Das Seminar "Versöhnt leben - Beziehungen klären" ist ein Grundlagenseminar von Team.F, auf dem sich weitere Schulungen und die Möglichkeit aufbauen, selbst Team.F-Berater zu werden. Wir sind der Empfehlung eines Bekannten aus Berlin gefolgt und erlebten fünf spannende und heilsame Tage in Brotterode, Thüringen.
Das Timing war perfekt: Meine Mutter wollte an diesem Wochenende zu einem Klassentreffen nach Zeitz fahren. 60 Jahre Abitur. Zeitz lag ohnehin auf unserem Weg nach Brotterode in Thüringen. So motivierten wir sie, zwei Tage früher nach Zeitz zu fahren. Wir würden ihr dann bei den Verhandlungen mit dem Friedhof bezüglich der Gräber meiner Großeltern helfen. Auf unserem Rückweg wollten wir sie dort wieder abholen.
Sonnenschein, Wärme und ein vielfach saniertes Zeitz begrüßten uns am Mittwochnachmittag. Das Hotelzimmer meiner Mutter war hell und sauber. Alles hatte geklappt, auch die Formalitäten zur Einebnung der Gräber meiner Großeltern nach mehr als 30 Jahren. Zusammen mit meiner Mutter waren wir die alten Wege auf dem Friedhof abgelaufen. Damals war mir das viel weiter vorgekommen. Sonnenschein, Vogelgezwitscher. Meine Mutter freute sich auf die kommenden Tage mit ihrer Freundin und den alten Klassenkameraden. Ende 70. Wir fuhren weiter nach Thüringen.
Team.F: Versöhnt leben - Beziehungen klären
In Brotterode - kurz hinter Erfurt - wollten wir an einem Seminar teilnehmen: "Versöhnt leben - Bezieghungen klären". Team.F kennen wir schon seit vielen Jahren und wissen: Wenn Team.F, dann mit dem Team aus Thüringen in Brotterode. Das "Haus am Seimberg" ist funktional, gut gepflegt und hat eine geniale Lage am Berg mit weiter Aussicht. Das Essen ist schon seit vielen Jahren so lecker und abwechslungsreich, dass ich auch diesmal mehr als zwei Kilo zugenommen habe.
Das Thema des Seminars klang zunächst etwas anstrengend, da mir einige Personen vor Augen standen, mit denen bisher nichts geklärt werden konnte. Auf deren Wiedersehen ich auch keinen gesteigerten Wert legte. Es wurde jedoch sehr schnell klar, dass es hier nicht um eine verkrampfte Unterwerfung unter alte Verletzungen und deren Verursacher geht, sondern um eine kurzzeitige Konfrontation mit alten Begebenheiten mit dem Ziel, endlich Heilung zu erfahren. Es ging darum, selbst Lasten abzulegen, Schuld zu bekennen und Vergebung zu empfangen. Wenn es relevant war, konnte auch Vergebung ausgesprochen werden für lebende und bereits verblichene Täter. Vielfach resultieren aktuelle Verhaltensmuster aus verletzenden Erfahrungen mit den Eltern: Grenzüberschreitung, Liebesentzug, Ferne, Missbrauch, religiöser Druck oder Scheidung.
Vorträge und Kleingruppen
Immer wieder traten Seminarleiter auf, die von ihren Erfahrungen mit dem VL-Seminar (VL = Versöhnt leben) berichteten. Das klang schon fast zu gut, als dass ich es einfach so hätte hinnehmen können. Deshalb näherte ich mich der Sache mit einer gewissen Skepsis, war aber generell offen für Gottes Wirken. Nach einigen Vorträgen über Bitterkeit, Vater und Mutter ehren, steinerne Herzen, innere Festlegungen und Schwüre sowie Vergebung, Buße und Wiedergutmachung gingen wir in Kleingruppen. Die Kleingruppen bestanden aus maximal sieben Personen und hatten einen bemerkenswerten Betreuerschlüssel.
In unserer Gruppe gab es vier Teilnehmer und drei Seelsorger. Zunächst stellten sich die Seelsorger vor und berichteten von ihren Erfahrungen mit VL. Sie machten klar, dass auch sie noch auf dem Weg seien, aber nach und nach eine positive innere Umgestaltung erleben. Wir sollten uns einen Schwerpunkt aus unseren Seelsorge-Themen heraussuchen und als erste Übung einen Frust-Psalm an die Personen schreiben, die uns besonders verletzt hatten. Das Ergebnis war sehr bewegend und eine geeignetes Basis zum Weiterarbeiten. Aufmerksam hörte die Kleingruppe zu, als wir nacheinander unsere Themen ausbreiteten. Die Seelsorger stellten Fragen. Es flossen Tränen. Es gab Umarmungen. Mitgebrachte Utensilien dienten als Hilfsmittel, um Lasten spürbar und hörbar fallen zu lassen. Durch Vergebung wurden Fesseln gelöst und alte Bindungen getrennt.
Tränen und Hausaufgaben
"Das klingt aber abgeklärt", meinte eine Frau aus der Kleingruppe, als ich meine Schlüsse aus dem Seminar darlegte. Sie hatte Recht. Dennoch war das Seminar nicht ohne Tränen an mir vorbeigegangen. Als sich Menschen im selben Raum für Vergebung entschieden, Lasten sichtbar abwarfen und auch die gesamte Körpersprache für eine nachhaltig erfolgte Befreiung sprach, musste auch ich zur Tücherbox greifen, weil die Tränen plötzlich freien Lauf hatten.
Bei einem der Vorträge in der großen Runde stellten sich die Mitarbeiter ans Mikrofon und sprachen stellvertretend für unsere Eltern Bitten um Entschuldigung aus. Das hörte gar nicht mehr auf. Ich dachte an meine Kinder und Situationen, in denen ich ihnen gegenüber verantwortungslos gehandelt oder sie durch Blicke, Worte und Gesten verletzt hatte. Wieder kam die Tücherbox zum Einsatz. Direkt am Kreuz, das neben der Bühne stand, sprach ich die ganzen Situationen aus und bekam dort Vergebung zugesprochen. Das noch mit meinen Kindern zu klären, habe ich als Hausaufgabe mitgenommen.
Alte Bekannte und meine Mutter
Wir trafen in Brotterode auch alte Bekannte, mit denen ich vor über 30 Jahren mal auf Freizeiten zusammengetroffen war. Auch lernten wir viele neue Leute aus dem gesamten Bundesgebiet kennen. Viele hatten katholische Wurzeln, etliche hatten geistlichen Missbrauch erlebt und freuten sich, dass mein Buch am Büchertisch angeboten wurde. Besonders erfreut war ich aber über die vielen kompetenten Mitarbeiter, die uns Teilnehmern mit Rat, Umarmung und Seelsorge zur Seite standen.
Auf der Rücktour sammelten wir meine Mutter in Zeitz ein. Sie sah sehr erholt aus, hatte eine gesunde Bräune im Gesicht und berichtete begeistert von ihren dortigen Begegnungen. Sie habe noch ein Blümchen auf dem Friedhof hingestellt und Abschied von ihren Eltern genommen. Als wir das Ortsausgangsschild passierten, sagte sie, dass sie Zeitz nun endlich habe abschließen können und diese Stadt wohl auch nicht mehr betreten werde. Sie hat ihren Frieden darüber gefunden. Sie war zwar nicht beim VL-Seminar in Brotterode, dennoch sah man ihr die Gesundung an.