Mittwoch, 19. April 2017

Handbuch für die gefährlichsten Orte der Welt

Unbewaffnet in Krisenregionen unterwegs zu sein, erfordert alternative Methoden zum Überleben. Das hier vorgestellte Handbuch vermittelt auf kurzweilige Weise das notwendige Wissen.



Achtung! Wer die Rezension eines frommen Buches erwartet, sollte: Nicht weiterlesen!
Alternativ können hier Rezensionen über fromme Literatur abgerufen werden.


Handbuch für die gefährlichsten Orte der Welt
Handbuch für die gefährlichsten Orte der Welt - Rosie Garthwaite - 2011


Das "Handbuch für die gefährlichsten Orte der Welt" ist eines der witzigsten Handbücher, die ich je gelesen habe und stellt sogar die IT-Handbücher von O'Reilly in den Schatten. Es geht so ziemlich auf alle Situationen in Ländern mit aktiven oder jüngeren Kriegshandlungen ein und bewegt sich mit seinen Praxisbeispielen vorwiegend im Nahen und Mittleren Osten. Das liegt wohl daran, dass die Autorin eine blonde Britin ist, die als Journalistin in dieser Region arbeitet.

Training und Realität

Das Handbuch deckt sich weitestgehend mit den per Trial & Error durchlebten Lehrgangseinheiten des HEAT-Programms (Hostile Environment Awareness Training) am Vereinte Nationen Ausbildungszentrum der Bundeswehr. Nur dass die Beispiele im Buch aus echten Situationen stammen und nicht im Rollenspiel nachgestellt wurden.

Immer mehr Presseagenturen, international tätige Firmen und Hilfsorganisationen entdecken die Vorzüge einer praktischen Vorbereitung ihrer Mitarbeiter auf den Einsatz in Krisenregionen. Wie oben kurz angedeutet, fliegen gerade Mitarbeiter von Hilfsorganisationen mit dem Gedanken "Mir passiert sowas nicht" in destabilisierte Regionen und wundern sich dann, wenn ihnen die Geschosse um die Ohren fliegen, das Bein nach einem Tritt auf eine kleine bunte Mine ab ist oder ihre Hilfsorganisation die Spendengelder des Vorjahres als Lösegeld auf den provisorischen Tisch einer subtropischen Laubhütte legen muss.

Trockener Humor

Mit trockenem britischen Humor vermittelt die Autorin wichtige Kenntnisse im Umgang mit drohendem Kidnapping, Bespitzelung, Missverständnissen bei der Nutzung der Kamera, Wahl der Unterkunft, Fahrten durch die Stadt, Verhalten an Check Points oder dem Verhalten in Minenfeldern.

Erste Hilfe

Etwa hundert Seiten widmen sich der Ersten Hilfe. So kurzweilig und einprägsam hatte ich noch nie etwas über Erste Hilfe gelernt. Nun weiß ich, wie sich Erfrierungen äußern, wie man eine Wunde näht oder Gliedmaßen amputiert und was in die Notfall-Tasche gehört. Auch die stabile Seitenlage wird wiederholt und in Episoden aus dem journalistischen Alltag eingebettet. Da das Handbuch den Anspruch auf ein Nachschlagewerk erhebt, sind die Gesundheitsthemen nach Alphabet sortiert.

Ferner werden Trauma-Prävention und -Nachsorge, Sport auf engstem Raum mithilfe des Eigengewichtes, kleine Tricks der Selbstverteidigung, beherztes Agieren bei Vergewaltigung, die Wahl von Bodyguards, Fahrern oder Dolmetschern, die Wahl der Kleidung, das Entsichern einer Schusswaffe, die Wert-Zeit-Kurve einer Geisel und die zweckentfremdete Nutzung von Alltagsgegenständen thematisiert.

Expertise

Es kommen viele Pressekollegen der Autorin Rosie Garthwaite zu Wort. Einige Passagen des Buches wurden von Fachleuten geschrieben oder durch deren Expertise in die finale Form gegossen. Nach dem Lesen war ich erstaunt, wie viele Aspekte es bei solch einem Auslandsaufenthalt zu beachten gibt und dass scheinbar nichts davon im Handbuch fehlt.

Auf dem deutschen Markt gibt es viele aus dem Englischen übersetzte Bücher, die lieber im Original gelesen werden sollten. Bei diesem Handbuch mit dem als Lesezeichen dienenden schwarzen Gummiband ist Bernhard Kleinschmidt ein großartiger Wurf bei der Übersetzung gelungen.

Ernst der Lage

Im letzten Fünftel des etwa 300 Seiten starken Buches wird es ernst. Der bisherige Humor weicht einer ehrlichen Betroffenheit, wenn über Länder wie Nordkorea und Myanmar oder posttraumatische Verhaltensweisen berichtet wird. Der Reisende solle sich auf sämtliche Alltagsgegenstände wie Notizbücher, Spiegel, Medizinbeutel oder die Zahnbürste den Grund für die Anwesenheit in der jeweiligen Region schreiben. Ist der ursprüngliche Grund nicht mehr gegeben, oder werde man fremdbestimmt, ist ein geeigneter Zeitpunkt für die hoffentlich vorab geplante Rückreise gekommen.