Während das Image von Marzahn zurzeit durch die Presse demontiert wird, war es heute Anlaufpunkt für die Sympathieträger der Monarchie: William und Kate. Sie besuchten das Kinderhaus Bolle.
Als wir über den Film "Spuk unterm Riesenrad" redeten, warfen unsere Freunde ein: "Wir hatten letztens mal wieder ein Video über Marzahn kurz nach der Wende gesehen". Überall brauner, roter, grauer Waschbeton, schlammige Straßen und Grün im Anfangsstadium.
Wandel und dessen Akzeptanz
Mit dem Wechsel ins neue Jahrtausend war ein deutlicher Wandel der Atmosphäre in Marzahn zu spüren. Die Häuser wurden bunter, die Freiflächen grüner, die Bäume höher, die Menschen entspannter. Es kamen verschiedene Missionsteams nach Marzahn, bei denen sich insbesondere die Frauen schwer taten mit dieser Wohngegend. Der familiäre Kompromiss war dann das Haus am Stadtrand oder die Wohnung in einer Neubau-Enklave hinter der mentalen Grenze zur Plattenbau-Siedlung, dem Blumberger Damm südlich der Landsberger Allee.
Die allseits beliebten Gärten der Welt liegen ebenfalls in diesem Planquadrat. Dort findet zurzeit die IGA 2017 statt. Dass die Besucherzahlen von einer Million bis zur Halbzeit nicht erreich wurden, liefert Futter für die tendenziöse Berichterstattung. Brauchst du einen Bericht über soziale Problemfälle? Geh nach Marzahn/Hellersdorf!
Dass selbst Stadtteile wie die Bronx in New York eine positive Wandlung erfahren können, durfte ich im letzten Jahr erleben. Etwa zehn Jahre hatte es gedauert, das Klima dort zu verändern. Viel Gebet, die Entstehung neuer Gemeinden und das damit verbundene Umdenken der bislang trostlosen Menschen.
Kinder beim Fußball im Kinderhaus Bolle in Marzahn |
Marzahn verfügt über eine sagenhafte Infrastruktur, hat eine gute Autobahnanbindung, ausgedehnte Grünflächen und bemerkenswerte Einfamilienhaus-Siedlungen. Viele Autos vor unserem Hochhaus sind schwarz und liegen im Neupreissegment oberhalb der 50.000 Euro. Im Umkreis von 800 Metern stehen hier fünf neue BMW 7er, S-Klassen und große Audis. Was die Presse nicht wahrhaben will, wissen Autodiebe schon lange.
Gefälle
Dennoch gibt es in Marzahn/Hellersdorf ein starkes Nord-Süd- und Ost-West-Gefälle. Anna aus Biesdorf distanziert sich von Chantal aus Marzahn/Nord oder von Igor aus Ahrensfelde. Wobei das sich anschließende Dorf Ahrensfelde wieder gut situiert ist. Ein Marzahner will auf gar keinen Fall als Hellersdorfer gelten. Solche Dinge kennt man auch aus dem Konflikt zwischen Berlin und Spandau.
Die Arche in Hellersdorf und das Kinderhaus Bolle haben also ihre Berechtigung. Beide Häuser sind voll mit Kindern, deren Eltern lieber andere Dinge tun oder kein Geld für eine warme Mahlzeit haben. Bolle-Chef Eckhard Baumann ist eine gewisse Zeit bei der Arche mitgelaufen und versteht sich auf die Regeln des Fund Raisings. Die Arche und Bolle sind originär christliche Einrichtungen. Versuche, die Kinder und Jugendlichen in Gemeinden zu integrieren, waren jedoch selten von Erfolg gekrönt. Dennoch kennen sie die Basics von Gottes Liebe, Jesus, Vergebung und anderen geistlichen Tatsachen. Das lernen sie spielerisch an den Nachmittagen oder auf den gemeinsamen Freizeiten.
William und Kate besuchen das Kinderhaus Bolle in Marzahn |
Beim Besuch des Prinzenpaares trug Eckhard Baumann Anzug, Krawatte und die Bandschnalle des Bundesverdienstkreuzes. Diese Optik ist seine Zielgruppe nicht gewohnt. Dennoch wurde er voll akzeptiert, als er mit dem Megaphone das Fußballspiel beendete und zum Gruppenfoto mit William und Kate aufrief.
Die Besucher von der Insel inklusive Botschafter und Bürgermeister Müller waren etwa 40 Minuten vor Ort. Auf der Hohensaatener Straße waren sogar Lieferwagen wegen des Parkverbotes umgesetzt worden. So konnten die Eltern und Schaulustigen aus Marzahn der Ankunft um 15:20 Uhr beiwohnen. Ich hatte schon über eine Stunde im Garten hinter dem Haus ausgeharrt.
15:36 bis 15:51 Uhr im Garten
15:36 Uhr traten sie aus dem Haus. Jubel, Fähnchen und dann das Bad in der Masse. Die Fotografen neben mir ließen die Kameras sinken. Kate war nicht mehr zu sehen. Nur Rücken und Kate-Doubles mit blauen Kleidern. Die Traube bewegte sich zum Stand der Robert-Enke-Stiftung. Kate war verdeckt. Niemand bemerkte, dass William noch an der Treppe stehen geblieben war und mit zwei Leuten redete: Völlig frei zum Fotografieren. Dann verschwand auch er in der Menschentraube am Robert-Enke-Zelt. Diesmal verdeckt durch die Rücken der britischen Presse. "Tolle Aufnahmen!", wie der Pressefotograf zu sagen pflegt. William und Kate hatten jedenfalls keine Berührungsängste mit den Kindern aus Marzahn.
Dann bekam Kate einen Rosenstrauß überreicht, den sie lächelnd annahm und kurz darauf einer Bediensteten weiterreichte. Dann das oben erwähnte Gruppenfoto und kurz darauf der Abgang. Die Viertelstunde hinter dem Haus war somit in folgende Abschnitte gegliedert: Menschentraube an der Treppe 5 Minuten, Menschentraube unter dem Robert-Enke-Zelt 7 Minuten, Blumenstrauß mit Gruppenfoto und Abgang 3 Minuten. Alles exakt geplant, zumindest was die insgesamt 15 Minuten im Garten von Bolle betrifft.
Zurück in die City
William und Kate mussten wieder zurück in die City. Ab 16:35 Uhr stand ein Gesprächstermin mit dem Bundespräsidenten auf dem Programm. Da ich dazu auch angemeldet war, raste ich hinterher. Als ich ohne Blaulicht dort eintraf, kamen die Kollegen mit ihren Kameras bereits wieder heraus. Zu spät.