha bedeutet "der Engel" und das zweite? Beim schnellen Lesen hatte ich den Wortstamm M-Sch-Ch-I erfasst und sofort an den Maschiach gedacht, den Gesalbten. Aber ein gesalbter Engel war für mich neu, zudem einer, in dessen Händen jemand stirbt. Deshalb beschäftigte mich der Vers bis zum Ende des Kapitels.

Hamalach Hamaschchith - Engel der Zerstörung
Hamalacha Hamaschchith - Engel der Zerstörung - Achtung! Hebräisch wird falschrum gelesen.
Dann kam ich noch einmal zurück ...

Zuerst schaute ich in andere Übersetzungen und dann ins Wörterbuch. Das Jota stand an einem anderen Platz als beim Wortstamm der Salbung: M-Sch-I-Ch. Es hatte mit dem Ch (Chet) getauscht. Am Ende war noch ein Th (Thaw) angehängt. Das Thaw wird im Hebräischen auch als angeklebter Du-Bezug genutzt, so dass ich es zunächst ausgeblendet hatte.

Der Terminator

Der Hamaschchith ist der Zerstörer, der Vernichter, der Terminator. Die Bundeswehr würde in Kombination mit dem Engel von einem "Neutralisator aus der dritten Dimension" reden. Der Text bezieht sich auf das 2. und 4. Buch Mose in denen jede Menge Israeliten als Folge ihrer Nörgelei gestorben waren, nämlich "in der Hand des Engels der Vernichtung".

Auch der lateinische Exterminator klingt gewaltig und erinnert an Arnold Schwarzenegger. Dieser ist ein aktuelles Beispiel dafür, dass ein Terminator auch auf dem politischen Parkett eine Führungsrolle übernehmen kann. In biblischer Zeit waren politische Ämter oft mit einer Salbung verbunden. Hier schließt sich der Bogen zwischen dem Terminator mit Jota hinter dem Ch und der Salbung mit Jota vor dem Ch.

Jota klein ist. Doch Wort und Sinn es ändern kann.

In diesem Wissen hatte Jesus wohl in der Bergpredigt (Matthäus 5, 18) gerade das Jota als nachhaltigen Bestandteil des Gesetzes erwähnt. Klein, stark, schwarz bildet es den Anfangsbuchstaben des Gottesnamens (JHWH). Es stellt den ersten Buchstabe im Namen Jesus (JSchUA) und den dritten Buchstaben bei MSchICh - pardon Maschiach.

Selbst der kleine grüne Meister Yoda trägt im Hebräischen ein Jota als Anfangsbuchstaben (JWDH). So könnte das Nachsinnen über das nahöstliche I weiter fortgesetzt werden und einen umfangreichen Exkurs zu Interconnect, iPhone, Internet und ICF lostreten. Das würde hier aber den Rahmen sprengen.

Gesalbter versus Terminator

Sprengen ist übrigens für den Terminator nichts besonderes, für den Gesalbten schon:

  • Der Terminator nutzt dazu Granaten und Dynamit, worin mehrere Jotas enthalten sind (RIMON, DINMIT).
  • Der Maschiach sprengt statt dessen mit Blut (DaM, ein Wort ohne Jota), und zwar mit seinem eigenen.
  • Der Maschchith ist auf Zerstörung und Tod aus.
  • Der Gesalbte bringt Heilung und Leben.

Wenn sich eine Handgranate entfaltet, fliegen etwa 5.600 kleine Metallkügelchen im Radius von 25 Metern durch die Gegend. Es ist dann zweckmäßig, nicht in der Nähe zu sein.

Statt dessen ist es jedoch ratsam, die Nähe von Jesus zu suchen. Jesus, der das Jota am Anfang seines Namens und in der Mitte seines Titels trägt.

Statt 5.600 kleiner Kugeln hatten sich die ersten Christen, die Meschichiim, schnell über den Globus verteilt. Schon in den ersten Wochen hatten sich mal 3.000 Menschen, mal 5.000 Menschen für eine Beziehung zu Jesus entschieden. Jesus war nach seiner Auferstehung und nach 1. Kor 15, 6 fünfhundert Personen gleichzeitig erschienen und begegnet auch heute noch seinen Freunden oder denen, die es werden sollen.

Donnerstag, 11. Mai 2017

Presserecht betrifft auch Gemeinden

Presserecht geht nicht nur Presseleute etwas an. Auch Gemeinden veröffentlichen Galerien, Predigten und Informationen aus einer privaten Grauzone im Internet - oft ohne Abwägung möglicher Folgen.



Wie niedlich, wenn Max und Berta durch den Kinderraum krabbeln. Klick, das Foto für den Facebook-Kanal der Gemeinde ist im Kasten und kurz darauf schon hochgeladen. Ein Like kommt aus Amerika, einer von der Tante und die Gattin des Organisten teilt das Bild gleich noch auf Twitter. Der viralen Verbreitung steht nun nichts mehr im Wege.

Das Foto von Max und Berta Müller

Hier gibt es gleich mehrere Ansätze für juristische Konsequenzen: Es beginnt mit dem Recht am eigenen Bild. Max und Berta heißen mit Nachnamen zwar Müller, sind aber nicht mit dem Regierenden Bürgermeister Berlins verwandt. Deshalb stehen sie nicht als absolute oder relative Personen der Zeitgeschichte im Fokus der Öffentlichkeit. Auf dem Foto sind sie zentraler Punkt und deutlich erkennbar. Sie stellen also kein Beiwerk dar, etwa für die neue Plastik-Kinderküche mit Herd und Durchreiche oder zur Untermalung der Regalwände mit Godly-Play-Materialien.

Presserecht Michael Schmuck
Das neue Presserecht - Praxistipps für Journalisten - Michael Schmuck
 "Das neue Presserecht - Praxistipps für Journalisten" hatten wir bei einem Seminar der Evangelischen Allianz empfohlen bekommen.

Achtung! Das Buch ist schon wieder nicht fromm - aber nützlich.

Harter Lesestoff auf 211 Seiten

Der Autor, Michael Schmuck, ist Journalist und Anwalt. Auf heitere Weise versucht er dem Leser ein sehr trockenes Thema nahe zu bringen. Trotz all seiner Mühe brauchte ich drei Anläufe, bis ich die 211 Seiten endlich durchgelesen hatte. Zwischen den Anläufen lagen Wochen und Monate.

Sensibel werden für das Recht

Das Buch sensibilisiert für die Wahrung der Persönlichkeitsrechte fotografierter, zitierter und beschriebener Personen. Es geht auf die Meinungsfreiheit ein, beschäftigt sich mit Wahrheit und differenziert zwischen Vermutung, Verdacht, Tatsache und Gerücht.

Was darf zitiert werden? In welchem Umfang darf etwas zitiert werden? Welcher Name muss unter dem Artikel stehen? Wie sieht es mit der Kopie und dem "zu Eigen machen" fremder Inhalte aus? Alles Fragen, die das Buch ausführlich und mit Praxisbeispielen beantwortet. Wer sich eingehender mit einem Themenkomplex beschäftigen möchte, findet im Text die passenden Aktenzeichen zu den Gerichtsverhandlungen und Urteilen.

Auf der sicheren Seite ist im Prinzip jeder, der folgende Regeln beherzigt:
  1. Wahrheit
  2. keine Fotos von Privatpersonen
  3. keine Informationen aus dem Privatleben
  4. Wahrheit
Zum zweiten und dritten Punkt gibt es jede Menge Ausnahmen. Diese werden im Buch beschrieben. Zum ersten und vierten Punkt gibt es keine Ausnahmen. Es sei denn, es geht um einen Praxistest der Paragraphen 185 bis 187 des Strafgesetzbuches.

Widerruf und Streitereien

Das letzte Drittel des Buches informiert über die konkreten Folgen von Verstößen. Wie nutzt man den "Redaktionsschwanz", wie funktionieren eine Klarstellung, eine Distanzierung oder ein Widerruf. Die Sorry-Kasse der Redaktionen wird nur am Rande erwähnt. Diese steht für eventuelle Übertretungen des Gesetzes zur Verfügung. Weil Paparazzi und deren Verlage in Deutschland neuerdings zu empfindlichen Geldstrafen verurteilt werden, sind diese Kassen inzwischen leer und Paparazzi kaum noch unterwegs.

Apropos Geldstrafen: Im Gegensatz zum Schadenersatz, der sich auf klar zu beziffernden Sachschaden bezieht, gibt es noch das Schmerzensgeld. Bei Max und Berta Müller käme wohl letzteres zum Tragen.

Montag, 8. Mai 2017

12 Silben verkraftet der Leser

"Deutsch fürs Leben" ist ein Buch, das für einen Schreibstil sensibilisiert, der tatsächlich von Lesern gelesen wird: Schreiben für den Leser.



Hart ist die Erkenntnis eigener Defizite: Nach dem Lesen der 202 Seiten "Deutsch fürs Leben - Was die Schule zu Lehren vergaß" war ich die jüngsten Artikel in diesem Blog durchgegangen, hatte Sätze gekürzt und Passagen gestrichen. Schlimm, was ich den Lesern bisher zugemutet hatte.

Auch mit Ironie räumt Wolf Schneider, der Autor des Buches, auf. Kaum jemand verstehe Ironie und könne diese korrekt einordnen. Außer sie ist so überzeichnet, dass auch der humorloseste Leser diese sofort erkennt. Schade!

Deutsch fürs Leben Wolf Schneider
Deutsch fürs Leben - Wolf Schneider

Einen Teil des Buches hatte ich gelesen, als wir zwei Stunden bei "THE HAUS" anstanden. Die Textbeispiele und Pointen waren so gut, dass ich immer an den falschen Stellen gelacht hatte. Das heißt, ich lachte über das Gelesene, während meine Familie immer dann lachte, wenn es vor THE HAUS eine witzige Situation gab. Dazu gehörten die ständigen Nachfragen von Passanten, warum wir denn hier anstehen?

Wolf Schneider ist bei Journalisten geliebt und gefürchtet. Zwei Journalisten hatten mir dieses Buch empfohlen und glaubhaft versichert, dass sie die Erkenntnisse daraus mit Erfolg anwenden.

Schreiben für den Leser

Der Autor stellt 50 Regeln auf. Alle haben ein Ziel: Das Geschriebene soll auch gelesen werden, idealerweise sogar bis zum Ende des Textes. Die Regeln sind mit Positiv- und Negativbeispielen untermauert. Dadurch kann der Leser den Lehrstoff mundgerecht in sich aufnehmen. Der didaktische Wert des Buches ist nicht zu übersehen.

Immer wieder wird auf die Menge der Wörter und die Menge der Silben verwiesen. Das Kurzzeitgedächtnis eines durchschnittlichen Lesers könne nur 12 Silben erfassen. Bei kurzen Sätzen mit einsilbigen Wörtern könne die Information am kraftvollsten transportiert werden. Eine sehr gute Orientierungshilfe gebe die Bibel mit ihren kurzen und klaren Aussagen. Bei Zitaten aus den großen Tageszeitungen ist dem Autor jedoch eine Genugtuung beim Sezieren der endlosen Satzgebilde nachzuempfinden.

Nachdem ich mich von der ersten Schreibstarre erholt habe, werde ich das Gelernte wohl konsequent anwenden. Ich hatte mich ja auch so schon öfter gefreut, wenn völlig unbekannte Leser dieses Blogs bei einer persönlichen Begegnung ganze Sätze daraus zitieren konnten.

Samstag, 6. Mai 2017

Sohn Jonas interviewt Heinrich Bedford-Strohm

Heinrich Bedford-Strohm ist Ratsvorsitzender der EKD und auch im Rahmen des bevorstehenden Kirchentages immer wieder im Gespräch. Seine Persönlichkeit und theologischen Ansichten werden in einem etwa 200-seitigen Interview transparent.



Heinrich Bedford-Strohm hatten einige meiner Gesprächspartner erst zum Jahreswechsel wahrgenommen: Spiegel-Online hatte ihn bezüglich einer Dienstreise in die öffentliche Diskussion gebracht. Anschließend tauchte er im Zusammenhang mit Dynamissio und dem Kirchentag auf. Er ist bayerischer Landesbischof und Ratsvorsitzender der EKD.

Heinrich Bedford-Strohm?

Um die Ansichten des Mannes aus dem Süden kennen zu lernen, bestellte ich das Buch "Wer's glaubt, wird selig". Darin führt Sohn Jonas ein Interview mit seinem Vater Heinrich.

Titel und Umschlaggestaltung lassen auf ein Mittel zur Insomnie-Behandlung schließen. Dennoch kann man die 192 Seiten flüssig in etwa acht Stunden durchlesen und lernt die beiden Autoren kennen. Der Frage-Antwort-Stil lockert den Inhalt auf. Dadurch sind Lesepausen jederzeit möglich.

Das Buch ist in acht Schwerpunkte unterteilt. Neben Glück, Spiritualität, Religionen und Tod werden auch die Basics Gott, Jesus, Bibel und Kirche behandelt.

Jonas und Heinrich Bedford-Strohm
Jonas & Heinrich Bedford-Strohm - Sohn interviewt Vater


Offen und ehrlich

Das Gespräch zwischen den Generationen wird offen, ehrlich und gelegentlich etwas provokativ geführt. Die Argumentationslinien sind schlüssig und vermitteln ein umfangreiches Bild über die Theologie des Vaters und die Lernziele des Sohnes. Der Leser erfährt, dass der Sohn durch einen längeren Aufenthalt in Südafrika geprägt wurde und der Vater als Doktor der Theologie schnell und kompetent auf kritische Themen antworten kann.

Glauben und Theologie

Ein Großteil der Amazon-Rezensenten bescheinigt dem Buch einen Mehrwert in Glaubensfragen. Es gibt aber auch Stimmen, die die Ansichten des EKD-Chefs als überholt einstufen. Für mich brachte das Buch keine neuen theologischen Erkenntnisse.

Die Jungfrauengeburt und den Schöpfungsbericht bewertet der Landesbischof durch eine historisch kritische Brille. An der Auferstehung von Jesus zweifelt er nicht. An vielen Stellen des Buches wird deutlich, dass er eine aktive Beziehung zu Jesus pflegt, regelmäßig betet und sich durch die Bibel korrigieren lässt. Das stellt einen gewissen Spagat zwischen moderner Theologie und Anspruch des Wortes Gottes dar. Er kann damit offensichtlich gut umgehen und ruht faktisch in seinem christlichen Glauben.

Bibel und Interessenten

Auch wenn der Ratsvorsitzende zum Bibelstudium die Verwendung mehrerer Übersetzungen oder gar des Urtextes rät, legt er die Latte sehr tief an. Es schimmert durch, dass er die Mitglieder seiner Kirche eher auf dem Niveau der Kinderbibel sieht. Er empfiehlt zunächst ein Vorlesen der bunten Light-Versionen im Beisein der lieben Kleinen. Wer mehr über die Bibel lernen wolle, könne Theologie studieren. So habe er es gemacht und auch sein Sohn.

Wegen der finanziellen Ausstattung der EKD sei es nicht dramatisch, dass immer weniger Zuhörer im Gottesdienst sitzen. Es gingen nach wie vor mehr Menschen am Sonntag in die Kirche als ins Fußball-Stadion. Die mediale Berichterstattung verfälsche dabei die Wahrnehmung. An der Gottesdienstform sei nicht zu rütteln. Kirchenferne Interessenten sollten sich auf die traditionellen Formen einstellen und im Laufe der Zeit von selbst deren Wert erkennen.

Armut und Dienstwagen

Vater Heinrich ist ein begeisterter Anhänger von Wertschätzung, Dialog und Gewaltlosigkeit. Auch gesellschaftlich benachteiligte Menschen oder Armut stehen in seinem Fokus. Das stützt er auf das Doppelgebot der Liebe zu Gott und den Mitmenschen.

Bei Kirchensteuer und Dienstwagen bohrt der Sohn nach. Beides beantwortet sein Vater ausführlich. Ob ein BMW 5er aus dem 200-PS-Segment als "dicke Limousine" zu bezeichnen ist, sei mal dahingestellt. Immerhin freut sich der bayerische Würdenträger daran, dass er einen Arbeitsplatz für den Fahrer schaffen und selbst effektiv die Reisezeit nutzen könne. In regelmäßigen Bewertungen kirchlicher Amtsfahrzeuge schneidet Bedford-Strohm seit mehreren Jahren als ökologisches Vorbild ab.

Zu Macht und deren Missbrauch werden im Buch vorrangig Beispiele aus Südafrika, der NS-Zeit oder der christlichen Mission gebracht. Die evangelische Kirche stehe heute im aktiven Gespräch mit ihren Mitarbeitern und Mitgliedern. Missstände gehe man schnell und auf Konsens orientiert an. Eine ermutigende Aussage, deren Umsetzung wir an dieser Stelle nicht evaluieren können.

Islam und Homophobie

Einige Themen scheinen Jonas besonders wichtig zu sein. Dabei verwandelt er seine Position als Fragesteller schon fast in die eines Ko-Referenten. Sehr emotional wird er bei Homophobie, Islamkritik und christlichem Fundamentalismus. Dem Grundtenor des Buches folgend ist damit wohl das freikirchliche Parallel-Universum gemeint.

Homosexualität müsse laut Vater Heinrich im historischen Kontext bewertet werden. Dieser sei heute nicht mehr gegeben.

Der von Wertschätzung geprägte Gedankenaustausch mit dem Islam ändere nichts am christlichen Selbstwertgefühl des Landesbischofs. Beim Lesen des Korans habe er nach den ersten Suren den Eindruck gewonnen, "das Werk eines Propheten zu lesen". Er formuliert Absichtserklärungen zum Diskurs mit islamischen Wissenschaftlern und Imamen. Auf diesem Wege sollten "die gewaltfreien Traditionen des Korans wiederentdeckt werden". Ein sportliches Ziel, das eine historisch kritische Herangehensweise an eine Religion voraussetzt, die keine Epoche der Aufklärung durchlaufen hatte.

Glück und Segen

Beachtlich fand ich das Kapitel über Glück. Darin nähert sich Bedford-Strohm von einer sehr persönlichen Seite der Standardfrage an: "Warum lässt Gott das Leid zu?" Er hat wohl Römer 8 Vers 28 verinnerlicht und trägt die schweren Situationen des Lebens in der Kraft seiner Beziehung zu Jesus. Auch das Kapitel über Tod offenbart eine hohe seelsorgerliche Empathie und einen liebevollen Umgang mit Menschen, die in Lebenskrisen Hilfe bei ihm suchen.

Stilistisch gelungen fand ich den Ausklang des Buches, wo der Vater dem Sohn, die einzelnen Verse des Vaterunsers erklärt und dann das Buch mit "Amen" und einem kurzen Nachwort beschließt.