Freitag, 20. Dezember 2019

Jüdische Militärseelsorge in der Bundeswehr

Annegret Kramp-Karrenbauer unterzeichnet beim Gemeindetag 2019 einen Militärseelsorge-Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland.



Auf dem WC standen Eimer mit zwei Henkeln. Auf den Tischen lagen kleine Kreisel mit hebräischen Schriftzeichen. Auf den Servietten stand "100% koscher". Für drei Tage hat der Zentralrat der Juden in Deutschland das Hotel InterContinental gebucht und führte seinen Gemeindetag 2019 durch. Das Programm war vielfältig und ein Blick in die zahlreichen Broschüren verriet, dass auch das Judentum in zwei Bereiche gespalten ist - in orthodox und liberal.

Neben Bundespräsident Steinmeier trat auch Grünenchef Habeck auf. Mein Fokus lag jedoch auf der Unterzeichnung des Militärseelsorge-Staatsvertrages durch Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer. Im Foyer traf ich Sigurd Rink, den Evangelischen Militärbischof. Er sprach von 300 jüdischen Gläubigen in der Bundeswehr und freute sich über diesen historischen Moment.

Pause seit dem Ersten Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg hatte eine sechsstellige Anzahl jüdischer Soldaten an der Seite ihrer deutschen Kameraden gekämpft. Die Motivationsrede des Kaisers zum Einstieg in den Krieg hatte alle Bevölkerungsschichten, Parteien und Ethnien in Gleichheit vereint. Viele aus Russland geflohene Juden hofften auf ein Ende ihrer Diskriminierung und setzen umso mehr ihr Leben und die Gesundheit für das neue "Vaterland" ein. Sie entwickelten innerhalb der Truppe ein aktives jüdisches Leben mit Synagogen, Militärrabbinern und jüdischen Festen. Die Euphorie fand Anfang 1917 mit der sogenannten Judenzählung ihr jähes Ende. Frustriert mussten die Soldaten feststellen, dass sie doch nicht für kompatibel gehalten wurden.

Dann gab es eine etwa 100-jährige Unterbrechung der jüdischen Militärseelsorge. Während evangelische und katholische Seelsorge bereits mit Gründung der Bundeswehr vor über 60 Jahren etabliert wurden, schien es für andere Religionen keinen Bedarf zu geben. In der Zwischenzeit sind die steuerlich nachweisbaren Christen in der Bundeswehr auf die Hälfte abgeschmolzen. Die andere Hälfte wurde durch 3.000 Moslems, 300 Juden, Neuapostolen, Atheisten und Anhänger nordischer Religionen aufgefüllt.

Charme der Militärseelsorge

300 Juden in der Bundeswehr sind schon sehr wenige. Deshalb ist dieser Staatsvertrag eher symbolisch zu betrachten. In der Praxis werden zehn speziell ausgebildete Militärrabbiner durch Deutschland sowie in die Einsatzgebiete reisen und dort ihre jüdischen Gläubigen betreuen. Erklärtermaßen stehen sie aber auch den Christen und anderen Soldaten zur Verfügung. Immerhin hat Militärseelsorge - in Deutschland zumindest - den besonderen Charme der Schweigepflicht. Militärgeistliche laufen bei der Bundeswehr außerhalb der Dienstränge und sind ihrer geistlichen Organisation verpflichtet und nicht dem Militär. Militärpsychologen müssen Berichte anfertigen, die möglicherweise Konsequenzen für den beruflichen Werdegang des jeweiligen Soldaten haben. Die Militärseelsorge kann das etwas geschmeidiger gestalten und wird deshalb auch gerne von Soldaten mit anderen Glaubensansichten konsultiert.

In diesem Zusammenhang wird oft auch nach islamischer Militärseelsorge gefragt. Seelsorge ist im Islam nicht vorgesehen, da dort vieles dem Zufall überlassen wird. Zudem fehlt es auf islamischer Seite an allgemein anerkannten Ansprechpartnern und entsprechenden Studiengängen.

Anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrages ist auch ein interessantes Buch zum Thema "Militärrabbiner in der Bundeswehr" erschienen. Es stellt ein gutes Ergänzungswerk zu "Können Kriege gerecht sein" von Sigurd Rink dar.