Montag, 29. Februar 2016

Gesprächsforum Leben + Glauben

Das Gesprächsforum Leben + Glauben bietet eine gute Plattform zum Mitbringen von Freunden und Bekannten zu professionellen Vorträgen an einem neutralen gepflegten Ort außerhalb der Gemeinde. Die Themen werden mit niederschwelligen christlichen Inhalte vermittelt, so dass sich niemand überrumpelt fühlen muss.



Das Best Western in Steglitz ist sehr zentral gelegen. Direkt neben der Stadtautobahn verfügt es über ein großes Parkhaus und entsprechende Räumlichkeiten für Tagungen und Konferenzen. Die Außenoptik des Hotels erregt zwar einige Skepsis, aber diese steht ja auch bei anderen Bauten wie dem Hotel Maritim am Bendlerblock im Widerspruch zur Innenarchitektur.

Die Einladung zum gestrigen Gesprächsforum Leben + Glauben avisierte mein Spezialthema "die Kunst zu kritisieren, ohne zu verletzen". Als Referent war Unternehmensberater Ralf Juhre angekündigt. Wir waren gespannt.

Die Schilder und Pfeile leiteten uns treffsicher zum Ballsaal, wo wir gleich mehrere Bekannte aus der christlichen Szene der Stadt trafen. Kurzer Check-in, Mäntel abgeben und hinein in die illustre Gesellschaft von Unternehmern und leitenden Angestellten. Die liebevoll per Hand geschriebenen Tischkärtchen mit unseren Namen standen in der Nähe der Bühne auf Tisch 14. Unsere sechs Tischnachbarn hatten bereits Platz genommen. Mit einer provozierten Sogwirkung drehten wir unsere Schilder um und kamen auf diese Weise erst einmal über unsere Namen ins Gespräch. Das Eis war gebrochen.

Dann entfaltete Ralf Juhre das Thema. Vieles war bekannt. Allerdings ist es gut, bekannte Prinzipien immer wieder neu zu verinnerlichen. Während sich meine Frau für den richtigen Einstiegssatz bei für Kritik resistenten Gesprächspartnern interessierte, blieb bei mir hängen, dass ein wichtiges Moment des effektiven Kritisierens die Kontrolle der eigenen Emotionen ist. Das sei nicht so einfach, wenn Kritik durch Verbitterung motiviert sei oder eingehende Kritik auf alte Verletzungen stoße. Der Themenkomplex ist zu groß, um alle Facetten bis hin zu Vergebung und Heilung zu beleuchten. Ralf Juhre überzog seinen spannenden Vortrag ohnehin schon und musste mehrfach auf das angerichtete Buffet hingewiesen werden. Er ging damit recht entspannt um, zumal er die Zuhörer auf seiner Seite hatte.

Das Buffet war seinen Preis wert. Wir waren erstaunt, wie gut die Versorgung der etwa hundertdreißig Gäste organisiert war. Wir mussten nicht einmal antizyklisch vorgehen, um in einer vertretbaren Zeit wieder am Tisch zu sitzen. Da kennen wir ganz andere Szenarien.

An den Tischen ging es längst nicht mehr um die Bedeutung und Herkunft der Namen, sondern um familiäre Herausforderungen, die Mitarbeiterführung und um das Thema Kritik. Es konnten kleine Zettel mit Fragen beschrieben werden, die der Referent nach dem Essen noch beantworten wollte. Es kamen viele solcher Zettel zusammen, die aber dennoch alle geklärt werden konnten. Wir stellten fest, dass das Thema ein wirklich breites Interesse geweckt hatte und die Auseinandersetzung mit Kritik in verschiedenste Richtungen ging. Entsprechend intensiv wurde Ralf Juhre auch anschließend noch von Fragenden belagert.

Aber was hat Kritik mit Glauben zu tun? Auf eine angenehme Art waren gelegentlich Bibelzitate oder christliche Werte in den Vortrag eingeflossen, die aber keineswegs aufdringlich wirkten. Ein Gast, der von seinem christlichen Bekannten eingeladen worden war, zeigte sich anschließend erstaunt darüber, dass die christlichen Inhalte so niederschwellig vermittelt worden waren. Wir hatten dann noch ein kurzes aber gutes Gespräch über Taufe, Christsein im Alltag und das Einlassen auf eigene Erfahrungen mit Jesus.

Sonntag, 28. Februar 2016

Hofkirche Köpenick - Baptisten im Jrünen

Die Hofkirche Köpenick ist eine etablierte Baptistengemeinde im Südosten Berlins. Das Kirchengebäude auf dem Hinterhof passt sich in das Kiezensemble ein. Die Hofkirche zeigt ein starkes soziales Engagement und bietet Veranstaltungen für sämtliche Altersgruppen an.



"Ein Gottesdienst mit Tieren?", fragte mein Sohn als ich erzählte, dass wir zur Hofkirche in Köpenick fahren. Auf diese gedankliche Verbindung wäre ich gar nicht gekommen: "Es ist wohl nicht der Bauernhof sondern der Hinterhof gemeint". In der Hofkirche Köpenick wurde ich vor achtundzwanzig Jahren getauft. Die Gemeinde war damals bekannt für ihre Band. Einige Köpenicker traf ich Ende 1989, als ich den Wehrdienst verweigerte. Danach gab es kaum noch Berührungspunkte.

Erst durch unseren Kontakt zum CVJM Kaulsdorf wurden wir auf die Idee gebracht, einen Gottesdienst in der Hofkirche zu besuchen. Der CVJM liegt auf halber Strecke nach Köpenick. Der Wagen rumpelt über sanierungsbedürftiges Kopfsteinpflaster. "Ist ein Glas wirklich halb leer, wenn die Luft durch Vakuum ersetzt wird?", liest mein Sohn eine Fragestellung aus seinem wissenschaftlichen Buch vor.

Die Parkplatzsituation ist angespannt, aber kostenlos. Viele der Gottesdienstbesucher wohnen gleich um die Ecke und kommen zu Fuß. Bereits am Eingang begegnen uns Freunde aus dem CVJM. Hinter der unspektakulär wirkenden Durchfahrt eines typischen Berliner Altbauhauses eröffnet sich der Blick auf ein stilechtes Kirchengebäude. Eine Kirche im Hinterhof - die Hofkirche.

Der Gottesdienst ist sehr gut besucht. Es gibt nur noch wenige freie Plätze, obwohl es erst Fünf vor Zehn ist. "Okuli" heißt der heutige Sonntag im Kirchenjahr. Die Kinder stoßen mich in die Seite, als ich eine Guckst-du-Geste mache. Es wird Psalm 25 Vers 15 verlesen: "Meine Augen sind stets auf den HERRN gerichtet, denn ER wird meine Füße aus dem Netz lösen". Die Moderatorinnen wechseln sich ab. Mit einem Mikro in der Hand geht die zweite Moderatorin durch die Reihen und sucht nach Gästen, die einen Gruß übermitteln möchten. Wieder einmal sind wir nicht darauf vorbereitet. Das werden wir demnächst ändern.

Dann tritt der Chor auf und begleitet das gemeinsame Singen. Der Beamer hängt ganz oben im Deckengewölbe und benötigt einige Zeit zur Erleuchtung. Die Gemeinde zeigt sich auch ohne diese moderne Technik textsicher bei Paul Gerhardt. Ich zähle die Reihen und multipliziere sie mit den Stühlen je Reihe. Es müssen etwa hundertdreißig Gottesdienstbesucher anwesend sein.

Kinder verlassen mit drei Mitarbeiterinnen den Saal zum Kindergottesdienst. Die Predigt hält Uwe Dammann, den ich noch aus Zeiten des GJW (Gemeinde Jugendwerk) kenne, einem Tummelplatz für angehende Pastoren und engagierte Jugendliche. Es geht um Epheser Fünf, Unreine, Unzüchtige, Habgierige, Götzendiener sowie Nachahmer Gottes als geliebte Kinder. Mit seiner sonoren Radiostimme und trockenem Humor nimmt er die Zuhörer in die Divergenzen des Textes hinein.

Nach dem Gottesdienst stürmen mehrere Gemeindeleute auf uns zu und begrüßen uns. Wir treffen Freunde aus alten baptistischen Zeiten, die auch einen längeren Exkurs zur Lukas-Gemeinde in Schöneberg gemacht hatten und nun wieder bei ihren Wurzeln gelandet sind.

Es gibt Kuchen, Gespräche und kalten Hund im Gemeindekaffee. Wir unterhalten uns eine Weile zwischen Tür und emsig Nachschub holenden Gästen und weichen dann zu sechst zum benachbarten Inder aus. Alle haben aufgegessen. Die Sonne scheint.

"Was passiert eigentlich, wenn man die jeweiligen Elementreihen des Periodensystems als echte Elemente zusammenstellt?", geht es im Buch meines Sohnes mit der Suche nach wissenschaftlichen Antworten auf absurde hypothetische Fragen weiter.

Sonntag, 21. Februar 2016

Alles Kaulsdorf oder was?

Der CVJM Kaulsdorf ist immer wieder ein angenehmer Anlaufpunkt für Gemeinschaft und einen entspannten monatlichen Gottesdienst mit Brunch.



Irgendwie zieht es uns immer wieder nach Kaulsdorf: vor zwölf Jahren zur Geburt unseres Sohnes, vor vier Jahren zum Anfertigen von orthopädischen Einlagen, vor zwei Jahren zum Einbau einer Auto-Alarmanlage, vor einer Woche in die Dorfkirche und heute zum Brunch-Gottesdienst in den CVJM. Sollte uns das nicht zu denken geben? Keine Ahnung!

Der Morgen begann mit einer ungeplant startenden YouTube-Predigt von Willow-Creek-Pastor Bill Hybels. Es ging darum, was im Leben wirklich zählt. Das Konto, das Auto, das Haus, die Arbeit oder die Familie, die Gemeindefreunde, die Beziehung zu Jesus? Er betrachtete die Prioritätenliste vom Ende her, vom Totenbett aus. Was zählt dort noch?

Dann fuhren wir nach Kaulsdorf. Statt eines Apfelauflaufs stellten wir heute eine Lauchsuppe auf dem Brunch-Buffet ab, versorgten uns mit Brötchen und Kaffee und setzten an unserem Tisch das Thema Lebensprioritäten fort. Wir hatten ein recht intensives Gespräch über Verletzung, Loslassen, Warum-Fragen und die Lösung dessen durch Gottes direktes Reden, die damit verbundene Änderung des Blickwinkels und das Erkennen Seiner Führung in unserem Leben. Und wieder tauchte die Frage auf, welche Lebensbereiche wir Gott zur Verfügung stellen und welche wir als "Meins" betrachten. Die Erfahrungsberichte waren sehr spannend und wurden nur durch das Nachholen von Brötchen oder das mehrfache "Ist da noch Kaffee drin?" unterbrochen.

In der Predigt entfaltete Anne einen Text aus Markus 5, 21-43. Darin geht es um die Heilung der Tochter des Jairus und einer chronisch kranken Frau. Simultan zum Lesen des Textes stellten einige Gottesdienstbesucher die Szene schauspielerisch nach. Passend zu den oben geschilderten Denkanstößen legte sie den Schwerpunkt auf die Abfolge von Bitten, Warten und Bekommen. Zaghaftes Bitten, sich auf Gott einlassen und auf Seinen Zeitpunkt warten, kann ein überraschendes Ergebnis beim Bekommen zu Tage treten lassen. Jairus bat um Heilung vom Fieber und Jesus erweckte die Tochter letztlich vom Tod. Die chronisch kranke Frau wollte nur mal eben unerkannt die Kleidung von Jesus berühren, wurde gesund, wurde von Jesus bewusst wahrgenommen, sprach direkt mit Jesus und steht sogar mehrfach in der Bibel.

Nach dem Gottesdienst war zwar der Topf mit der Lauchsuppe leer, gedanklich waren wir aber gut gesättigt.

Sonntag, 14. Februar 2016

Evangelische Kirchengemeinde Kaulsdorf

In der Kirchengemeinde Kaulsdorf treffen sich die angestammten Kaulsdorfer zum Gottesdienst. Gäste werden sehr freundlich begrüßt und interessiert nach ihrer Herkunft gefragt. Der Altersdurchschnitt ist sehr gehoben. Einige Konfirmanden sitzen in den Reihen.



"Heute fahren wir zur Frauenkirche", sagte ich und schnitt mein Brötchen auf. "Was, Dresden?" "Nein, die Kirche in Kaulsdorf neben dem CVJM". Fragende Gesichter verlangten nach einer Erklärung. Hatten wir doch einige Tage zuvor die Webseite der Evangelischen Kirchengemeinde Kaulsdorf besucht und waren mit einer überproportionalen Frauenquote überrascht worden.

Der Gottesdienst sollte um 10:00 Uhr beginnen. Frau und Tochter hatten die Zeit im Kopf, mein Sohn am Handgelenk und ich im Nacken. "Wo fährst du denn heute lang? Das schaffst du nie!" Doch, und sogar mit Parkplatz direkt vor dem Eingang.

Heute war Nörgeltag: "Wieso sitzen wir so weit vorne? Dann können wir gar nicht die Leute beobachten, um zu wissen, was wir wann machen müssen". Direkt neben uns entströmte wohlige Wärme. Während die übrigen Besucher in Mantel, Schal und Mütze auf den Holzbänken saßen, zog ich meine Jacke aus und empfand es immer noch als angenehm warm. Pfarrerin Steffi Jawer kam durch die enge Nordpforte in den Hauptraum der Kirche und begrüßte uns im Vorbeigehen sehr freundlich.

"Liebe Kaulsdorfer, liebe Gäste", drückte die gelebte Willkommenskultur in der liebevoll renovierten Dorfkirche aus. "Invocavit - er hat angerufen", übersetzte Frau Jawer den Namen des heutigen Sonntages im Kirchenjahr. Das kommt aus dem Wortstamm "invocare" und sollte nicht mit "invocatus" verwechselt werden, was "ungerufen" bedeutet. In ihrer Predigt widmete sich die Pfarrerin einem Text aus Hebräer Vier. In den Versen 14 bis 16 geht es dort um Jesus, der auch mit den uns bekannten Schwächen und Herausforderungen konfrontiert wurde und uns nun als verständnisvoller Hoher Priester vor Gott vertreten kann. "Mit Freimütigkeit herzutreten zum Thron der Gnade", heißt es im Text. Doch was ist, wenn man den Thron gar nicht sieht? Sie hangelte sich an einer Geschichte von Kafka entlang, in der ein Mann zu einem Schloss unterwegs war, dieses jedoch zuerst durch den Nebel nicht sah und dann keinen passenden Weg hinein fand. Kafka, Gedichte und Bibelzitate wechselten sich ab. Meine Frau war begeistert von der angenehmen Stimme der Pfarrerin und dem roten Faden in der Predigt. Umrahmt wurde der Gottesdienst mit professioneller Orgelmusik und Posaunenbegleitung. Wir sangen sogar "Ein feste Burg" von Martin Luther.

Heute gab es Abendmahl. Erst wochenlang nichts und nun schon das zweite Mal hintereinander. Sehr gut! In der ersten Runde wurde echter Wein und in der zweiten Runde Traubensaft gereicht. Meine Frau stand auf und ging nach vorne. "Du darfst nicht", meine Kinder versperrten mir den Weg. "Ich will aber", und drückte gegen ihre Beine. "Du fährst noch", ein Kampf entspann sich in der Bankreihe - zwei gegen vier (Beine). Mein unbändiger Wunsch nach Abendmahl brachte den Sieg! Fast fiel ich durch den Schwung einer älteren Dame in die Seite. Sie trat zurück, lächelte und ließ mich zu meiner Frau eilen.

Als zwischen Küster und uns nur noch ein Abstand von zwei Kaulsdorfern bestand, wurde die letzte Oblate vom silbernen Teller gehoben und gab den Blick auf das eingravierte Kreuz frei. Was wird er nun tun? Gibt es weitere Oblaten? Ich nutzte die Gelegenheit und zählte die Kaulsdorfer und Gäste in der Runde. In Abgleich mit den auf die zweite Runde Wartenden müssen es so um die siebzig Gottesdienstbesucher gewesen sein. Diese Zahl entsprach in etwa auch dem gefühlten Altersdurchschnitt. Dafür stellte ich aber im Gegensatz zum Eindruck der Webseite ein sehr ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen fest. Wir bekamen noch einen Vers aus dem Matthäus-Evangelium (Kapitel 11 Vers 28) zugesprochen: "Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erfrischen".

Nach dem Gottesdienst wurde meine Frau angesprochen und nach unseren Namen gefragt. Sie erhielt einen Gemeindebrief und einige Veranstaltungshinweise und Gruppenempfehlungen. Der Küster meinte beim Rausgehen, dass er mich vom Sehen her kenne. Das passiert mir öfter. Ein Konfirmand reichte der Pfarrerin gerade seine Bonuskarte für besuchte Gottesdienste, als wir uns an der Schlange vorbei zu Steffi Jawer begaben und uns verabschiedeten.

War das noch früh am (Sonn-)Tag. Kaulsdorfer Union-Fans machten sich mit ihren Schals und Bierflaschen gerade auf den Weg zum Spiel. Gemütlich fuhren wir nach Hause und spazierten dann zum Bürgeramt - pardon - dem danebengelegenen Burger-Restaurant. Es gab frisch gegrillten Burger im Brötchen aus der eigenen Backstube.

Mittwoch, 10. Februar 2016

Erfahrungen der letzten sieben Monate

Begeisterung über die bunte christliche Landschaft macht sich breit, wenn wir die letzten sieben Monate der Wanderung durch die Gemeindeszene Berlins reflektieren. Networking, Networking, Networking!



Nun sind wir schon fast sieben Monate in der christlichen Szene Berlins unterwegs. Ein guter Zeitpunkt für eine Zwischenbilanz.

Die besuchten Gemeinden decken ein breites Spektrum von Baptisten über Katholiken, Afrikaner, CVJM, Mülheimer Verband, Landeskirche, Stadtmission bis hin zu Trendgemeinden wie Berlin Connect ab.

Das Augenmerk lag auf der Willkommenskultur, dem Miteinander, den liturgischen Elementen, der Predigt und der Altersstruktur. Einige Gemeinden hatten wir mehrfach besucht, um bestimmte Eindrücke bei einem Folgebesuch zu evaluieren oder weil es uns dort einfach gefallen hatte.

Inzwischen sind wir mehrfach mit Insidern der jeweiligen Gemeinden in Kontakt gekommen und konnten Einblick in die Hintergründe bestimmter Erscheinungsformen gewinnen. Gespräche mit Verantwortlichen nach den Gottesdiensten konnten unsere Fragen nach Vision der Gemeinde, gabenorientierter Mitarbeit, Hauskreisen oder gesellschaftspolitischer Relevanz im Kiez klären. Auf diese Weise lernten wir beispielsweise, dass es einem Spagat zwischen Willkommenskultur und niederschwelligem Schnupperzugang ohne sofortige Vereinnahmung entspreche, wenn man unerkannt kommen und gehen kann.

Unser Netzwerk ist inzwischen so umfangreich, dass wir unsere Erlebnisse mit den Erfahrungen anderer Christen der Stadt abgleichen und uns vielfach bestätigt finden. Bei Bedarf lassen wir unsere Sichtweise auch gerne nachjustieren.

Die Gemeindeleiter oder Pastoren informieren wir regelmäßig über die Berichte in diesem Blog. Die Artikel werden oft als hilfreiche externe Sicht angesehen, da im Gemeindealltag zu schnell der Blick für die Außenwirkung verloren geht.

Auffällig ist, dass in fast allen Gemeinden ganze Altersgruppen fehlen. Besonders gravierend ist das im Bereich zwischen Zehn und Zwanzig. Unsere Tochter wurde bisher nur einmal angesprochen und eingeladen. In Trendgemeinden mit Durchschnittsalter Fünfundzwanzig fehlen Senioren, Grundschüler und Teens. In Gemeinden ohne definierte Wachstumsziele haben wir einen Altersdurchschnitt von Fünfundsechzig erlebt. Sehr gut durchmischt sind die Heilsarmee Friedenau, die Kirche in Brück, die Baptisten Weißensee oder die Baptisten in der Bergmannstraße.

Apropos Baptisten. die Baptisten alias EFG (Evangelisch freikirchliche Gemeinden) haben die flächendeckend beste Willkommenskultur. Gäste werden wahrgenommen und sehr freundlich integriert. Man fühlt sich sofort zu Hause.

Trotz der starken Diversifizierung waren die Gottesdienste und Predigten inhaltlich sehr erbaulich und tangierten Themen, die uns im Alltag Motivation, Richtung und Entscheidungshilfe gaben.

Wir sind begeistert über das bunte christliche Leben in Berlin und den gemeinsamen Nenner "Jesus", der uns so fundamental und unkompliziert verbindet. Eine ermutigende Erfahrung in Sicht auf eine Stadt, die sich bisher viel zu wenig auf eigene Erfahrungen mit Jesus einlässt.

Sonntag, 7. Februar 2016

Christus-Treff Berlin - Isingstraße

Der Christus-Treff in der Isingstraße wird vorzugsweise von jungen Familien und Singles besucht. Gäste werden auf angenehme Weise in das Gottesdienst-Geschehen und die Gemeinschaft integriert. Aktiv werden kann jeder, der eine entsprechende Begabung hat und diese einbringen oder ausprobieren möchte. Die Isingstraße liegt direkt am Mauerradweg und lässt sich per Fahrrad ideal für Besucher aus Treptow, Kreuzberg und Friedrichshain erreichen.



Die Kiefholzstraße ist sehr lang. Fünf Kilometer an einem Sonntagmorgen, der mit einem "Uups, schon um Neun" im kuscheligen Bett begann. Fünf Kilometer geschichtsträchtiger Strecke von Südost nach Nordwest, schnurgerade auf den Fernsehturm zu. Fünf Kilometer vorbei an meinem alten Wohnhaus, an der ehemaligen Firma meiner Mutter, an einer im Bau befindlichen Autobahnauffahrt und mehreren roten Ampeln. Die Kiefholzstraße findet ihr jähes Ende am Landwehrkanal, dort wo einst die Mauer stand und nun der dynamische Berliner den Mauerradweg entlang radeln kann. Ein Wegabschnitt, für den Japaner eine Unmenge an Kirschbäumen gespendet hatten.

Wir parken vor der Neuapostolischen Kirche am Schmollerplatz. Neuapostolisch hatten wir bisher noch gar nicht auf der Agenda. Das wird heute auch nichts mehr, da deren Gottesdienst gerade vorbei ist. Bis zur Isingstraße 5 sind es nur wenige Meter. Vor uns laufen junge Erwachsene mit Schüsseln und Kind. Also doch Brunch-Gottesdienst und wir hatten keinen Apfelauflauf dabei. Wie peinlich...

Nachdem sich das Knäuel aus jungen Erwachsenen, Kindern und Fahrrad aufgelöst hat, betreten wir die heiligen Hallen des Christus-Treff. Nach links geht es in die "Kapelle". Klein aber mit allem, was eine historische Kapelle benötigt: zwei monströse Türportale, dazwischen eine winzige Orgel, Gesangsbücher, typische Kirchenfenster, ein Altar, ein Kreuz und mehrere Stuhlreihen.

Zwei, drei Leute kommen auf uns zu und begrüßen uns kurz. Martin, ein alter Bekannter aus baptistischer Vorzeit, erscheint und setzt sich zu uns. Auf den Türportalen waren mir die Schriftzüge "Heiliger Geist" und "Vater" aufgefallen. "Wo ist denn der Sohn", frage ich Martin. "Der ist zu Hause". Mein Blick wandert zum Kreuz. Dort steht "JESUS". Und unter "JESUS" steht Herrmann. Herrmann ist das Patenkind der Gemeinde, dessen Foto jeden ersten Sonntag im Monat gezeigt wird, da die Kollekte heute wieder für ihn gesammelt wird.

Am ersten Sonntag im Monat gibt es im Christus-Treff drei Highlights: die Sammlung für Herrmann, den Mitarbeiterkreis und das Abendmahl. Endlich mal wieder Abendmahl. Damit sind wir ja in letzter Zeit deutlich unterversorgt. Neben einigen landeskirchlich geprägten Bestandteilen der Liturgie gibt es Lobpreis, Kindergottesdienst und keine Predigt. Tobias leitet eine Zeit ein, wo Gottesdienstbesucher über ihre jüngsten Erfahrungen mit Jesus berichten können. Das wird gerne angenommen und wir hören viele interessante Berichte. Anschließend gibt es eine Gebetszeit zur Vorbereitung auf das Abendmahl. "Sind noch genug Steine da", frage ich meinen Sohn. Er nickt und ich gehe zum Altar. Dort sind jede Menge Pflastersteine aufgeschichtet und warten darauf, zum Kreuz getragen zu werden. Ich nehme zwei Steine und lege sie symbolisch unters Kreuz. Weg mit der Last!

Das Abendmahl findet aus Platzgründen in mehreren Runden statt. Es wird Dönerbrot durchgereicht und mit einem "Jesu Leib für dich gebrochen" an den Nachbarn weitergegeben. Danach geht ein Kelch mit den Worten "Jesu Blut für dich vergossen" herum.

Beim anschließenden Brunch erfahren wir mehr über die Gemeinde. Der vom CT Marburg aus initiierte Christus-Treff Berlin arbeitet in Kooperation mit der Berliner Stadtmission und ist damit auch Teil der EKBO. Das ehrwürdige Haus wurde im Zweiten Weltkrieg teilweise zerstört, weshalb die Kapelle jetzt so klein ist. Gerne möchte man das Haus renovieren und deutlich vergrößern, sagt uns Tobias Schöll, der quasi Pastor des CT Berlin. Es gebe keine Mitgliedschaft und Mitarbeiter sei jeder, der sich in irgendeiner Weise einbringt, und sei es durch das Mitbringen eines Apfelauflaufs. Tobi will kein pastoraler Alleinunterhalter sein und lässt seinen Mitarbeitern sehr viel Freiraum. Kreise, die sich überlebt haben oder kapazitiv nicht zu stemmen sind, werden beendet und Neues gerne ausprobiert - alles im Glauben und nach Maßgabe der verfügbaren Möglichkeiten. Und diese können bei Gott sehr groß sein.

Egal, mit wem wir ins Gespräch kommen, alle fühlen sich im Christus-Treff sehr wohl und sind begeistert über den Kiez-Bezug der Gemeinde. Auch meine Familie ist beeindruckt und sagt, dass wir den Christus-Treff unbedingt auf die Liste der noch einmal zu besuchenden Gemeinden setzen sollten.

Donnerstag, 4. Februar 2016

LEGO-Bautage in der EFG Weißensee

Das Bauen mit LEGO-Steinen macht nicht nur Kindern Spaß. Die EFG Weißensee veranstaltet deshalb einmal pro Jahr die LEGO-Bautage, wo zu einem bestimmten Thema Landschaften, Gebäude und Fahrzeuge gebaut und ausgestellt werden. Es stehen etwa eine Million Teile zur Verfügung.



Bauvorhaben werden oft zu einem Millionenprojekt.

Eine Million LEGO-Steine stehen seit heute wieder in der EFG Weißensee bereit. Sie sind gut sortiert nach Themen und Farben. Kinder, Väter und Großväter wuseln um die Kartons herum, kramen, wühlen, finden und füllen die benötigten Teile in 500g-Joghurtbecher ein. Ein Rad, ein Männchen, eine Grundplatte, vier Fenster und noch eine Fahnenstange - ab geht es wieder in den "blauen Salon" an einen der vielen Tische. Am Motorrad hängt noch ein Arm, die Piratenfahne passt nicht an die Stange, eine schwarze Platte fehlt - noch einmal kurz mit dem Becher ins Gewühl der Bauleiter. Ein kleines Mädchen sortiert Blumen - natürlich LEGO.

An den Tischen hatten sich heute etwa fünfzig Kinder verteilt. Das von Pastor Torsten Milkowski vorgestellte Eingangsthema "Verlorener Sohn" (Lukas 15, 11-32) wurde per LEGO-Film eingespielt und sollte als architektonische Grundlage des Nachmittags dienen. Die Kinder reagierten sehr flexibel und bauten Eisenbahnstrecken, üppig mit Plastikpflanzen bewachsene Landschaften, Piratenszenerien oder ihr Traumhaus.

Erwachsene ohne handwerkliche Ambitionen konnten sich bei Kaffee und Kuchen über die Dinge des Alltags austauschen, während auf den bereit gestellten Biertischen und Tischtennisplatten neue Welten entstanden. Das Drumherum war sehr professionell: knallrote T-Shirts, ansprechende Einladungskarten, Catering und Bauplatzvermittlung.

Als ich angesichts der vielen verfügbaren Teile noch darüber nachsann, wie denn der Auszug Israels aus Ägypten durch das Schilfmeer nachzustellen sei und mir dabei ein Auseinanderdriften der grünen Tischtennisplatten mit gleichzeitigem Versinken unzähliger LEGO-Männchen ausmalte, bestätigte die Frau des Pastors, dass es in den Vorjahren bereits das Thema "Josef in Ägypten" gegeben habe. Es seien dabei weiträumige ägyptische Landschaften entstanden.

Damit bis einschließlich Samstag genügend Baumaterial zur Verfügung steht, werden die Kreationen nur einmalig erscheinender Kinder zeitnah dem Recyclingprozess zugeführt und wieder sauber in die jeweiligen Kisten sortiert. Wer alle Tage dabei ist, kann das Werk eventuell sogar am Sonntag beim Familien-Gottesdienst vorstellen.

Die Erfahrung der letzten Jahre zeige, dass die ganze Gemeinde beim finalen Zerlegen und Rücksortieren mithelfe. Dann sei nach zwei Stunden die alte Ordnung wieder hergestellt und die Kisten können an den nächsten Interessenten weitergegeben werden.

Die "ferienaktion legobautage" läuft noch bis zum Samstag, den 06.02.2016, findet in der Zeit von 15-18:00 Uhr statt und endet mit einem Familiengottesdienst am Sonntag, den 07.02.2016, 10:00 Uhr.

Eine interessante Aktion mit guter Resonanz im Kiez.