Sonntag, 20. November 2016

Mosaik Berlin und der Abgleich einer Webseite

Mosaik Berlin ist eine relativ neue multiethnisch geprägte Gemeinde in Berlin, die sich im Schatten des Axel-Springer-Hochhauses trifft. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist eine Sonntagspredigt auf Englisch, die konsekutiv auf Deutsch übersetzt wird.



"Wir müssen viertel nach halb vor fünfzig los", erklärte mein Sohn noch einmal die Uhrzeit, wann wir startklar sein sollten. Er wollte zusammen mit meiner Frau zu Saddleback fahren, während ich endlich einmal Mosaik Berlin auf dem Programm hatte. Da sich anhand der Webseite schon ein Bild zur Gemeinde geformt hatte, wollte ich unbedingt meine Tochter als Zweitstimme dabei haben und aus der üblichen Meinungspluralität eine sinnvolle Schnittmenge extrahieren. 10:35 Uhr war ein guter Zeitpunkt des Losfahrens, den wir wie üblich um fünf Minuten überzogen.

Kurz nach elf setzten wir Frau und Sohn bei der Kalkscheune ab und fuhren weiter zu Axel Springer. "BILD Dir deine Meinung", war auch unser heutiges Motto. Im Sommer hatte ich erstmalig vom Gründungsprojekt "Mosaik Berlin" gehört, als wir Christopher auf dem SOLA getroffen hatten. Darauf googelte ich die Gemeinde und stellte fest, dass sie sich in unmittelbarer Nähe zu anderen modernen Gemeinden wie Berlin Connect, Kulturwerkstatt Mitte, Berlinprojekt oder Saddleback befindet. Es kam die Frage auf, wer in dieser Region so viele coole Gemeinden brauche? Während in Marzahn die geistliche Flaute herrscht, trampeln sich Missionare und kreative Mittdreißiger in der City auf den Füßen herum.

Der Häuserblock um die Besselstraße 13 wirkte verlassen. Herbstlaub wehte über Freiflächen und Straßen. Es gab sehr viele ungenutzte Parkplätze. Wir liefen am Haus entlang und kamen an einem großen bunten Schild vorbei, das auf ein Game-Science-Event hinwies. Durch die Schaufenster war ein dicht mit jungen Leuten gefüllter Raum zu sehen. Wir liefen weiter und kamen schließlich fast am Ende des Häuserblocks an. Wo war der Eingang zu Mosaik? Als wir uns umsahen, bemerkten wir ein kleines schwarzes Schild mit einem eingekreisten "M". Dieses war völlig von dem massiven Gamer-Schild überdeckt worden. Ein Problem, das sich durch die üblichen Aufstellfähnchen in Segelform lösen ließe.

Proaktiv grüßend betraten wir die hellen Räumlichkeiten und legten unsere winterlichen Jacken ab. An einer Theke konnte man sich mit Tee oder Kaffee bedienen. Der oben erwähnte Christopher kam vorbei und begrüßte uns freundlich, blieb einige Momente bei uns stehen. Smalltalk. Dann musste er noch einige Dinge für den Gottesdienst erledigen. Durch väterlichen Druck gelang es mir, endlich mal wieder etwas weiter vorne zu sitzen: fünfte Reihe.

Pastor Neville Jones lief hin und her und traf letzte Abstimmungen vor dem Beginn. Der Gottesdienst startete mit Lobpreis und den Ansagen. Das Mikro der Moderatorin versagte seinen Dienst. Sie erwähnte auch einen Welcome Desk, den wir beim Betreten der Location gar nicht bemerkt hatten. Dann trat Neville Jones mit einer Übersetzerin auf die Bühne. Noch einmal stellte er sich als Pastor vor, der gemeinsam mit seiner Frau Sue diese Gemeinde leite. Dass man ihn bei Kaffee und Kuchen nach dem Gottesdienst in der zweiten Etage kennen lernen könne, erfuhren wir mehrfach an diesem Vormittag. Das war uns auch schon durch die Webseite bekannt.

Anhand der bisher veröffentlichten Predigtmitschnitte zur Themenreihe "Seeing Jesus" hätte ich heute einen Text aus Johannes 6 oder 7 erwartet. Statt dessen predigte er über mein Lieblingskapitel Johannes 9. Neville Jones hatte die Predigt in drei Blöcke eingeteilt und ging darin auf die Jünger, die Pharisäer als geistlich Blinde und den Blindgeborenen ein. Er las dazu die ersten und die letzten Verse des Kapitels und blieb während der gesamten Predigt am Text. Besonders angesprochen war ich wieder einmal von den Ausführungen zu den Versen 28 und 34.

Nach der Predigt gab es Abendmahl, welches wahlweise mit Saft oder Wein genommen werden konnte. Begleitet wurde es musikalisch von der aus vier Personen bestehenden Lobpreisband. Danach trat die Moderatorin für ein Abschlussgebet und die Verabschiedung auf. Wieder versagte ihr schnurloses Mikro. Ich vermisste die Kollekte.

Der Gottesdienst hatte fast zwei Stunden gedauert, so dass der Rest der Familie bereits vor der Kalkscheune stand und uns per WhatsApp zum Aufbruch drängte. Auf dem Weg tauschte ich mit meiner Tochter die Eindrücke aus.

Die Webseite hatte abgesehen von den ständigen Sicherheitswarnungen des Browsers ein Bild gezeichnet, das durch diesen Besuch vor Ort korrigiert werden konnte. Anhand der Webseite war ich davon ausgegangen, dass es sich um eine auf den Pastor zentrierte und schwach besuchte Gemeinde mit erheblichem Mangel an Mitarbeitern handelt. Das entspricht jedoch so nicht der Realität:

Der Pastor und seine Frau scheinen sich zwar als zentrale Bezugspersonen zu sehen, dennoch lässt sich einiges an Leitungspotenzial in den Reihen von Mosaik erkennen. Die Gemeinde und die Mitarbeiterschaft wirken sehr intakt. Schade, dass letzterer Umstand auf der Webseite so unterrepräsentiert ist. Neben der Webseite birgt auch das Thema Welcome ein gewisses Optimierungspotenzial. Obwohl Mosaik erst vor wenigen Wochen nach Kreuzberg umgezogen ist, kommt der Raum bei über siebzig Besuchern so langsam an seine Kapazitätsgrenzen.