Dienstag, 26. April 2016

Colonia Dignidad im Auswärtigen Amt

Die Vorkommnisse in der Colonia Dignidad sind ein Beispiel für geistlichen Machtmissbrauch auf höchstem Niveau. Viele der Betroffenen waren ehemalige Baptisten. Anhand der Colonia Dignidad lassen sich plakativ die Mechanismen und Potenziale von Missbrauchssystemen studieren.



"Es war alles noch viel schlimmer", äußerten sich unisono mehrere der ehemaligen Mitglieder der Colonia Dignidad nach der Filmpräsentation im Auswärtigen Amt.

"Meine Frau hätte den Film nicht ertragen", erzählte mir der Vater von fünf Töchtern, der sich in der Szene wiedererkannte, in der Hans nach der Genesung von der Folter sabbernd in die Werkstatt gebracht wurde. Solche Szenen konnten Jungs in der Colonia Dignidad im Süden Chiles Monate lang durchleben, wenn sie sich den pädophilen Fummeleien des Sektenchefs Paul Schäfer widersetzten. In weit über 30.000 Fällen habe man sich auf diese Weise vergriffen und massiven seelischen Schaden angerichtet.

Dusche gesprengt

Deshalb habe eines der Opfer anschließend auch die berüchtigte Dusche weggesprengt. Das sei aber nicht der einzige Ausbruch befreienden Vandalismus gewesen. Jemand habe das Metallrelief mit der Frau und den beiden Adoptivkindern im Arm von der Außenwand des Haupthauses gerissen, demoliert und in den Wald geworfen. Auf der Rückseite steht wie zum Hohn auf Griechisch: "Lasset die Kindlein zu mir kommen".

Colonia Dignidad im Auswärtigen Amt
Diskussionspanel mit Regisseur, zwei Betroffenen, Moderatorin, Amnesty International und Diplomatie (vlnr.)
Ein deutscher Diplomat bestätigte ebenfalls, dass er damals einen Zustand in der Colonia Dignidad vorfand, der "ungleich schlimmer als im Film" war. Die Menschen waren "hoch traumatisiert und gehirngewaschen". Durch Schweigegelübde wurde die Brutalität des Alltags zu vertuschen gesucht. Dass immer noch alte Leitungsstrukturen wirken, zeigt sich darin, dass man kürzlich den Bewohnern Land als Preis zum Verkauf ihrer Geschichte angeboten habe. Grundbesitz versus Wahrheit.

Pillen gegen ein klares Denken

Eine Panelteilnehmerin, die selbst noch in Chile wohnt und durch ihre Familie weiterhin Kontakte zur Kolonie unterhält, bestätigte ebenfalls, dass der Film durchaus die Härte der psychischen und physischen Unterdrückung treffe und ergänzt: "Es war noch schlimmer". Sie habe den Film nun zum dritten Mal gesehen und durchleide immer wieder die alten Geschehnisse. Ein Betroffener erzählte mir bei Wein und Häppchen, dass er mal so eine Pille probiert habe. Er sei dann für mehrere Stunden völlig im Delirium gewesen.

130 Senioren

Zur Zeit leben noch etwa 130 Personen in der Colonia Dignidad, von denen 2/3 über sechzig Jahre alt sind. Rentenansprüche gebe es kaum. Die Menschen waren bis 2005 als unentgeltliche Zwangsarbeiter mit einer Arbeitswoche von sieben Tagen beschäftigt worden. Erst 2005 gab es das erste Gehalt, womit simple Dinge wie Kaffee, Kaffeekannen, Fernseher und Mobiltelefone angeschafft werden konnten. Das stand vorher nicht zur Verfügung. Lehrbücher waren aus den 1950er Jahren und auch sonst sei jegliche Informationsmöglichkeit unterbunden oder zensiert worden.

Vollbeschäftigung und Zwangsbeglückung

Überbeschäftigung, permanenter Druck, Bespitzelung, Trennung der Familienstrukturen, Gruppenzwang wurden so exzessiv betrieben, dass sich weder einheitlicher Widerstand formieren konnte noch Zeit zum Nachdenken blieb. Und wenn doch jemand nachdachte, gab es noch die Pillen. Wie in Systemen geistlichen Machtmissbrauchs üblich hatte man für "Abtrünnige" jede Menge Verwünschungen parat und stellte Aussteiger auf externe Nachfrage als psychisch krank dar.

Was Paul Schäfer sagte, war Gesetz. Die Bibel auf Schäfers Tisch diente nur noch als Zitatsammlung zur Versklavung seiner Gemeinde und ging in dieser Eigenschaft mit Exodus 20 Vers 7 konform. Dabei waren die Mitglieder der Colonia einst aus gutem Glauben nach Chile gekommen und hatten sich zumeist freiwillig in dieses System integriert. Wie konnte das dann nur so kippen? War es die Abgeschiedenheit? War es die allgemeine Angst während des Kalten Krieges? War es eine schleichende Allmacht-Übernahme durch ihren als begnadeten Prediger angesehenen Prius? Ein Mann, der mit Brutalität und zwanghafter Kontrolle seine Defizite in natürlicher Leitungskompetenz überspielte.

Nachhaltige Gehirnwäsche

Viele der noch heute bewusst in der Colonia Dignidad lebenden Menschen wurden über die Jahre so entmündigt, dass sie sich gar nicht in der Lage sehen, einen Neustart außerhalb dieses zerstörerischen Systems zu wagen. Sie sehen das Areal als ihre Heimat und haben keine Kraft mehr, sich einer Außenwelt mit ihren neuen Herausforderungen zu stellen.

Einer der ersten Aussteiger, dem bereits 1966 die Flucht gelungen war, sagte: "Schäfer war im Bösen ein Profi". Der angerichtete Schaden könne nur durch einen anderen Profi geheilt werden. Jesus? Jedenfalls wurde dieser Wunsch nach Unterstützung auch von weiteren Diskutanten auf dem Podium geteilt. Es sei dringende Hilfe durch Psychologen und Psychiater notwendig.

Beim anschließenden Empfang traf ich Menschen, die ausgestiegen waren und beispielsweise in Baptistengemeinden ein neues zu Hause gefunden hatten. Sie strahlten Freundlichkeit und Gelassenheit aus. Auf meine Frage nach den theologischen Grundlagen der Colonia Dignidad und was man dort bezüglich der zwanghaften Zustände aus der Bibel herausgelesen habe, erfuhr ich ein sehr interessantes Detail:

Eine Gruppe junger Leute hatte viele Monate lang gebetet und gebet und gebetet.

Dann stand der sichtlich demontierte Paul Schäfer vor einem der Jungen und wetterte gegen die "Mafia" - das organisierte Gebet. Drei Tage später setzte sich Schäfer nach Argentinien ab.

Obwohl es vorbei ist, sind immer noch tiefe Wunden vorhanden. Durch auslösende Momente (Trigger) wie den Film "Colonia Dignidad" werden diese wertvollen Menschen auch heute noch mental aus der Bahn geworfen.


Ergänzende Links:
Videobericht auf 3sat.online
Selbstkritische Rede Steinmeiers zu Rolle und Versäumnissen der deutschen Diplomatie

Sonntag, 24. April 2016

ICF Grünheide

ICF Grünheide liegt am südöstlichen Stadtrand von Berlin. Ein Besuch lohnt sich wegen der guten Predigt, des professionellen Lobpreises und der integrativen Gesamtatmosphäre. Hier treffen sich vorwiegend junge Menschen und setzen ihre zum Alter passenden Ideen um. Entsprechend jung ist auch die Leitung. ICF Grünheide klinkt sich in den bei ICF üblichen Reigen ansprechender Gottesdienste ein und ist damit eine Gemeinde, die auch mit Bekannten und Kollegen besucht werden könnte.



ICF verspricht jugendlichen Charme und Professionalität bei geistlichem Tiefgang. Es wurden zwar nur unbekannte Lieder und diese zumeist auf Englisch gesungen, aber in einer so professionellen Vortragsweise, dass das Zuhören und vorsichtige Mitsingen sehr angenehm war. Es gab keine dieser langen Wiederholungsschleifen. Ich stand an der Seite und wippte mit.

Viele der Jugendlichen und Erwachsenen aus ICF Grünheide waren unseren Begleitern bekannt. Sie hatten ihre Wurzeln in einer Marzahner Gemeinde, die selbst erst in den 1990er Jahren entstanden war und um die Jahrtausendwende für ihre Band und eine starke Jugendgruppe bekannt war. Deshalb wollten wir uns heute einmal den Gottesdienst am südöstlichen Stadtrand Berlins ansehen. Mit dreißig Kilometern und einem Bruchteil an Ampeln liegt ICF Grünheide einen Kilometer näher als Eben Ezer Lichterfelde und ist mit öffentlichen Verkehrsmittel noch schwerer zu erreichen. Letzteres ist schade, da wir heute eine Gemeinde erlebten, wohin man gerne mal jemanden einladen würde. Integrative Willkommenskultur und ansprechender, alltagsrelevanter, authentischer Gottesdienst - triple A sozusagen.

Später erfuhren wir, dass die Leitung in die Hände der Jungen Erwachsenen übergeben worden war, was sich in einer angenehmen Entspanntheit und der frischen Atmosphäre äußerte. Location-Leiter André Schönfeld predigte ausgehend von einer Geschichte aus dem Talmud über das Dranbleiben am Gebet. Wir sollten lieber Gott zwischen uns und das Problem stellen, als das Problem zwischen Gott und uns. Dranbleiben und Gottes Handeln erwarten war der Hauptfokus. Man solle kein Komma setzen, wo Gott einen Punkt setzt und keinen Punkt, wo Gott ein Komma setzt. Dass es hier um reale Erfahrungswerte geht, zeigte die Gebetszeit während des Gottesdienstes. Es wurden aktuelle Erlebnisse berichtet und neue Gebetsthemen genannt: Bewerbungsgespräch, Partnersuche, Prüfungsangst und Gesundheit.

Es liegt in der Natur der oben genannten personellen Konstellation, dass es eine große Jugendgruppe und viele Kinder gibt. Im Gebäudekomplex mit großer Dachterrasse und Jugendkeller ist auch eine Kita untergebracht. Man tut also nicht nur etwas für die anreisenden Berliner, sondern auch für die jungen Familien aus Grünheide. Der Location-Leiter legt Wert darauf, nicht den Titel Pastor zu tragen, da es nicht seiner Ausbildung entspreche und er bei seiner zweiten Halbtagsstelle noch in einem Sozialprojekt arbeite. Ein Mann also, der auch den normalen Berufsalltag kennt und damit nicht von den Herausforderungen seiner Gemeindeleute abgekoppelt ist.

Nach einem ausführlichen Rundgang durch das Haus, vielen Erzählungen zu Geschichte und Gegenwart, italienischem Buffet, Kuchen und Kaffee verließen wir Grünheide bei strahlendem Sonnenschein und fuhren durch den Speckgürtel Berlins nach Hause. André Schönfeld hat sogar den doppelten Weg. Er wohnt in Oranienburg.

Samstag, 23. April 2016

Team.F Männertag 2016 in Kassel

Team.F ist ein christliches Werk mit einem starken Fokus auf gesunde Familien. Team.F bietet Freizeiten, Seminare, Seelsorge und Begegnungsmöglichkeiten für Singles, Familien, Ehepaare, Geschiedene, Trauernde, Eltern, Frauen und Männer an. Team.F arbeitet in verschiedenen Regionen Deutschlands und veranstaltet schon seit einigen Jahren einen zentralen Männertag in Kassel.



Es ist schon beeindruckend, wenn eine Halle voller Männer Anbetungslieder singt, auf Männer zugeschnittene Seminare angeboten werden und noch eine längere Autobahnfahrt mit vier Männern absolviert wird.

Zweimal war ich bereits zu solch einem Team.F-Männertag in Kassel und hatte dabei die freie Fahrt auf der A38 genossen. Die A38 ist wohl deshalb so leer, weil die Navis diese äußerst schnelle Ost-West-Verbindung bis heute nicht realisiert haben. Mann muss sich aber von einem Navi auch nicht alles vorschreiben lassen. Seitdem ich das Navi stumm geschaltet habe, sitzt meine Frau nicht mehr verärgert mit ADAC-Atlas neben mir: "Wieso hört der auf diese fremde Frau".

Heute durfte ich mit Männern aus der LKG Eben Ezer Lichterfelde nach Kassel fahren. Erstmals fuhr ich nicht selbst, sondern ließ mich von Wilfried in einem Fahrzeug aus deutscher Produktion chauffieren. Der Wagen hatte eine sagenhaften Beschleunigung und war auch bei 220 km/h leise genug für eine Unterhaltung und das trotz rahmenloser Seitenscheiben, die den Coupé-Charakter des Vier-Türers mit den belüfteten Vordersitzen unterstreichen sollten. Bei einem Sitzgefühl wie im BMW 6er Grand Coupé staunte ich darüber, dass der vermeintliche Vorsprung durch Technik durch ein Head-Up-Display, ein multifunktionales Touchpad und jeder Menge Freude am Fahren demonstriert wurde. Das passte zum heutigen Thema "Männer mit Leidenschaft und Tiefgang".

Team.F Männertag 2016 in Kassel
Team.F Männertag 2016 in Kassel - gemeinsame Fahrt über A2 und A7

Während der angeregten Unterhaltung merkten wir gar nicht, dass uns das Navi den kürzeren aber fast zeitgleichen Weg über die A2 (Magdeburg, Braunschweig) lotste. Es ging nämlich um unsere Lebensgeschichten mit Elternhaus, Geburt, Entscheidung für Jesus, beruflicher Entwicklung, Kennenlernen der Frau, Gemeinde und Gebetsanliegen. Drei Stunden Fahrt waren zu kurz für zwei Berichte. Das hätte ich nicht gedacht. Es wurde interessiert nachgefragt und auf entscheidende Details zurück gesprungen. Insbesondere die herausfordernden Erfahrungen wurden rückblickend immer wieder mit Römer 8, 28 kommentiert: "Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken".

Da wir sehr pünktlich in Kassel eintrafen, konnten wir uns noch gute Plätze in der Nähe der Bühne aussuchen. Dominic, ein alter Bekannter aus Würzburg tippte mich an. Klasse, wen man hier so unverhofft traf! Ich holte mir eine Salzbrezel und den dringend benötigten Kaffee. Dann ging es los.

Team.F Männertag 2016 in Kassel
Team.F Männertag 2016 in Kassel mit Albert Frey
Als Gastredner war in diesem Jahr Albert Frey eingeladen. Bei ihm klang nicht nur die Musik, sondern auch ein kürzlich besuchtes Eheseminar von Team.F nach. Etwa vierhundert Männer schmetterten zu E-Gitarre und Schlagzeug neue und mittelalterliche Lobpreislieder. Danach referierte Albert über die Wesensmerkmale des Mannes und teilte das in vier Kategorien ein:

Lover - Kämpfer - König - Weiser

Manch ein Mann verkörpert einen Mix aus diesen Eigenschaften und braucht gelegentlich Ergänzung. Das kristallisierte sich in der folgenden praktischen Übung heraus, die in Gruppen zu je sechs Männern durchgeführt wurde. Dabei lernten wir uns noch besser kennen. Jedenfalls traf ich auf diesem Wege Jochen von der Papa-Sohn-Freizeit in Brotterode wieder. Team.F bewegt etwas im Bereich Familie.

Zum Mittag gab es Chili con Carne, Äpfel und Mineralwasser. Zur Verdauung wurden Aktionen zur Bedienung männlicher Urinstinkte angeboten. Das ging vom Staplerfahren, über Axtwerfen bis hin zum Fußball. Ich orientierte mich am Tisch mit dem Kaffee und war nachhaltig fasziniert über die lückenlose Bereitstellung der gefüllten blauen Thermoskannen durch Daniel und Bernhardt.

Team.F Männertag 2016 in Kassel
Team.F Männertag 2016 in Kassel - Kaffee ohne Ende gemanagt durch Daniel und Bernhardt
Über dem Kaffee und mehreren längeren Gesprächen verpasste ich beide Seminarblöcke. Von Sex bis Kommunikation war für jedes Interesse etwas dabei und die Erwartungen wurden teilweise erfüllt. Ich genoss die Unterhaltungen und anschließend noch ein Stück Kuchen.

In der letzten offiziellen Runde spielte Albert Frey einige seiner Lieder und motivierte uns zum Mitsingen. Obwohl er sein Programm kürzte, blieb für die mitgereisten Fußballfreunde kaum noch Zeit, die letzten Minuten der Direktübertragung aus den Stadien zu verfolgen. Dieser Drang trieb unseren Fahrer nach dem abschließenden Segen schnell zum Radio. Die dunkelblau lackierte Hülle des Radios war allerdings so eingeparkt, dass wir ohnehin nicht vom Platz rollen konnten.

Team.F Männertag 2016 in Kassel
Team.F Männertag 2016 in Kassel - Regenbogen auf der Rückfahrt
Nachdem das letzte "Tooooohor" verklungen war, konnten wir uns der Heimfahrt und den weiteren Lebensgeschichten widmen. Auch werteten wir die Erfahrungen auf dem Männertag aus. Immer wieder wurde Römer 8, 28 zitiert. Römer 8, 28 zog sich auch als roter Faden durch die folgenden Lebensberichte. Sehr spannend! In Berlin standen wir deshalb noch etwas länger am Zielort und rundeten den letzten Bericht mit einer Gebetsgemeinschaft ab.

Vier Männer beim Team.F-Männertag in Kassel stellten zwar nur ein Prozent der Teilnehmer dar. Gott aber schreibt mit jedem Einzelnen eine individuelle Geschichte.

Freitag, 22. April 2016

97 Prozent

Mindestens 97 Prozent aller Christen sind zu einem Leben im normalen Alltag berufen. Dort sollen Sie das biblische Prinzip von Salz und Licht leben. Robert Fraser setzt sich mit Berufung und Effektivität auseinander und ermutigt zum Bau des Reiches Gottes außerhalb der Gemeinde.



An mehreren Stellen des Neuen Testamentes lesen wir, dass die Gemeinde mit einem Organismus zu vergleichen ist. Es gibt verschiedene Begabungen in verschiedener Intensität und diese Begabungen sind so verschieden, dass eine gegenseitige Ergänzung notwendig ist. Begabungen, Defizite und gegenseitige Ergänzung stellen also ein elementares Prinzip von Gemeinde Jesu dar.

Wie sieht das in der Praxis aus? Sind Berufung und Begabungen nur für den innerkirchlichen Gebrauch bestimmt? Muss ein Pastor alle Körperteile des Leibes Christi personifizieren? Was, wenn der freundliche Begrüßungsdienst zum Netzwerker in einem Business Club berufen ist? Was, wenn die Mitarbeiterin des Kindergottesdienstes als positiv berichtende Journalistin berufen ist? Was, wenn ein Pastor gar nicht vollzeitlich für gemeindeinterne Dinge berufen ist, sondern für die Tätigkeit in einem "normalen" Beruf wie Bauingenieur, Klempner oder Inhaber eines IT-Unternehmens?

Genau diesen Fragen geht Robert Fraser in seinem Buch "97 Prozent - Das Reich Gottes außerhalb der Gemeinde bauen" nach. Dabei zieht sich seine eigene Lebensgeschichte und Berufungsfindung durch alle 170 Seiten. Er schreibt über Fehlentscheidungen, Fehlplatzierungen und die positiven Ergebnisse beim Leben in der Berufung. Dazu sind jedoch einige traditionelle Denkmuster zu korrigieren.

97 Prozent - Das Reich Gottes außerhalb der Gemeinde bauen
Das Buch macht bewusst, dass sich christliches Leben und Vorbildwirkung den größten Teil der Woche außerhalb der Gemeinde abspielt. Es geht um das Verhältnis zu nichtchristlichen Mitarbeitern, Vorgesetzten, Freunden und Nachbarn. Es geht um Christsein in der natürlichen Umgebung des Alltags und einen geschärften Blick für das, was Jesus gerade dort bewegen möchte. Zur richtigen Zeit am richtigen Platz sein hat nichts mit dem Badehandtuch auf dem Stuhl in der zweiten Reihe des Gemeindesaales zu tun, sondern mit aktivem Hören auf die Stimme Gottes.

Es ist ein ermutigendes und aufbauendes Buch für Christen, die voll im Alltag stehen und trotz regelmäßiger Gemeindebesuche geistlich unterernährt sind. Es hilft, die persönliche Berufung zu erfragen oder nach zu justieren.

Da Robert Fraser seine pastorale Berufung als IT-Unternehmer lebt, schrappt das Buch an einigen Stellen am Wohlstandsevangelium vorbei, bekommt aber immer wieder gut die Kurve. Es vermittelt Geld als Werkzeug, das weise und verantwortungsvoll zum Bau des Reiches Gottes zu nutzen sei. Zudem wird eine klare Unterscheidung zwischen vergänglichem und ewigem Reichtum vorgenommen und mit Freude festgestellt, dass vergänglicher Reichtum zur Schaffung ewigen Reichtums genutzt werden kann.

Ein Bibelvers aus Kolosser 3 Vers 23 blieb besonders bei mir hängen:

"Alles, was ihr zu tun habt, das leistet mit willigem Herzen, als gälte es dem Herrn und nicht den Menschen".

Sonntag, 17. April 2016

Powerhouse Ministries of God in Steglitz

Powerhouse Ministries of God ist eine junge Gemeinde in Steglitz. Die Besucher sind vorwiegend Schwarze aus dem Süden Berlins, was entsprechend das Temperament von Lobpreis, Predigt und Gottesdienst beeinflusst. Der Gottesdienst beginnt pünktlich und läuft gut strukturiert ab. Es wird Deutsch und Englisch gesprochen. Da die Sprachen mehrfach wechseln, sind Englischkenntnisse von Vorteil. Die Altersstruktur ist durchmischt, geht aber in Richtung junge Familien. Singles fühlen sich dort ebenfalls wohl. Die herzliche und interessierte Aufnahme von Gästen ist ein weiteres Plus der Gemeinde.



"Bei Spring waren wir in einer Kneipe. Da wurden von einem Kirk Smith Gospels und Anbetungslieder gesunden. Das war eine Stimmung", war der Kommentar eines befreundeten Ehepaares im Seniorenalter. Kirk Smith rockt alle Generationen und hatte als schwarzer Pastor bereits bei The Voice of Germany mitgemacht.

Heute stand seine Gemeinde in Steglitz auf dem Programm: Power House Ministries of God. Trotz seiner Popularität geht es Kirk Smith um Ministries of God und nicht um Ministries of Kirk. Trotz seiner Begabungen ist er ein bescheidener Mann. Er ist verheiratet, hat fünf Kinder und kommt aus Chicago. Das Power House wurde vor vier Jahren gegründet und spricht insbesondere Menschen mit internationalen Wurzeln an. Gepredigt wird auf Englisch mit deutscher Übersetzung. Das hat den Vorteil, dass man den Inhalt gleich doppelt hört und sich deshalb besser merken kann.

Der heutige Input hatte mich emotional so bewegt, wie schon lange keine Predigt mehr.

Power House Ministries of God
Power House Ministries of God - Lichtspiel im Garten
Es begann damit, dass Bibeln ausgeteilt wurden und jeder seine Bibel hochhalten sollte. Auch Smartphone war möglich. Kirk wollte sicher gehen, dass jeder Gottesdienstbesucher mitlesen kann. Der behandelte Text stand in Johannes Neun. "Der Blindgeborene", sagte ich zu meiner Frau und merkte eine übermäßige Freude in mir aufsteigen. "Dein Lieblingstext", gab sie zurück und lächelte.

Es ging um die Verse Eins bis Elf, wo Jesus zunächst über die vermeintliche Sünde des Blindgeborenen befragt wird, dann erklärt, dass es um die Praktizierung eines weiteren Werkes Gottes gehe und er dann auf unkonventionelle Weise den Blinden per Spucke und Staub heilte. Jesus sandte den Blinden dann zum Teich Schiloach, der übersetzt "gesendet" heißt. Danach kam der Blinde als Sehender wieder und berichtete von dem Moment, wo Jesus ihm die Augen geöffnet hatte. Ein Text voller Parallelen zu unserer Begegnung mit Jesus und den Punkten, wo er uns unkonventionell eine neue Sicht gegeben hat.

Die etwa dreißig Gottesdienstbesucher waren sehr freundlich und interessierten sich für einander und für uns. Auch während des Gottesdienstes gab es mehrere Gelegenheiten zu überschwänglichen Begrüßungen und Segenswünschen. Einmal hatte sich dabei im hinteren Teil des Saales eine so herzliche Menschentraube gebildet, dass Kirk die Leute in die Realität des Programms zurückholen musste.

Kirk Smith predigte sich so intensiv in den Text hinein, dass immer mehr Knöpfe seines Hemdes geöffnet, die Hemdsärmel umgeschlagen und die Krawatte gelockert wurde. Teilweise kam die Übersetzerin kaum hinterher. Dennoch war der rote Faden zu erkennen und es wurden immer wieder aktuelle Beispiele aus seinem Alltag einbezogen.

Nach dem Gottesdienst wurden wir noch ins Nachbarhaus zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Ein Gottesdienstbeginn von 15:00 Uhr eignet sich dafür sehr gut. Kirk erzählte uns, dass er gerne früher beginnen würde. Das gehe aber momentan nicht, da sich die Power House Ministries of God die Räume mit zwei weiteren Gemeinden teilen. Überhaupt entdeckten wir heute ein sehr reichhaltiges christliches Leben im näheren Umkreis der Wrangelstraße in Steglitz. Die Gemeindehäuser sind den ganzen Sonntag über gut belegt mit verschiedenen deutschen und internationalen Gemeinden.

Inzwischen bin ich auch über die Internetmission Berlin mit Kirk verbandelt und freue mich schon auf seine ersten Videoproduktionen für den YouTube-Kanal von GOTTinBerlin.de.

Montag, 11. April 2016

Wir dachten, wir kämen in ein christliches Land

Mit dem Flüchtlingsstrom schwappen auch radikale Tendenzen nach Deutschland, die nicht mit unseren Grundwerten konform gehen und ihr Konfliktpotenzial beim Mobbing gegenüber geflüchteten Christen in den Heimen entfalten.



"Wir Moslems sind gegen Abtreibung. Ihr als Christen doch auch", kann so manch ein Gespräch zwischen Deutschen und Menschen mit Zuwanderungsgeschichte ins Stocken bringen.

Man hat so seine Vorstellungen vom Anderen. Schwarze sehen alle gleich aus. Asiaten kann man nicht voneinander unterscheiden und Alle essen Reis. Frauen mit Kopftuch sind generell Moslems. Und alle Moslems sind radikalisiert. Das Urteil wird pauschal gefällt, da die Fähigkeit fehlt, die ethnischen und religiösen Gruppen zu differenzieren, gute Gemeinsamkeiten und gefährliche Tendenzen herauszufiltern. Überhaupt kann man in Menschen mit braunen Augen nicht hineinschauen. "Sagt der mir jetzt die Wahrheit"?

In genau diesem Spannungsfeld spielt sich die Bewertung von Konfliktsituation in Flüchtlingsheimen ab. Die Polizei ist überfordert, da viel zu wenig interkulturelle und sprachliche Kompetenz vorhanden ist. Es fehle an qualifizierten Bewerbern. Werde man zur Schlichtung eines Konfliktes gerufen, stehe Aussage gegen Aussage, Opfer in der Unterzahl werden eingeschüchtert und der externe Beobachter kann die Feinheiten nicht erkennen. Oftmals sind es auch Missverständnisse der Flüchtlinge untereinander, die ihre kulturellen oder sprachlichen Divergenzen fehlinterpretieren. Für den Außenstehenden stellt sich das als ein völlig undurchsichtiger Täter-Opfer-Mix dar.

Dennoch ermuntert die Polizei zur Anzeige. Das werde jedoch nur selten genutzt, da unmittelbare Ansprechpartner wie Heimleitung oder Security personell unterbesetzt sind und Anzeigen gar nicht weitergeben. Zudem kommen viele der Flüchtlinge aus diktatorisch geführten Ländern, in denen die Polizei keine positive Rolle spielt.

Beim heutigen Fachgespräch "Verantwortung für Religionsfreiheit - Religiöse Minderheiten in Flüchtlingsheimen besser schützen" im Sitzungssaal der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag wurde immer wieder der Ruf nach Schutzräumen für bedrängte Minderheiten laut.


Fachgespräch CDU/CSU-Fraktion Bundestag
Nach zweieinhalb Stunden intensiver Beratung und Diskussion, die von längeren Koreferaten flankiert wurde, war das auch bei den Entscheidern aus Politik und Kirchenleitung angekommen: "Ja, wir schaffen Schutzräume. Ja, wir stellen Ansprechpartner". In der Praxis wird schon Einiges in dieser Hinsicht getan, nur dass es mit der aktuellen Gesetzeslage kollidiert. Flüchtlinge dürfen demnach gar nicht vorzeitig aus dem Heim in eine Wohnung ziehen, wenn die Fristen nicht abgelaufen sind. Hier steht sich die Politik selbst im Weg. Heiße Nadel?

Neben den relativ wenigen bekannt gewordenen harten Fällen körperlicher Angriffe auf Christen und andere religiöse Minderheiten läuft ein "subtiles Mobbing". Die Flüchtlinge sind auf unterschiedliche Weise traumatisiert und können durch die unterschiedlichsten Situationen "getriggert" werden. Die Anlässe sind für den Außenstehenden oft völlig banal und nicht als Auslöser brutaler Angstzustände und Erinnerungen nachvollziehbar. Das zu laute muslimische Gebet, der Tritt gegen die Tür, das Video auf dem Handy können alte Qualen noch einmal durchleben lassen.

"Wir dachten, wir kommen in ein christliches Land", zeigen sich viele geflüchtete Christen ernüchtert über ihren Einstieg in die deutsche Gesellschaft. Wissen sie doch nicht, dass die Religiösität in Deutschland seit den 1930er Jahren kontinuierlich zurückgefahren wird. Es gibt sogar eine Studie dazu.

Ein Moschee-Vertreter sah sich als Teil der Lösung und vertrat die Meinung, dass Halbwissen zu Konflikten führe und deshalb verstärkt über Religion informiert werden müsse. Die Menschen, die hier eintreffen, seien größtenteils gering qualifiziert und religiös ungebildet. Wenn Frust vorhanden sei, sei es egal, welchen Unterschied man am Anderen gerade finde. Da kann dann auch ein Moslem mit dem Moslem aneinander geraten. In seiner Moschee am Columbiadamm engagieren sich insbesondere junge Frauen für eine Brücke zur demokratisch rechtsstaatlichen Gesellschaft.

"Wir wollen keine Religionskriege in unserem Land haben, sondern ein Miteinander", sagte Volker Kauder in seiner Rede. Er plädierte dafür, die bedrohten Minderheiten bewusst in den Heimen zu belassen und statt dessen die bei uns geltende Religionsfreiheit durchzusetzen. In diesen Tenor stimmten auch andere Podiumsteilnehmer ein. "Wir werden vor solch einer Situation nicht kapitulieren", konnte den bisher verhaltenen Applaus deutlich steigern. Die über dreihundert Teilnehmer erfuhren auch, dass der Innenminister seit Januar die religiös motivierten Straftaten gesondert registriere und in das Resort der politisch motivierten Straftaten gelegt habe.

Besonderes Wohlwollen fanden die Berichte ehemaliger Flüchtlinge, die sich inzwischen aktiv in die deutsche Gesellschaft integriert haben. Applaus gab es zur Asylverweigerung bei strafrechtlich relevanten Übergriffen, was übrigens auch mit Artikel 18 des Grundgesetzes konform geht.

"Wir dachten, wir kämen in ein christliches Land", zeigt uns, dass vieles von den alten Wurzeln und Werten verloren gegangen ist. So stand heute auch die Forderung im Raum, dass Christen selbstbewusster werden müssen. "Ja, wir sind auch gegen Abtreibung", könnte ein Anfang sein.

Sonntag, 10. April 2016

Arche - Stadtmission in Lichtenberg

Die Arche alias Stadtmission Lichtenberg erfreut den Besucher mit einer modernen Predigt inklusive biblischem Tiefgang in einem etablierten Gemeindehaus nahe des Bahnhofs Lichtenberg. Es gibt einen parallelen Kindergottesdienst und eine freundliches Zugehen auf Gäste. Die Gemeinde plant einen Neubau am selben Ort, um sich noch intensiver im Kiez engagieren zu können.



Die Arche in der Archenholdstraße ist nicht zu verwechseln mit der Arche in Hellersdorf oder Hamburg oder Reinickendorf oder Treptow. Die Archenholdstraße befindet sich auch nicht in Treptow, wo die Archenholdsternwarte steht. Die Archenholdstraße mit der Arche, die heute auf dem Programm stand, befindet sich in Lichtenberg und die Gemeinde gehört zur Stadtmission.

Knapp zwanzig Stadtmissionsgemeinden laden in Berlin Sonntag für Sonntag zum Gottesdienst ein. Darüber hinaus unterhält die Stadtmission diverse soziale Projekte und führt einen monatlichen Schiffsgottesdienst im Regierungsviertel durch. Meine Frau hatte ihre ersten geistlichen Schritte in der Stadtmission Friedrichshain gemacht und erinnert sich noch heute gerne daran.

Bereits auf dem Weg wurden einige Dinge geklärt: "Das Auto vor uns fährt auch dahin", stellte ich als These an der letzten Ampel der B1 auf. Der rote Kleinwagen fuhr dann tatsächlich zum Bahnhof Lichtenberg, bog in die Archenholdstraße ab und nahm uns den letzten verfügbaren Parkplatz weg. In einer Parallelstraße konnten auch wir unser Auto abstellen und machten uns auf den Weg zurück zur Arche. "Ich gehe nicht ins Kinderprogramm", war die klare Ansage meines Sohnes. "Nee, in Lichtenberg kenne ich doch keinen", war die klare Antwort meiner Frau auf die Frage, ob denn Nostalgie bei ihr aufsteige. Hinter uns hupte ein Quietscheentchen. Ein Radfahrer fuhr vorbei und bedankte sich freundlich. Ein klares Indiz für sein Fahrtziel. Aber wird auch der kräftige Mann vor uns seinen großen Koffer dort hintragen? Geige? Geld? Maschinengewehr? Radfahrer und Mann mit Koffer grüßten sich und bogen in den Vorgarten der Arche ein. Das war ja spannend! Im Vorgarten klärte sich auf, dass das Quietscheentchen ein Pinguin war. Es nieselte.

Durch einen kleinen Vorraum gelangten wir direkt in den Gemeindesaal. Alles sehr schlicht und in braun/beige/weiß gehalten. Zu spät kommen sollte man hier nicht, da sich der Eingang direkt neben der Kanzel befindet. Es sei denn, man möchte die ungeteilte Aufmerksamkeit genießen. Wir hängten unsere Jacken weg und wurden von einer jungen Frau mit einem coolen Haarschnitt begrüßt: "Hallo, ich bin Andrea, die Pastorin". Neben uns packte der Mann mit dem Koffer sein Blasinstrument aus. Als wir eine Sitzreihe mit vier Plätzen gefunden hatten, flüsterte mir mein Sohn zu, dass die Pastorin wohl den gleichen Friseur wie Mama habe und weigerte sich anschließend, die fehlenden drei Gesangsbücher aus dem Regal am anderen Ende des Raumes zu holen. Ein Buch war uns bereits von hinten durchgereicht worden. Also ging ich, grüßte unterwegs diverse Gottesdienstbesucher und erregte damit einige Aufmerksamkeit.

Das Erregen von Aufmerksamkeit war auch der Einstiegsgedanke der Stadtmissionarin Andrea Völkner. Mit Facebook, Twitter und anderen Aktionen suche man Aufmerksamkeit zu erregen, um von seiner Umwelt wahrgenommen zu werden. Die älteren Besucher schauten sie bei "Twitter" und "Facebook" etwas fragend an, hörten aber dennoch aufmerksam zu. Überhaupt predigte die studierte Theologin so, dass man bis zum Ende ohne Aufmerksamkeitsdefizite folgen konnte. Ein Phänomen, das wir schon bei mehreren Stadtmissions-Predigern erlebt hatten. Die Predigt beschäftigte sich mit Genesis 16, wo der Konflikt zwischen Hagar und Sarai sowie das Spannungsfeld zwischen göttlicher Vorhersage und dem menschlichen Wunsch nach Beschleunigung und Nachhilfe thematisiert wird. "Du bist ein Gott, der mich sieht", war die zentrale Aussage (Vers 13), die den Bogen zur Wahrnehmung auf Twitter und Facebook schloss.

Der Gottesdienst wurde durch Lieder aus dem Gesangsbuch, dem Glaubensbekenntnis, der Kollekte, dem Vaterunser und weiteren liturgischen Elementen umrahmt. Die Kinder waren gleich zu Beginn mit einem Mitarbeiter und einer Kerze in ihr Programm entlassen worden.

Obwohl es nach dem Gottesdienst keinen Kaffee gab, liefen nicht alle sofort auseinander, sondern unterhielten sich oder gingen auf die Gäste - also uns - zu. Andrea kam und bot uns eine Führung durch die Räume an. Das war recht überschaubar, da es hinter dem großen Gemeindesaal nur noch einen per Rollo abgeteilten Bibelstundenraum, einen Kinderraum und eine Küche gab. Mit leuchtenden Augen erzählte sie uns von dem Vorhaben der Stadtmission, das alte Haus abzureißen und ein neues Haus mit Kita an diese Stelle zu bauen. Die zunehmende Ausrichtung der Arche auf den Kiez hat sich auch schon im Bezirksamt herumgesprochen. Denn von dort kam die Empfehlung zu einem Besuch. Interessant wäre noch, wie sich bei einem Neubau die Synergien mit der benachbarten Baptistengemeinde entwickeln.

Die Arche in Lichtenberg ist nun auch schon über 100 Jahre alt, meine Frau noch nicht. Dennoch trafen sie und das uns begleitende Ehepaar jede Menge alte Bekannte. Hochzeiten und sonstige verwandtschaftliche und gemeindliche Vernetzungen ziehen sich quer durch die christliche Szene Berlins. Wir sind immer wieder erfreut über das große geistliche zu Hause und den gemeinsamen Nenner: Jesus!

Zehn-Uhr-Gottesdienste haben den Vorteil, dass noch so viel vom Sonntag übrig ist. Zu sechst fuhren wir in aller Ruhe zu einem Griechen in Hohenschönhausen und ließen den Vormittag bei Cola, Fanta, zweimal Einundfünfzig, Hundertzwei und weiterem Essen mit viel Fleisch und Pommes ausklingen.

Zu Hause wurde ein großes Fotoalbum aufgeschlagen. Auf Schwarz-Weiß-Fotos mit Angst einflößender Bausubstanz im Hintergrund sollten wir erraten, wen von den Bildern wir heute alles getroffen hatten. Die Kinder erkannten sogar ihre Mama, die damals noch lange Haare hatte und so alt war wie sie jetzt.

Sonntag, 3. April 2016

Gottesdienst und Lunch in der Philippus-Gemeinde

Die Philippus-Gemeinde spricht insbesondere junge Familien und Singles aus dem Prenzlauer Berg an. Der Lobpreis ist gut und die Predigt sowie das Drumherum gehen auf normale Alltagsthemen ein. Gäste werden unkompliziert und herzlich in das Geschehen integriert.



Mal wieder C13. Diesmal kein Abendgottesdienst von Vineyard, sondern ein Lunch-Gottesdienst der Philippus-Gemeinde. Das akademische Viertel ist fester Bestandteil der Zeitplanung. Ab 10:30 Uhr ist Ankommen, um 10:45 Uhr Beginn und nach dem Gottesdienst gemeinsames Essen angesagt. Einmal im Monat gibt es solch einen "Lunch-Gottesdienst" und ansonsten Gottesdienste mit Abendmahl oder Nudeln & Pesto.

Die Philippus-Gemeinde in Prenzlberg wurde kurz vor der Jahrtausendwende im Rahmen der Gemeindegründungsaktivitäten der Lukas-Gemeinde ins Leben gerufen. Ihre ersten Schritte ging sie als Familienzentrum im Bötzowviertel und zog dann ins C13 zwischen Prenzlauer Allee und Greifswalder Straße um. Die damaligen regionalen und internationalen Gründer sind inzwischen in anderen Projekten aktiv, so dass wir gespannt waren, wen wir heute treffen werden.

Die Vorfreude war aus mehreren Gründen groß:

Der Termin war schon seit zwei Monaten geplant, es gibt verwandtschaftliche Beziehungen nach Marzahn, wir waren bisher noch nie in der Philippus-Gemeinde, kennen deren Pastor Michael Strub seit seinem Umzug nach Berlin, waren bei der Taufe des Vikars Merlin Fürstenberg dabei und hatten Chatschapui (georgische Blätterteigtaschen mit Schafskäse) zum Lunch mitgebracht.

Beim Betreten der hellen einladenden Räume wurden wir sofort sehr herzlich begrüßt. Wir gaben die Chatschapui ab und fanden uns sofort in einem umfangreichen Studium der Namen wieder. Es gab mehrere Jörgs und nur einen Matthias. Einige der Leute kannten wir aus der Lukas-Gemeinde und andere lernten wir kennen. Das Interesse war bemerkenswert und echt. Mit "Gut" konnte man eine Wie-Geht's-Frage hier nicht abspeisen, da eine sehr persönliche Art der Willkommenskultur offensichtlich die Philippus-DNA ausmacht.

Versorgt mit Kaffee nahmen wir an einem der Tische im Saal Platz und folgten der Einleitung zum Gottesdienst. Es gab viele Kinder, die zu bestimmten Momenten in ihre Gruppen gingen. Das waren Spatzen, Adler und Löwen. Unsere Kinder wurden mehrfach eingeladen, wollten aber die Predigt hören. Diese beschäftigte sich mit dem ersten Kapitel des ersten Petrusbriefes und mit Christen in einer Umgebung, die noch für das Christsein erschlossen werden musste. Im Original waren das alles Gemeinden in der heutigen Türkei. Vikar Merlin leitete damit eine Predigtreihe über die Petrusbriefe ein.

Der Lobpreis gefiel uns auch sehr gut, da die bekannten Lieder von vor zehn bis zwanzig Jahren gesungen und mit zwei Gitarren begleitet wurden. Wir mussten also nicht immer auf den treffsicher eingeblendeten Text schauen.

Anne fasste das Thema der Predigt noch einmal kurz zusammen und leitete auf die Veranstaltungshinweise über. Danach wurde das Lunch-Buffet eröffnet. Die Chatschapui waren sehr schnell weg. Es gab aber auch andere leckere Sachen und reichlich Kaffee. Die Besetzung an den Tischen  wechselte regelmäßig, blieb aber lange genug bestehen, um sich gegenseitig  kennen zu lernen. Wir wurden mehrfach über die Hintergründe unserer Wanderschaft durch die Gemeinden der Stadt befragt und zum Wiederkommen ermuntert.

Der Besuch bei der Philippus-Gemeinde war ein äußerst erbauliches Erlebnis, das wir gerne weiterempfehlen.