Samstag, 29. Juli 2017

Advent in Marzahn - jeden Samstag ab 9:30 Uhr

Eine Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten hatte ich wohl bisher noch nie besucht. Eine dieser Gemeinden trifft sich jeden Samstag zum Gottesdienst in der Kirche Marzahn/Nord.



Wenn sich Gemeinden die Räume teilen, kann es gelegentlich zur Überschneidung von Interessen kommen. Sehr praktisch, wenn eine Adventgemeinde als Untermieter fungiert. Adventisten praktizieren ihren Glauben antizyklisch:

Ankunft

Advent ist für sie kein Zeitraum am Jahresende. Advent ist vom lateinischen Wort für Ankunft abgeleitet und steht für die Erwartung der baldigen Ankunft von Jesus. Da es sich bei Jesus eher um eine Wiederkehr oder Rückkehr handelt, hätten auch Namen wie Revent- oder Reditus-Gemeinde gepasst. Den Advent kennt aber in unseren Regionen jeder. Das gibt einen guten Anknüpfungspunkt für Gespräche.

Sabbat

Das zweite markante Alleinstellungsmerkmal ist die Heiligung des 7. Tages, des biblischen Ruhetages, des Sabbats. Deshalb treffen sich Adventgemeinden am Samstag zum Gottesdienst und haben diese Wocheneinteilung sogar in ihren Namen aufgenommen: Freikirche der Siebenten-Tags-Adventisten.

Bibelgespräch und Predigt

Gottesdienste der Adventgemeinde Berlin-Marzahn beginnen am Samstag um 9:30 Uhr. Die folgenden zwei Stunden beinhalten zwei wesentliche Teile: Bibelgespräch und Predigt. Das sei weltweit so üblich und habe sich bewährt. Die beiden Teile könnten auch in der Reihenfolge gedreht werden, gehörten jedoch elementar zur Sabbat-Feier.

Umrahmt wurden das Bibelgespräch und die Predigt heute durch acht Lieder, die gemeinsam gesungen wurden. Davon kannte ich 25%. Ansonsten hängte ich mich an den Gesang der Gemeinde. Nur bei einem Lied wurden Strophen ausgelassen.

Auch die bekannten Elemente Kollekte, Schriftlesung und Ansagen gab es. Sehr erfreut war ich über die Aufforderung, am Mikrofon über aktuelle Erlebnisse mit Gott zu berichten. Die persönliche Beziehung zu Jesus spielt hier eine wichtige Rolle. Jeder hatte seine Bibel dabei. Auch ein Alleinstellungsmerkmal. Dass das so sein könnte, war mir beim Frühstück eingefallen, so dass auch wir zwei Besucher aus der Nachbarschaft eine Elberfelder und eine Schlachter dabei hatten.

Bibel, Gesetz und Galaterbrief

Ohne die Bibeln wären wir beim Bibelgespräch sehr aufgefallen. Die etwa dreißig Gottesdienstbesucher im Altersdurchschnitt von Mitte fünfzig wurden in zwei Gruppen geteilt und in zwei Räume geleitet. Es ging um Galater 3. Die Gemeinde hatte sich über die Woche schon auf Soli Fide (nur aus Vertrauen) nach dem Vorbild Abrahams vorbereiten können.

Der Brief an die Galater ist insofern eine pikante Lektüre, da die Befolgung der Gesetze des Alten Testamentes wichtiges Merkmal adventistischer Frömmigkeit ist. Den Sabbat am Samstag als Ruhetag einhalten, keinen Alkohol trinken, nicht rauchen, keinen Schmuck tragen, kein Schweinefleisch essen waren einige der Regeln, die während der geleiteten Diskussion genannt wurden.

Einige der Teilnehmer setzten sich sehr ehrlich mit ihren Grenzen bei der Einhaltung der Gesetze auseinander und wiesen auf die Freiheit hin, die wir in und durch Jesus haben. Zu viel Frömmigkeit deute auf eine Leiche im Keller hin.

Wachstum im Süden

Weltweit werde über die Woche dasselbe Thema behandelt. So sind alle 19 Mio. Adventisten über den Sommer mit dem Galaterbrief beschäftigt. Jährlich kommen über eine Million Adventisten dazu. Das stärkste Wachstum ist in Afrika und in Südamerika zu verzeichnen. Europa rangiert im Promille-Bereich. In Deutschland gibt es knapp 100 Adventgemeinden, die regional teilweise in Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammengefasst sind. Das hat Auswirkungen auf die organisatorische Bewegungsfreiheit und die Steuerzahlung. Apropos Steuern: 2014 hatten die Adventisten weltweit etwa 3,4 Mrd. USD erwirtschaftet, was einer Steigerungsrate von knapp 4% zum Vorjahr entspricht.

Advent nach Lukas 15

Die Predigt war in die zweite Stunde des Gottesdienstes eingebettet. Es ging um den verlorenen Sohn aus Lukas 15, 11-24. Der Referent habe schon einmal darüber gepredigt und nun weitere interessante Aspekte gefunden. Sein Fokus lag auf dem Auslandsaufenthalt des Sohnes, seiner möglichen Motivation der Freiheitsliebe und den Freunden, die mehr seine Ressourcen als ihn selbst liebten. In Vers 20 lesen wir: "und aufstehend kommt er zu seinem Vater ..." auf Latein "et surgens venit ad patrem suum". Da war es wieder, das Wort venire, das auch im Advent steckt.

Nach dem Gottesdienst wurden wir von vielen Leuten angesprochen und unterhielten uns noch über eine halbe Stunde mit ihnen. Kaffee oder Snacks gab es nicht. Das war uns egal, schließlich waren wir ja wegen des Sabbat-Gottesdienstes hier.

Samstag, 22. Juli 2017

Die Umarmung des Prinzen

Serienfotos offenbaren Details, die dem bloßen Auge entgehen. Sie fangen Mikrogesten ein oder dokumentieren Details auf Nebenschauplätzen. So auch beim Besuch von Prinz William im Kinderhaus Bolle.



Menschentrauben umgaben das Prinzenpaar aus England. Von den 15 Minuten im Garten des Kinderhauses Bolle am letzten Mittwoch waren William und Kate nur etwa drei Minuten so gut sichtbar, dass die Fotografen ihrer Arbeit nachgehen konnten. Dabei lag der Hauptfokus auf der Herzogin von Cambridge. Ihr Gatte William stand mehrfach frei, ohne dass die Fotografen Notiz davon nahmen.

Gestelltes Gruppenbild und Serienfotos

Die letzten drei Minuten wurden zur Sortierung des Gruppenfotos verwendet. Es müssen um die hundert Kinder, Jugendliche und Erwachsene gewesen sein. Auch Botschafter Sebastian Wood und Bürgermeister Müller waren dabei. Dann löste sich die Formation auf und die adligen Herrschaften strebten dem Ausgang entgegen.

Ich hielt mit der Kamera drauf, zoomte heran und Klack, Klack, Klack, Klack ... die Serienfotos wurden eingesammelt. Hauptsache, die Protagonisten waren mittig und scharf vor der Linse. Knapp 70 Bilder wurden an diesem Nachmittag geschossen. Einige wurden gleich vor Ort aussortiert und die anderen später am Bildschirm gesichtet.

Die Auswertung

Zunächst konzentrierte ich mich auf die Bewegungsabfolge der markanten Kate mit ihrem blauen Kleid. Ein Kind hielt ihr eine Karte mit der "Abend Show" des rbb entgegen. Sie bemerkte das Kind, überflog die Karte, lächelte und drehte sich dann zu ihrem Mann. Die beiden Bodyguards hinter ihr bildeten mit ihren Körpern dezent eine Kapsel um sie und drängten charmant das Kind mit der rbb-Karte ab. Sehr professionell, wie man es auch von den Bodyguards unserer Spitzenpolitiker kennt.

Die Umarmung des Prinzen Lukas 15, 11-32
Die Umarmung des Prinzen - spontan und frei nach Lukas 15, 11-32


Parallel-Handlung

Der - wie so oft - unscheinbare William stand frontal zur Kamera. Ein kleiner blonder Junge kam auf ihn zu. Er war vielleicht einen Meter groß. Kaum hatte er den Prinzen erreicht, umklammerte er ihn und verharrte in dieser Position. Der Prinz legte seine Hände auf den Rücken des Jungen und der Junge ruhte faktisch in dieser Umarmung. Die Konstellation erinnerte an "Die Rückkehr des verlorenen Sohnes" von Rembrandt.

Während Kate noch mit der "Abend Show" beschäftigt war, beugte sich der Prinz weiter herunter und ließ seine Hände auf dem Rücken des Jungen ruhen. Beide verharrten darin. Mehrere Sekunden lang. Das letzte Serienfoto zeigt Kate, die Bodyguards und die umstehenden Kinder, wie sie diese Szenerie anschauen. Alles fokussiert sich auf William und den kleinen Jungen. Dann Rücken vor dem Motiv, Hektik, Ausgang, Abfahrt und der nächste Termin.

Die Umarmung des Prinzen

Was diese Umarmung in dem Kind ausgelöst haben mag? Das erste Mal Geborgenheit? Das erste Mal Anerkennung durch einen Erwachsenen? Das erste Mal bemerkt? Die erste Begegnung mit einem echten Prinzen?

So fühlt es sich wohl an, wenn ein Mensch zu Jesus kommt. In Lukas 15 kommt ein Sohn zurück zu seinem Vater, nachdem er aus eigenem Antrieb alles verspielt und verloren hat. Sein Vater hatte lange auf ihn gewartet, er freut sich über die Rückkehr und nimmt ihn wieder in Liebe auf.

In Vers 20 lesen wir, was der Vater des zurückgekehrten Sohnes tat: "... und er rannte zu ihm, fiel ihm um den Hals und küsste ihn."

Mittwoch, 19. Juli 2017

William und Kate besuchen das Kinderhaus Bolle in Marzahn

Während das Image von Marzahn zurzeit durch die Presse demontiert wird, war es heute Anlaufpunkt für die Sympathieträger der Monarchie: William und Kate. Sie besuchten das Kinderhaus Bolle.



Als wir über den Film "Spuk unterm Riesenrad" redeten, warfen unsere Freunde ein: "Wir hatten letztens mal wieder ein Video über Marzahn kurz nach der Wende gesehen". Überall brauner, roter, grauer Waschbeton, schlammige Straßen und Grün im Anfangsstadium.

Wandel und dessen Akzeptanz

Mit dem Wechsel ins neue Jahrtausend war ein deutlicher Wandel der Atmosphäre in Marzahn zu spüren. Die Häuser wurden bunter, die Freiflächen grüner, die Bäume höher, die Menschen entspannter. Es kamen verschiedene Missionsteams nach Marzahn, bei denen sich insbesondere die Frauen schwer taten mit dieser Wohngegend. Der familiäre Kompromiss war dann das Haus am Stadtrand oder die Wohnung in einer Neubau-Enklave hinter der mentalen Grenze zur Plattenbau-Siedlung, dem Blumberger Damm südlich der Landsberger Allee.

Die allseits beliebten Gärten der Welt liegen ebenfalls in diesem Planquadrat. Dort findet zurzeit die IGA 2017 statt. Dass die Besucherzahlen von einer Million bis zur Halbzeit nicht erreich wurden, liefert Futter für die tendenziöse Berichterstattung. Brauchst du einen Bericht über soziale Problemfälle? Geh nach Marzahn/Hellersdorf!

Dass selbst Stadtteile wie die Bronx in New York eine positive Wandlung erfahren können, durfte ich im letzten Jahr erleben. Etwa zehn Jahre hatte es gedauert, das Klima dort zu verändern. Viel Gebet, die Entstehung neuer Gemeinden und das damit verbundene Umdenken der bislang trostlosen Menschen.

William Kate Kinderhaus Bolle Marzahn
Kinder beim Fußball im Kinderhaus Bolle in Marzahn
Hidden Champion

Marzahn verfügt über eine sagenhafte Infrastruktur, hat eine gute Autobahnanbindung, ausgedehnte Grünflächen und bemerkenswerte Einfamilienhaus-Siedlungen. Viele Autos vor unserem Hochhaus sind schwarz und liegen im Neupreissegment oberhalb der 50.000 Euro. Im Umkreis von 800 Metern stehen hier fünf neue BMW 7er, S-Klassen und große Audis. Was die Presse nicht wahrhaben will, wissen Autodiebe schon lange.

Gefälle

Dennoch gibt es in Marzahn/Hellersdorf ein starkes Nord-Süd- und Ost-West-Gefälle. Anna aus Biesdorf distanziert sich von Chantal aus Marzahn/Nord oder von Igor aus Ahrensfelde. Wobei das sich anschließende Dorf Ahrensfelde wieder gut situiert ist. Ein Marzahner will auf gar keinen Fall als Hellersdorfer gelten. Solche Dinge kennt man auch aus dem Konflikt zwischen Berlin und Spandau.

Die Arche in Hellersdorf und das Kinderhaus Bolle haben also ihre Berechtigung. Beide Häuser sind voll mit Kindern, deren Eltern lieber andere Dinge tun oder kein Geld für eine warme Mahlzeit haben. Bolle-Chef Eckhard Baumann ist eine gewisse Zeit bei der Arche mitgelaufen und versteht sich auf die Regeln des Fund Raisings. Die Arche und Bolle sind originär christliche Einrichtungen. Versuche, die Kinder und Jugendlichen in Gemeinden zu integrieren, waren jedoch selten von Erfolg gekrönt. Dennoch kennen sie die Basics von Gottes Liebe, Jesus, Vergebung und anderen geistlichen Tatsachen. Das lernen sie spielerisch an den Nachmittagen oder auf den gemeinsamen Freizeiten.

William Kate Kinderhaus Bolle Marzahn
William und Kate besuchen das Kinderhaus Bolle in Marzahn
Eckhard Baumann mit Krawatte und Bundesverdienstkreuz

Beim Besuch des Prinzenpaares trug Eckhard Baumann Anzug, Krawatte und die Bandschnalle des Bundesverdienstkreuzes. Diese Optik ist seine Zielgruppe nicht gewohnt. Dennoch wurde er voll akzeptiert, als er mit dem Megaphone das Fußballspiel beendete und zum Gruppenfoto mit William und Kate aufrief.

Die Besucher von der Insel inklusive Botschafter und Bürgermeister Müller waren etwa 40 Minuten vor Ort. Auf der Hohensaatener Straße waren sogar Lieferwagen wegen des Parkverbotes umgesetzt worden. So konnten die Eltern und Schaulustigen aus Marzahn der Ankunft um 15:20 Uhr beiwohnen. Ich hatte schon über eine Stunde im Garten hinter dem Haus ausgeharrt.

15:36 bis 15:51 Uhr im Garten

15:36 Uhr traten sie aus dem Haus. Jubel, Fähnchen und dann das Bad in der Masse. Die Fotografen neben mir ließen die Kameras sinken. Kate war nicht mehr zu sehen. Nur Rücken und Kate-Doubles mit blauen Kleidern. Die Traube bewegte sich zum Stand der Robert-Enke-Stiftung. Kate war verdeckt. Niemand bemerkte, dass William noch an der Treppe stehen geblieben war und mit zwei Leuten redete: Völlig frei zum Fotografieren. Dann verschwand auch er in der Menschentraube am Robert-Enke-Zelt. Diesmal verdeckt durch die Rücken der britischen Presse. "Tolle Aufnahmen!", wie der Pressefotograf zu sagen pflegt. William und Kate hatten jedenfalls keine Berührungsängste mit den Kindern aus Marzahn.

Dann bekam Kate einen Rosenstrauß überreicht, den sie lächelnd annahm und kurz darauf einer Bediensteten weiterreichte. Dann das oben erwähnte Gruppenfoto und kurz darauf der Abgang. Die Viertelstunde hinter dem Haus war somit in folgende Abschnitte gegliedert: Menschentraube an der Treppe 5 Minuten, Menschentraube unter dem Robert-Enke-Zelt 7 Minuten, Blumenstrauß mit Gruppenfoto und Abgang 3 Minuten. Alles exakt geplant, zumindest was die insgesamt 15 Minuten im Garten von Bolle betrifft.

Zurück in die City

William und Kate mussten wieder zurück in die City. Ab 16:35 Uhr stand ein Gesprächstermin mit dem Bundespräsidenten auf dem Programm. Da ich dazu auch angemeldet war, raste ich hinterher. Als ich ohne Blaulicht dort eintraf, kamen die Kollegen mit ihren Kameras bereits wieder heraus. Zu spät.

Sonntag, 16. Juli 2017

Zwei Degen und eine Zeitreise: Kirche Marzahn/Nord

Die Evangelische Kirchengemeinde Marzahn/Nord nutzt das letzte Kirchengebäude, das vor dem Ende der DDR eingeweiht wurde. Sehr spontan hatten wir uns für den Besuch des dortigen Gottesdienstes entschieden.



Meine Schwiegermutter hatte sich um 9:36 Uhr per WhatsApp zum Mitkommen angemeldet. Der Rest der Familie hatte andere Pläne. Zwei Freunde aus Marzahn kamen mit dem Fahrrad. Man musste sich bücken, wenn man den Seiteneingang zur Kirche nutzen wollte. Dieser war mit einem weißen Schlauch versehen, an dessen Anfang das heutige Datum stand. Eine Zeitreise ins Innere der Kirche.

Zugang durch den Tunnel

Da ich mich in der Kirche Marzahn/Nord nicht so gut auskannte, spähte ich in die verschiedenen Seitenräume des Ganges. Schließlich landete ich im Gemeindesaal. Die Wände waren mit Tüchern verhangen. Der Altarbereich wirkte königlich und antik mit silbernen und goldenen Tüchern sowie dunklen ehrwürdigen Vorhängen.

Meine Schwiegermutter hatte ich direkt vor der Tür abgesetzt und war dann noch mit der Parkplatzsuche beschäftigt gewesen. Offensichtlich hatte sie sich im Gang verlaufen und kam erst deutlich nach mir in den Saal. Um 10:30 Uhr begann der Gottesdienst mit einem alten Kirchenlied. Pastorin Dang gab eine kurze Einleitung und kündigte den bevorstehenden Einsatz von zwei Degen an: Monika und Rolf Dieter Degen.

Zwei Degen, 150 Psalmen und das Leben eines Königs

Monika platzierte sich unauffällig an der Technik während ihr Gatte uns auf eine Zeitreise mitnahm. Wir wurden etwa 3.000 Jahre zurück katapultiert. Der Hirtenjunge David saß am Tisch und schrieb Psalm 23. Er wolle sich erinnern und nichts vergessen von den großen Taten Gottes in seinem Leben. Rolf Dieter Degen rezitierte Ausschnitte aus vielen Psalmen und verband diese mit der Chronologie des Lebens von David. Scharfsinnig interpretierte er die Zusammenhänge der Geschehnisse im Leben des zweiten Königs von Israel.

Voll Spannung klebten die Zuhörer an seinen Lippen und den langsamen Bewegungen des Degens. Es waren um die siebzig Besucher erschienen. Das entsprach in etwa auch dem Durchschnittsalter.

Schilder, Bibeltexte, Bausubstanz

Nach einer Stunde, einem weiteren Lied, dem Vaterunser und dem Segen war der Gottesdienst zu Ende. Die Gemeinde wurde auf die Schleusinger Straße hinaus geführt, wo neue Tafeln mit Texten aus der Bibel aufgestellt waren. Auch die Künstlerin war dabei und wurde mit einem Blumenstrauß geehrt. Die Texte verbinden wichtige Aussagen aus dem Neuen und Alten Testament miteinander.

Das Gemeindehaus, der Garten und das Pfarrhaus machen einen sehr gepflegten Eindruck. Finanzielle Engpässe scheint es in Marzahn/Nord nicht zu geben. Im Garten staunten wir über die liebevoll angeordneten Tonfiguren und Tontafeln, die die 10 Gebote und biblische Geschichten darstellten. Ganz neu war die Bühne am Ende des Gartens - der Traum eines jeden Lobpreisleiters, der noch mit dem Fallstrick Selbstdarstellung kämpft.

Vor dieser Bühne gab es Eintopf mit Würstchen sowie Kaffee und Kuchen. Spontane Life-Musik mit Gitarre und Gesang untermalte das Essen und die Gespräche an den Tischen.

Gebückt durch die enge Pforte

Und dann war es endlich so weit: Die Akteure der Zeitreise hatten das Essen, die Gespräche, die Danksagungen und das Geschirr-Wegbringen erledigt und waren bereit zum Einsatz in der Historie.

Wieder liefen wir gebückt durch den Schlauch am Seiteneingang. Diesmal fiel mir auf, dass viele Personen der Geschichte mit Mitte fünfzig aus dem Diesseits geschieden waren. Sollte mir das zu denken geben? Mein Hausarzt hatte eine Reduzierung der Körperfülle empfohlen und dabei auf den Herzinfarkt mit Mitte vierzig verwiesen. Hatten alle diese berühmten Leute einen Herzinfarkt? Nein, einige waren wohl auch an der Pest gestorben.

Dann kamen wir zur ersten Station: Saul. Saul war nicht da. Scheinbar musste er noch Tassen in den Geschirrspüler räumen. Irgendwann erschien er. Er war ja schließlich der König. Freudig berichtete er über seine psychischen Probleme und die Beziehung zu David. Der Schrubber-Stiel in seiner Hand hatte am unteren Ende eine bedrohlich wirkende Spitze.

Paul Gerhard und zwei Unbekannte

Schnell gingen wir weiter - kurz über den Flur - 1.000 Jahre später in Jerusalem. Hier ging es um Petrus, der kurz vor der Verurteilung von Jesus plötzlich nicht mehr wusste, dass er mal mit Jesus durch die Gegend gezogen war. Es schloss sich eine Station mit dem weniger bekannten Johannes Agricola (1494 - 1566) an. Diesem folgte der bekannte Paul Gerhard (1607 - 1676) und der wiederum eher unbekannte Franz Theremin (1780 - 1846). Frau Dang konnte besonders viel über Franz Theremin, dessen Werk und Familie berichten.

Die Zeitreise sollte wohl eher am späten Abend durchgeführt werden. Beim Flackern der Kerzen entfalten die Kulissen bestimmt eine sehr realistische Wirkung.

Samstag, 15. Juli 2017

Colonia Dignidad beschäftigt auch den Bundestag

Seit über zwei Jahren analysieren wir die Mechanismen des geistlichen Missbrauchs. Dabei läuft uns immer wieder die Colonia Dignidad über den Weg. Inzwischen ist sie auch im Bundestag angekommen.



Bei der Recherche zur "Ehe für Alle" war ich ungeplant auf die 243. Sitzung des Bundestages am 29. Juni 2017 gestoßen. Ab 22:58 Uhr wurde über die zwei Anträge 18/11805 und 18/12943 abgestimmt. Dem gingen einige Reden voraus, die trotz der üblichen Differenzen zwischen Rot, Grün und Schwarz in sachlicher Harmonie vorgetragen wurden. Von den 623 Abgeordneten, die am nächsten Morgen über die Zukunft der Ehe abstimmten, waren nur etwa 3% im Saal.

Lagebild vor Ort

Eine Gruppe aus Parlamentariern der unterschiedlichen Fraktionen war zuvor nach Chile gereist. Ein Lagebild direkt am Ort des Geschehens zu ermitteln, ist oft sehr nützlich für Entscheider. Die Colonia Dignidad liegt knapp 380 Kilometer südlich der Hauptstadt. Laut Google-Maps ist sie in vier Auto-Stunden von Santiago de Chile aus zu erreichen.

Schon im vergangenen Jahr war der Aufarbeitungsprozess um die Sekte ins Rollen gekommen. Der gleichnamige Film hatte im April 2016 auch den damaligen Außenminister Steinmeier bewegt. In seiner Rede zum Film räumte er öffentlich das Versagen der deutschen Diplomatie ein. Außerdem verkürzte er die Sperrfrist der relevanten Akten auf 20 Jahre, so dass diese nun eingesehen werden können.

Antrag 18/12943

In der Einleitung zum Antrag 18/12943 ist unter anderem folgende Aussage zu lesen:
Dabei nutzte die Sekte für ihre Verbrechen die abgeschiedene Lage der CD, die Kooperation mit der chilenischen Militärdiktatur und die unkritische Beobachtung der an der Oberfläche vorbildlich erscheinenden deutschen Gemeinschaft.
Die Colonia Dignidad war weit weg vom Blickkontakt einer übergeordneten Instanz. Die Mitglieder hatten sich vorab von ihren baptistischen Strukturen gelöst. Dadurch war die Supervision und das Eingreifen durch den Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden massiv einschränkt.

Statt ein gesundes Korrektiv geistlicher Vorbilder zu nutzen, wurden Kooperationen mit offensichtlich destruktiven Partnern eingegangen. Ab diesem Moment hätten die Alarmglocken zumindest bei den Gut-Gläubigen angehen sollen. Ins System von Paul Schäfer passte das jedenfalls: Wolf im Schafspelz.

Apropos Schafspelz: Nach Außen wirkte die Sekte sauber und gepflegt. Die Colonia Dignidad konnte sich sogar altruistisch und sozial engagiert darstellen.

Es kann jeden treffen.

Colonia Dignidad ist ein gravierendes Beispiel.

Geistlicher Missbrauch kann aber nahezu jeden in jeder christlichen Gemeinschaft ereilen. Ob Baptisten, Mülheimer Verband, Brüderbewegung oder SELK, keine Gruppierung ist davor sicher. Die Mechanismen sind gleich und funktionieren sehr effektiv.

Vor den Augen der übergeordneten Instanz

Es kann sogar unmittelbar vor den Augen der übergeordneten Instanzen ablaufen, ohne dass es weiter untersucht wird. Es bedarf lediglich eines anerkannten Mittelsmannes, der seine Sicht der Dinge darlegt. Das Thema ist dann schnell durch. Dass eine Gemeinde hier und eine Gemeinde dort kaputt geht, fällt dann gar nicht auf. Und wenn es auffällt, findet sich eine geeignete Begründung, die nur selten überprüft wird.

Im Antrag 18/12943 lesen wir dazu:
Auch aufgrund der fehlenden Entschlossenheit und des Wegschauens deutscher Diplomaten in den 1960er, 70er und 80er Jahren bedurfte es des Mutes der diesem Martyrium entkommenen Opfer sowie des Einsatzes deutscher und chilenischer Menschenrechtsanwälte und -verteidiger, damit die Wahrheit ans Licht kommen und Paul Schäfer 2005 festgenommen werden konnte.

Durch oberflächliche oder gar keine Recherche machen sich bis heute Leiter und Verbandsfunktionäre schuldig.

Meine Schuld

Als Vereinsvorstand und Teil der Gemeindeleitung empfand ich es damals sehr bequem, die Begründungen der ordinierten Vertrauensperson anzunehmen, wenn sich mal wieder ein Gemeindemitglied verabschiedet hatte. War die Rechtfertigung mundgerecht und schlüssig aufbereitet, konnte schnell zur Tagesordnung übergegangen werden. Ja, ich ließ mich sogar dazu benutzen, die gelieferte Begründung an die Gemeinde zu übermitteln.

Durch Hinterfragung bestimmter Vorgänge kollidierte ich dann selbst mit dem System. Das erweiterte mein Blickfeld. Im Zuge des Ausstiegs kontaktierte ich sämtliche ehemalige Mitglieder und klärte das Geschehene im persönlichen Gespräch. Vierzig weniger Eins Abgänge wurden innerhalb von vier Jahren gezählt. "Das ist ja eine komplette Gemeinde", bemerkte ein ehemaliger Teamleiter dazu.

Lehrplan

Das Auswärtige Amt jedenfalls hat ihre Lehren aus der fehlenden Entschlossenheit und dem Wegschauen gezogen und nimmt das Fallbeispiel Colonia Dignidad sogar in das Studienprogramm zukünftiger Diplomaten auf.

Ein Vorbild für Elstal & Co.?

Sonntag, 9. Juli 2017

Dorfkirche Marzahn wächst weiter

Vor einem halben Jahr wurde Lucas Ludewig als neuer Pfarrer in der Dorfkirche Marzahn begrüßt. Heute besuchten wir dort einen Gottesdienst.



Der gute Ruf als innovativer Vertreter des klerikalen Standes war Lucas Ludewig schon damals vorausgeeilt, nachdem er mit einem Star-Wars-Gottesdienst die Aufmerksamkeit der Presse auf die Zionskirche gelenkt hatte. Unsere Mutter und Schwiegermutter besuchen seit einiger Zeit regelmäßig die Veranstaltungen der Dorfkirche Marzahn. Auch sie sind vom Neuen in Schwarz begeistert.

Der Pfarrer mit dem gewinnenden Lächeln stand am Eingang der Kirche und begrüßte die Besucher. Ich skizzierte ihm kurz die familiären Zusammenhänge, als wir mit der geballten Verwandtschaft den rotbraunen Sakralbau betraten.

Heute wollten wir Lucas Ludewig mal predigen hören. Im Innenraum hatten sich etwa 80 Personen eingefunden. Damit war der untere Bereich fast komplett besetzt. Einige Besucher wichen auf die Empore aus. Der Kampf um angestammte Sitzplätze stellt seit Einführung von Pfarrer Ludewig eine immer größer werdende Herausforderung dar. Wir freuten uns über das deutliche personelle Wachstum.

Unsere Mütter begrüßten ständig ihre gleichaltrigen Freundinnen aus dem Seniorenkreis. Dann gab es noch einen Platzwechsel wegen der Hörgeräte und der Gottesdienst konnte beginnen. Orgelspiel, ein modernes Lied und dann die Ansagen des Pfarrers. Er werde heute nicht predigen, sondern die Bühne - also den Altarbereich - für die Kinder und Jugendlichen freigeben. Sie hatten ein Musical einstudiert.

Mit zunehmendem Alter nahm die Textsicherheit ab, selbst wenn nur ein Wort vorzutragen war. Die jüngeren Kinder schlugen sich dafür sehr gut, wobei schlagen wohl das falsche Wort ist, da es um Reformation und die Liebe Gottes ging. Es wurde viel gesungen und oft die Kleidung und die Kulisse gewechselt. Langer Applaus für die Kinder!

Nach Gebet, Abschlusslied und Segen wurde die Gemeinde zum Sommerfest eingeladen. Dieses startete unmittelbar nach dem Gottesdienst: Grillwurst, Hüpfburg, Kaffee und Kuchen.

Sonntag, 2. Juli 2017

Gelebte Gruppendynamik nach Johannes 9, 22

Die namentliche Abstimmung über die "Ehe für Alle" am Freitag im Bundestag hatte eine polarisierende Wirkung. Während die EKD über 64% Zustimmung jubelt, nähern sich Katholiken, Freikirchen und Orthodoxe in ihrer Bibelauslegung an.



100 Tage hatte der Genozid in Ruanda gedauert. 1.000.000 Menschen überlebten diesen nicht. Die Tätergruppe der Hutus war vier Jahre lang medial und materiell auf den Start am 6. April 1994 vorbereitet worden. Um die Sache möglichst effektiv anzugehen, wurden fertige Namenslisten rausgeholt und systematisch abgearbeitet.

Das eine Drittel

Welche 393 Abgeordneten des Bundestages für und welche 226 gegen die "Ehe für Alle" gestimmt hatten, wurde beispielsweise hier veröffentlicht. Interessant ist dabei die Verteilung innerhalb der Parteien:

Die katholisch geprägte CSU stimmte geschlossen dagegen. Die CDU gewährte ihren Mitgliedern das Recht auf freie Entscheidung. So stimmte 1/4 von ihnen dafür. Die Kanzlerin bekannte sich mit einer roten Karte offen dagegen. Sie trug eine blaue Jacke in RAL 5005.

Die Grünen votierten wegen des Themas geschlossen dafür. Ihre Karten hatten eine undefinierbare Grundfarbe, die zwischen Lichtgrün RAL 6027 und Pastelltürkis RAL 6034 lag. Die Linke ist schon aus der Tradition heraus auf eine homogene Meinung getrimmt und wählte gemeinsam die Karten im zarten Blaugrünton. Bedeutung: Ja.

Die eine Karte

Auch die SPD zeigte Einheit im Ergebnis: zartes Blaugrün. Diese Einheit erinnerte ein wenig an die Situation der Eltern in Johannes 9 Vers 22. Hatten doch auch sie Angst vor einem Ausschluss aus der Gemeinschaft. Stattdessen opferten sie lieber ihren Sohn, der alt genug sei, für sich selbst zu sprechen. Nur einer der Genossen hatte wohl den Mut und gab seine heterophobe Karte nicht ab.

Aber, ich wollte mal fragen...

Dass die SPD einen erheblichen Gruppendruck aufbaut, war mir schon im Zuge der Euro-Einführung aufgefallen. Im großen Saal des Roten Rathauses saßen damals Gewerbetreibende mit dem roten Parteibuch und Schals in RAL 3026. Es war eine erhebliche Verunsicherung über die neue Währung zu spüren. An die Experten auf der Bühne durften Fragen gestellt werden. Besonders verwunderte mich, dass jeder der Unternehmer seine Frage in etwa mit folgenden Worten einleitete:

"Ich bin ein langjähriges, gutes, treues Mitglied der SPD, arbeite in vielen Gremien ehrenamtlich mit und habe immer meinen Beitrag bezahlt ... aber ich wollte mal fragen ..."

Wer als Unternehmer so unterwürfig seine Fragen formuliert, stimmt sicher auch mal mit Blaugrün, wenn er eigentlich Rot meint. Hauptsache es gibt keine Haue vom Vorstand, oder gar den Vermerk auf einer schwarzen Liste, oder gar einen Ausschluss aus der Gruppe.

System versus Freiheit

Die Eltern aus Johannes 9 Vers 22 durften nach der Distanzierung von ihrem Sohn sicher im System bleiben. Der Sohn hingegen wurde in Vers 34 rausgeworfen: "Et eiecerunt eum foras", wie es sehr eindrücklich auf Latein formuliert ist.

In Vers 35 hört Jesus davon und geht aktiv auf die Suche nach ihm. Er findet ihn und redet mit ihm. Während die Eltern im System versauern, ist ihr Sohn draußen mit Jesus unterwegs und erlebt eine ganz neue Freiheit. Er war blind geboren und Jesus hatte ihn kurz zuvor geheilt. Das war der Anlass zum Konflikt mit der alten Community.

Ökumenische Konstellationen

"Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht", lautet ein Zitat, dessen Ursprung nicht mehr eindeutig zu klären ist. Die EKD ist schon lange offen für die "Ehe für Alle". Davon legt das Bedford-Strohm-Interview ein leidenschaftliches Zeugnis ab.

Die russische Orthodoxie hatte die Freundschaft mit der EKD gekündigt, als eine Frau zur Ratsvorsitzenden gewählt wurde. Die griechisch Orthodoxen brechen nicht gleich alle Brücken ab, sind aber klar in der Sache. Genauso die Katholiken. Kein Wunder also, dass die CSU komplett gegen den Gesetzentwurf gestimmt hatte. Damit ergibt sich ein Schulterschluss mit den biblischen Ansichten der Freikirchen. Eine interessante ökumenische Konstellation, ausgelöst durch eine gesellschaftliche Debatte. Betrachtet man das Thema interreligiös, sollten auch die Moslems mit im Boot sitzen.