Mittwoch, 20. April 2022

Corona hinterlässt Spuren in der Gemeindelandschaft

Vor zwei Jahren hatten wir den ersten Lockdown in Deutschland. Die Straßen waren leer und es konnte sich noch niemand so recht ausmalen, wie es weitergeht. Inzwischen schauen wir auf weitere Lockdowns und deren Auswirkungen zurück. Die Zeit ist nicht spurlos an den Gemeinden vorbeigegangen.

Kurz vor dem ersten Lockdown (ab 22. März 2020) hatten wir Hillsong Berlin besucht. Die Freude über den ersten Gottesdienst in der neuen Location war der Gemeinde anzumerken. In der Tat bietet der Westhafen einen niederschwelligen Zugang zu zeitgemäßen Gottesdiensten. Das galt auch für die Kalkscheune oder das Kino Colosseum.

Aber weder Hillsong, noch Saddleback, noch Die Kreative sind an diesen Standorten geblieben. Hillsong feiert seine Gottesdienste inzwischen in der Kreuzberger Besselstraße, einem eher unattraktiven Industriebau, der zuvor von Mosaik Berlin genutzt wurde. Mosaik Berlin ist während Corona in die Heeresbäckerei an der Spree gegenüber des Ostbahnhofs gezogen. Auch eine sehenswerte Party-Location. Die Kreative musste wegen der pandemiebedingten Insolvenzwelle das Colosseum verlassen und trifft sich nun An der Industriebahn in Weißensee.

Besonders viele Wechsel gab es bei Saddleback. Zum Jahreswechsel 2020 verließ Pastor Dave Schnitter die Gemeinde und ging zu Mosaik Berlin. Kurz darauf musste die Gemeinde die Kalkscheune verlassen, weil der Vermieter in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war. So zog das Büro ins oberste Stockwerk des CVJM-Hauses in der Schöneberger Einemstraße. Gottesdienste wurden mit einer überschaubaren Personaldecke online gestaltet, so dass der Platz erst einmal ausreichte. Mit der Lockerung der Corona-Maßnahmen musste jedoch ein Ort für Offline-Gottesdienste gefunden werden. So zog die Gemeinde übergangsweise nach Tempelhof in die Malzfabrik. In dieser Zeit gab es weitere Wechsel in der Leitung und die Gemeinde zog nach Neukölln in ein weiß gekacheltes Industriegebäude.

Durch die vielen örtlichen und personellen Veränderungen ist derzeit ein hohes Transferaufkommen in den Berliner Gemeinden zu verzeichnen. Gerade wenn der Stil des Lobpreises, die Schwerpunkte der Predigten oder das soziale Gefüge der Mitglieder ähnlich sind, fällt es dem urbanen Christen leicht, die Gemeinde zu wechseln. Begünstigt wurde das auch durch den bequemen Zugang, sich über benachbarte Gemeinschaften zu informieren. Wenn nämlich der Livestream der eigenen Gemeinde gehakt hatte, wurde schnell mal auf den Gottesdienst einer anderen Gemeinde umgeschaltet oder sogar ins Ausland. Das ging uns auch so: Als einmal der Online-Gottesdienst bei Saddleback Berlin klemmte, haben wir eben zu Saddleback Hong Kong umgeschaltet, wo ebenfalls auf Englisch gepredigt wurde.

Überhaupt sind sämtliche Gottesdienste momentan gut besucht. Das liegt wohl daran, dass bezüglich der sozialen Offline-Kontakte einiges nachzuholen ist. Auf alle Fälle haben die vielen Live-Übertragungen dazu gedient, dass online-affine Gemeinden teilweise auf die doppelte Mitgliederzahl angewachsen sind. Aber auch etablierte Gemeinden mit zögerlicher medialer Darstellung haben durch Corona einen Innovationsschub bekommen und bedienen nun ungeplant den Missionsbefehl aus Matthäus 28.

Sonntag, 17. April 2022

Die Kreative an der Industriebahn in Weißensee

Unser letzter Besuch bei "Die Kreative" liegt schon über sechs Jahre zurück. In der Zwischenzeit hat sich die Gemeinde deutlich weiterentwickelt und ist nun auch an einem anderen Standort zu finden.

Vor sechs Jahren war "Die Kreative" noch eine homogene Gruppe mit suboptimaler Willkommenskultur, die sich im Kino Colosseum in Prenzlauer Berg zum Gottesdienst traf. Skeptisch verfolgte ich Berichte von Neumitgliedern, die erzählten, dass sich die Willkommenskultur deutlich verbessert habe und nun auch sämtliche Altersgruppen dort vertreten seien. Als dann auch andere Freunde vom Lobpreis und dem personellen Umfang schwärmten, konnten wir uns dem Ruf zur Evaluation nicht mehr verschließen. Zunächst schauten wir uns zwei Predigten mit Kreative-Pastor Christopher Domes an und beschlossen, die Gemeinde auch einmal live zu besuchen.

Dieser Moment war gekommen, als wir im Jetlag-Delirium nach unserer ausgedehnten Costa-Rica-Reise über einen geeigneten Oster-Gottesdienst nachsannen. Neben Pastor Domes war auch der Beginn des Gottesdienstes um 10.30 Uhr als Konstante geblieben. Ansonsten hatte sich viel verändert. Wobei der begriff der "Weiterentwicklung" deutlich besser passt, als "Veränderung". Wegen der wirtschaftlichen Folgen von Corona musste das Colosseum geräumt werden. Die Gemeinde ist nun in einer abgefahrenen Location An der Industriebahn in Weißensee beheimatet. Gleich um die Ecke befindet sich meine favorisierte BWM-Niederlassung.

Vor dem Haus gab es erstaunlich viele freie Parkplätze. Beim Betreten wurden wir mehrfach sehr freundlich begrüßt. Der große in Mattschwarz gestrichene Raum war abgedunkelt. Dadurch kamen die imposante Technik und die raffinierte Beleuchtung besonders gut zur Geltung. An mehreren Stellen waren Kameras für den Livestream positioniert. Wir zählten die Stuhlreihen und Sitzplätze nicht, waren jedoch von der Menge überrascht. Hinter den Sitzplätzen war ein Bereich für Kleinkinder aufgebaut. Einige davon krabbelten bereits über die großen Verkehrsteppiche.

Zwischen 10.20 und 10.30 füllte sich der Saal zusehends. Der Gottesdienst begann pünktlich mit Lobpreis. Dieser unterwarf sich keiner liturgischen Eile und dauerte 40 Minuten. Die Lieder waren in Sprache und Entstehungsdatum gut durchmischt, so dass keine Langeweile aufkam. Band, Text-Screen und Lichttechnik überzeugten auf professionellem Niveau.

Dann folgte eine Einleitung und die Begrüßung des Gastpredigers mit einem Video. An diesem Ostersonntag war OM-Gründer George Verwer höchstpersönlich in Weißensee erschienen. George Verwer ist über 80 Jahre alt und versprüht immer noch sein missionarisches Feuer. Die von der Bühne aus übersetzte Predigt war ein Mix aus Lebensgeschichte und Bücherwerbung. Ein cleveres Stilmittel, das dem Aufbau von Webseiten ähnelt: Einige wichtige Infos werden geliefert und weitere Infos können über Klick auf diesen oder jenen Link alias das Lesen dieses oder jenes weiterführenden Buches gewonnen werden.

Am Ende der Predigt stand der Aufruf, sich auf ein "Sende mich!" einzulassen. In der nachfolgenden Lobpreiszeit konnten Besucher, die sich angesprochen fühlten, nach vorne gehen und für sich beten lassen. Wer fertig war, konnte zur Kaffeetheke hinter den Sitzreihen gehen und seine sozialen Gemeindekontakte pflegen. Genau dort trafen wir alte Bekannte, die auch mal gucken wollten. Das freute uns und rundete den Besuch bei "Die Kreative" ab.

Sonntag, 3. April 2022

Gottesdienst mit Kokosnuss: Pura Vida Church in Esterillos

Auf unserer Reise nach Costa Rica besuchten wir auch einen Gottesdienst der Pura Vida Church in Esterillos. Die Gemeinde versammelt sich entweder in einer Schule oder am Pazifik-Strand.

"Halt mal an!", rief meine Frau vom Rücksitz. Vor uns flogen gerade knallrote Papageien in eine große Palme. Langsam fuhren wir weiter bis zum Ende der Straße. Der Weg wurde sandig. Wir zogen eine Staubwolke hinter uns her. Rechts Palmen, Stand und Pazifik - links flache Häuser oder Büsche. Irgendwo entdeckten wir drei junge Leute, die wie ein Lobpreis-Team aussahen. Dort hielten wir an und stellten sicher, dass wir nicht unter Kokosnüssen parkten.

Da wir recht früh vor Ort waren, konnten wir beobachten, wie der Pastor und die Gottesdienstbesucher eintrafen. Zusammen mit einigen Jugendlichen räumten wir Stühle vom Pickup und stellten sie als Auditorium auf. Natürlich mit Blick zum Meer. Am Strand lag ein kleines blaues Boot. der geeignete Vordergrund für ein Postkartenfoto.

Immer wieder zogen Staubwolken durch die Palmen zum Meer. Bald war das Areal mit Geländewagen umstellt und der Gottesdienst konnte beginnen. Die Texte für den Lobpreis hätte man sich per QR-Code aufs Handy laden können. Dazu wäre aber eine Internetverbindung notwendig gewesen. So sangen wir irgendwie ohne Text mit. Es gab nur wenige Ansagen. Diese wurden von einem Amerikaner auf Spanisch vorgetragen. Wie groß die sprachliche Not bei der Verständigung in Costa Rica ist, zeigt schon allein der Umstand, dass so gut wie alle anwesenden Amerikaner Spanisch gelernt hatten.

Nach den Ansagen startete die Predigt. Diese wurde von einem Amerikaner auf Englisch und Spanisch gehalten. Er übersetzte sich selbst und redete über die Berufung und Vollmacht Moses, während sich mein Stuhl immer tiefer in den Sandboden bohrte. Einige der Zuhörer schrieben eifrig mit.

Die Pura Vida Gemeinde unterstützt eine Freiwilligen-Organisation, die unter anderem zwischen Deutschland und Costa Rica aktiv ist - und zwar bidirektional: Deutsche gehen für ein Jahr nach Costa Rica und Tikos (so nennen sich die Costa Ricaner selbst) kommen für ein Jahr nach Deutschland. Nach dem Gottesdienst wurden wir von einem braungebrannten Einheimischen in fließendem Deutsch angesprochen. Er war seinerzeit als Freiwilliger in Berlin und hatte bei der Gelegenheit seine heutige Frau kennengelernt. Sie stammt aus Texas. Damit aber nicht genug: Seine damaligen Gasteltern waren uns aus Berlin gut bekannt.

Statt eines Gemeindecafés gab es hier am Strand Gemeindekokos. Zwei Männer mit Machete schlugen die frisch von den Palmen gefallenen Kokosnüsse zurecht und steckten Strohhalme in die Öffnungen. Überall standen Gottesdienstbesucher, unterhielten sich und schlürften dabei Kokoswasser. Die Zusammensetzung der Gemeinde war recht bunt: Einheimische, Amerikaner und Europäer mit einer breit gefächerten Altersstruktur: Vom Säugling bis zum Senioren war alles vertreten.

Das Meer rauschte und das touristische Interesse drängte. Es war keine Kokosnuss auf unser Auto gefallen. Mit einer imposanten Staubwolke verließen wir den Strand und schauten uns noch weitere Dinge in und um Esterillos an. "Pura Vida" ist übrigens das Lebensmotto der Costa Ricaner. Es bedeutet "Leben aus vollen Zügen".

Sonntag, 14. März 2021

Berlinprojekt: Online-Gottesdienst mit Abendmahl

Was macht eigentlich das Berlinprojekt im Kino Babylon während Corona? Heute habe ich mir den Online-Gottesdienst angeschaut.


Die Suchmaschinenoptimierung (SEO) der sonst so angesagten Gemeinden der Stadt ist erstaunlich schwach. Als eine der ersten Gemeinden tauchte das Berlinprojekt auf Seite 2 der Suchergebnisse auf. Beginn sollte 11 Uhr sein. Eine sehr angenehme Zeit. Gut auch, dass der Gast nicht mit Zoom-Logins gegängelt wird, sondern sich in einen Livestream auf YouTube einklinken kann. Diese Anonymität entspricht den endemischen Bedürfnissen eines Städters und dem Stil des Berlinprojektes.

Das Berlinprojekt gehört zum Bund Freier evangelischer Gemeinden (FEG) und repräsentiert den kontemporären Sektor dieses Gemeindeverbandes. Schon der Ort der Gottesdienste kommt der Gesellschaft sehr entgegen: Kino Babylon in der Nähe des Alexanderplatzes. Während Corona dient das Kino lediglich als Bühne für die live übertragenen Gottesdienste. Wohl dem Kinobetreiber, der zurzeit solche Mieter hat. Entsprechend gut sah auch das eingefangene Bild aus: dunkelblauer Vorhang, goldene Zierleisten, orange Vase, gelbe Blumen, rote Pullover, schwarzes Klavier - alles farblich perfekt aufeinander abgestimmt und treffsicher ausgeleuchtet. Es gab mehrere Kamerapositionen. Die Liedtexte und Bibelverse wurden eingeblendet.

Den Rahmen bildete ein kleines Konzert von e.no - nicht zu verwechseln mit dem fast gleichnamigen Energielieferanten. Der Rest wurde vom Berlinprojekt-eigenen Lobpreisteam auf Deutsch vorgetragen. Es gab diverse Ansagen, Gebete und eine Bibellesung. Dann folgte eine längere Predigt, die in die Serie "Barmherzigkeit - Achtsam werden" eingebettet war. Für den Erstbesucher wäre eine Vorstellung der Akteure - insbesondere des Predigenden - hilfreich gewesen. Wer liest schon die Videobeschreibung bei YouTube? Dort stand der Name: Lorenz Timnik. Er sprach über die Speisung der 5.000 und teilte die Predigt dazu in drei interessante Punkte ein. Es ging um die Überforderung der Jünger, das Entgegenkommen von Jesus und die Arbeitsteilung zwischen Gott und uns. Seine Beispiele harmonierten mit dem Alltag eines Berliners. Seine Wortwahl traf die Generation zwischen 20 und 50.

Etwas ungewöhnlich für einen Online-Gottesdienst war das Abendmahl. Es lief in der gewohnten Form ab: mit Einleitung, Gebet, Brot zerbrechen und Kelch hochhalten. Das wäre der Moment gewesen, an dem die Zuschauer in die eigene Küche hätten eilen müssen, so sie Brot und Wein/Traubensaft nicht schon bereitgestellt hatten. Regelmäßige Besucher des Berlinprojektes waren sicher schon um 11 Uhr auf diesen Teil der Liturgie  vorbereitet.

Es folgten weitere Lobpreislieder und ein Abschlussstück von e.no. Beim Ausklang des Gottesdienstes waren immer noch knapp 60 Zuschauer im Livestream. Da gestreamte Videos bei YouTube dauerhaft gespeichert werden können, besteht die Möglichkeit zum zeitversetzten Ansehen. Inzwischen ist die Zahl der Interessenten schon auf 161 angewachsen und wird in den nächsten Tagen wohl die übliche Marke von 400 Zuschauern überschreiten.

Sonntag, 28. Februar 2021

Christengemeinde ecclesia in Langenfeld gewinnt Gottesdienstbesucher über Google

Heute waren wir mal wieder auf der Suche nach einem Gottesdienst, den wir bisher nicht besucht hatten. Auf der ersten Ergebnisseite bei Google entdeckten wir die Christengemeinde ecclesia aus Langenfeld.


Die Christengemeinde ecclesia aus Langenfeld ist sehr clever, was die Platzierung bei Google betrifft. Wo sonst nur EKD, PRO Medienmagazin, ZDF, Bibel TV oder katholisch.de die besten Plätze belegen, mischt die Christengemeinde mit ihrer Domain Gottesdienst-TV.de voll mit und hat sogar das ZDF auf Platz 5 verdrängt. Suchmaschinenoptimierung vom Feinsten! Dass die Gemeinde in dieser Hinsicht seht fit ist, zeigt sich auch darin, dass die Domains Gottesdienst.online und LiveKirche.TV auf diese Gemeinde angemeldet sind.

Langenfeld liegt im Rheinland auf halber Strecke zwischen Düsseldorf und Köln. Die Gemeinde gehört dem BFP (Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden) an und bezeichnet sich als charismatisch. Letzteres wurde nur durch das Vorhandensein des liturgischen Elementes Lobpreis sichtbar. Insgesamt hätte die heutige Live-Übertragung auch als typischer Gottesdienst einer Evangelisch Freikirchlichen Gemeinde durchgehen können. Hier wird deutlich, wie weit sich freikirchliche Gottesdienstformen inzwischen angenähert haben.

Die Gottesdienste der Christengemeinde ecclesia (griechisch für Gemeinde) beginnen um 10:30 Uhr. Eine humane Anfangszeit, die insbesondere Familien mit Kindern entgegenkommt. Wie bereits erwähnt, gab es zunächst einen umfangreichen Lobpreis - auf Deutsch. Die Liedtexte wurden eingeblendet und auch die Mitwirkenden wurden durch Einblendungen vorgestellt. Sehr gut für Gäste.

Gästen einen möglichst niederschwelligen Zugang zu ermöglichen zahlt sich aus: Gemeinden, die während Corona schnell und professionell auf Online-Gottesdienste umgestellt haben, verzeichnen einen deutlichen Zuwachs an Besuchern. Die Gemeinde bietet deshalb auch um den Gottesdienst herum verschiedene Formate für Mitglieder und Interessierte an: Alpha-Kurse und andere Seminarreihen, ein Predigt-Archiv, eine Live-Chat-Funktion, ein Kontaktformular für Gebetsanliegen und eine Rubrik mit äußerst witzigen Online-Kindergottesdiensten. Die "Kirche für Kids" ist so gut gemacht, dass sie auch in anderen Gemeinden genutzt werden sollte.

Zurück zum Gottesdienst: Heute predigte Ezekiel. Nicht der aus der Bibel, sondern ein Ezekiel mit Nachnamen Goodman. Es war wohl seine erste Predigt auf Deutsch. Diese Herausforderung meisterte er entspannt und mit Bravour. Es ging darum, dass Gott alles im Griff hat und wir ihm bedingungslos vertrauen können. Wenn Gott etwas zusagt/verspricht, hält er es auch. Die frei vorgetragene Predigt wurde mit vielen Beispielen aus dem Alltag untermalt und auch die Anwesenden im Saal wurden gut mitgenommen. Gegen 12 Uhr war der Gottesdienst vorbei und wer wollte, konnte sich noch in die Video Lounge einklicken - per Zoom.

Wie viele Besucher vor Ort waren, konnte der Online-Gast nicht sehen. Die Kameras hatten immer nur die Bühne eingefangen. Der Schnitt war professionell, die Texteinblendungen ebenfalls. Allein beim Sound, den Kamerapositionen und dem Bildhintergrund gab es noch Optimierungspotenzial. Bereiche, die mit relativ wenig Aufwand korrigierbar sind. Wünschenswert wäre noch eine Infoseite zu Geschichte, Struktur und geistlicher Verortung der Christengemeinde Langenfeld. Auf alle Fälle hat die Gemeinde das beste aus Corona gemacht und wirkt auch personell sehr einladend.

Sonntag, 21. Februar 2021

Lobbyismus in Zeiten der Online-Gottesdienste

Der fehlende persönliche Austausch am Rande von Gottesdiensten und anderen Veranstaltungen ist für viele schwer zu ertragen. Es gibt aber eine Lösung: die virtuelle Lobby von Wonder.


Wenn es mal kein Corona gibt, ist die Lobby der Ort, an dem sich die Besucher eines Gottesdienstes treffen, umarmen, Hände schütteln, ihre Jacken ablegen, Kaffee trinken oder einfach nur zum Smalltalk zusammenstehen. Eltern hetzen mit ihren Kleinkindern durch die Lobby und bringen diese in die Spielzimmer. Das Willkommensteam scannt die Lobby nach neuen Gesichtern und vermittelt erste Kontakte. Verabredungen zum nächsten Hauskreis werden getroffen und wenn es Keksdosen gibt, werden diese durch Erwachsene und Kinder geleert.

Um den Jahreswechsel wurde in unserer Gemeinde eine virtuelle Lobby eröffnet. Auf dem Bildschirm war eine schöne Winterlandschaft zu sehen und es rieselte reichlich Schnee. Mal schauen, wie das funktioniert! Wie im echten Leben gab es in der Lobby mehrere Bereiche. Nach der Bestätigung des Zugriffs auf Kamera und Mikrofon konnte man sich per Mouse in den gewünschten Bereich der Lobby bewegen. Uups, da war noch jemand, der sich im neuen Umfeld zu orientieren suchte.

Als wir uns mit der Mouse auf die andere Person zubewegten, erschien plötzlich ein Kreis. Dieser legte sich um unsere Bilder und wir fühlten uns schon fast so, als würden wir uns an einem der Stehtische im realen Umfeld treffen. Plötzlich tauchte eine dritte Person auf. Auch sie kam an unseren Tisch. Das Gespräch, das nun entstand, war so interessant, dass wir den Beginn des Gottesdienstes verpassten - auch eine realitätsnahe Erfahrung.

In den folgenden Wochen wurde die Lobby für verschiedene Zusammenkünfte genutzt. Ein zeitnahes Frauentreffen war so von dem rieselnden Schnee genervt, dass der Schnee umgehend abgeschaltet wurde. Das funktionierte bei der realen Wetterlage nicht. Da man in dieser Lobby auch geschlossene Gruppen bilden kann, eignet sich die Software auch gut für Hauskreise. Gerade in der letzten Woche haben wir uns zwei Stunden zum Hauskreis in der Lobby aufgehalten, noch einmal sämtliche Funktionen durchgespielt und überlegt, ob wir die Lobby nicht auch für die nächsten Geburtstagsfeiern nutzen. Man könnte beispielsweise das Backrezept herumsenden und sich zum gemeinsamen Verzehr des Kuchens in der Lobby treffen.

Die Lobby von Wonder lässt sich gut in bestehende Webseiten einbinden und personalisieren. Weitere Infos gibt es auf der Webseite von Wonder. Leider nur auf Englisch, aber es wird sich bestimmt jemand finden, der sich mit Computern auskennt und ein wenig Englisch versteht.

Mittwoch, 17. Februar 2021

Corona macht's möglich

Der Umgang mit Corona kann sehr unterschiedlich sein. Auch bei uns hat sich in den letzten 11 Monaten viel geändert. Letztlich sehen wir aber Römer 8,28 bestätigt.


Die seit März 2020 viel zitierte Wortgruppe "Krise als Chance" erzeugt bei vielen nur noch Verstimmung. Verstimmung, die die Lockdown-Situation noch zäher und nervender macht. Über Impfdosen und Masken haben sich so manche alte Freundschaften aufgelöst, einst erfolgreiche Geschäftsleute sind ins Bodenlose abgestürzt und Familien fällt die heimische Decke auf den Kopf.

Bis zum Sommer dachte ich noch, als Betreiber einer Softwarefirma sei ich Profiteur der Pandemie: Digitalisierung und Umstellung bestehender Systeme auf die neue Umsatzsteuer versprachen interessante Einnahmen. Die neue Umsatzsteuer ließ sich erstaunlich schnell einsteuern. Kurz darauf stoppten Stammkunden ihre regelmäßige Beauftragung. Sie wussten selbst nicht, wie es bei ihnen weitergeht. Die volkswirtschaftlichen Auswirkungen des Lockdowns sind doch viel weitreichender, als man es so landläufig wahrnimmt. Was tun?

Eines meiner Prinzipien ist das In-Bewegung-Bleiben. Da auch die Fitness-Studios schließen mussten, entdeckte ich das Fahrrad wieder. Es wurden ausgedehnte Radtouren und Fußmärsche absolviert oder im Garten einige Bäume gefällt und klein gehackt. Und es war immer noch viel Zeit übrig. Während Corona muss ich so um die 5.000 Seiten trockenster Fachliteratur gelesen haben, darunter der Verfassungsschutzbericht, die Kriminalstatistik, der Bericht der Enquete-Kommission zu Sekten und Psychogruppen, diverse Bücher zu Desinformation und Autoritarismus, ein Buch zur Spanischen Grippe, sämtliche Publikationen der Münchner Sicherheitskonferenz und was mir sonst noch so in die Hände fiel. Parallel dazu natürlich auch die tägliche Bibellese. Bei Letzterer konnte sogar ein Rekord aufgestellt werden: Elberfelder komplett durch in viereinhalb Monaten. Übrigens meine erste Bibel mit Goldschnitt.

Die neuen sportlichen Erfahrungen, die intensivere Gemeinschaft mit der Familie, das viele Wissen - welches noch durch Online-Seminare ergänzt wurde - und der Leserekord der Bibel sind schon ein Gewinn, den ich ohne Corona nicht gehabt hätte. Die Pandemie hat aber noch weitere gute Dinge gebracht: Latente Kontakte wurden intensiviert und neue Kooperationen aufgebaut. Nach Maßgabe der Möglichkeiten wurden Win-Win-Situationen geschaffen, die ohne Corona nicht denkbar gewesen wären. Ab und zu kamen dann sogar noch Digitalisierungsaufträge rein. Änderungen haben sich auch im Medienbereich ergeben: Wegen der wenigen Bildtermine musste ich mich auf den Wort-Journalismus konzentrieren und neue Berichtsformate entwickeln.

Und das Gemeindeleben? Während mein Sohn jeden Sonntag an der Technik sitzt und für einen reibungslosen Ablauf des Online-Gottesdienstes sorgt, betreut meine Tochter die lieben Kleinen per Zoom und YouTube im Kindergottesdienst. Wir sitzen im Wohnzimmer und genießen zuweilen den Blick über den gemeindlichen Tellerrand hinaus. Teilweise geht der Blick um den halben Globus nach Kalifornien oder Australien. Neue Impulse und immer wieder das Bewusstsein: Corona tangiert uns alle.

Bei so viel moralischem Profit gerät in Vergessenheit, dass unsere Israel-Reise zur Silberhochzeit im Mai 2020 gecancelt wurde und wir die Flugkosten bis heute nicht erstattet bekommen haben. Oder, dass wir unsere Tochter nicht in Madagaskar besuchen konnten, weil sie wegen der Corona-Flugverbote ihr Freiwilliges Soziales Jahr abbrechen musste. Ersatzweise hatten wir aber eine schöne Silberhochzeit auf den Gewässern Brandenburgs und einen Thüringen-Urlaub mit beiden Kindern. Letztlich führt uns das zu Römer 8,28 und der Bestätigung, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen - selbst Pandemie und Lockdown.

Sonntag, 14. Februar 2021

Credo Kirche und der Online-Gottesdienst aus Elberfeld

Der Name Credo Kirche war mir schon öfter über den Weg gelaufen. Heute besuchten wir erstmalig einen Online-Gottesdienst des Standortes Wuppertal-Elberfeld.


Beim Frühstück überlegten wir, welchen Online-Gottesdienst wir uns denn heute mal anschauen wollen. "Schau doch einfach, was Google vorschlägt", warf meine Tochter ein. Gute Idee! Die erste Seite war mit EKBO (Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz), Bibel TV, katholisch.de, EKD (Evangelische Kirche Deutschland), pro Medienmagazin und ZDF vollgepflastert. Dann noch ein Beitrag des rbb (Radio Berlin-Brandenburg) über durch Rechtsextreme gekaperte Online-Gottesdienste. Aber nichts, wonach wir suchten. Auf Seite 2 dann endlich ein Link zur Credo Kirche.

Credo? Kinder der Werbung kennen Credo noch aus den 1980er Jahren: Gleißende Morgensonne. Eine Frau reißt das Fenster auf. Musik und Gesang: "Das ist mein Credo, Credo, Credo. Credo mit aufregenden Düften. Und der Tag kann kommen." Was wohl kaum jemand weiß: Das besungene Deo hat ein altes lateinisches Glaubensbekenntnis zweckentfremdet. Credo heißt übersetzt nämlich "ich glaube". In Credo stecken so schöne Worte wie Akkreditierung (Beglaubigung) oder Kredit.

Bei der Credo-Kirche geht es um den Glauben an Jesus. Das wurde in der heutigen Predigt sehr deutlich. Pastor des Elberfelder Standortes, Christian Knorr, startete eine vierteilige Predigtreihe zum Thema "in Jesus". Diese hangelt sich am Epheser-Brief entlang. Einen Brief, den ich selbst gestern gerade in mich aufgesogen hatte. Laut Christian Knorr solle man den Text nicht einfach nur so lesen, sondern sich von der Liebe und Fülle in Jesus aufsaugen lassen. Die Predigt war durchzogen mit Wortwitz und genialen Beispielen aus dem Alltag. So konnte man dem Gesagten gut folgen. Die Gemeinde kommentierte fleißig im nebenstehenden Chatbereich. Teilweise war die ganze Leiste voll mit "Amen". Über 300 Zuschauer verfolgten den Life-Stream auf YouTube. Das ist im oberen Bereich dessen, was wir bisher bei Online-Gottesdiensten erlebt haben.

Umrahmt wurde der Gottesdienst durch die üblichen Ansagen und eine ausgedehnte Lobpreiszeit. Eine Band und mehrere Sängerinnen nahmen die Zuschauer mit in die Anbetung. Alle Lieder wurden auf Deutsch gesungen und die Texte wurden eingeblendet. Für neue Besucher wäre noch ein Hinweis auf Name und Funktion der Akteure hilfreich gewesen. Vielleicht beim nächsten Mal. Um die Gemeinschaft innerhalb der Credo Kirche nicht abflachen zu lassen, konnten sich die Leute nach dem Gottesdienst auf virtuelle Räume verteilen und dort den gewohnten Austausch pflegen. Im März finden auch wieder jede Menge Seminare statt, an denen man sich online beteiligen kann.

Nach eineinhalb Stunden war der Gottesdienst vorbei. Meine Tochter fand den Gottesdienst gut. Ich sehe das auch so. Der Rest der Familie konnte sich dazu nicht äußern, da er im Technik-Team unserer eigenen Gemeinde eingesetzt war.

Wer die Credo Kirche nach dem Lockdown offline besuchen möchte, muss sich ganz weit in den Westen Deutschlands oder nach Skandinavien begeben: Es gibt zwei Standorte in Wuppertal, einen in Solingen sowie zwei Gründungsprojekte in Hamm und Helsinki (Finnland).

Sonntag, 24. Januar 2021

Online-Gottesdienst bei der Bethel Church in Redding

Wegen technischer Probleme war die Übertragung des geplanten Gottesdienstes eingefroren. So entschieden wir uns kurzerhand für einen Besuch bei der Bethel Church in Redding.


Noch unter der Dusche war zu vernehmen, dass es Probleme bei der Übertragung des Vorprogramms zum Gottesdienst gab. Als ich ins Wohnzimmer kam, war das Bild eingefroren und im begleitenden Chat wurde das Technik-Team zum Durchhalten ermutigt. Weil unser Sohn in diesem Team mitarbeitet, diskutierten wir zunächst, ob es familiär fair wäre, auf einen anderen Gottesdienst umzuschalten. Egal: Wir schalteten auf den Live-Gottesdienst von Mosaik Berlin um. Deren Pastor, Dave Schnitter, begann eine neue Predigtreihe zu Barmherzigkeit. Das Thema ist zwar wichtig, aber in den letzten Monaten immer wieder durchgekaut worden. Was tun?

"Die Follower von Soundso schauen sich immer Bethel an", warf meine Frau ein. Daraufhin suchten wir den Live-Gottesdienst der Bethel Church. Deren Hauptsitz liegt allerdings in Redding. Redding liegt im nordkalifornischen Nirgendwo und hat einen Zeitunterschied von neun Stunden. Dort war es also gerade zwei Uhr nachts und keine geeignete Zeit für eine Live-Übertragung. So stöberten wir auf deren YouTube-Kanal und fanden einen halbwegs aktuellen Gottesdienst. Er sollte etwa zwei Stunden dauern.

Den größten Teil dieser zwei Stunden nahm der Lobpreis ein. Nach einer kurzen Begrüßung ging es auch schon los. Die Lieder wurden in Super-Long-Maxi-Versionen gespielt, aber sehr authentisch vorgetragen. Im Vergleich zu Hillsong fehlten Make-up, Schmuck und Show. Auch die Stimmen waren bei Weitem nicht so markant wie beim australischen "Wettbewerber".

Nach einer Stunde gab es Ansagen zum Gemeindeleben und einen längeren Block zum Spenden. Wenn man nur reichlich spende, bekomme man richtig viel von Gott zurück. Inhaltlich deckte sich das zwar mit unseren Erfahrungen, wurde aber so penetrant vorgetragen, dass es schon wieder manipulativ wirkte. Etwas überrepräsentiert waren auch die Johnsons: Candace Johnson machte die Begrüßung, Bill Johnson gab einen kurzen und guten Input nach dem Lobpreis und Eric Johnson hielt die Predigt. Neben Bill, Eric und Candace gibt es noch Beni, Brian und Jenn Johnson, die alle als Senior Leiter oder Senior Pastoren geführt werden. Zustände, wie sie auch in kleineren Gemeindeverbänden Deutschlands anzutreffen sind. Eine zu starke Verschwägerung in der Leitungsebene kann eine Menge Probleme nach sich ziehen. Von daher war es ein ermutigendes Zeichen, dass sich Eric und Candace in diesem Gottesdienst verabschiedet haben. Eric sprach von seinen 18 Jahren bei Bethel und dass er gespannt auf die nächsten Etappen seines Lebens ist.

Nach der Predigt verabschiedete sich auch die sichtlich gerührte Candace von der Gemeinde. Dann war Schluss. Einfach so - ohne Lied - ohne Abbau des Spannungsbogens - einfach Schluss - wie beim Rodeo in Texas, wo nach zwei Stunden mitten im Turnier das Licht angeschaltet und die Gäste zum Verlassen der Arena aufgefordert werden. Auch hier gibt es einen Unterschied zu Hillsong. Bei Hillsong gibt es nach der Predigt noch ein Abschlusslied.

Sonntag, 17. Januar 2021

Kindergottesdienst per Zoom und YouTube

Mit virtuellen Gottesdiensten tun sich viele Gemeinden auch nach zehn Monaten Corona noch sehr schwer. Wie gestaltet sich dann erst der Kindergottesdienst?


Saddleback war auch schon vor Corona auf Videoübertragungen eingestellt, so dass Gottesdienste und andere Aktivitäten schnell in den Cyberraum verlegt werden konnten. Es war lediglich zu klären, ob Aufzeichnungen per Zeitsteuerung präsentiert werden, oder ob ein Mix aus Live-Musik und Predigtkonserve übertragen wird. Diese Entscheidung ist bis heute nicht final getroffen. Allerdings gruppieren sich um den Hauptgottesdienst einige interessante neue Formate, wie zum Beispiel der virtuelle Kindergottesdienst.

Unsere Tochter ist inzwischen Teil des Kindergottesdienst-Teams. Jeden Sonntag zieht sie sich für 90 Minuten in ihr Zimmer zurück, stellt einen Papp-Jesus auf und dekoriert den Hintergrund. Denn "Hintergrund macht Bild gesund" lautet ein alter Journalisten-Spruch. Anschließend klappt sie ihren Laptop auf. Bis zu 30 Kinder treffen sich mit den Mitarbeitern per Zoom-Konferenz. Die Kinder tauschen sich aus, wie es ihnen in der aktuellen Situation ergeht. Soweit es der Sichtbereich der Kamera erlaubt, werden Bewegungsspiele gemacht. Und natürlich gibt es auch die biblischen Geschichten.

Zur Unterstützung werden Trickfilme verwendet, die von Jesus, David, Noah und anderen Personen der Bibel berichten. Saddleback scheut keine Mühen, diese Filme herzustellen und ins Deutsche zu übersetzen. Inzwischen gibt es einen Fundus von über 100 Videos. Die gute Didaktik bei der Vermittlung biblischer Inhalte ist übrigens einer der Gründe, warum wir seit vier Jahren bei Saddleback sind.

Der Kindergottesdienst entspricht dort nicht der üblichen Strafversetzung in einen Dienst, den keiner machen will. Es gibt eine stetig wachsende Zahl an Kindern und entsprechend hoch hängt die Latte für die Persönlichkeit der Leiter. Ohne Führungszeugnis geht gar nichts. Viel zu wichtig ist es, die Kinder zu gesunden geistlichen Persönlichkeiten zu entwickeln. Dessen sind sich die Mitarbeiter bewusst und darauf arbeiten auch Materialien wie die YouTube-Trickfilme hin. Diese können auch gerne von anderen Gemeinden genutzt werden.

Mittwoch, 6. Januar 2021

#hellerdennje Sternsinger und 20*C+M+B+21 während der Pandemie

Wie sich die "Weisen aus dem Morgenland" mit Corona arrangieren, zeigt das diesjährige Sternsingen unter dem Motto #hellerdenje.


Auch die traditionellen Pressetermine sind dem Lockdown zum Opfer gefallen. Deshalb gab es zu heute keine Einladungen ins Kanzleramt oder das Schloss Bellevue. Statt dessen verriet das Kalenderblatt, dass heute der Dreikönigstag ist. Der Tag, an dem normalerweise die lieben Kleinen aus dem Bundesgebiet anreisen und an sämtliche Türen von Ministerien, Bundeskanzleramt und Schloss Bellevue das 20*C+M+B+21 schreiben.

Das CMB steht für das lateinische Christus mansionem benedicat und heißt auf Deutsch: Christus segne diese Herberge/Wohnung! Das Drumherum referenziert auf das zweite Kapitel des Matthäus-Evangeliums, in dem Magier aus dem Orient in Jerusalem erscheinen und nach dem neuen König fragen. Der amtierende Herrscher - König Herodes - war davon nicht sehr begeistert und versuchte über eine List, mehr über den Aufenthaltsort seines neugeborenen Rivalen zu erfahren. Der Plan ging allerdings nicht auf, so dass er kurzentschlossen alle kleinen Jungs bis zwei Jahre in Bethlehem ermorden ließ. Ein aktiver Einsatz von Engeln, die nicht an Raum und Zeit gebunden sind, sorgte dafür, dass das Kind während des Mordens schon nach Ägypten unterwegs war und 30 Jahre später als Jesus Christus durch Israel ziehen konnte.

Die Weihnachtsgeschichte wird nur in zwei von vier Evangelien berichtet - ganz im Gegensatz zur Kreuzigung. Diese ist das zentrale Element des christlichen Glaubens, weil mit dem Blut von Jesus Christus praktisch der Kaufpreis - die Schuldentilgung - in der angeschlagenen Beziehung zu Gott bezahlt wurde. Deshalb auch die drei Kreuze zwischen CMB und dem Rest der Jahreszahl. Das Sternchen am Anfang steht für die Geburt.

Die Sternsinger sind schon seit 1959 in katholisch dominierten Regionen unterwegs. Sie klopfen an die Türen, singen, schreiben den CMB-Segen an die Türen und sammeln Geld für Hilfsprojekte. Auf diesem Wege sind bereits über eine Milliarde Euro zusammengekommen. Präsenztermine beim Bundespräsidenten oder der Kanzlerin hatten in den vergangenen Jahren gut eine Stunde gedauert. Neben den genannten Elementen Singen, CMB und Sammeln wurden die aktuellen Hilfsprojekte vorgestellt, weitere Musikstücke gespielt und niederschwellig mit den Spitzenpolitikern kommuniziert.

Die Kostüme der Sternsinger sind immer sehr aufwendig gestaltet. Goldene Kronen, viel Samt und kunstvoll verzierte Schatullen zur Aufnahme der Spenden von Angela Merkel & Co. In diesem Jahr kamen noch die farblich abgestimmten Masken hinzu. Die Spenden wurden virtuell gesammelt und statt der Vor-Ort-Besuche gab es Videobotschaften. Goldig, wie die Kinder mit den Masken hantierten, als sie mit ihrem Spruch an der Reihe waren. Der Segen wurde mit Segenstüten versandt. In den Segenstüten befand sich ein Aufkleber mit 20*C+M+B+21, der von den Empfängern selbst angebracht werden konnte.

#hellerdennje ist das Motto des diesjährigen Sternsingens. Die Gläubigen lassen sich durch Corona nicht entmutigen, sondern machen frei nach Römer 8,28 das Beste aus jeder noch so destruktiven Situation. So wie die Eltern von Jesus, die versorgt mit Gold, Weihrauch und Myrrhe, erst einmal nach Ägypten auswanderten.

Freitag, 27. November 2020

Geistlicher Missbrauch - Katholiken als Vorreiter bei der Klärung eines Tabu-Themas

Mitte November fand in Leipzig eine mehrtägige Konferenz zu geistlichem Missbrauch statt. Sie war von der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen organisiert worden und von hochkarätiger und breiter Expertise begleitet. Wegen Corona konnte die Veranstaltung virtuell besucht werden.


Mitgliederschwund, Imageschaden und spektakuläre Racheakte haben die katholische Kirche veranlasst, aktiv gegen Missbrauch in den eigenen Reihen vorzugehen. Dabei geht es bei weitem nicht nur um sexuellen Missbrauch, sondern den viel weiter gefassten Missbrauch von Macht und Vertrauen sowie das bewusste Überschreiten von Grenzen - im Namen Gottes. Das Basiswerk der Christen - die Bibel - beschäftigt sich schon auf den ersten Seiten mit Tendenzen des religiösen Missbrauchs. So lautet das zweite der berühmten zehn Gebote: "Du sollst den Namen des HERRN, deines Gottes, nicht missbrauchen." (2.Mose 20,7) "Denn der HERR wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht", geht der Text weiter.

Nach 1.990 Jahren Kirchengeschichte sind geistlich Verantwortliche lange schon im Handlungsschema der biblischen Pharisäer angekommen. Die Pharisäer waren zunächst auch nur eine Laienbewegung von Menschen, die mit ihrem Lebensstil Gott gefallen wollten. Nachdem dann eine Königin der Region auf sie aufmerksam geworden war und sich von ihnen hatte begeistern lassen, war der Schritt zu Finanzen und politischer Macht geebnet. Die ursprünglichen Werte wurden durch Machtbestreben und Missbrauch ersetzt. In Matthäus 23 wird die Wirkungsweise detailliert beschrieben. Matthäus 23 zeigt auch, dass Jesus kein weltfremder Schwächling war, sondern klar die Probleme seiner Zeit auf den Punkt gebracht hatte - egal, wer gerade vor ihm stand.

Das Christentum hat eine ähnliche Entwicklung durchgemacht. Deshalb gab es immer wieder Abspaltungen und Neugründungen. Wohl jede dieser Abspaltungen hatte Ambitionen, es endlich richtig zu machen und nicht in die alten Fallen von Macht und dessen Missbrauch zu tappen. Dass das dauerhaft gelingt, scheint eine Illusion zu sein. Deshalb ist es umso wichtiger, Mechanismen zu entwickeln, toxischen Leitungsanwandlungen vorzubeugen, oder diese wirkungsvoll aus der jeweiligen Struktur zu entfernen.

Lernen von Don Bosco

Ausgerechnet die katholische Kirche, der gerne ein ausgeprägter Hang zu Tradition und Macht unterstellt wird, ist nun Vorreiter bei der Klärung des Themas Missbrauch. Der Stein kam beim Kinder- und Jugendwerk der "Salesianer Don Boscos" ins Rollen. Im Frühjahr 2010 setzte sich das Werk aktiv mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs auseinander und konnte die Angelegenheit durch relativ simple Handlungsprinzipen klären:

1) Betroffene wurden angehört und ernst genommen.
2) Die Vorgänge wurden durch eine unabhängige Instanz geprüft.
3) Es wurde konsequent gegen die Täter vorgegangen.

Das Werk "Don Bosco" konnte durch diese Maßnahmen nachhaltig seinen Ruf verbessern und das Vertrauen zurückgewinnen. Da immer wieder Berichte zu Missbrauch durch die Presse gingen und auch immer mehr Bücher darüber geschrieben wurden, hat die katholische Kirche in einigen Bistümern Arbeitsgruppen eingerichtet - wie beispielsweise in Osnabrück. Seelsorger tasten sich an das Thema heran und stellen neben sexuellem Missbrauch auch jede Menge weiteren Machtmissbrauch fest. Bei der Klärung kommt das oben beschriebene 3-Punkte-Programm von "Don Bosco" zum Einsatz.

Konferenz der Katholischen Akademie "Gefährliche Seelenführer?"

Unter dem Titel "Gefährliche Seelenführer? Geistiger und geistlicher Missbrauch" fand Mitte November eine virtuelle Konferenz der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen statt. An zwei Tagen trafen sich hochkarätige Sprecher und Experten, um den religiösen Missbrauch aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten: Erfahrungsberichte, systemische Betrachtungen, Psychoanalyse, internationale Erfahrungen, Handlungsempfehlungen, Buchautoren, theologische Aspekte, Kirchenrecht und Strafrecht standen auf dem Programm. Die Moderation war sehr professionell und per Zoom zugeschaltete Teilnehmer konnten Fragen an die Vortragenden stellen. Der Vernetzungsgrad von Betroffenen und Experten wäre sicher höher gewesen, wenn die Konferenz - wie geplant - als Präsenztreffen in Leipzig stattgefunden hätte. Durch Corona musste die Veranstaltung ins Internet verlagert werden. Allerdings konnte dadurch eine beachtliche Zahl weiterer Interessenten teilnehmen.

Mit dem Aufkommen aggressiv agierender Sekten in Frankreich, wurde dort im Jahr 2001 das Strafgesetz um einen entsprechenden Tatbestand ergänzt. Artikel 223-15-2 stellt es unter Strafe, wenn sexueller, finanzieller oder autoritärer Missbrauch oder der Missbrauch von Schwäche oder geschwächter Personen stattfindet. Diese geschwächten Personen können auch Personen sein, die in gutem Glauben bei einem Seelsorger ihr Herz ausschütten und anschließend feststellen müssen, dass dieser das Wissen zur Manipulation, Erpressung oder Vorteilsgewinnung ausnutzt. In Deutschland ist das Strafrecht noch nicht so weit. Das Thema ist hier relativ unterbelichtet. Obwohl es im Kirchenrecht schon gewisse Regelungen gibt, mit denen ein konsequentes Vorgehen gegen "Wölfe im Schafspelz" möglich ist.

Evangelische Kirche

In der evangelischen Kirche scheint das Thema noch nicht angekommen zu sein. Hier zeigt man gerne mit dem Finger auf den sexuellen Missbrauch bei den Katholiken. Dabei gibt es auch aus der evangelischen Kirche Berichte von Missbrauch. Dieser ist aber eher im psychisch-geistlichen Bereich zu verorten und geht in Richtung Mobbing, Nötigung oder Betrug.

Freikirchen und die Rolle der Evangelischen Allianz

Einen ausgeprägten Mangel an Selbstreflexion zeigen evangelikale Freikirchen. Diese sammeln sich unter dem Dach der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA). Auch wenn die Allianz nach eigenen Angaben weit über eine Million Christen in Deutschland vertritt, hat sie ihr Nischendasein behauptet und bringt sich nur einmal pro Jahr mit der Allianz-Gebetswoche ins Gespräch. Hochproblematische Gruppen quer durch das Bundesgebiet nutzen die einfach zu erwerbende Mitgliedschaft in der Allianz als Etikett zur Verschleierung autoritativer Gemeindekonzepte. Diese Gemeinden entziehen sich jeglicher externer Kontrolle und sind gegenüber der Allianz weder rechenschaftspflichtig noch sanktionierbar. Viele dieser Gruppen sind so neu, modern und anziehend, dass ein Imageverlust durch Missbrauch zurzeit noch keine Rolle spielt. Falls es in diesen Konstrukten übergeordnete Instanzen gibt, fühlen sich diese in der Regel nicht zuständig. Ignoranz und Vernachlässigung der Berufsaufsicht stellen dabei noch die harmlose Variante dar. Oft genug wird der religiöse Missbrauch direkt vor den Augen und in aktiver Mitwirkung der höheren Leitungsebenen praktiziert.

Als Folge der NDR-Doku "Mission unter falscher Flagge" wurde bei der Deutschen Evangelischen Allianz eine Ombudsstelle eingerichtet. Hilfesuchende berichten, dass diese Ombudsstelle hauptsächlich den Tätern in die Hände spiele. Betroffene werden zunächst mit der Beschaffung von Beweismaterial beschäftigt und mit der Aussicht auf eine Klärung ruhig gestellt. Durch eine homöopathische Finanzdecke und fehlende Möglichkeiten der Sanktion verlaufen die Fälle normalerweise im Sande oder werden wegen unzureichender Expertise komplett gegen die Wand gefahren. Sehr zum Schaden der Betroffenen, die durch das Scheitern des Klärungsversuchs noch tiefer in ihr Trauma abrutschen und zuweilen sogar Selbstmord begehen.

Sichtbar und vernetzt

Mit der virtuellen Konferenz der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen wurde ein wichtiger Anfang gemacht. Der Vernetzungsgrad von Betroffenen, Seelsorgern und anderen Experten steigt. Für toxische Leiter und Missbraucher wird es immer enger. Vor allem wird das Thema durch solche Konferenzen auch weiter in die öffentliche Wahrnehmung und vor den Gesetzgeber getragen.

Sonntag, 31. Mai 2020

Vom Jakobus zum James

In einer Online-Predigtreihe zu COVID19 geht es derzeit um den Jakobusbrief. So entspann sich heute eine Diskussion über die englische Bezeichnung dieses Briefes: James.



Heute ging es nicht darum, wie es von Saulus zu Paulus, Simon zu Petrus, Abram zu Abraham oder Jakob zu Israel kam. Nein, mit Anmoderation der neuesten Predigt von Rick Warren entspann sich eine Diskussion darüber, warum denn der Jakobus im Englischen in James umbenannt wurde. Ich vermutete, dass das auf die King James Bibel zurückzuführen sei. Glaubhafte Quellen berichten, dass einige Amerikaner diese Übersetzung als den biblischen Urtext betrachten.

Wir wollten es aber genauer wissen und gerieten in einen linguistischen Wettbewerb. Frau und Tochter hatten einen gewissen Vorteil, da sie ihre Smartphones dabei hatten. Aber sie fanden die Antwort nicht. Mein Sohn rekelte sich auf dem bequemen Bürosessel und erwähnte gelangweilt, dass die Spanier den James sogar als Diego bezeichnen. Er hasst Spanisch, auch wenn es in der heutigen Predigt um das biblische Liebesgebot und dessen praktische Anwendung auf Nachbarn ging.

Da die Frage nach James nicht geklärt werden konnte, entließen wir ihn in sein Zimmer. Er durfte sein Handy holen und selbst suchen. Erwartungsgemäß schnell hatte er die Antwort gefunden:

Es beginnt mit der Aussprache der Buchstaben B und M. In beiden Fällen werden zunächst die Lippen zusammengepresst. Um ein B zu sprechen, werden die Lippen schnell wieder geöffnet und beim M bleiben die Lippen einfach zu.

Die Lateiner hatten zunächst aus Jakob den Jakobus gemacht. Solche Anwandlungen kennen wir auch aus dem Deutschen, wenn Sachsen ein "ne" oder Schwaben ein "le" anhängen. Ein Russischkenner hatte mal einen simplen Trick für die Aussprache der sechs russischen Fälle parat: Man müsse einfach nur die Endung nuscheln. So kam es dann wohl in den späteren lateinische Dialekten dazu, dass aus dem B ein genuscheltes M wurde. Jakomus war geboren.

Jakobus und Jakomus existierten noch eine ganze Weile parallel nebeneinander. Die Sprachen entwickelten sich weiter - auseinander. Irgendwann hieß der biblische Yaakov (hebräischer Urtext) in Italien Giacomo, in Frankreich Jaques, in Wales Iago, in Irland Seamus, in Schottland Hamish und in England James. James ist im Prinzip nur eine mit der Zeit erfolgte Vereinfachung des Namens Jakomus.

Seltsam jedoch, dass James nur im Neuen Testament als solcher auftaucht und im Alten Testament immer noch von Jacob berichtet wird. Das liegt wohl daran, dass die King James Bibel um 1600 als Revision der Bishop's Bible erstellt wurde. Die Bishop's Bible war aus dem hebräischen und dem griechischen Urtext übersetzt worden. So kam es zu den zwei Varianten Yaakov und Iakobos. King James war übrigens König Jakob I. von England und lebte von 1566 bis 1625. Er kann als britischer Nachahmer Luthers bezeichnet werden.

Nachdem das nun geklärt wäre, wäre noch interessant, wie es zu der Abwandlung von Jakobus in Diego kam. Wen das interessiert, wird vermutlich in den Weiten des Internets eine Antwort finden.

Donnerstag, 21. Mai 2020

Himmelfahrt und Vatertag

Das Erstaunen war groß, als ein dicker Umschlag im Briefkasten lag. Die Gemeinde gratulierte mir zum Vatertag.



Ein Päckchen löslicher Kaffee, Schokolade, Eukalyptus-Dragees, Gummitiere, ein Kugelschreiber und eine Grußkarte waren wie ein Überlebenspäckchen zusammengestellt. "Happy Father's Day!" stand auf der Karte und zeigte einen Vater, der mit seinem Zweijährigen an der Hand dem Horizont entgegen geht. Auf der Rückseite ein Bibelspruch, der Gott als Vater beschreibt, und weitere Hinweise auf die Wichtigkeit, seine eigene familiäre Vaterrolle verantwortungsbewusst auszufüllen.

Dieser neue Blickwinkel war interessant. Fällt doch der Vatertag in Deutschland durch ganz andere Schwerpunkte auf: Saufexzesse, pöbelnde Männergruppen, torkelnde Radfahrer, ein dreifaches Unfallaufkommen sowie ein Ausschluss von Frauen und Kindern während der Feierlichkeiten des Mannseins. Es wird vermutet, dass der Vatertag um 1900 von der Brauwirtschaft eingeführt wurde. Um dann einen ganzen Tag den wirtschaftlichen Interessen dieser Branche dienen zu können, wurde ein Feiertag genutzt. Himmelfahrt bot sich insofern an, weil Jesus an diesem Tag zu seinem Vater in den Himmel aufgefahren war.

Vatertag, Männertag, Herrentag sind Bezeichnungen, die je nach Region verwendet werden. Die Form des Begehens dieses Tages ist jedoch identisch. Allerdings nur in Deutschland. Einen Vatertag gibt es in vielen Ländern. Deutschland ist aber das einzige Land, das diesen Tag mit dem Himmelfahrtstag zusammengelegt hat. Die meisten Länder feiern den Vatertag am dritten Sonntag im Juni, gefolgt von zehn Ländern, die ihn am 19. März begehen. Der 19. März ist Josef, dem Mann der Maria, gewidmet.

Beim Muttertag - am zweiten Sonntag im Mai - schließt sich Deutschland terminlich den internationalen Gepflogenheiten an. 1923 kam er auf Initiative des Blumenhandels nach Deutschland. Also auch wieder ein starkes wirtschaftliches Interesse mit dem Vorwand, den Müttern mal etwas Gutes zu tun. Mütter, die gerne etwas geschenkt bekommen, bestehen zusätzlich auf dem 8. März, dem internationalen Frauentag. Dieser wurde ebenfalls in den 1920er Jahren etabliert, hatte aber eher einen revolutionären Charakter.

Mitte der 1990er Jahre schwappte noch das bislang unbekannte Halloween nach Deutschland. Diverse Einzelhandelsunternehmen hatten den Wendeboom mitgenommen und wollten nun einen weiteren Umsatzimpuls setzen. Der Erfolg war mäßig. Im Fahrwasser der Aktion bildete sich jedoch der nervige Nebeneffekt marodierender Kleinkinder heraus, die in morbider Verkleidung am Allerheiligen-Abend von Haus zu Haus ziehen und um Süßes oder Saures betteln. Es soll Eltern geben, die das lustig finden.

Das Überlebenspäckchen zum Vatertag wurde inzwischen sortiert und an die Familie verteilt. Den Kugelschreiber bekam meine Frau, die Gummibärchen mein Sohn, der Kaffee kommt für Notfälle in den Garten und die Schokolade - ähm - die ist schon aufgegessen.

Sonntag, 10. Mai 2020

Drive-In-Gottesdienst des Kolpingwerkes Hildesheim

Besondere Situationen wie das Kontaktverbot während Corona machen erfinderisch. In Hildesheim gab es am Ostersonntag einen ganz besonderen Gottesdienst, der die erforderlichen Hygieneregeln bediente.



Der Gottesdienst in Hildesheim war so einzigartig, dass er heute Eingang ins Morgenprogramm von radioeins fand. Thematisch ging es um Messen. Es gibt Leute, die Land vermessen. Es gibt Messen mit vielen Ausstellern und es gibt Messen in der katholischen Kirche. Das katholische Kolpingwerk wollte die Gottesdienstbesucher nicht online zusammenbringen, sondern in Natura.

Dazu wurde der Schützenplatz in Hildesheim ausgewählt. Dieser Platz fasst 400 Autos. In Form eines Autokinos wurde dort ein Gottesdienst veranstaltet. Um nah am Geschehen zu sein, sollten die Autoradios auf die Frequenz 105,3 von Radio Tonkuhle einstellen. Der Priester hatte alles dabei und stand auf einer mobilen Bühne. Davor die Besucher in ihren SUVs, Wohnwagen und PKWs.

Hier trafen sich Menschen in hochmotorisierten Limos und Fahrer von Kleinwagen. Wie vor der Straßenverkehrsordnung, waren sie auch hier alle gleich. In geistlicher Einheit erlebten sie den Gottesdienst vom Auto aus. Es gab eine Eucharistiefeier und einen finalen Segen. Anschließend - so wurde berichtet - seien die Fahrzeugführer mit einem Lächeln auf dem Gesicht vom Platz gerollt.

Da auch Besucher vor Ort waren, die sonst eher nicht zur Kirche gehen, sind weitere Gottesdienste dieser Art in Planung.

Sonntag, 3. Mai 2020

Jubilate online und offline - 3. Sonntag nach Ostern

In der Kirchengeschichte wurde der 3. Sonntag nach Ostern mit der Bezeichnung Jubilate versehen. Zu Jubilate habe ich eine ganz besondere Beziehung.


Das Wort Jubilate erzeugt bis heute ein breites Grinsen. An viele Gottesdienste aus meiner Kindheit in einer Berliner Baptistengemeinde kann ich mich nicht erinnern. Auch bei längerem Nachdenken fallen mir nur drei Gottesdienste ein, obwohl wir wohl regelmäßig dabei waren.

In einem der Gottesdienste waren meine Filzstifte heruntergefallen und langsam aber sicher unter den Bänken Richtung Kanzel gerollt. Als nächstes kann ich mich an eine Predigt erinnern, die so gut war, dass die gesamte Gemeinde betroffen in den Bänken saß. Vielleicht wäre mir auch noch deren Inhalt im Gedächtnis geblieben, wenn nicht unmittelbar danach Bruder B. nach vorne gegangen wäre und die Predigt noch einmal ausführlich zerredet hätte. Die Stimmung war danach komplett ruiniert.

Kein Wunder also, dass mir sonst nur noch eine Predigt haften geblieben ist. Es ging um Jubilate. Der Chef des Baptistenbundes höchst persönlich war erschienen: schwarzer Anzug, schwarze Krawatte, schwarze Hornbrille, süßliche Stimme. Das Wort Jubilate wurde in seiner Predigt inflationär eingesetzt. Vielleicht hätte ich es mir auch gar nicht gemerkt, wenn er nicht bei jedem Jubilate verzückt nach oben geschaut und einen Freudensprung auf der Kanzel vollzogen hätte. So also predigt der oberste Bruder schlechthin. Jubilate: Bis heute schüttelt meine Mutter den Kopf, wenn ich dieses Wort in den Raum werfe.

Jubilate lässt sich ganz gut ins Deutsche übersetzen. Wir kennen ja das Jubeln - Neudeutsch Lobpreis. Man spricht heute sogar von der Generation Lobpreis, die sich vor etwa 20 Jahren entwickelt hat und in kontemporären Gemeinden wie ICF, Hillsong, Equippers oder ähnlichen Konstrukten tummelt. Die Generation Lobpreis ist um die 30, wechselt öfter mal die Gemeinde und kennt sich mäßig in der Bibel aus. Aber, Jubilate kann sie.

Meine Mutter ist inzwischen Mitglied in der evangelischen Landeskirche. Durch Corona hat nun auch die Landeskirche die Möglichkeit von Online-Gottesdiensten entdeckt. Regelmäßig stellt mir ein Freund aus dem Gemeindezentrum Marzahn Nord per WhatsApp die aktuellen Predigten auf YouTube zu. Und heute nun geht es um: Jubilate.

Auch das Robert Koch-Institut empfiehlt zurzeit die Online-Gottesdienste. Die Ansteckungsgefahr liegt bei null. Zudem erhöhen Online-Angebote die Teilnehmerzahl. Aber es gibt noch einen weiteren Vorteil: Wer sich persönlich bisher nie über eine Kirchenschwelle getraut hat, kann das jetzt ganz bequem und anonym vom Wohnzimmer aus tun. Übrigens gibt es auch gute Lobpreismusik bei YouTube. Diese kann man nach Herzenslust per Kopfhörer aufsaugen und dabei sein ganz persönliches Jubilate-Erlebnis haben.

Freitag, 1. Mai 2020

Konkrete Maßnahmen zur Durchführung von Gottesdiensten nach #COVID19

Die Bundesregierung und die Länderchefs haben sich bei ihrem gestrigen Online-Meeting lobend über die gute Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften geäußert. Es waren Konzepte vorgelegt worden, die inzwischen auch vom Robert Koch-Institut kommentiert wurden.



Die Arbeitsgruppe aus Vertretern der evangelischen, katholischen und orthodoxen Kirche sowie jüdischer und muslimischer Dachverbände hat einen nachhaltig guten Eindruck bei der Bundesregierung hinterlassen. Auch die Presse hatte unentwegt nachgefragt, wann und in welcher Form es wieder mit Gottesdiensten losgehe. Allein dieses Segment der Corona-Bewältigung zeigt, dass die Bundesregierung nicht abgehoben agiert, sondern diverse Schnittmengen zur Einflussnahme durch die Gesellschaft vorhanden sind.

Um die Ausbreitung der Pandemie gezielt behindern zu können, sei eine Nachverfolgung der Infektionsketten notwendig. Dazu soll es demnächst eine App geben. Aber auch der Abstand zwischen Personen, die nicht in einem Haushalt leben, soll möglichst groß sein, damit keine Lücken in der Nachvollziehbarkeit der Verbreitung des Erregers entstehen.

Die folgenden Maßnahmen des Gesundheits- und Infektionsschutzes bei der Durchführung von Gottesdiensten und religiösen Handlungen sind zwar kein offizieller Bestandteil der Beschlüsse vom 30. April 2020, wurden aber als einzige Anlage dem Ergebnispapier beigefügt. Die oben genannten Glaubensgemeinschaften sind jedoch eine Selbstverpflichtung eingegangen, diese Maßnahmen einzuhalten.

Begrenzung der Teilnehmerzahl

Die Teilnehmerzahl soll sich an der Größe des Raumes orientieren. Auf keinen Fall darf es zu Menschenansammlungen kommen. Es soll auch nur das unbedingt notwendige liturgische Personal anwesend sein. Taufen, Beschneidungen, Trauungen und andere religiöse Feste sind im kleinen Kreise von Familienangehörigen und wenigen unverzichtbaren Personen durchzuführen. Auf Großveranstaltungen wie Konferenzen, Wallfahrten oder Prozessionen ist zu verzichten.

Abstand

Die allgemeinen Abstandsregeln von 1,5 bis 2 Metern gelten auch für Gottesdienste. So soll auch das Personal in diesem Abstand das Gebäude betreten und verlassen. Auch während der liturgischen Handlung ist dieser Abstand einzuhalten. Laufwege und mögliche Sitzplätze sind zu markieren. Nur Familien aus einem Haushalt dürfen zusammensitzen. Für größere Räume werden Ordner empfohlen. Ohnehin werden große Räume favorisiert, weil sich darin mehr Leute mit mehr Abstand aufhalten können. Auch bei der Seelsorge in Krankenhäusern, Pfarrbüros oder Privatwohnungen sind die entsprechenden Abstände einzuhalten.

Das Robert Koch-Institut verweist explizit auf Online-Gottesdienste. Diese haben mehrere Vorteile: kein Infektionsrisiko, Risikogruppen wie Senioren und Kranke können teilnehmen und die Reichweite ist größer.

Hygiene

Personen mit Krankheitssymptomen haben generell keinen Zutritt. Für die Durchsetzung dieser Regel sind Veranstalter und Ordner zuständig. Idealerweise tragen die Besucher eine Gesichtsmaske, die Mund und Nase bedeckt. Hier kann es zu länderspezifischen Abweichungen kommen. Körperkontakte wie Hände schütteln, küssen oder umarmen sind Tabu. Das gilt auch für liturgische Elemente mit Körperkontakt wie Handauflegung oder Abendmahl. Beichtstühle bleiben wegen ihrer räumlichen Beschaffenheit geschlossen. Für die Beichte müssen also kreative neue Formen mit Abstandswahrung geschaffen werden.

Gesangsbücher, Gebetsschals und Bibeln müssen Gottesdienstbesucher selbst mitbringen, da die Erreger eine bemerkenswert hohe Überlebensdauer auf sämtlichen Oberflächen aufweisen. Blasorchester, Chöre und Bands sind untersagt. Musik darf nur durch Einzelpersonen vorgetragen werden. Hier schlägt die Stunde des Mikrofons: Lautes Sprechen oder gemeinsames Singen sind wegen der exzessiven Verbreitung von Tröpfchen nicht erwünscht. Blasinstrumente sind ein absolutes No Go.

Weihwasserbecken bleiben leer, Handdesinfektion ist bereitzustellen, Kontaktflächen, Türen, Mikrofone, liturgische Geräte sind regelmäßig zu desinfizieren. Es ist für eine gute und natürliche Belüftung zu sorgen. Nach den Veranstaltungen sind die Kirchen und Gemeinderäume zu schließen.

Normalität

Eine Rückkehr zur Normalität wird noch eine Weile auf sich warten lassen. 14-tägig werden die Infektionszahlen und die Fortschritte der Forschung ausgewertet. Aufgrund dessen werden politische Entscheidungen getroffen. Bis mindestens Ende August sind Großveranstaltungen wie Volksfeste, Konzerte, Festivals, Sportevents untersagt. Auch ist noch nicht bekannt, wann und in welcher Intensität die erwartete zweite und dritte Welle der Pandemie über das Land zieht. Deshalb sei hier an zwei Worte erinnert, die die Kanzlerin in der gestrigen Pressekonferenz mehrfach in Zusammenhang gebracht hatte: Geduld und Verantwortung.

Sonntag, 26. April 2020

Alltagstaugliche Predigten von Rick Warren

Unsere Tochter konnte sich durchsetzen. Keine Experimente. Keine Gottesdienste von bisher unbekannten Gemeinden aus entfernten Teilen der Welt. Nein, es sollte wieder Saddleback sein.



Die knapp 20 Saddleback-Gemeinden weltweit sind das Schauen von Videos gewohnt. Rick Warren oder einer der Pastoren aus Kalifornien predigt und wird per Leinwand in die lokalen Gemeinderäume transportiert. Der lokale Gemeinderaum war heute unser Wohnzimmer. Die Familie wollte die deutsche Übersetzung hören, so dass sich im Folgenden ein Gottesdienst auf Denglisch entfaltete:

Lokalpastor Rob McGee und seine Frau zelebrierten zunächst ihr humorvolles Vorprogramm - auf Englisch. Es folgte Musik von Lobpreisleiter Diazno. Dieser sitzt gerade wegen Corona in Nigeria fest. Eine andere Afrikanerin zeigte uns ihr Wohnzimmer und spielte ein zweites Stück. Die Ansagen von Rob waren auf Englisch. Allerdings war Rob plötzlich seitenverkehrt. Namensschild und Wohnzimmer waren gespiegelt. Auch hatte er eine sehr interessante Elektroinstallation über dem Kopf. Lange schwarze Kabel hingen von der Decke herab und endeten in vier simplen Glühlampen. Wohnkultur in Zehlendorf.

Die Predigt war mit einer deutschen Stimme synchronisiert. Wir stellten fest, dass wir wegen unserer medialen Rundreise die ersten vier Teile der Predigtreihe verpasst hatten. Egal, die Predigten von Rick Warren bilden auch innerhalb von Predigtreihen eine schlüssige Einheit.

Rick Warren hat schon viel durchgemacht und kann daher sehr authentisch über die Herausforderungen unseres Alltags reden. Fast jede Predigt enthält Handwerkszeug, das sich an den folgenden Tagen praktisch nutzen lässt. Vor drei Jahren hatte er die Challenge (Wettbewerb) aufgestellt, jeden Morgen 10 Punkte aufzuschreiben, für die man dankbar ist. Das mache ich bis heute.

In der aktuellen Predigt ging es um praktische Tipps für den Alltag in Corona-Zeiten. Er empfahl, die Bibel aufgeschlagen ans Bett zu legen. Noch bevor der Fuß den Boden berührt, solle man einen kleinen Abschnitt lesen. Abends, bevor man das Licht ausschaltet, solle man einen weiteren Abschnitt lesen und auf diesem Wege eine Gewohnheit zum regelmäßigen Bibellesen entwickeln. Flankierend dazu empfahl er das Aufschreiben von Versen, die man dann auswendig lernen könne. Simpel, aber wirkungsvoll. Als Sofortmaßnahme entschloss ich mich, die Bibel auf dem Schreibtisch immer offen zu lassen und den ganzen Tag über darin zu lesen. Bisher hatte ich sie nach der Morgenandacht zugeklappt. Ist sie bereits offen, liest man darin viel öfter.

Nach dem Online-Gottesdienst schnappten wir uns das Grillfleisch und zogen als Familie in den Garten. Wer im selben Haushalt lebt, darf auch gemeinsam seine Freizeit verbringen. Schade, dass unsere beliebten Grillpartys momentan nicht erlaubt sind.

Freitag, 24. April 2020

#COVID19 - bald wieder Offline-Gottesdienste

Seit zwei Wochen wird in der Bundespressekonferenz regelmäßig gefragt, wann und unter welchen Auflagen wieder Gottesdienste stattfinden dürfen. Gemeint sind damit Gottesdienste vor Ort in den Gemeinderäumen.



Es habe "ausgesprochen hilfreiche Gespräche" gegeben. Am 17. April 2020 hatten sich Vertreter der Religionsgemeinschaften erstmalig mit Staatsekretär Kerber im Innenministerium getroffen. Schnell hatten sie sich auf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe verständigt. Ziel war die Erarbeitung eines Konzeptes zum Wiederanlauf von Gottesdiensten und Veranstaltungen in den Gemeinderäumen.

Eine große Zeitung war von der Verschleppung des Vorgangs durch die muslimische Seite ausgegangen. Das konnte vom Ministerium nicht bestätigt werden. Alle Zuarbeiten seien fristgerecht eingegangen - eine zweistellige Anzahl von Vorschlägen. Daraus sei ein "gutes, tragfähiges Konzept" erarbeitet worden. Momentan werde es durch das Robert Koch-Institut geprüft. Auch die Bundesländer schauen noch einmal drüber.

Gerade Letztere überholen die Kanzlerin gerne mal bei der Lockerung der Corona-Regeln. In diplomatisch gefärbtem Deutsch bezeichnet man das als "unterschiedliche Entwicklung". Deshalb bleibt abzuwarten, ob sich die Länder und einzelnen Gemeinden an die Vorgaben des Konzeptes halten. Einige Gemeinden könnten im Überschwang der Harmonie für eine wundersame Infektionsvermehrung sorgen. Eine freikirchliche Konferenz mit über 2.000 Teilnehmern im Februar im Elsass hatte in diesem Zusammenhang für erhebliche mediale Aufregung gesorgt.

Die oben genannte Arbeitsgruppe bestand aus Vertretern der evangelischen, katholischen und orthodoxen Kirche sowie des Zentralrats der Juden und des Koordinierungsrates der Muslime. In der Sache "baldige Versammlungen nach Corona" waren sich alle einig und konnten deshalb konstruktive Ergebnisse erzielen. Eine ungewohnte Einheit wie derzeit in der Großen Koalition.

Allein die Freikirchen mit ihren 1,3 Millionen Mitgliedern waren nicht an der Ausarbeitung der Konzepte beteiligt. Den Freikirchen fehlt ein entsprechender Dachverband. Auch wenn sich die Deutsche Evangelische Allianz als solch ein Dachverband ansieht, scheint sie doch von der Politik nicht wirklich wahrgenommen zu werden. Auch bei ihrer Zielgruppe hat sie eher ein verstaubtes Image, das einmal im Jahr durch die Allianz-Gebetswoche in Erscheinung tritt.

Modernen Freikirchen kann Corona nahezu egal sein. Ihre zahlreichen Gottesdienstbesucher verfolgen die Predigten und den Lobpreis auch gerne von zu Hause aus. Kleingruppentreffen gestalten sie per Videokonferenz. Parallel dazu wird die leidende Gastronomiebranche durch Pizza-Bestellungen unterstützt. Auch wir haben uns inzwischen an internationale Gottesdienste per Livestream gewöhnt.

Sonntag, 19. April 2020

Gospelhouse Baden-Baden und die tierisch gute Predigt

Auf der Suche nach weiteren interessanten Online-Gottesdiensten schlug unsere Tochter das Gospelhouse Baden-Baden vor. Das Gospelhouse Baden-Baden hatte sie als Unterstützer ihres Schulprojektes in Madagaskar kennengelernt.



Neun Uhr war für uns so früh, dass wir den Livestream anhalten mussten. Mein Sohn quälte sich aus dem Bett und wir stopften noch hastig die letzten Bissen des Frühstücks rein. Neben dem angehaltenen Video aus dem Gospelhouse Baden-Baden wurden bereits herzliche Grüße aus Südafrika, Süddeutschland, Berlin und anderen Orten ausgetauscht. Es wurde auch ein gewisser Rainer gegrüßt. Eine weitere Beteiligung am Chat wurde mir untersagt, weil meine Frau eingeloggt war.

Die journalistische Regel "Hintergrund macht Bild gesund" hatte das Gospelhouse verinnerlicht und projizierte grüne Palmblätter auf die Wand hinter der Lobpreisband. Letztere bestand aus vier Personen, die sich bemühten, den vorgeschriebenen Corona-Abstand einzuhalten. Vielleicht wohnten sie aber auch im selben Haushalt. Es gab einige mitreißende Lieder, zu denen der Text eingeblendet wurde. Wir kannten diese und konnten mitsingen.

Nach der Kollekte mit Hinweis auf PayPal und andere Kontoverbindungen folgte ein weiteres Lied. Dann begann die Predigt. Diese war der vierte Teil einer Predigtreihe zu herrschaftlichen Tieren der Bibel mit dem Titel "tierisch gut". Adler, Lamm und Löwe waren bereits thematisiert worden als König der Lüfte, Lamm Gottes und Löwe von Juda. Heute war der Hirsch dran. Der Hirsch taucht in der Bibel recht selten auf und wurde uns als König des Waldes vorgestellt.

Die Gedanken schweiften ab zu einer Diskussion, die ich vor ein paar Tagen über das Erlegen von Wildschweinen geführt hatte. Man brauche dafür ein Jagdgewehr mit hoher Durchschlagskraft. Die Kugel müsse die richtige Stelle treffen und das Tier komplett durchbohren. Wegen der weiterfliegenden Kugel weist die Berufsgenossenschaft regelmäßig auf den Kugelfang hin. Vom Hochstand aus landet die Kugel normalerweise im Erdboden. Ein Horizontalschuss könnte dem erlegten Tier jedoch noch einen Pilzsucher oder Wanderer beigesellen.

In der Predigt ging es aber nicht um die Jagd. Ein Hirsch werde - so er nicht gejagt wird - etwa 20 Jahre alt. Seine Höhe entspricht dem Abstand, der aktuell für Corona vorgeschrieben ist: 1,5 Meter. Im Schwarzwald gebe es Rothirsche und Damhirsche. Vor Corona hatten sie sich immer weiter in den Wald zurückgezogen, weil doch zu viele Menschen Pilze suchend, wandernd oder jagend durch den Schwarzwald gestreift waren. Jetzt, wo sich die Menschen zurückgezogen haben, können sie sich wieder etwas weiter hinauswagen.

Zwei wesentliche Dinge werden in der Bibel über den Hirsch berichtet: Er lechzt nach frischem Wasser und er kann Hindernisse überspringen. Pastorin Nicole Oppermann baute ihre kurze und knackige Predigt um die Eigenschaften und Verhaltensweisen des Hirsches auf und schlug weitere Brücken zu unserer Beziehung mit Gott.

Verliert ein Hirsch beispielsweise sein Geweih, dauere es hundert Tage, bis dieses nachgewachsen ist. In dieser Zeit überziehe eine gut durchblutete Haut das Geweih. Wenn es ausgewachsen ist, streife der Hirsch diese Haut ab. Nicole Oppermann verglich das mit dem Wachstumsprozess eines Christen, der alte Gewohnheiten abstreife und als stärker gewordener Christ daraus hervorgehe.

Nach weniger als 40 Minuten war der Online-Gottesdienst zu Ende. Die Familie verkrümelte sich in sämtliche Bereiche der Wohnung. Nur ich blieb auf der Couch liegen: Soll ich aufstehen? Und dann? Erstmal duschen oder gleich den Artikel schreiben?

Freitag, 17. April 2020

Hope is Rising mit Campus für Christus

Campus für Christus ist eigentlich eine Studentenbewegung. Heute schauten wir uns den Livestream Hope is Rising an.



Ein guter Freund, der inzwischen seinen Vorruhestand auslebt, informierte uns nun schon zum zweiten Mal über Hope is Rising. Die Werbung war reißerisch aufgemacht und soll vermutlich die Zielgruppe von Campus für Christus ansprechen: Studenten. Da auch wir uns noch jung fühlen, verabredeten wir uns zu 20 Uhr im Wohnzimmer und schalteten den Beamer ein.

Meine Frau hatte schon den ganzen Tag verzweifelt ihre Hörgeräte gesucht. Den ganzen Tag über kam es zu akustischen Missverständnissen. Aber Dank Campus für Christus fanden wir die kleinen Hilfsgeräte - beim Aufklappen des Laptops.

Der Livestream war bewusst als Amateurvideo deklariert. Dennoch enthielt er professionelle Anteile. Das Programm war sehr abwechslungsreich. Wichtig, wenn man eine Online-Community für 90 Minuten bei der Stange halten will. Es gab eine Einleitung aus der Schweiz. Dann folgten Hip Hop von O Bros und ein kurzer Input aus dem Keller eines Campus-Leiters. Der Keller war in morbidem Grün gestrichen.

Es folgten mehrere rockige Musikstücke von Planet Shakers aus Australien. Wir fragten uns, wie die das mit den acht Stunden Zeitunterschied zwischen Melbourne und Deutschland machen? Vermutlich doch eine Aufzeichnung. Im Internet lässt sich sowas leicht kaschieren. Es folgte ein weiterer Input aus dem ICF München. Dabei lernten wir, dass die Quarantäne eine biblische Grundlage hat. Das Wort Quarantäne leitet sich vom lateinischen Wort quadraginta (vierzig) ab. Das ist die Zeit, die sich Kranke absondern sollen, bis sie genesen oder nicht mehr ansteckend sind.

Zum Abschluss von Hope is Rising wurden zwei weitere Lieder gespielt. Der Ton war leider völlig übersteuert. Aber das passiert eben bei einem Livestream. Danach verließen Frau und Tochter das Wohnzimmer. Die Nähmaschine im Schlafzimmer setzte ihr Werk fort: Gesichtsmasken.

Ein Reinschauen bei Hope is Rising lohnt sich durchaus. Man lernt neue Bands kennen und bekommt mehrere Inputs von fitten christlichen Leitern. Allein der Moderator mit seinem weißen Feinripphemd war heute etwas anstrengend.

Freitag, 10. April 2020

Karfreitag mit Lobpreis aus Nigeria

Corona hat den Charme, dass man Gottesdienste überregional erleben kann, ohne das Haus verlassen zu müssen. Am Karfreitag sangen wir bei einem Lobpreis mit, der aus Nigeria geliefert wurde.



Saddleback Berlin ist eine internationale Gemeinde, die bei 300 Mitgliedern und Freunden etwa 50 Nationen repräsentiert: Europäer, Asiaten, Australier, Nord- und Südamerikaner, echte Berliner und Afrikaner. Auch beim Lobpreisteam steht selten dieselbe Nation zweimal auf der Bühne.

Lobpreisleiter Diazno ist Nigerianer. Mitte März hatte er sich in seine Heimat aufgemacht. Dort wollte er heiraten - eine Nigerianerin. Zweimal dieselbe Nation bei Saddleback? OK, unsere Familie besteht auch zu 100% aus eingeborenen Berlinern. Ansonsten sind internationale Familien absolut üblich. Team.F bietet für regelmäßig auftretende Spannungen zwischen den Kulturkreisen Seminare an.

Kaum verheiratet, stand das Paar plötzlich vor geschlossenen Flughäfen und Grenzen. Egal, sie haben sich und das Internet. Dazu gibt es zwischen Deutschland und Nigeria nur eine Stunde Zeitunterschied.

Gelegentlich hört man das Wort Nigeria in den Nachrichten. Einige Deutsche wissen noch, dass Nigeria in Afrika liegt. Aber wo dort? Am besten erklärt sich das wohl mit der Sahel-Zone. Diese erstreckt sich über den Norden Afrikas von Westen bis Osten und umfasst die riesigen Wüstenflächen von Mali, Niger, Tschad und Sudan. Nigeria liegt direkt südlich von Niger und hat im Süden einen langen Küstenstreifen zum Atlantik.

Etwa 50% der Bevölkerung Nigerias sind Christen. Diese leben im südlichen Teil des Landes. Im Norden - also Richtung Sahelzone - leben die etwa 40% Moslems. Rebellengruppen gibt es im gesamten Land. Diese scharen sich um die vielen Goldvorkommen. Das Gold wird in der Regel nach Sudan oder Äthiopien transferiert und anschließend über Katar, Indien und die Schweiz gewaschen. Danach kommt es zur Terrorfinanzierung in die Region zurück. Erwähnt sei auch das Thema Fake-Rechnungen für Außenhandelsgeschäfte. Diese machen über 50% des Außenhandelsvolumens aus. Apropos Handel: Nigeria ist führend im Menschenhandel. Begünstigt wird das durch die regionalen Flüchtlingsbewegungen. 2019 gab es 2,2 Millionen Inlandsflüchtlinge. Für 2050 wird eine Verdreifachung der Bevölkerung erwartet.

Diazno und seine Frau setzten sich heute auf ihre Couch in Nigeria. Dahinter ein Bild, das Jesus als Löwe und König darstellt. Dann wurde die Kamera eingeschaltet und es ging los. Diazno und seine Frau rissen uns musikalisch mit. Teilweise waren sie in ihrem Gesang so gefangen, dass sie sich aus dem Fokus der Kamera bewegten. Dabei hatten sie nur eine Gitarre und zwei Stimmen. Das aber perfekt aufeinander zugeschnitten. Der Lobpreis ging etwa eine Stunde und wurde nur durch einen kurzen Input und Gebete unterbrochen.

Wir sind gespannt, wann wir Diazno und seine Frau live in Berlin auf der Bühne sehen werden.

Sonntag, 5. April 2020

Hillsong Australien im Livestream

Wenn schon Online-Gottesdienst, dann gerne auch mal richtig international. Deshalb entschieden wir uns heute für die ganz andere Seite der Erdkugel und waren gespannt auf den Gottesdienst von Hillsong Australien.



Niemand aus der Familie konnte auf Anhieb sagen, wie viele Stunden Zeitunterschied zwischen uns und Australien liegen. Die AEST (Australien Eastern Standard Time) gilt in Sidney und ist uns acht Stunden voraus. Klingt recht wenig. Hillsong ist sehr medienaffin und hat extra eine Domain für seine Livestreams eingerichtet: online.hillsong.com

Auf der Startseite gibt es jede Menge Kacheln, die zu den verschiedenen Standorten von Hillsong führen oder zu speziellen Themen. Irgendwann hatten wir uns zum aktuellen Gottesdienst durchgeklickt. Dieser wurde zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Sprachen angeboten: Mandarin klang gesund, wäre aber an der Sprachbarriere gescheitert. So entschieden wir uns für einen Gottesdienst auf Englisch, der um 11:30 Uhr unserer Zeit starten sollte.

Kaum war der Countdown auf null gezählt, saß die Familie vor der Leinwand und wartete gespannt auf das australische Programm. Zunächst trat meine Lieblingsbesetzung von Hillsong United auf. Vier Musiker plus einer unbekannten Anzahl von Kameraleuten waren in einem Studio zusammen. Abstand weniger als 1,5 Meter und kein Mundschutz. Oberhalb des Videos hatte Hillsong einen Text angebracht, dass die Aufnahmen nach den gesetzlichen Corona-Regelungen angefertigt worden seien. In Australien wird ja einiges lockerer gesehen als hier.

Nach drei Liedern, die meine Kinder sogar kannten, wurde auf eine Bühne umgeschaltet. Dort stand Brian Houston. Zusammen mit seiner Frau hatte er 1983 die Hillsong Bewegung angestoßen. Die damals gegründete Gemeinde in Sidney hieß "Hills Christian Life Centre". Das extrem schnelle Wachstum bis in den fünfstelligen Bereich hinein mündete in eine weltweite Gründung von Gemeinden. Der Name "Hillsong Church" wurde 1999 eingeführt. Wer eine Hillsong-Gemeinde in seinem Heimatort betreiben möchte, muss bestimmte Standards erfüllen und sich dem zentralen Franchise-Konzept unterordnen. So ist es kaum verwunderlich, wenn der Gottesdienst in Berlin rein liturgisch dem Vorbild in Sidney folgt.

Zurück zur Liturgie: Zunächst warb Brian Houston um Spenden. Dass das eine Weile dauern kann, war uns noch gut vom jüngsten Besuch bei Hillsong Berlin bekannt. Nur, dass die Australier die Ausführungen des Pastors mit einem Clip über die Einfachheit des Spendenvorgangs flankierten. Als rein fiktiver Betrag wurden 100 $ dargestellt. Als dann jedoch die Auswahl "weekly" (wöchentlich) gezeigt wurde, fielen unsere Kinnladen nach unten.

Nach der Kollekte folgte die Predigt. Diese war gut strukturiert und hatte einen klaren roten Faden. Es ging um Namen. Den eigenen Namen, die Namen Gottes, die Änderung von Namen und den Segen, der mit Namen verbunden ist. Brian Houston untermalte das mit sehr vielen Bibelstellen. Die Länge der Predigt wurde von den Kindern durch entsprechende Körperhaltungen quittiert: Meine Tochter lag von der Couch bis zum Sessel bäuchlings auf dem Wohnzimmertisch. Gleichzeitig diente der Wohnzimmertisch als Auflage für die Stirn meines Sohnes. Wir hatten ihm verboten, sein Handy aus der Hosentasche zu holen.

Zum Gebet positionierten sich alle wieder. Ich machte Dehnungsübungen mit der Wade. Als Abschluss wurden noch zwei Stücke von Hillsong United gespielt. Das zweite Stück war vermutlich eine ältere Aufzeichnung. Denn der Saal und die Bühne waren nachweislich voll mit Musikern und Gottesdienstbesuchern. Oben rechts flimmerte immer noch der Hinweis, dass alle Aufnahmen nach den aktuellen Corona-Regeln angefertigt worden waren.

Samstag, 4. April 2020

Johannes Hartl online aus dem Gebetshaus Augsburg

Links zu Videos von Johannes Hartl aus dem Gebetshaus Augsburg bekomme ich oft zugespielt. Heute habe ich mich erstmalig auf ein solches Video eingelassen.



Wenn mir liebe Freunde bisher einen Link zu Johannes Hartl übermittelt hatten, hatte ich relativ schnell draufgeklickt - insbesondere wenn per WhatsApp meine Antwortzeit evaluierbar war. Das Video selbst erlebte dann regelmäßig ein Absprungtiming, das unter einer Minute lag. Gründe waren das Erblicken der Laufzeit des Videos, die Einleitung mit Hebraismen gefüllten Sätzen und dieser an eine Badeanstalt erinnernde beige-graue Noppenhintergrund. Hebräisch finde ich zwar tendenziell ganz nett, aber doch bitte nicht mitten am Tag zwischen E-Mail-Check und dem Absprung zu McFit.

Nach drei Wochen ohne McFit und unzähligen E-Mail-Checks beschloss ich einen neuen Versuch mit Johannes Hartl. Schnell verzogen sich die Kinder in ihre Zimmer. Meine Frau war bereit zum Mitgucken. Gerade war wieder eine Einladung über Campus für Christus gekommen. Den Live-Stream hatten wir aber verpasst. Während Corona verliert man jegliches Zeitgefühl. Deshalb schauten wir auf dem YouTube-Kanal des Gebetshauses Augsburg nach. Der Kanal hat stattliche 43.500 Abonnenten und knapp 12 Millionen Videoaufrufe.

Zum Warmgucken schauten wir uns einen 90-Sekunden-Clip über professionelle Hilfe bei Psychosen an. Man brauchte schon strake Nerven für die Kombi aus gelbem Sessel und mittelalterlichem Schwarz-Weiß-Hintergrund mit großen roten Flecken. Ein leichter Touch von Tatortreiniger. Dann wagten wir uns an ein einstündiges Video mit dem Titel "Krisen bewältigen".

Das dunkel geblümte Sakko von Johannes Hartl kompensierte den beige-grauen Noppenhintergrund. Wir konzentrierten uns auf den katholischen Theologen und dessen Worte. Bald hatten sie das optische Ambiente überlagert. Was der Mann sagte, hatte Hand und Fuß, war gut strukturiert und wurde permanent per Flipchart illustriert. Die dargelegte Vorgehensweise im Umgang mit Krisen deckte sich mit unseren Erfahrungen. Er ging darauf ein, dass man an Krisen reifen oder zerbrechen könne.

Komfort, Kontrolle und Freiheit gehörten zwar zu unserem allgemeinen Erleben. Diese seien aber nicht selbstverständlich. Corona beispielsweise könne innerhalb weniger Momente alle drei Komponenten wegbrechen lassen. Und das sei auch gut so, weil Krisen die Persönlichkeit eines Menschen reifen lassen. Gott schaffe zwar selbst keine Krisen, aber er nutze diese zum Training von Menschen, die er anschließend für bestimmte Handlungen oder Positionen einsetzen möchte. Menschen, die Krisen erlebt haben und daran gereift seien, seien deutlich glücklicher als Menschen, die noch nie eine wirkliche Krise erlebt hätten.

Das Video war wirklich spannend und wurde deshalb wohl auch schon von 120.000 Leuten angesehen. Damit hat das Video Potenzial, als erstes die Schallmauer von einer Million zu durchbrechen. Es gibt auch ältere Videos mit sechsstelligen Zugriffszahlen, aber das Krisen-Video ist erst seit zwei Wochen online. Mal sehen, wann wir mal wieder den Kanal des Gebetshauses durchstöbern.

Sonntag, 29. März 2020

Gottesdienst im Schlafanzug: #icfathome wegen #COVID19

#COVID19 fördert neue Formen der Gottesdienstgestaltung und der christlichen Gemeinschaft. Videoaufzeichnungen und Livestreams von Predigten und Lobpreisungen sowie Kleingruppentreffen per WhatsApp, Skype und in anderen virtuellen Räumen.



Zwei Wochen selbst auferlegter Quarantäne sind nicht spurlos an uns vorbeigegangen: Mein Büro wurde mit Dampfreiniger gesäubert. Zwölf alte Projektordner wurden geschreddert. Teile des Gartenhauses und des Zaunes wurden gestrichen. Das Zimmer unserer Tochter wurde entrümpelt. Sie selbst musste auf ministerielle Anweisung ihr Freiwilligenjahr in Madagaskar abbrechen. Meine Frau sitzt auf Abruf zu Hause. Mein Sohn hat seit zwei Wochen keine Schule mehr und erledigt nun seine Hausaufgaben in Kombination mit Minecraft.

Wann er ins Bett gegangen war, konnte bisher nicht ermittelt werden. Jedenfalls hatte er unseren Auftrag zum Raussuchen eines Online-Gottesdienstes verpennt. Kurz vor elf regte sich etwas in seinem Zimmer, so dass er pünktlich zum Gottesdienst auf der Couch saß - im Schlafanzug.

Was Gemeindeversammlungen über Jahre hinweg nicht durchgesetzt bekommen, schafft Corona: Gottesdienstbeginn um elf. Elf Uhr ist eine geniale Zeit für Familien, Jugendliche und junge Erwachsene. In Gemeinden mit breiter demografischer Durchmischung scheitert die Verlegung des Gottesdienstes auf elf Uhr in der Regel am Widerstand der Senioren. "Aus Liebe zu den Geschwistern" quälen sich dann sämtliche Altersgruppen um zehn, um neun oder noch früher ins Gemeindehaus. In einigen Regionen Deutschlands wird der Gottesdienst auch nach der Zubereitungszeit der Klöße festgesetzt. In diesen Regionen kommt nun das zeitversetzte Ansehen von YouTube-Gottesdiensten ins Spiel.

Da wir um elf zu viert im Wohnzimmer saßen, konnten wir den Lobpreis und den Gottesdienst in Echtzeit miterleben. Kurz zuvor hatten wir uns noch die humoristischen Einlagen von Dave Schnitter (Mosaik Berlin) und Rob & Holly McGee (Saddleback Berlin) angeschaut. Mit Beamer und mehreren Browserfenstern muss man nichts verpassen.

Da wir wussten, dass ICF zu den fitten medialen Gemeinden gehört, war die Entscheidung heute für ICF gefallen. Die Muttergemeinde in der Schweiz bot ein Streaming über Facebook an. Ein Countdown zählte das akademische Viertel herunter. Währenddessen unterhielten sich zwei Schweizer über die Herausforderungen des Alltags während Corona. Wir verstanden kaum ein Wort und mussten uns den Zusammenhang aus den reichlich genutzten Anglizismen zusammenreimen. Denglisch ist gar nichts gegen Schwenglisch. Um die Absprungrate zu minimieren, wurde unentwegt der Hinweis eingeblendet, dass Viertel nach elf eine Predigt auf Hochdeutsch folge. Tatsächlich konnten dann auch die beiden Vorprogramm-Protagonisten auf unsere Hörgewohnheiten umschalten.

Leo Bigger, Gründer und Pastor des europaweiten ICF-Netzwerkes, redete über Corona. Allerdings mit dem Fokus, dass Gott viel größer ist. Anhand der zehn Plagen von Ägypten zeigte er auf, dass Gott mit Pandemien und Naturkatastrophen eine Botschaft vermitteln möchte. Nämlich die, dass ER alles im Griff hat und Menschen sucht, die IHN suchen. Die Predigt war klar und führte im Finale hin auf das Blut von Jesus und dessen Bedeutung für uns.

Der Lobpreis von ICF Schweiz war auch sehr mitreißend und wurde mit den bekannt professionellen Elementen wie Lichttechnik und Hintergrundvideos untermalt. Die wenigsten Lieder kannte ich. Ganz anders die Kinder, die bei SOLA und MOVE auf diese Titel getrimmt worden waren.

Nach dem Gottesdienst verteilte sich die Familie in der Wohnung. Zu Mittag gab es passend zur Predigt aus den Mosebüchern ein Linsengericht. Es wollte aber niemand sein Erstgeburtsrecht verkaufen. Dennoch wurden alle satt. Sättigung ist ein wichtiges Gefühl während der vielen Tage zu Hause. Kann es uns doch am Kühlschrank bei der Beantwortung folgender Frage helfen: Ist das jetzt Hunger oder Langeweile?

Sonntag, 1. März 2020

Hillsong Berlin im Westhafen

Als regelmäßige Hörer von Hillsong-Playlists wollten wir nach drei Jahren mal wieder einen Hillsong-Gottesdienst besuchen. Hillsong Berlin trifft sich seit heute in einer coolen Eventlocation am Westhafen.



Bei Hillsong Berlin gibt es wohl nur zwei Konstanten: das Pastorenehepaar Wilkinson und die permanente Veränderung. Hillsong Berlin hat seit 2015 mindestens vier neue Veranstaltungsorte gesehen: Alexanderplatz, Kulturbrauerei, ein Hotel an der Friedrichstraße und nun die Halle 1 im Sektor B des Westhafens. Der Name der Gemeinde wurde ebenfalls geändert - von Berlin Connect in Hillsong Berlin. Das ist als Aufwertung zu verstehen. Berlin Connect war zunächst nur ein Teil der Hillsong Family, aber noch keine echte Hillsong-Gemeinde. Wer den Namen Hillsong tragen darf, zeigt damit, dass auch Hillsong drin ist.

Beim heutigen ersten Gottesdienst im Westhafen wurde noch etwas geübt mit der Technik. Licht und Ton mussten noch auf die neuen Räume abgestimmt werden. Eine typische Lagerhalle, wie man sie auf innerstädtischen Häfen kennt und wie sie als Magnet für die Start-up-Szene fungiert. Entsprechend jung war das Publikum. Das Durchschnittsalter muss so zwischen 20 und 30 gelegen haben. Für unseren Sohn zu alt und für uns zu jung. Meine Frau entfernte ihre Hörgeräte.

Die Willkommenskultur war auch heute beispielhaft. So kannten wir das noch aus Berlin-Connect-Zeiten. Flyer, Kaffeestände, Kekse, Garderobe, Hinweisschilder und Einweiser. Alles sehr professionell organisiert. Professionell auch die Kollekte, die mit einer längeren Ansprache und einem Acht-Punkte-Programm eingeleitet wurde. Das ist in charismatischen Gemeinden nicht unüblich. Musik und Multimedia an der Großleinwand liefen ebenfalls sehr professionell. Wie in modernen Gemeinden üblich, wurde auch hier nur Englisch gesprochen.

Ich wunderte mich nur, dass ich die vielen alten Bekannten - Alter über 30 - nicht sah. Hatten sie doch früher von morgens bis abends aktiv das Geschehen begleitet und waren auch unter der Woche bei den vielen Veranstaltungen zu sehen. Die Gemeinde schien sich komplett verjüngt zu haben. Das merkte man dann auch während der Predigt von Mark Wilkinson. Vor drei Jahren hatte das Publikum noch proaktiv "Amen" oder "Ja" gesagt, zustimmend aufgestöhnt oder zum Glaubenskampf entschlossen die Faust nach oben gestreckt. In diesem ersten Gottesdienst im Westhafen musste Mark Wilkinson mehrfach fragen: "Bekomme ich ein Amen?" Die Predigt war leichte Kost und sehr jugendgerecht. Es wurden auch einige Leute aus der ersten Sitzreihe in die Darstellung einer Szene aus der Apostelgeschichte einbezogen.

Nach etwa zwei Stunden war der Gottesdienst zu Ende. Die jungen Leute fluteten ins Foyer, drängten sich um die Garderobe und den Kaffeestand, lasen sich die Flyer zu den nächsten Veranstaltungen durch oder nahmen im Untergeschoss das Abendmahl ein. Zwei weitere Gottesdienste sollten noch folgen. Die aktuellen Gottesdienstzeiten sind 11:15 Uhr, 13:30 Uhr und 16:00 Uhr.

Die neue Location ist hervorragend an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Vom U-Bahnhof Westhafen sind es nur noch wenige Meter bis zur Halle 1. Wir mussten deutlich weiter laufen, da wir mit Auto gekommen waren. Vom Parkplatz aus konnten wir schon den Hauptbahnhof sehen.

Sonntag, 19. Januar 2020

Martin Luther in Steglitz

Steglitz - der Bible Belt von Berlin. Heute besuchten wir den Gottesdienst der Martin-Luther-Kirche in der Nähe des Botanischen Gartens.



Das Navi führte uns einen interessanten Weg. Wegen der Libyen-Konferenz war die Innenstadt gesperrt. Die Innenstadt ist das Nadelöhr, wenn man nach Steglitz fahren möchte. Meine Frau nutzte die Zeit, um das Bonusprogramm ihrer Hebräisch-App zu absolvieren: "Ani koneh Tick schechor" (Ich kaufe eine schwarze Tasche.), "Atta jodea lizlol?" (Kannst du tauchen?) - Wir kamen über die sprachlichen Unterschiede von Können und Befähigung ins Gespräch. Nach einer halben Stunde waren wir in Steglitz und bogen in ein blumiges Wohngebiet ein: Hyazinthenstraße, Tulpenstraße, Hortensienstraße.

Martin Luther war eingerüstet. Am Gerüst ein großes Schild der Lotto-Stiftung. "Aha, Oma finanziert den Bau der Kirche", bemerkte mein Sohn. Eine ältere Dame verschwand unter den Gerüsten. Wir folgten ihr und gelangten in einen hellen Vorraum. Dort wurden wir bereits vom Pfarrer begrüßt: schwarzer Talar und sehr freundlich. Ein anderes freundliches Gemeindemitglied drückte uns ausreichend Gesangsbücher in die Hand. Die Kirchenbänke waren mit Kissen belegt, so dass auch längere Gottesdienste möglich waren. Die Kirche war gut temperiert.

Bemerkenswert war die natürliche Freundlichkeit, die sämtliche Gottesdienstbesucher ausstrahlten. Man fühlte sich sofort willkommen. Es gab einige Familien und ältere Besucher, jedoch kaum Jugendliche. Die Kinder durften nach einem kurzen gemeinsamen Beginn in ihr eigenes Programm gehen. Die Anfangsliturgie nahm einige Zeit in Anspruch.

Dann folgte die Predigt. Dazu hatte sich der Pfarrer an eine Kanzel gestellt und seine Kollegin an die andere Kanzel. Beide zeigten uns, wie eine Dialogpredigt funktioniert. Das war recht interessant, weil sie sich einerseits die inhaltlichen Bälle zuwarfen und andererseits die Fragen und Bedenken des anderen auflösten. der Predigttext stand in Jeremia und war durch die Losungen vorgegeben worden. Während die Pfarrerin zunächst überlegt hatte, einen anderen Text zu nehmen, ging ihr Kollege darauf ein, dass Gott in all den herausfordernden Umständen immer noch alles im Griff habe.

Zum Abschluss des Gottesdienstes gab es noch ein gemeinsames Abendmahl, den Segen und ein Postludium von der Orgel. Meine Frau bemerkte, dass die Orgel endlich mal flott gespielt worden sei. So habe man die Lieder gut mitsingen können.

Die oben schon erwähnte Willkommenskultur setzte sich im Vorraum weiter fort. Kaffee und Kuchen wurden uns auf eine charmante Weise regelrecht aufgedrängt. Einige Gemeindemitglieder sprachen uns an und wollten wissen, ob mein Sohn Konfirmand ist. Unsere eigene Besuchergruppe war inzwischen auf sieben Personen angewachsen: Freunde aus Saddleback, Arbeitskollegen und wir. Die Kollegen wohnen in Steglitz und sehen im kurzen Fußweg einen erheblichen Mehrwert. Der Gottesdienstbeginn um 11 ist ebenfalls gut auf jüngere Besucher abgestimmt. Ganz abgesehen von dem angenehmen Klima in der Martin-Luther-Kirche.

Sonntag, 12. Januar 2020

Gemeinde auf dem Weg in Berlin-Tegel

Einen Sonntagsgottesdienst hatten wir bei der Gemeinde auf dem Weg in Tegel bisher noch nicht besucht. Deshalb waren wir gespannt, was uns erwartet. Diesmal waren meine Frau und mein Sohn dabei.



Die Gemeinde auf dem Weg liegt so gar nicht auf dem Weg. Dennoch haben wir uns auf den Weg gemacht, einen Gottesdienst der Gemeinde auf dem Weg zu besuchen. Zweimal 25 Kilometer quer durch die Stadt haben wir dabei zurückgelegt. Über den Berliner Ring hätten wir auch fahren können. Zeitlich wäre das wohl identisch gewesen. Allerdings hätten wir doppelt so viele Kilometer ins Fahrtenbuch eintragen müssen.

Zehn vor zehn rollten wir auf den Parkplatz. Wir wurden eingewiesen. Bemerkenswert viele Besucher strömten in den großen Flachbau. Die vielen Leute verteilten sich im Haus. Einige gaben im Untergeschoss ihre Kinder ab. Andere gingen direkt in den großen Saal. Der große Saal ist wirklich sehr groß. Er schluckte so viele Gäste, dass er letztlich nur zur Hälfte gefüllt war - wenn überhaupt. Man hatte in der Gemeinde auf dem Weg sicher schon bessere Zeiten erlebt.

Über eine riesige Leinwand flimmerte ein Countdown, der eine sportliche Anfangszeit vorgab. Kein Vergleich zum entspannten Gottesdienstbeginn in den Hipster-Gemeinden von Mitte und Prenzlauer Berg. Dafür waren wir hier in einer etablierten Gemeinde und - in Tegel. Die Altersstruktur war gut durchmischt und es gab sogar jede Menge Jugendliche.

Die erste Stunde war von Lobpreis und Ansagen geprägt. Gegen elf begann die Predigt. Diese dauerte nur 25 Minuten. Die finale Aussage war, dass die Herrlichkeit von Jesus in uns ist und lediglich aktiviert werden müsse. Zur Aktivierung konnte man nach vorne gehen und für sich beten lassen. Um das Aktivierungsgebet für die Entfaltung der Herrlichkeit Jesu zu untermalen, wurde der Keyboarder gebeten, salbungsvolle Klänge anzustimmen.

Die Kollekte wurde übrigens auch an der Bühne eingesammelt. Nach zwei Stunden war der Gottesdienst zu Ende. Kinder wurden aus dem Untergeschoss abgeholt und der Cafébereich füllte sich. Wir begaben uns zügig auf den Parkplatz und fuhren durch die City zurück. Dabei kamen wir an diversen Gemeinden vorbei, die zwar nicht auf dem Weg waren, dafür aber auf dem Weg lagen.

Freitag, 20. Dezember 2019

Jüdische Militärseelsorge in der Bundeswehr

Annegret Kramp-Karrenbauer unterzeichnet beim Gemeindetag 2019 einen Militärseelsorge-Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland.



Auf dem WC standen Eimer mit zwei Henkeln. Auf den Tischen lagen kleine Kreisel mit hebräischen Schriftzeichen. Auf den Servietten stand "100% koscher". Für drei Tage hat der Zentralrat der Juden in Deutschland das Hotel InterContinental gebucht und führte seinen Gemeindetag 2019 durch. Das Programm war vielfältig und ein Blick in die zahlreichen Broschüren verriet, dass auch das Judentum in zwei Bereiche gespalten ist - in orthodox und liberal.

Neben Bundespräsident Steinmeier trat auch Grünenchef Habeck auf. Mein Fokus lag jedoch auf der Unterzeichnung des Militärseelsorge-Staatsvertrages durch Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer. Im Foyer traf ich Sigurd Rink, den Evangelischen Militärbischof. Er sprach von 300 jüdischen Gläubigen in der Bundeswehr und freute sich über diesen historischen Moment.

Pause seit dem Ersten Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg hatte eine sechsstellige Anzahl jüdischer Soldaten an der Seite ihrer deutschen Kameraden gekämpft. Die Motivationsrede des Kaisers zum Einstieg in den Krieg hatte alle Bevölkerungsschichten, Parteien und Ethnien in Gleichheit vereint. Viele aus Russland geflohene Juden hofften auf ein Ende ihrer Diskriminierung und setzen umso mehr ihr Leben und die Gesundheit für das neue "Vaterland" ein. Sie entwickelten innerhalb der Truppe ein aktives jüdisches Leben mit Synagogen, Militärrabbinern und jüdischen Festen. Die Euphorie fand Anfang 1917 mit der sogenannten Judenzählung ihr jähes Ende. Frustriert mussten die Soldaten feststellen, dass sie doch nicht für kompatibel gehalten wurden.

Dann gab es eine etwa 100-jährige Unterbrechung der jüdischen Militärseelsorge. Während evangelische und katholische Seelsorge bereits mit Gründung der Bundeswehr vor über 60 Jahren etabliert wurden, schien es für andere Religionen keinen Bedarf zu geben. In der Zwischenzeit sind die steuerlich nachweisbaren Christen in der Bundeswehr auf die Hälfte abgeschmolzen. Die andere Hälfte wurde durch 3.000 Moslems, 300 Juden, Neuapostolen, Atheisten und Anhänger nordischer Religionen aufgefüllt.

Charme der Militärseelsorge

300 Juden in der Bundeswehr sind schon sehr wenige. Deshalb ist dieser Staatsvertrag eher symbolisch zu betrachten. In der Praxis werden zehn speziell ausgebildete Militärrabbiner durch Deutschland sowie in die Einsatzgebiete reisen und dort ihre jüdischen Gläubigen betreuen. Erklärtermaßen stehen sie aber auch den Christen und anderen Soldaten zur Verfügung. Immerhin hat Militärseelsorge - in Deutschland zumindest - den besonderen Charme der Schweigepflicht. Militärgeistliche laufen bei der Bundeswehr außerhalb der Dienstränge und sind ihrer geistlichen Organisation verpflichtet und nicht dem Militär. Militärpsychologen müssen Berichte anfertigen, die möglicherweise Konsequenzen für den beruflichen Werdegang des jeweiligen Soldaten haben. Die Militärseelsorge kann das etwas geschmeidiger gestalten und wird deshalb auch gerne von Soldaten mit anderen Glaubensansichten konsultiert.

In diesem Zusammenhang wird oft auch nach islamischer Militärseelsorge gefragt. Seelsorge ist im Islam nicht vorgesehen, da dort vieles dem Zufall überlassen wird. Zudem fehlt es auf islamischer Seite an allgemein anerkannten Ansprechpartnern und entsprechenden Studiengängen.

Anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrages ist auch ein interessantes Buch zum Thema "Militärrabbiner in der Bundeswehr" erschienen. Es stellt ein gutes Ergänzungswerk zu "Können Kriege gerecht sein" von Sigurd Rink dar.