Vor zwei Jahren hatten wir den ersten Lockdown in Deutschland. Die Straßen waren leer und es konnte sich noch niemand so recht ausmalen, wie es weitergeht. Inzwischen schauen wir auf weitere Lockdowns und deren Auswirkungen zurück. Die Zeit ist nicht spurlos an den Gemeinden vorbeigegangen.
Kurz vor dem ersten Lockdown (ab 22. März 2020) hatten wir Hillsong Berlin besucht. Die Freude über den ersten Gottesdienst in der neuen Location war der Gemeinde anzumerken. In der Tat bietet der Westhafen einen niederschwelligen Zugang zu zeitgemäßen Gottesdiensten. Das galt auch für die Kalkscheune oder das Kino Colosseum.
Aber weder Hillsong, noch Saddleback, noch Die Kreative sind an diesen Standorten geblieben. Hillsong feiert seine Gottesdienste inzwischen in der Kreuzberger Besselstraße, einem eher unattraktiven Industriebau, der zuvor von Mosaik Berlin genutzt wurde. Mosaik Berlin ist während Corona in die Heeresbäckerei an der Spree gegenüber des Ostbahnhofs gezogen. Auch eine sehenswerte Party-Location. Die Kreative musste wegen der pandemiebedingten Insolvenzwelle das Colosseum verlassen und trifft sich nun An der Industriebahn in Weißensee.
Besonders viele Wechsel gab es bei Saddleback. Zum Jahreswechsel 2020 verließ Pastor Dave Schnitter die Gemeinde und ging zu Mosaik Berlin. Kurz darauf musste die Gemeinde die Kalkscheune verlassen, weil der Vermieter in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. So zog das Büro ins oberste Stockwerk des CVJM-Hauses in der Schöneberger Einemstraße. Gottesdienste wurden mit einer überschaubaren Personaldecke online gestaltet, so dass der Platz erst einmal ausreichte. Mit der Lockerung der Corona-Maßnahmen musste jedoch ein Ort für Offline-Gottesdienste gefunden werden. So zog die Gemeinde übergangsweise nach Tempelhof in die Malzfabrik. In dieser Zeit gab es weitere Wechsel in der Leitung und die Gemeinde zog nach Neukölln in ein weiß gekacheltes Industriegebäude.
Durch die vielen örtlichen und personellen Veränderungen ist derzeit ein hohes Transferaufkommen in den Berliner Gemeinden zu verzeichnen. Gerade wenn der Stil des Lobpreises, die Schwerpunkte der Predigten oder das soziale Gefüge der Mitglieder ähnlich sind, fällt es dem urbanen Christen leicht, die Gemeinde zu wechseln. Begünstigt wurde das auch durch den bequemen Zugang, sich über benachbarte Gemeinschaften zu informieren. Wenn nämlich der Livestream der eigenen Gemeinde gehakt hatte, wurde schnell mal auf den Gottesdienst einer anderen Gemeinde umgeschaltet oder sogar ins Ausland. Das ging uns auch so: Als einmal der Online-Gottesdienst bei Saddleback Berlin klemmte, haben wir eben zu Saddleback Hong Kong umgeschaltet, wo ebenfalls auf Englisch gepredigt wurde.
Überhaupt sind sämtliche Gottesdienste momentan gut besucht. Das liegt wohl daran, dass bezüglich der sozialen Offline-Kontakte einiges nachzuholen ist. Auf alle Fälle haben die vielen Live-Übertragungen dazu gedient, dass online-affine Gemeinden teilweise auf die doppelte Mitgliederzahl angewachsen sind. Aber auch etablierte Gemeinden mit zögerlicher medialer Darstellung haben durch Corona einen Innovationsschub bekommen und bedienen nun ungeplant den Missionsbefehl aus Matthäus 28.