Donnerstag, 16. März 2017

Gebet mittwochs 12:45 Uhr

Seitdem ich ein WhatsApp-fähiges Smartphone habe, hat sich der eigentliche Zweck des Telefonierens auf ein Minimum reduziert. Dafür nutze ich andere Features wie die Erinnerung an gemeinsame Gebetszeiten per Handywecker.



Die Internetmission Berlin stellt einige Herausforderungen an die Wecker-Konfiguration. Es beginnt damit, dass das gemeinsame Gebet per Telefonkonferenz vierzehntägig stattfindet. Mittwochs. Mittwoch kann ich einstellen, 12:45 Uhr kann ich einstellen, aber nicht vierzehntägig. Meine Frau machte schon den Vorschlag, den Kalender mit allen vierzehntägigen Gebetsterminen zu befüllen und mit einem Alarm zu verbinden. Das war mir zu aufwendig, so dass ich kurzerhand den Wecker auf jeden Mittwoch 12:45 Uhr eingestellt habe.

Zwölf Uhr mittags ...

Mittwoch 12:45 Uhr ist so eine Zeit, die mitten in der Woche und damit auch mitten im Tagesgeschäft liegt. Es soll Arbeitnehmer geben, deren feste Mittagspausen genau diese Zeit überspannen. Ich gehöre nicht dazu. Deshalb ereilt mich der Weckruf gelegentlich in Situationen der freien Wildbahn, die gar nicht so auf konzertiertes Gebet ausgelegt sind.

Letzte Woche beispielsweise auf der Rückfahrt von einem Auswärtstermin. Erst kurz vor der Siegessäule vernahm ich den seichten Klang des Weckers, der fast eine Stunde von der lauten Musik im Auto übertönt worden war. Im Kreisverkehr und bei der Zufahrt auf das Brandenburger Tor konnte ich dann verkehrsbedingt einige Gebetsfragmente abgeben. Da mich die hartnäckige Erinnerungsfunktion des Handyweckers im Zusammenspiel mit dem Klangteppich im Fahrzeug beschäftigte, ergab es sich fast automatisch, dass ich immer wieder das Gebet aufgriff.

Gestern meldete sich der Wecker, als Ursula von der Leyen zusammen mit ihren Amtskollegen aus Österreich und der Schweiz zwei Kränze niedergelegt hatte und gerade das Ehrenmal der Bundeswehr verlassen wollte. Kurzes Gebet, Hektik, Wecker aus, Fassung bewahren, Gebet und Begleitung der Ministerin zum Hauptgebäude, Gebet, Abfahrt, Ampel, Gebet.

Konzertiertes Gebet

Gelegentlich passt es sogar, dass ich beim Erschallen des Weckers im Büro sitze, der vierzehntägige Mittwoch auf dem Kalender steht und ich tatsächlich zum Telefon greifen und mich in den Konferenzraum einwählen kann. Gebet ab zwei Personen hat noch einmal eine ganz andere Dimension - siehe Matthäus 18, 19-20.

In diesem Sinne können die Zeiten auch nach Bibelstellen festgelegt werden. Ein Hauskreis könnte beispielsweise den Wecker auf Mittwoch 18:19 Uhr stellen. Mittwoch enthält die Buchstaben M und T wie Mt und 18:19 Uhr erinnert an Kapitel 18 Vers 19. Einige Pastoren haben ihren Weckruf auf 10:02 Uhr eingestellt. Das bezieht sich auf Lukas 10 Vers 2 und regt das Gebet für Mitarbeiter an. Während der Originalkontext das überregionale Reich Gottes im Blick hatte, geht es bei heutigen Pastoralgebeten wohl eher um Helfer für die Ortsgemeinde. Wem die Transformation durch Beziehungsaufbau mit Jesus am Herzen liegt, könnte den Wecker auf 19:10 Uhr stellen und damit in Bezug zu Lukas 19,10 treten.

Frühgebet

Ganz harte Beter könnten den Wecker sogar auf 3:16 Uhr stellen und sich mitten in der Nacht an das nächtliche Treffen von Jesus mit Nikodemus erinnern, wo der vielzitierte Satz Johannes 3 Vers 16 "So sehr hat Gott die Welt geliebt..." fällt.

Apropos Nacht: aus eigener Erfahrung mit mehrmonatigem Frühgebet weiß ich, dass im Halbschlaf eine sehr gute Kommunikation mit Gott möglich ist. Im morgendlichen Delirium hört man viel besser, was Gott zu sagen hat, da die eigenen Gebetsmonologe noch nicht so flüssig über die Lippen gehen.

Dienstag, 14. März 2017

Aus Neid überantwortet - Matthäus 27, 18

Neid ist ein Thema, das uns in der Bibel regelmäßig begegnet und letztlich zur Auslieferung von Jesus an Pilatus führte. Neid ist ein urmenschliches Verhaltensmuster, das leider auch nicht vor den Türen christlicher Gemeinden Halt macht.



Bereits der erste Mord der Bibel war durch Neid motiviert (Gen 4, 5-7). Weiter geht es mit den Palästinensern, die dem ertragreichen Isaak aus Neid sämtliche Brunnen zuschütteten (Gen 26, 12-33). Übrigens der Start des bis heute andauernden Konfliktes in dieser Region. Es folgte Laban, der den Erfolg seines Schwiegersohnes Jakob nicht ertragen konnte (Gen 30, 25 bis Gen 31). Josef wurde von seinen Brüdern beneidet und als Sklave nach Ägypten verkauft (Gen 37).

Der erste König Israels, Saul, beneidete David für seine militärischen Erfolge und verfolgte ihn über viele Kapitel des ersten Samuel-Buches. Daniel wurde von Hofbeamten beneidet und mit juristischen Tricks in Lebensgefahr gebracht.

Aus Neid überantwortet

In Matthäus 27, 18 und Markus 15, 10 lesen wir, dass Pilatus wusste, dass ihm Jesus aus Neid durch die jüdische Klerikal-Elite überantwortet wurde. Der damit verbundene Hass ging so weit, dass sich die Volksmenge in Matthäus 27, 25 zum Ausruf hinreißen ließ: "Sein Blut komme über uns und unsere Kinder", nachdem sich Pilatus zuvor demonstrativ die Hände gewaschen hatte.

Anhand der oben genannten Beispiele wird deutlich, dass Neid keineswegs rein materiell gepolt ist. Die Palästinenser und der Syrer Laban waren so ziemlich die einzigen, die selbst gerne diesen materiellen Erfolg gehabt hätten. Bei Saul, Kain oder den Herrschaften um den Hohen Priester Kajaphas ging es um Macht, Einfluss und Anerkennung.

Wahre Freunde

Als wir vor elf Jahren mit dem ersten BMW 7er vor die Gemeinde rollten, gratulierte mir der damalige Pastor zum beruflichen Erfolg. Da unsere Kleinkinder bei Mahlzeiten gerne den Tisch in Schwingung brachten, hatten wir uns angewöhnt, Tassen immer nur halb zu befüllen. Angesichts des Autos, Hochzeitstag in New York und halb gefüllter Kaffeetassen verabschiedeten sich die ersten Bekannten, rechneten unsere vermeintlichen Vermögenswerte aus und beschwerten sich bei der gemeinsamen Babysitterin über die geizige Familie, mit der sie nichts mehr zu tun haben wollten.

Auch in der Gemeinde tauchten Worte wie "Bonze" und "Angeber" auf. Der nächste Pastor stammte aus der westdeutschen Provinz und wollte unbedingt wissen, ob ich denn früher auch Trabi gefahren sei. Nein, nur Golf und ähnliches von meinen Freunden aus Westberlin. Entsprechend irritiert war er bei der Anschaffung des nächsten Siebeners mit V8-Maschine.

Facetten des Neides

Er wurde von einem Mann abgelöst, der sich über einen asketischen Lebensstil definierte und wenig Wert auf die Äußerlichkeiten seiner Bezugspersonen legte. Der Zehnte, die Finanzierung von Räumlichkeiten und sonstige Bezuschussungen wurden gerne angenommen. Allerdings konnte er es kaum ertragen, wenn jemand regelmäßig von seinen Erlebnissen mit Jesus erzählte oder Bibelstellen zitierte, die in den vorangegangenen Tagen für Begeisterung gesorgt hatten. Eine nachhaltige Streichung vom Predigtplan war Bestandteil der Gegenmaßnahmen.

Dabei erzählte ich fast nur von Alltagsbegebenheiten, die meine Beziehung zu Jesus tangierten. Über Episoden wie die laut im Schritt aufgerissene Hose bei einem Pressetermin im Schloss Bellevue, terminologisches Fachsimpeln mit Florian Langenscheidt zum gleichnamigen Wörterbuch, Süppchen mit der Kanzlerin, Parken vor der Britischen Botschaft oder Durchwandern der Katakomben des Bundestages sprach ich, wenn überhaupt, nur noch im engsten Familienkreis oder bei geschäftlichen Anlässen.

Die zwei Kilometer zur Gemeinde absolvierte ich fast nur noch zu Fuß und staunte über die dringend notwendige Gewichtsreduzierung. Mit der dunklen Limousine fuhr ich selten vor, freute mich dann aber umso mehr, wenn sie im beruflichen Umfeld den entsprechenden Zweck erfüllte.

Warum keine Ente?

Ein bekannter Unternehmer aus der christlichen Szene Berlins musste sich bei verschiedenen Anlässen für seine S-Klasse rechtfertigen. Studenten fragten ihn in einem Seminar, warum er nicht "Ente" (Citroen 2CV) fahre. Ich hörte aufmerksam zu und fand seine Antwort plausibel. Was im Gemeindeumfeld beneidet wird, dient im beruflichen Kontext als Arbeitsmittel und Ausdruck von Kompetenz. Ähnlich verhält es sich mit Kleidung. Es ist immer wieder festzustellen, dass Kleidung teilweise ungefragt Türen öffnet, die beispielsweise mit einer anderen Jacke verschlossen geblieben wären.

Vor einigen Jahren besuchten wir eine Gemeinde im hohen Norden Deutschlands. Der Gemeindesaal hatte eine große Fensterfläche, so dass wir kurz nach Beginn des Gottesdienstes das Eintreffen eines BMW der X-Serie beobachten konnten. Ihm entstieg eine Familie, die auch ohne dieses Fahrzeug wie eine Unternehmerfamilie gewirkt hätte. Sie schlichen in den Saal und der Gottesdienst nahm seinen Lauf. Anschließend war es genau dieser Familienvater, der freundlich auf uns zukam. Auch er hatte relativ einsam, fast wie ein Fremdkörper, im Gewühl der Besucher gestanden.

Matthäus und Zachäus in der Gemeinde

Wie wird es wohl den Zollbeamten Matthäus (Mt 9, 9-13) oder Zachäus (Lk 19, 1-10) in der Folge ergangen sein? Sie fügten sich nach ihrer Entscheidung für Jesus in eine sehr heterogene Gruppe von Christen ein, mit denen sie und diese mit ihnen klar kommen mussten. Es war an ihnen, mit den anvertrauten Mitteln das Reich Gottes zu bauen. Sie hatten die materiellen Möglichkeiten und das Wissen, damit effizient umzugehen. Andere hatten ergänzende Fähigkeiten.

Es ist erstaunlich, wie viele Beispiele Jesus aus dem Berufsleben aufgreift. Investition und Effizienz spielen dabei eine besondere Rolle.

So stolpert man gelegentlich über Verse wie Lukas 19, 25. Nachdem im Textzusammenhang mehrere Mitarbeiter mit dem anvertrauten Geld gewirtschaftet und unterschiedlich hohe Renditen erzielt hatten, ging es um die Handhabung des einen Mitarbeiters, der das anvertraute Geld einfach nur versteckt hatte. Dieses Geld sollte dem Mann gegeben werden, der das Budget verzehnfacht hatte. "Er hat doch schon zehn", war die Reaktion der Kollegen. Das zeigt jedoch ihre eingeschränkte Sicht auf das materielle Potenzial. Die Fähigkeiten des Kollegen spielten in der Betrachtung keine Rolle. Neid? Es fehlte der Blick für die unternehmerischen Gesamtzusammenhänge. Der Chef jedoch wusste, dass durch clevere Reinvestition aus elf eine hundertzehn werden kann.

Sonntag, 12. März 2017

Equippers Berlin

Die "Equippers" möchten laut ihrer Webseite "Menschen durch den Glauben an Jesus Christus für das Leben ausrüsten". Heute besuchten wir die "Ausrüster", neudeutsch "Equippers", in der Blissestraße.



Equipment ist immer gut. Bands beschäftigen Rowdies zum Verlagern ihres Equipmets. Seminarleiter haben Equipment in Form von Laserpointern dabei. Überlebenstrainer führen als Equipment ein Zelt mit. Designer klappen frutarische Notebooks als kompetenzstärkendes Equipment auf. Handelsvertreter nach HGB §84 haben Kugelschreiber als Equipment im Sakko. Pastoren legen Bibeln als berufstypisches Equipment auf dem Bühnenequipment ab.

City-Gemeinde im Geschäftshaus

Das erste Equipment, das uns auf die Ausrüster in der Blissestraße hinwies, war eine rote Strandflagge, im Katalog "Beachflag" genannt, mit der Aufschrift "Equippers". Diese war auch mit Gleitsichtbrille besser als die Hausnummer 2 zu erkennen. Direkt hinter dem Eingang war das Haus mit einem Elevator, zu deutsch Fahrstuhl, equippt, so dass der Aufstieg in die vierte Etage des Geschäftshauses für Besucher jeden Alters erleichtert wurde.

Vor dem Fahrstuhl stand ein mit rotem Badge ausgerüsteter Mitarbeiter und lotste die Gäste zum Gottesdienst. Die Willkommenskultur war beispielhaft. Von mehreren Leuten wurden wir proaktiv begrüßt und gefragt, ob wir das erste Mal zu Gast seien. Man empfahl uns die Ausrüstung mit einem Kaffee und wünschte uns eine gute Zeit im Dachgeschoss gegenüber des ehemaligen Domizils der Philippinischen Botschaft.

Echte Band

Wenn eine Lobpreisband die Bezeichnung Band verdient, dann die Band der Equippers. Unmittelbar nach pünktlichem Ablauf des Countdowns rockten sie los. Neben zwei Sängerinnen und einem Sänger waren vier weitere Musiker aktiv, die die Equipments E-Gitarre, Bass-Gitarre, Konzertgitarre, Keyboard und Schlagzeug bedienten. Es wurde weitestgehend deutsch gesungen, wobei ich keines der Lieder kannte.

Pastor Jürgen Eisen begrüßte die Gemeinde und übergab den Predigtteil an zwei Mittzwanziger, die gerade in der Pastorenausbildung stehen. Für Daniel und Elisa wurde zunächst eine große Leiter auf der Bühne platziert. Ein spannendes Equipment, mit dem man auch den Beamer oder die Spots an der Decke hätte reparieren können.

Leiterschaft mit Daniel, Elisa und Ruth

Mit Daniel und Elisa waren nicht zwei meiner Lieblingspropheten aus dem Alten Testamentes gemeint, sondern zwei frische Theologiestudenten. Sie predigten über das Buch Ruth mit dem besonderen Fokus auf Entscheidungen. Entscheidungen, die gravierende Konsequenzen haben können und aus Logik oder aus dem Herzen heraus getroffen werden. Von Ruth wissen wir, dass ihre Entscheidung als richtig reüssiert hatte. Ihre Schwägerin hatte sich für die logische und bodenständige Variante entschieden und war damit aus der biblischen Berichterstattung verschwunden.

Trotz ihres zarten Alters schöpften die beiden Referenten aus ihrem persönlichen Erleben in Bezug auf Entscheidungen und brachten das Thema anhand mehrerer Verse des Ruth-Buches didaktisch gut auf den Punkt. Während Daniel mutig die Stufen der Aluleiter erklomm, ersparte sich Elisa diesen sportlichen Akt. Sie hat als Frau schon genug Herausforderungen in ihrem Seminar, das traditionell eher von Männern frequentiert wird.

Gebet und Entscheidung

Zum Ausklang der Predigt ging es ans Eingemachte. Ein Aufruf zum Gebet und die Frage in die Runde, wer denn aktuell vor wichtigen Entscheidungen stehe. Man wolle konkret für die Person und das Anliegen beten. Die Karten mit der Aufschrift "GEBET" waren mir schon am Infotisch aufgefallen. Dass Gebet groß geschrieben ist, merkten wir an vielen Stellen des Gottesdienstes. Praktische Ausrüstung für den Alltag als Christ.

Am Ende sprach uns Jürgen Eisen an und ließ uns vom Equipment zur Nostalgie umschwenken. Mit Jürgen Eisen hatte ich vor knapp dreißig Jahren im Rahmen der Jugendleitung zu tun. Letzte Woche waren wir im Süden Berlins unterwegs und kamen dabei an seiner alten Heimat vorbei. Witzig, dass wir ihn ausgerechnet wenige Tage später als Pastor einer City-Gemeinde treffen. Hintergrund der Equippers ist der BFP Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden, dem auch die ChristusKirche in Mitte angehört.

Gemeinde sucht Raum

Etwa 150 Gottesdienstbesucher hatten wir gezählt. Der Raum war randvoll und bot keine wirklichen Erweiterungsmöglichkeiten. Wie wir erfuhren, gehören der Gemeinde jedoch knapp doppelt so viele Menschen an, die sich in Gesamtheit gelegentlich Open Air oder in einem eigens dafür angemieteten Kinosaal treffen. Den Altersdurchschnitt schätzen wir auf Mitte dreißig. Jürgen Eisen sagte uns, dass die Gemeinde aktiv nach größeren Räumen suche.

Bei Verlassen der Location wässerte ein Familienmitglied noch das Equipment eines Mitarbeiters mit dem Tee meiner Tochter. Angebissener Apfel und Feuchtigkeit konnten durch den exzessiven Einsatz von Papier bereinigt werden. Auch in dieser Hinsicht war die Gemeinde gut ausgerüstet.

Nostalgie

Anschließend kehrten wir zu sechst bei einem Vietnamesen in der Berliner Straße ein und tauschten uns über den Gottesdienst aus. Neben Jürgen Eisen gab es weitere nostalgische Punkte. Bei Stempel-Kaiser in der Brandenburgischen Straße hatte meine Frau als Schülerin ihr Taschengeld aufgebessert und in der benachbarten Auenkirche hatten wir vor zweiundzwanzig Jahren unsere Hochzeit gefeiert.

Dienstag, 7. März 2017

Rennst du noch oder lebst du schon?

Wenn ich einen bestimmten Terminus innerhalb der Familie verwende, denken alle sofort an ein skandinavisches Möbelhaus in unserer Nähe. Birgit Sych hat deren Werbeslogan als treffenden Titel für ein Buch über Zeit umformuliert.



Die eine Kundenrezension bei Amazon mit nur zwei Sternen deutet auf das Buch einer gelangweilten Hausfrau für gelangweilte Hausfrauen hin. Davon muss es in Deutschland sehr viele geben, da das Buch "Rennst du noch oder lebst du schon?" seit 2005 bereits in der siebten Auflage erschienen ist.

Rennst du noch oder lebst du schon - Birgit Sych
Die siebzig Seiten über Zeit und den sinnvollen Umgang damit sind leichte Kost, die in relativ kurzer Zeit aufgenommen und verdaut werden kann. Das Buch eignet sich gut zur Vorbereitung von Andachten und gibt Denkanstöße für verschiedene Lebenssituationen.

Birgit Sych geht auf die unterschiedliche Handhabung der Zeit in unterschiedlichen gesellschaftlichen und ethnischen Kontexten ein, arbeitet ein klares Wohlstandsgefälle bei Be- und Entschleunigung heraus und redet über den Wert von Pausen.

Als Eheberaterin bringt sie viele Beispiele aus dem eigenen Familienalltag ein. Die Powerfrau im Lehramt rast selbst wie aufgedreht durch das Leben und kann ein Ausbremsen nur schwer ertragen. Von ihrem Mann wird sie deshalb liebevoll als "Stressperle" bezeichnet. Er trägt es mit Ruhe und Fassung. Die Autorin steht also selbst in der ständigen Herausforderung, ihren Tagesablauf zu entschleunigen und Momente des Innehaltens zu genießen.

Sie gibt Tipps für den Umgang mit Telefonanrufen während des Abendbrotes, redet über das Delegieren von Aufgaben, über Multitasking und das unpopuläre Nein-Sagen.

Interessant fand ich den deutlichen Vergleich von Zeit und Geld. Zeit könne man verschwenden, gewinnen, sparen, verlieren oder verschenken. Für das Lesen des Buches hatte ich in Summe etwa zwei Stunden investiert.

Samstag, 4. März 2017

Essen gehen nach der Hochzeit - Johannes 2, 17

Beim wiederholten Lesen des Neuen Testamentes kam ich gerade bei Johannes 2 vorbei. Erstmalig fiel mir dabei auf, dass Jesus nach der Hochzeit zu Kana noch Essen gegangen war. Gab es in Kana nur Wasser und Wein?



Aus dem Stegreif hätte ich nicht beantworten können, welche Begebenheit zwischen der Hochzeit zu Kana in Johannes 2 und der Begegnung mit Nikodemus in Johannes 3 berichtet wird.

Das nächtliche Treffen mit Nikodemus ist deshalb so bekannt, weil darin der Schlüsselsatz Johannes 3 Vers 16, "So sehr hat Gott die Welt geliebt ...", steht. Die Hochzeit zu Kana haftet gut im Gedächtnis, weil darüber regelmäßig gepredigt wird. Jesus vollbringt dort sein erstes Wunder und macht Wasser zu Wein. Letzteres dient als willkommenes Argument, wenn in Gemeindeleitungen über Traubensaft versus Rotwein beim Abendmahl diskutiert wird.

Aber was steht zwischen diesen beiden Texten?

Jesus geht mit seinen Schülern zum Passah-Fest nach Jerusalem. Das nächste Fest. Im Tempel sieht er die Verkäufer von Tauben und anderen Artikeln sowie die Geldwechsler. Er baut sich eine Peitsche und treibt die Händler und Banker aus dem Tempel. In Matthäus 21, Markus 11 und Lukas 19 erinnert er daran, dass der Tempel ein Haus des Gebetes sei und vergleicht die aktuelle Erscheinungsform mit einer Räuberhöhle (speluncam latronum).

Gebet in der Räuberhöhle

In Johannes 2 fehlt der Hinweis auf das Gebetshaus und auch die Räuberhöhle wird nicht genannt. Dafür vergleicht Jesus den aktuelle Zustand mit einem Geschäftshaus. Ein Geschäftshaus, das in der Wortbedeutung über das normalerweise verwendete "Kaufhaus" hinausgeht. Hier spielt sich nicht nur B2C (Business to Consumer) ab, sondern auch B2B (Business to Business). Sofort stehen Bilder von Messen wie der Grünen Woche oder Kongressen der Versicherungswirtschaft vor Augen. Buntes Treiben, Seminare, Vorträge, prall gefüllte Goody Bags, gehobener Geräuschpegel und Werbe-Rollups.

Und nun stelle man sich Jesus mit einer selbst gebastelten Peitsche vor.

Heute hätte er sicher die Schlüsselbänder seiner Begleiter eingesammelt, diese zusammengeknotet und die metallischen Karabiner zur Aufnahme der "Badges" (Eintrittskarten mit Name und QR-Code) als Endstücken zur Zerstörung der Rollups verwendet. Rollups kippen, Goody Bags fliegen durch den Raum, Kugelschreiber purzeln auf den Boden. Ein Standbetreuer fällt in einen Berg von Plüschbären mit Werbeaufschrift. Eine Kaffeetasse zerschellt auf dem Boden und beschmutzt den Anzug eines Besuchers. Soweit das Szenario, bis die Ordnungshüter der Zerstörung Einhalt gebieten.

Nach seinem ersten Wunder räumt Jesus erst einmal auf. In Vers 17 des zweiten Johannes-Kapitels wird diese Aktion mit Psalm 96,10 begründet, worin es heißt: "Der Eifer um dein Haus verzehrt mich". Diesen Satz haben wir sicher auch schon oft in Predigten gehört oder bei Menge, Schlachter und Elberfelder gelesen. Der revidierte Luther übersetzt: "Der Eifer um dein Haus wird mich fressen". Eifer, Verzehren und Fressen sind Worte, die im gesprochenen Text des 21. Jahrhunderts nur noch selten vorkommen. Der "Verzehr von selbst mitgebrachten Lebensmitteln" ist zwar in einigen Restaurants untersagt oder jemand der keine Ahnung hat, soll nach Dieter Nuhr "einfach mal: Fresse halten". Ansonsten sollte sich eine Bibelübersetzung aber der aktuellen Verbalkommunikation anpassen. Die Volxbibel trifft mit ihrer zielgruppenorientierten Übersetzung "Die Leidenschaft für deine Hütte brennt in mir" ebenfalls den Sinn hinter der Aussage.

Eifersucht und Fanatismus

Gestolpert war ich über Vers 17, weil im Neuhebräischen das Wort für Essen verwendet wurde. Das hebräische "achal" kann aber auch "verzehren", "wegätzen" oder "verbrennen" bedeuten. Feuer verzehrt ja auch das Brennmaterial. Gerade an dieser Stelle wird deutlich, dass die Volxbibel einen sprachlichen Weg geht, der durchaus mit Urtext und Bedeutung harmoniert.

Das lateinische "comedere" bringt an dieser Stelle noch ein gewisses Maß an Genuss mit. Es kann mit "aufessen" oder "verprassen" übersetzt werden. Aber wer verprasst hier wen?

Jesus wird durch "Leidenschaft verzehrt". Eine Formulierung, die in Liebesschnulzen verwendet wird. Im hebräischen lesen wir von "qinath", was einen starken Akzent auf "Eifersucht" hat. Nachgelagert sind Bedeutungen wie "Eifer" und "Fanatismus". Der Lateiner spricht von "Zelus", was mit den neutestamentlichen Zeloten einhergeht und die stark politisierte Richtung von Eifer und Fanatismus bedient.

Eifer für ein Haus?

Beim zehnjährigen Jubiläum der Evangelischen Kirchengemeinde Marzahn/Nord hatten wir eine interessante Erfahrung gemacht. Dieses Haus war das letzte Kirchengebäude, dessen Grundstein vor Ende des Experimentes eines altruistischen Staates mit der Abkürzung DDR gelegt wurde. Während des Festaktes wurden alle Pastoren auf die Bühne gebeten, die die Gemeinde in den letzten zehn Jahren begleitet hatten. Sie wurden chronologisch sortiert und um einige Worte zu ihrer Zeit in Marzahn gebeten.

Bei den ersten Männern spürte man noch den Pioniergeist. Sie gingen durch die Hochhäuser und klingelten an den Türen. So manch ein Mieter mit Gehaltsbezügen aus dem Ministerium für Staatssicherheit öffnete und holte die Geistlichen hinter die gedämmte Eingangstür seiner Neubauwohnung. Das war eine spannende Zeit für die Gemeinde. Hauskreise entstanden und der übergangsweise Bedarf an Räumen wurde durch die benachbarte Katholische Kirche gestillt.

Je größer und fertiger jedoch das Gebäude wurde, umso stärker verschob sich der Fokus der Pfarrer vom Leben zum Haus. Es ging um den Architekten, die Gestaltung der Wände und den Altarbereich. Den Ausklang bildete ein Besucher, der entrüstet aufstand und in den Saal rief: "Es gibt noch zwei Hauskreise".

Kapelle versus Gemeinde

Insbesondere bei Baptisten hört man die antiquierte Formel "Wir gehen zur Kapelle". Eine gruselige Formulierung, an deren Optimierung ich schon bei meinen Eltern gescheitert war. "Wir gehen zur Gemeinde", war meine Alternative. Während eine Kapelle ganz klar ein Gebäude meint, hat "Kirche" eine Doppelbedeutung für Gebäude und Gemeinschaft. Diese Doppelbedeutung verschiebt sich bei "Gemeinde" weiter zugunsten von Gemeinschaft und kommt dem Anliegen von Jesus sehr nahe.

Dass Jesus nicht am Gebäude des Tempels klebt, zeigt seine spätere Ankündigung von dessen Zerstörung im Jahr 70, also 40 Jahre nach seiner Hinrichtung und Auferstehung. Gott verlässt bereits den ersten durch Salomo gebauten Tempel in den dramatischen Kapiteln acht bis elf des Hesekiel-Buches. Kurz darauf wird das Haus durch Nebukadnezar zerstört. Herodes lässt einen zweiten Tempel bauen und benötigt dazu 46 Jahre. Schon in Vers 19 des zweiten Johannes provoziert Jesus die Juden damit, dass sie den Tempel abreißen sollten und er ihn in drei Tagen wieder aufbauen werde.

Es wird deutlich, dass Jesus nicht nur Eifer für einen immobilen Sakralraum mit Gebetszweck entwickelt, sondern eifersüchtig um und für seine Gemeinde ringt. Eine Gemeinde, die mit lebendigen Steinen nach 1. Petrus 2,4 gebaut ist. Ein hybrides Gemeindehaus, in dem Jesus den finalen Eckstein, Caput Anguli (latein) oder Rosh Pinnah (hebräisch), bildet. Ein Haus, in dem Gebet möglich ist, in dem Ablenkung minimiert wird, ein Gebäude, in dem Jesus die Nummer Eins ist und Ruhe sowie einen geschützten Rahmen zur Begegnung zwischen ihm und seinen Leuten findet.

Donnerstag, 2. März 2017

Neid mit Risiken und Nebenwirkungen

Neid ist ein Gefühl, welches erhebliche Risiken und Nebenwirkungen mit sich bringt. Birgit Sych widmet sich auf den knapp sechzig Seiten ihres Buches "NEID" diesem Tabuthema.



Mit Birgit Sych haben wir verschiedene Berührungspunkte, zu denen unter anderem der Ehekurs "Gemeinsam e1ns" gehört. Eher beiläufig kamen wir in einem WhatsApp-Chat auf das Thema Neid zu sprechen und sie erwähnte ebenfalls eher beiläufig, dass sie dazu ein Buch geschrieben habe. Darauf sandte sie mir eines ihrer Exemplare zu und ich verschlang es innerhalb von 90 Minuten.

NEID - zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Herz und Seele - Birgit Sych
"NEID - zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Herz und Seele" - Birgit Sych
Die 61 Seiten sind sehr mundgerecht geschrieben. Man hat fast den Eindruck, Birgit Sych sitze neben einem und erzähle den Text. Keine hochwissenschaftlichen Ausführungen sondern klare, einfach verständliche Worte mit viel Witz und Beispielen aus dem persönlichen Erleben.

Die geschilderten Alltagssituationen treffen wohl den allgemeinen Erfahrungshorizont. Es geht um die verschiedenen Facetten des Neides auf Besitz, Anerkennung, Aussehen oder Erfolg einer Bezugsperson. Es geht um dessen Reaktion auf den Neid und um die zerstörerische Wirkung auf den Neider selbst. In der Mitte des Buches wird es biblisch: Kain und Abel als klassische und initiale Neidbeziehung mit unappetitlichem Ausgang. Danach ein Zitat von Ovid, dessen scharfe und treffende Formulierung den Neid in seiner ganzen Einsamkeit und leblosen Blässe seziert.

Als gute Seelsorgerin und Beraterin finalisiert die Autorin das Buch mit mehreren Lösungswegen zum Ausstieg aus der Neidfalle. Auch in diesem Abschnitt kommen eigene Beispiele zum Tragen, die die Machbarkeit des Auswegs und die Authentizität der Schreiberin untermauern.

"NEID - zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Herz und Seele" wurde bereits 2004 veröffentlicht und ist inzwischen vergriffen. Eine Neuauflage ist leider zurzeit nicht geplant, so dass bei Bedarf auf ein gebrauchtes Exemplar zurückgegriffen werden muss. Das finde ich sehr schade, da das Buch leicht und schnell zu lesen ist und wertvolle Denkanstöße und Handlungsempfehlungen enthält.

Sonntag, 26. Februar 2017

mittendrin Potsdam

Die neue und stetig wachsende Gemeinde "mittendrin" liegt tatsächlich mittendrin, nämlich mitten im Zentrum von Potsdam. Wegen einer Empfehlung besuchten wir heute den Gottesdienst inmitten der brandenburgischen Landeshauptstadt.



Während mein Großonkel viele Gemälde mit Potsdam-Motiven geschaffen hat und mein Vater unzählige Potsdam-Bucher hinterlassen hat, kann ich die Affinität zu dieser Stadt bisher nicht nachvollziehen. Auch Heerscharen chinesischer Touristen frequentieren den Ort und erfreuen sich an den Parks und Schlössern. Potsdam dient ferner als Domizil für Promis und Politiker an der verkehrstechnisch gut angebundenen Peripherie der Bundeshauptstadt.

Mittendrin

Im Zentrum der Stadt trifft sich "mittendrin" zum Gottesdienst. Um die Schwelle für Gäste möglichst niedrig zu halten, wurde das Kabarett Obelisk als Location gewählt.

Parkplätze stehen in der Charlottenstraße reichlich zur Verfügung und spielen der Stadtkasse ambitionierte Stundensätze von zwei Euro ein. Das betrifft auch den weiteren Umkreis, so dass man gleich vor der Tür parken und drei Euro für die neunzig Minuten der Kernzeit des Gottesdienstes bereit halten kann.

Gelebte Willkommenskultur

Bereits am Eingang wurden wir mehrfach freundlich begrüßt und auf den Kaffeestand hingewiesen. Meine Kinder entdeckten sofort das Tablett mit den Keksen. Die sehr natürliche Willkommenskultur war angenehm und scheint zum Charakter dieser noch sehr jungen Gemeinde mit FEG-Hintergrund zu gehören. Uns wurden zwölfseitige Heftchen mit Ablauf, Predigttext, Liedtexten und weiteren Informationen in die Hand gedrückt.

Freundlich grüßend begaben wir uns in eine der hinteren Sitzreihen. Die Stühle ähnelten den Klappsesseln von Filmschaffenden und waren auf den Rückseiten mit den Namen ihrer Sponsoren beschriftet. Das verwaschene Gelb der Stühle passte sehr gut zum sonstigen Blau des Raumes. Der Saal war so beleuchtet, dass der Blick automatisch zur kleinen Bühne wanderte. Es herrschte eine gemütliche Atmosphäre.

Punkt elf mit Kontrabass

Punkt elf Uhr begann der Gottesdienst mit einer Begrüßung und der Anbetungszeit. Nur noch wenige der 150 Plätze waren frei, so dass einige Nachzügler am Rand stehen blieben. Der Altersdurchschnitt muss bei Mitte dreißig gelegen haben. Auch bei der Moderation wurde sehr darauf geachtet, Erstbesucher gedanklich mitzunehmen. Das war uns in dieser Form bei den bisher besuchten Gemeinden, inzwischen über siebzig in zwanzig Monaten, selten aufgefallen.

Es gab weitere Alleinstellungsmerkmale wie das Singen aus dem Heftchen statt über Leinwand, obwohl das bei dem gedimmten Licht schon hart an der Grenze des Machbaren war. Ich justierte unentwegt meine Gleitsichtbrille. Direkt neben mir hing zwar ein roter Schalter von der Decke, aber ich traute mich nicht, diese akzentuierende Lesehilfe der Spots einzuschalten.

Die Lobpreisband beeindruckte insbesondere die Kinder. Cajón, zwei Konzertgitarren, ein Kontrabass, ein Klavier und zwei Sängerinnen animierten zum Singen neuer und älterer Lieder. Ein besonderer Genuss war die zeitgemäße Interpretation von "Schönster Herr Jesu".

Sportliche Predigt

In der Predigt von Steffen Weil ging es um zwei Texte aus dem zweiten Korinther-Brief. Der Text war in den Heftchen abgedruckt und bot auf der Nachbarseite Platz für Notizen. Das erinnerte uns an Saddleback. Steffen Weil berichtete von seinen Trainingserfahrungen. Training tut weh, Heilungsprozesse können weh tun, Änderung kann weh tun, aber das Ziel sei doch, dass dadurch Heilung, Optimierung oder positive Weiterentwicklung erreicht wird.

Die Predigt zeigte uns, dass der Pastor eine authentische Persönlichkeit ist, die voll im Leben steht und die Bedürfnisse seiner Gemeindeleute nachempfinden kann. Entsprechend nah am Alltag waren die Beispiele und konkreten Bezüge zum eigenen Glaubensleben. Einen Kollegen ohne christliche Vorprägung kann man hier wohl bedenkenlos mitbringen.

Auch bei "mittendrin" gibt es Predigtreihen. Die aktuelle Serie beschäftigt sich mit der "verändernden Kraft des Evangeliums". Auf der Bühne stand ein Flipchart mit einer Grafik, wie man sie aus dem GPK von CFC, also dem "Gott persönlich kennenlernen" von Campus für Christus, kennt. Darauf nahm der Referent zwar heute Bezug, malte daran aber nicht weiter.

Abendmahl mit Duftnote

Von einem Plakat aus verfolgte Friedrich II den Gottesdienst. Er war teilweise von einem Glas Bier verdeckt. Nach der Predigt wurde er von vielen der Anwesenden verdeckt, da sie sich zum Abendmahl anstellten. Es gab Ciabatta und roten Traubensaft, kein REX PILS.

Am Eingang hatten wir Kaffeebohnen bekommen, die wir im Rahmen des Abendmahls zum Einsatz bringen sollten. Im Predigttext aus 2. Kor. 2,14-16 ging es unter anderem um einen guten Geruch. Die fast 150 verteilten Kaffeebohnen hatten einen gewissen Einfluss auf das Raumklima. Nun sollten sie in einem Terrarium mit 172.000 Erbsen vermengt werden und dort ihre Wirkung entfalten. Mit 172.000 Einwohnern liegt Potsdam bei zwei Dritteln des Berliner Bezirkes Marzahn/Hellersdorf. Die Kinder fragten anschließend, wer die Erbsen denn mit welcher Methode gezählt habe. Meine pragmatische Frau hätte 100 Erbsen gewogen und daraus die Gesamtmenge ermittelt. Ich konnte den Kindern vermitteln, dass es dafür den Beruf des Erbsenzählers gebe.

Zum Abschied wechselten wir noch einige Worte mit Besuchern, fütterten über einen blau-grauen Automaten die Stadtkasse und begaben uns in die nördliche Parallelstraße, die nach dem von hier aus regierten Bundesland benannt ist. Bei paniertem Sushi und Cola ließen wir den Vormittag in Potsdam ausklingen und tauschten uns über den Gottesdienst aus.

Mitten in der Historie

Vor dem Gottesdienst hatten wir noch in der südlichen Parallelstraße zur "mittendrin"-Location angehalten, der Yorkstraße 4/5. Vier mutmaßliche "mittendrin"-Mitglieder waren dabei an uns vorbeigeradelt.

Mittendrin war nämlich auch mein Vater, als sich am 14. April 1945 gegen 22:40 Uhr die Ladeklappen britischer Bomber über dem Zentrum Potsdams öffneten. Sein Opa war Pastor der Baptistengemeinde in der Yorkstraße 4/5. Fluchtbedingt war ein großer Teil der Familie nach Potsdam gekommen und wohnte im Gemeindehaus.

Innerhalb einer halben Stunde wurde das Leben meines Vaters und seines damals vierjährigen Cousins nachhaltig geprägt. Bilder und Gerüche, die bis ins hohe Alter präsent waren. Sein Cousin setzt sich als stadtbekannter Maler für den Wiederaufbau der Garnisonskirche ein, deren Turm in jener Nacht wie eine Fackel abgebrannt war.

Heute erinnert nichts mehr an die damalige Nacht von Samstag auf Sonntag, lediglich einige neuere Häuser, die sich mit einem gewissen Stilbruch in die historischen Fassaden einreihen. Der Gemeinde "mittendrin" ist zu wünschen, dass von ihr ebenfalls eine Wirkung ausgeht, die nachhaltig prägt, und zwar in positiver Hinsicht auf einen gemeinsamen Lebensweg mit Jesus.

Montag, 20. Februar 2017

Gesprächsforum - Reich werden mit Josef Müller

Josef Müller ist ein passgenaues Abbild des "verlorenen Sohnes" aus Lukas 15, 11-32. Gestern Abend erlebten wir ihn im Best Western in Steglitz.



Neunzehn Tische waren zum Dinner eingedeckt. Die Platzierung stand fest und wurde bereits am Eingang zum Großen Saal mitgeteilt. Neben meinem Namen stand ein TV. Da ich keine Kamera dabei hatte, fragte ich nach und erfuhr, dass "TV" die Abkürzung für "Tischverantwortlicher" sei. Ich solle anschließend lediglich einen weiteren Fragebogen ausfüllen und könne an der nächsten Mitarbeitersitzung teilnehmen. Auch in Steglitz.

Unser Tisch war regional sehr divergent besetzt: Lankwitz, Gesundbrunnen und Marzahn. Um den Smalltalk anzukurbeln, drehten wir zunächst die Tischkarten so um, dass jeder die jeweiligen Namen lesen konnte. Alle endeten mit "Mann". Wir einigten uns auf ein Arbeits-Du und gaben einige persönliche Eckdaten zum Besten.

Ambiente und Kollegen

Die Abendveranstaltungen des Gesprächsforums Leben + Glauben finden auf hohem gesellschaftlichen Niveau statt und eignen sich damit hervorragend zum Einladen von Kollegen und Geschäftspartnern. Das Buffet ist nachhaltig gut und punktet mit dem Alleinstellungsmerkmal, dass es logistisch so ausgereift ist, dass keine langen Wartezeiten entstehen. Allein die Getränke-Kellner schienen bei den über hundert Besuchern gestern etwas überfordert zu sein.

Koffer voller Geld

Josef Müller passte als Referent ideal in den Rahmen. Josef Müller war Teil der Nobelszene Münchens, hatte einen schwarzen Rolls Royce mit weißem Fahrer und einen weißen Rolls Royce mit einem schwarzen Fahrer. Wegen eines Autounfalls sitzt er seit seinem Jugendalter im Rollstuhl. Deshalb wählte er einen Beruf, dem er vom Schreibtisch aus nachgehen konnte. Er wurde Steuerberater und wollte sehr schnell viel Geld verdienen. In Koffern transportierte er Gelder aus Drogen- und Waffengeschäften nach Deutschland und legte diese mit einem hohen Gewinnpotenzial an. Das rächte sich jedoch über das begleitende Risiko. Plötzlich hatte er Schulden in Millionenhöhe und die amerikanische Mafia am Hals. Er kompensierte das durch Mandanten, die ihm mehrere Millionen borgten.

Die amerikanischen Strafverfolger konnten das kriminalistische Bedrohungsproblem zwar parallel lösen. Die Schulden blieben. Diesmal jedoch bei seinen engeren Bezugspersonen. Auch heute noch gehen die Erlöse aus den Büchern an seine Gläubiger und zeigen einen Wandel der Persönlichkeit nach Lukas 19, 1-10 (Zachäus).

Knast nach Römer 8, 28

Es gab einige Berührungspunkte mit dem Glauben an Gott und einer persönlichen Ansprache durch Jesus. Die erste wörtliche Anrede auf Deutsch bekam er in seinem Hotelzimmer in Florida. Diese Ansprache war so einschneidend, dass er kurz darauf nach Europa zurückflog und sich dort den Behörden stellen wollte. Diese kamen seiner Zeitplanung zuvor und verhafteten ihn in einem Wiener Hotelzimmer. Wegen Geldwäsche wurde er zu mehreren Jahren Haft verurteilt. In seiner Münchner Gefängniszelle las er das Neue Testament und suchte aktiv den Kontakt zu Gott. Dieser offenbarte sich kurz darauf sehr deutlich durch eine tiefe überfließende Freude, von der Menschen berichten, die ihre "Bekehrung" datieren können. Er rollte dann mit seinem Stuhl auf den Gang und umarmte einige seiner härtesten Zellennachbarn, küsste sie und sagte ihnen dass Gott sie liebt. Nachdem sie sich aus ihrer Starre erholt hatten, gingen sie zum Arzt und baten um dieselben Pillen, die Josef bekommen haben musste.

Ab dem Moment fuhr Josef Müller auf der Bühne richtig ab. Die Begeisterung für Jesus floss nur so aus ihm heraus. Der Rollstuhl bewegte sich von einer Ecke der Bühne zur anderen. Auch die anschließenden Fragen beantwortete er sehr authentisch wie jemand, der Jesus inhaliert hatte und in einer sehr engen Beziehung zu ihm steht.

Unverständnis versus Begeisterung

Während durchaus positives Feedback von den Gästen kam, schaute ich auch in skeptische Gesichter. Rolls Royce, Boote, Hotelzimmer, Koffer voller Banknoten korrelieren auch im Ambiente des Gesprächsforums Leben + Glauben nicht unbedingt mit dem Alltag der Gäste. So hörten wir auch Einschätzungen, die Josef Müller in die Ecke eines egozentrischen Aufschneiders stellten.

Dennoch hatte der Lebensbericht Früchte getragen und mindestens ein Teilnehmer hatte an diesem Abend eine Beziehung zu Jesus begonnen.

Aus meiner Sicht war Josef Müller authentisch. Trotz seiner Querschnittslehmung hatte er sich Humor und Lebensfreude bewahrt. Er hatte dem angeborenen Optimismus und dem erlebten materiellen Überfluss noch den größten Reichtum hinzugefügt: die persönliche Beziehung zu Jesus.

Sonntag, 19. Februar 2017

Willkommenskultur nach Lukas 14, 22

Willkommenskultur ist für uns eine wichtige Kennziffer beim Besuch von Gemeinden. Dazu stolperte ich jetzt über einen bekannten Text aus Lukas 14.



In Lukas 14, 15-24 geht es um ein großes Festmahl, zu dem jede Menge Gäste eingeladen sind. Diese sagen jedoch mit fadenscheinigen Begründungen ab. Einer hat Land gekauft und muss sich das ansehen, einer hat Ochsen gekauft und muss diese testen und einer davon hat gerade geheiratet. Die Begründungen sind austauschbar. Heute wäre es Schnupfen, die Ansteckungsgefahr des Kleinkindes, eine Probefahrt mit dem neuen BMW 5er oder der 43. Geburtstag eines Bekannten der Freundin einer Cousine der Schwiegermutter gewesen.

Vorprägung und Stolperverse

In Predigten wird dann in der Regel auf die Setzung von Prioritäten und die diakonische Verantwortung der Gemeinde eingegangen. Entsprechend vorgeprägt rauscht dieser Text am Leser vorbei, so dass ein wichtiges Detail verborgen bleibt.

Dieses Detail findet sich in den Versen 21 und 22:

Der Herr schickt den Diener in Vers 21 auf die Straßen und Plätze der Stadt, damit er von dort die Armen, Schwachen (debiles), Blinden und Lahmen einlädt. In Vers 22 lesen wir jedoch nicht, dass der Diener hört, losgeht, einlädt, wiederkommt und antwortet.

Vorauseilende Erfüllung

Statt dessen steht dort: "Der Diener antwortete: Es ist geschehen, wie du es angewiesen hast". Das heißt, dass der Diener bereits vorher wusste, wie sein Herr auf die Absagen reagieren werde. In "vorauseilendem Gehorsam" hatte er den Willen des Gastgebers noch vor dessen Beauftragung erfüllt und damit gezeigt, dass er eine hochgradig loyale und empathische Beziehung zu seinem Chef hat.

Ein interessanter Rückschluss darauf, dass es möglich ist, in Konformität mit dem Willen Gottes zu denken, zu leben und zu handeln. Das klappt natürlich nur, wenn eine entsprechend gut gewachsene Beziehung vorhanden ist.

Willkommenskultur mit rotem Teppich
Willkommenskultur mit rotem Teppich und festgelegtem Protokoll


Wen einladen?

Die ursprünglich Eingeladenen gehörten wohl zum engeren Kreis derer, die den Gastgeber eigentlich hätten gut kennen sollen, also Freunde, Bekannte und nahe Verwandte. Das erinnert ein wenig an unsere Hochzeit mit 150 Gästen, deren Einladungsrelevanz in Zirkeln der personellen Nähe ermittelt wurde. Zuerst kamen die engen Freunde und nächsten Verwandten, dann Gemeindekontakte und Kollegen und dann die entfernteren Bezugspersonen. Auch Eugene O'Kelly geht in Chasing Daylight so vor, als er die über 1.000 Personen zusammenstellt, von denen er sich vor seinem nahen Tod noch verabschieden wollte. Er arbeitet diese Kreise von außen nach innen ab und macht dabei interessante Feststellungen über die tatsächliche Tragfähigkeit der Beziehungen.

Fremde und Gäste

In Unterhaltungen über jährliche Evangelisationen und Sonderveranstaltungen in Gemeinden fällt immer wieder der Satz: "Es waren viele Fremde da." Das erinnert an Filmsequenzen im Saloon, bei denen ein angetrunkener Cowboy mit kratziger Stimme über sein Whiskyglas lallt: "Der Fremde ist in der Stadt." Darauf klicken die Hähne der Revolver und in der nächsten Szene stehen sich der Fremde und die aufgebrachte Dorfmannschaft gegenüber. Die Kamera ist nahe am Boden positioniert und Straßenstaub weht an der Linse vorbei.

Dabei kann die Verwendung eines anderen Begriffes bereits die Einstellung zum Fremden ändern. Zum Beispiel mit einer Umformulierung in "Gast". Gast klingt doch schon mal viel freundlicher als Fremder. Daraus kann dann sogar echte Gast-Freundschaft wachsen, die uns bereits im ersten Buch Mose und dann immer wieder in der Bibel vorgelebt wird. In Hebräer 13 Vers 2 werden wir sogar zur Gastfreundschaft aufgefordert und bekommen den sanften Hinweis, dass wir ansonsten eventuell wichtige Begegnungen verpassen.

Willkommenskultur

Gastfreundschaft manifestiert sich in der Willkommenskultur. Eine gute Willkommenskultur vermittelt einen guten ersten Eindruck und kann die nachfolgenden Abläufe maßgeblich beeinflussen. Deshalb achten wir beim Besuch neuer Gemeinden explizit auf deren Willkommenskultur. Sehr schnell wird deutlich, ob Besucher als Gäste oder Fremde angesehen werden.

Abgesehen von einem Ausreißer aktiver Ignoranz erlebten wir bisher ein gesundes Spektrum von allgemeiner Anonymität in großen Kirchen, seichter Beachtung und warmherziger Integration. Letzteres ist in diesem Blog mit dem Tag "Willkommenskultur" versehen und Merkmal jüngerer Gemeinden sowie der Baptisten.

Am aufwendigsten wird die Willkommenskultur bei der BICC, der Times Square Church und dem International Gospel Center zelebriert. Bei der Berlin International Community Church werden die Besucher nicht nur als Gäste, sondern als VIPs angesehen und von einem Red Carpet Team begrüßt. Wer einen Mix aus Willkommenskultur und Anonymität sucht, wäre beim Berlinprojekt genau richtig, da dieser Spagat dort zum Konzept gehört.

Apropos Konzept: Der Evangelische Kirchenkreis Teltow-Zehlendorf hat sogar eine mehrseitige Checkliste zur Willkommenskultur herausgebracht. Abschließend heißt es darin: "Das Abhaken aller zuvor genannten Punkte kann aber eines nicht ersetzen: Die von Herzen kommende gastfreundliche Haltung der Menschen, die einem in der Gemeinde begegnen."

Mittwoch, 15. Februar 2017

Zeltmacher im Südsudan

Seit einiger Zeit unterstützen wir einen alten Bekannten, der im Südsudan als Zeltmacher arbeitet. Heute Abend hatten wir die Gelegenheit, ihn persönlich in Berlin zu treffen.



Ein Mann sucht die Herausforderung. Zu Beginn der Woche hatte mein Sohn einen Selbsttest in veganer Ernährung gestartet. Bereits am zweiten Tag musste er aus Mangel an entsprechenden Lebensmitteln den Test abbrechen. Am heutigen Eheabend stellte ich mich der Herausforderung, mit meiner Frau in ein Sushi-Restaurant zu gehen. Ich bestellte Ente kross. Meine Frau hatte nach dem nebenstehenden Foto ausgesucht und bekam auch kein Sushi. So überlebten wir beide diese Aktion.

Frontiers im Südsudan

Herbert (Name geändert) hat sich der Herausforderung gestellt, nach Nordafrika zu gehen. Nach Äthiopien, Ägypten und reichlichem Sprachstudium ist er nun im Südsudan angekommen. Er arbeitet dort unter dem Dach des Frontiers e.V. als Zeltmacher. Zeltmacher steht synonym für eine weltliche Tätigkeit mit dem nachgelagerten Ziel, den einheimischen Bezugspersonen etwas von Jesus zu erzählen. So hatte es Paulus damals auch gemacht (Apg 18,3).

Die Zeltmacherei im Südsudan besteht hauptsächlich aus Beratung und Hilfe zur Selbsthilfe. Es wird um Ackerland gefeilscht und Saatgut verteilt. Den Rest müssen die Ureinwohner oder Menschen aus den dortigen Flüchtlingslagern selbst tun. Die Präsentation zeigte Fotos mit vielversprechenden Ergebnissen.

Sicherheitslage

Herbert beschrieb die Lage als sicher, wobei im wenige Kilometer entfernten Nordteil des Landes Flugzeuge zu einem schnellen Verschwinden der Menschen in Erdlöchern und anderen Deckungen animiert. Wenn dann die entsprechende Anzahl Bomben explodiert ist, kommen sie wieder hervor. Im Norden kämpfen hellhäutige Islamisten gegen ihre Glaubensbrüder mit dunkler Hautfarbe. Es geht wohl hauptsächlich um die üppig vorhandenen Bodenschätze. Auch gibt es unter den vielen Stämmen immer wieder Streit um Kleinigkeiten. Fast jeder hat eine Kalaschnikow im Zelt, die dann zum Streit hinzugezogen wird. Es kann dann mal vorkommen, dass innerhalb von zwei Tagen siebzig Schwarze im direkten Umfeld von Herbert umkommen.

Weiße haben einen Sonderstatus. Da sie außen vor sind, können sie Brücken zu und zwischen allen Parteien bauen. Das ist eine sehr große Chance. So ist Herbert inzwischen mit diversen Stammesoberhäuptern, auch Scheichs genannt, befreundet und hat durch deren verwandtschaftliche Beziehungen weitreichende Kontakte zu Entscheidungsträgern im Lande.

Lebensmittel als Konfliktlösung

Flugzeuge im Südsudan werfen keine Bomben, sondern Lebensmittel ab. Die Straßen sind so schlecht, dass die Versorgung fast ausschließlich über den Luftweg geregelt wird. Dennoch zucken die Kinder bei jedem Flugzeuggeräusch zusammen. Die Flüchtlinge aus dem Norden sind militärisch sehr gut ausgebildet und haben auch die entsprechenden Waffen zum Abschuss von Hubschraubern. Sie wollen aber gerne wieder in ihre Heimat zurück. Flüchtlinge und Dorfbewohner müssen jedoch den kämpferischen Ball flach halten, weil sich sonst die Hilfsorganisationen zurückziehen und dann alle dort lebenden Menschen die Verlierer sind.

Gruppe statt Einzelkämpfer

In dieser Arbeit hat sich eine interessante Vorgehensweise bei der biblischen Ansprache entwickelt. Es wird Wert darauf gelegt, dass sich Einzelpersonen nicht zu schnell als bekehrt outen, sondern lieber gemeinsam mit ihren muslimischen Bezugspersonen Texte aus der Bibel lesen und drei simple Fragen dazu beantworten:

1) Was sagt der Text über Gott aus?
2) Wie setze ich das Gelernte um?
3) Wem gebe ich diesen Text weiter?

Der Effekt ist dann, dass sich keine Einzelpersonen, sondern ganze Familien oder Stammesgruppen für Jesus entscheiden. Einzelpersonen werden in diesen Regionen normalerweise aus der Familie und der Gesellschaft ausgeschlossen. Ganze Gruppen sind als christliches Gefüge besser aufgestellt und haben zudem einen deutlich größeren Einfluss auf ihre weitere Umgebung.

Bibel und iPod

Die Weitergabe der Texte erfolgt auf zwei möglichen Wegen. Zum einen steht eine Bibelübersetzung mit islamischem Wortschatz zur Verfügung. Das liest sich für die Zielgruppe vertrauter als eine Übersetzung mit christlicher Wortwahl. Wir kennen das ja von deutschen Übersetzungen wie Neue Genfer, Schlachter, Bibel im heutigen Deutsch oder Luther. Die zweite Variante ist eine Art iPod mit Solarzellen, das den jeweiligen Text vorliest und problemlos über die vorhandene Sonne nachgeladen werden kann.

Herbert hat personelle Verstärkung aus einer Berliner Gemeinde bekommen, die nun ein sehr nahes Interesse an der Arbeit im Südsudan hat. Herbert wirkte entspannt und fröhlich, es fehle vor Ort allein an einem Friseur, der seinem Kollegen aus Berlin mal eine vernünftige Frisur verpassen könne.

Sonntag, 12. Februar 2017

Bundesversammlung in der St. Hedwigs-Kathedrale

Der Sonntag der 16. Bundesversammlung zur Wahl des neuen Bundespräsidenten begann mit einer ökumenischen Morgenandacht in der St. Hedwigs-Kathedrale. Gemäß Artikel 54 des Grundgesetzes besteht die Bundesversammlung aus den Mitgliedern des Bundestages und einer gleichen Anzahl von Mitgliedern, die von den Volksvertretungen der Länder gewählt werden.



Weiß-rote Absperrgitter, Polizisten und schwarze Limousinen markierten heute früh das Areal rund um die St. Hedwigs-Kathedrale. Absolutes Halteverbot, Polizeibusse, Menschen in langen Mänteln und Pressefahrzeuge säumten die Bürgersteige. Bereits am Eingang des katholischen Sakralbaus mit der grünen Kuppel stellte sich heraus, wer zur Bundesregierung und wer zur Bundesversammlung gehörte.

Eine gepanzerte Limousine mit Blaulicht folgte der nächsten. Vor mir traf Volker Kauder ein und eilte durch den westlichen Portalzugang, der für die Bundesversammlung vorgesehen war. An der östlichen Pforte hatten sich Kameraleute postiert und fingen die amtierenden Spitzenpolitiker ein.

Ost und West

Die schmalen Türen führten jeweils in den Ostflügel oder den Westflügel der Kathedrale. Es war gut geheizt, so dass ich meinen Mantel ausziehen konnte. Viele der Volksvertreter bevorzugten jedoch ein nachhaltiges Tragen ihrer Mäntel. Nun ja, sie waren alt genug. Viertel vor neun war der Saal schon sehr voll. Auf den Bänken lagen Programmhefte, in denen sämtliche Lieder, Gebete und der Predigttext abgedruckt waren.

Gegen neun Uhr war der Saal so gut gefüllt, dass einige Gäste sogar stehen mussten. Etwa dreihundert Mitglieder der Bundesversammlung wollten den Tag mit einem Gottesdienst beginnen. Politisch korrekt wurde die Zusammenkunft offiziell als "ökumenische Morgenandacht" deklariert, enthielt jedoch fast alle Elemente der allgemein üblichen Liturgie. Allein die Ansagen fehlten und die Kollekte wurde am Ausgang gesammelt: für die Telefonseelsorge.

Bundesversammlung St.Hedwigs-Kathedrale ökumenische Morgenandacht
16. Bundesversammlung - Ökumenische Morgenandacht in der St. Hedwigs-Kathedrale


Große Koalition

Ich hatte direkten Blickkontakt zu Martin Schulz, dem Wettbewerber von Angela Merkel bei der nächsten Bundestagswahl. Angela Merkel war durch einen Kopf verdeckt. Dafür hatte ich den neben ihr sitzenden Frank-Walter Steinmeier im Blick. Dass sämtliche CDU-Politiker durch die "Mitgl.BVers." verdeckt waren, hatte mich zunächst nicht weiter beschäftigt, könnte aber eine prophetische Sicht auf das nächste Wahlergebnis sein. Wir werden es sehen.

Von Nord nach Süd saßen die unterschiedlichen Parteienvertreter in Eintracht nebeneinander: Maria Böhmer, Julia Klöckner, Martin Schulz, Peter Altmaier, Herrmann Gröhe, Wolfgang Schäuble, Joachim Gauck, Norbert Lammert, Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier. Es schloss sich der Altarbereich mit dem Kreuz an, was die Anwesenheit von Jesus symbolisierte.

Ökumene

So bunt wie der Parteienreigen waren auch die Akteure an der Kanzel. Flüssig und in ökumenischer Harmonie wechselten sich Erzbischof Dr. Heiner Koch, Prälat Dr. Karl Jüsten und Prälat Dr. Martin Dutzmann ab. Jeder von ihnen hatte spezielle Impulse, die politische Themen und biblische Botschaft verknüpften. Die Versammlung wurde klar auf die Gegenwart Gottes hingewiesen und bei einem längeren Moment der Stille sollten die Anwesenden reflektieren, in welcher Beziehung sie selbst gerade zu Gott stehen. Kein Input und kein Lied war darauf gerichtet, dem Hörer hörig zu werden. Jesus und die Ehre Gottes standen im Mittelpunkt.

Matthäus 20, 1-15

In der Predigt ging es um den Hausherrn, der den gesamten Tag über Arbeiter für seinen Weinberg anstellt und diesen am Abend jeweils einen Tageslohn auszahlen lässt (Mt 20,1-15). Der Fokus lag auf der Person des Hausherrn, der zwar gemäß Vers 8 einen Verwalter hatte, aber viele Dinge selbst in die Hand nahm, da sie ihm wichtig waren. "Früh am Morgen" hatte er sein Haus verlassen und die ersten Mitarbeiter angestellt und auch Verantwortung für seine Mitbürger übernommen, die keine Arbeit gefunden hatten, aber zum Feierabend ihre Familie ernähren konnten. "Grundsicherung", raunte meine Nachbarin ihrem Begleiter zu. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können, als die Bundesversammlung der Predigt lauschte.

Wenn du willst, kannst du das Gebot halten.

Bereits in der Einleitung wurde aus Sirach 15, 15 zitiert, wo es heißt: "Gott gab den Menschen seine Gebote und Vorschriften. Wenn du willst, kannst du das Gebot halten". Gottes Gebote, Gleichheit und Gerechtigkeit waren Themen, die sich durch den gesamten Gottesdienst zogen. Als besonderes Zeichen der Gleichheit durften sich die Anwesenden per Handschlag einen "Friedensgruß" zusprechen.

Vaterunser mit der Bundesregierung

Nach mehreren Vortragsstücken des Chores und der Dombläser der St. Hedwigs-Kathedrale standen wir auf und beteten gemeinsam das Vaterunser. Mehrere hundert Entscheidungsträger unseres Landes beteten zusammen das Vaterunser. Eine besondere Atmosphäre, die den Innenraum der Kathedrale erfüllte und in der eine unsichtbare Kraft zu spüren war. Es folgte das gemeinsame Lied "Nun danket alle Gott" und danach der Segen, der auch als eine von Gott begleitete Entsendung zur bevorstehenden Wahl formuliert wurde.

Am Ausgang wurde für die Telefonseelsorge mit ihren etwa 7.500 ehrenamtlichen Mitarbeitern gesammelt. Die in einigen Gemeinden so penetrant eingeworbenen "Scheinwerfer" waren heute wohl alle zur Wahl des neuen Bundespräsidenten nach Berlin gekommen. Beim Verlassen der Kathedrale lief mir Petra Pau über den Weg. Ihr folgte Peter Altmaier im Anzug. Er telefonierte scheinbar mit seinem abwesenden Fahrer. Ich hatte mich bereits in den Mantel gewickelt und freute mich, dass mein Auto ganz in der Nähe parkte.

Samstag, 11. Februar 2017

Meine Wohnung soll unter ihnen sein

Beim Abschlussabend des #MDGC16 Movement Day Global Cities fiel der Satz: "Die Bibel beginnt im Garten und endet in der Stadt". Das wird durch die heutige Losung bestätigt.



Als letzter hetzte ich in die Küche. Die Familie saß bereits am Frühstückstisch und begann mit der Verteilung der Croissants. Ich setzte mich und ließ mir die Losung reichen. Eine Tradition, die wir schon seit vielen Jahren pflegen.

Hesekiel 37, 27 und Johannes 1, 14

Die heutigen Texte standen in Hesekiel 37, 27 und in Johannes 1, 14. "Meine Wohnung soll unter ihnen sein, und ich will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein", las ich vor und dachte an die Wohnung unter uns. Fünf Zimmer auf einhundert Quadratmetern im sechsten Stock. Wer wohnt da jetzt eigentlich? Vor ein paar Wochen hatte ich dort ein Päckchen abgeholt. Es hatte eine kräftige (so das politisch korrekte Attribut) Frau mit blondem Haar geöffnet und mir freundlich die Sendung entgegen gereicht. Freundliche Leute hier im Haus, die ich noch nie bewusst wahrgenommen hatte.

Diese Gedanken waren im Bruchteil von Sekunden abgelaufen. Als ich jedoch "Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns" aus Johannes nachschob, fiel mein Sohn ein und bemerkte: "Also wohnt auch das Fleisch unter uns in der sechsten Etage". Die Assoziation zur Wohngegend war wohl unabhängig voneinander bei allen von uns angeklungen.

Hesekiel 37, 27
Hesekiel 37, 27 - Meine Wohnung soll unter ihnen sein.
Wie erkenne ich meinen Nachbarn?

Während meine Frau von Müttern mit bestimmter Haarfarbe, Kinderanzahl oder Konfektionsgröße berichtet, merke ich mir die Mitbewohner eher an den Autos. "Ist das die Frau von dem mit dem grünsilbernen Octavia?" oder "Ach die Frau, deren Mann den blauen A4 fährt." oder "Na die mit dem weißen X1, dem sie letztens auch die Radnabenabdeckungen geklaut hatten", versuchen wir uns bei der Identifikation der thematisierten Nachbarn anzunähern. Darauf kann beispielsweise ein "Nee, das ist die Frau mit den zwei Kindern, die öfter mit Blumenstrauß im Fahrstuhl steht und in Etage soundso aussteigt" kommen. "Kann nicht sein. Dann wäre das ja die Frau von dem mit dem schwarzen Vito", versuche ich das zu evaluieren.

Erst ergänzende Einwürfe unserer Kinder wie "Mama meint die Lehrerin mit dem Fahrrad aus der elften Etage, die mit dem Sohn, der immer mit der Angelausrüstung rumläuft". "Ach so, du meinst die mit dem dunkelblauen Ford. Und was ist mit denen?"

Ja, so ist das im urbanen Umfeld:

Gott wohnt vielleicht bereits unter uns und wir haben das noch gar nicht mitbekommen.

Hesekiel 37, 27
Hesekiel 37, 27 - Meine Wohnung soll unter ihnen sein.
In unserer Funktion als ehrenamtliche Poststelle des Hauses klingeln bei uns oft der Hermes-Versand oder DHL und hinterlassen Pakete für Nachbarn mit völlig unbekannten Namen. Wer das wohl schon wieder ist? Bei der Abholung stellt sich heraus, dass es sich um die Bezugspersonen zum silbernen Ford, dem schwarzen Audi oder der silbernen E-Klasse handelt. Einst wurde ein Päckchen für unsere direkte Nachbarin abgegeben, deren Namensschild ich noch nie gelesen hatte. Mit ihren über neunzig Jahren hatte sie kein Auto, war aber trotzdem sehr nett.

In Anbetracht dieser Tatsachen irritiert es schon, wenn man am Hauseingang mit Namen begrüßt wird. Noch gravierender sind Situationen, wo ein Mann mit silberner C-Klasse grüßt, obwohl er zwei Hauseingänge weiter wohnt. Meine Frau verwechselte jüngst einen Cabrio-Fahrer aus dem Nachbaraufgang: "Das war doch der, der uns den Täterhinweis gegeben hatte, als uns einer in den parkenden Volvo gefahren war". "Nee, war er nicht", konnte ich mit ziemlicher Sicherheit behaupten. Der verwechselte Nachbar fährt einen dunklen Opel.

Hesekiel 37, 27
Hesekiel 37, 27 - Wohnt Gott unter uns? - Sophistograu vor Manhattan-ähnlicher Fassade

Wie wird es also sein, wenn Gott unter uns wohnt?

Hat das einen Einfluss auf unseren Umgang mit den Nachbarn? Lernen wir deren Namen und grüßen sie sogar damit? Meine Frau hatte schon öfter den Vorschlag gemacht, zu Weihnachten Plätzchen im Hausflur zu backen. Ich fand das eher peinlich und hatte nachbarschaftliche Beziehungen auf den Parkplatz verlagert und dort bei Wind und Wetter über Cabrios, Teileklau und Fahrperformance philosophiert. Da stellt sich die Frage, ob es in der avisierten Stadt aus den letzten Kapiteln der Bibel überhaupt Parkplätze und Autos gibt? Vermutlich: Nein.

Offenbarung 21, 18-23

In der Stadt, in der Gott unter uns wohnen möchte, gibt es keine Straßenbeleuchtung. Fahrzeug-Lackierungen wie Saphirschwarz, Topasblau oder Smaragdschwarz werden dann als originale Edelsteine die Fundamente der Stadtmauer verzieren.

Meine beliebten Metallic-Farben Sophistograu und Sterlinggrau werden genauso wenig eine Rolle spielen wie das in den 1990er Jahren aktuelle Manhattangrau im Badbereich. Die Stadt, in der Gott unter uns wohnt, besteht aus reinem Gold. Mit einem Aufpreis von 980 Euro kann zurzeit Atlaszeder oder Kaschmirsilber für ein Neufahrzeug konfiguriert werden. Das reine Gold aus Offenbarung 21 wird es wohl nicht einmal im Ansatz nachvollziehbar machen.

Ich bin gespannt!

Zum Mittagessen dankte ich Gott, dass er "bei" uns wohnen möchte. Die anschließenden Blicke erinnerten mich daran, dass nach zwei Au-pairs und einer Austauschschülerin das "bei" uns wohnen eine ganz besondere Bedeutung hat.

Donnerstag, 9. Februar 2017

Gebet für die Stadt im Maritim proArte

Als der zentrale aber sakrale Ort in der City West nicht mehr zur Verfügung stand, eröffnete sich ein zentraler aber säkularer Ort in der City Ost für das monatliche Gebet unter der Leitung zweier ehemaliger Offiziere der Heilsarmee.



Die Dorotheenstraße in Mitte wird fast immer passiert, wenn politische oder wirtschaftliche Ereignisse in Berlin stattfinden. In unmittelbarer Nähe befinden sich das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung, der Bundestag, die Botschaft Frankreichs, das Café Einstein, das Hauptstadtstudio des ZDF, der Bahnhof Friedrichstraße, das Hochhaus von Ernst & Young, die Hauptstadtrepräsentanzen von Microsoft und Google, das Telefónika Basecamp und das Hotel Maritim proArte.

Heute Abend parkten wir direkt vor dem letztgenannten Hotel und legten statt des üblichen Presseschildes ein vom benachbarten Automaten gezogenes Parkticket auf das Armaturenbrett. Die hoch frequentierte Auffahrt des Hotels ließ zunächst auf einen der vielen Kongresse schließen, für die das Maritim proArte bekannt ist. Das täuschte jedoch und in der Lobby standen nur vereinzelte Personen, die auf jemanden warteten.

Salon 7

Eine Bildschirm informierte uns darüber, dass das "Beten für Berlin" in Salon 7 stattfinde. Ein Mitarbeiter erklärte uns den Weg und wir begaben uns in die erste Etage. Der dicke Teppich schluckte unsere Laufgeräusche. Im Salon mit der biblischen Vollkommenheitszahl standen bereits einige ältere Beter und gossen sich Apfelsaft oder Mineralwasser ein. Das Majors-Ehepaar hatte bereits einen Laptop und einen Beamer vorbereitet. Die Stühle standen im Halbkreis und durch das Fenster konnte ich beobachten, ob das hinter uns parkende Fahrzeug die enge Lücke ohne Rempler zu verlassen imstande sei.

Danken und Bitten

Nach einer kurzen Begrüßung stiegen wir sofort ins Gebet ein. Der Abend war in zwei Hauptteile gegliedert: erst Dank, dann Fürbitte. Rolf Metzger führte mit einer liebevoll vorbereiteten Präsentation durch die Themenbereiche. Zwischendurch gab es immer wieder gemeinsame Lieder, die er auf seiner Concertina begleitete. Auch zum Hören auf Gottes Reden war Gelegenheit.

Gottes Gedanken - Gottes Wege - Dein Wille geschehe!

Der heutige Leittext stand in Jesaja 55, 8-9 und beinhaltet im Wesentlichen die Aussage, dass Gottes Gedanken nicht unsere Gedanken und Gottes Wege nicht unsere Wege sind. Ein Thema, das uns schon seit dem gestrigen Ehekurs beschäftigt hatte und heute mehrfach in anderen Zusammenhängen aufgefrischt worden war. Der Offizier in Dunkelblau griff diese Aussage mehrfach auf und ermutigte die Runde der dreizehn Teilnehmer, sich auf das hörende Gebet einzulassen und dann in die Richtung zu beten, die Gott vorgab.

75 Minuten Gebet für die Stadt

Die 75 Minuten des Gebetsabends vergingen wie im Fluge und wurden mit dem Vaterunser und einem Lied abgeschlossen. In dieser Zeit hatten wir Gott für vieles gedankt und anschließend unter anderem für den Senat, die Bundesregierung, die Sicherheitskräfte, die Gemeinden Berlins und den Gastgeber gebetet.

Nach einem kurzen Smalltalk verließen wir das Hotel und fuhren an den Stadtrand.

Dienstag, 7. Februar 2017

Wortspiel mit Maria und Martha - Lukas 10, 38-42

Maria und Martha sind die ungleichen Schwestern aus den Evangelien, die sich in ihrer Unterschiedlichkeit hervorragend ergänzen. Beim Lesen von Lukas 10 gab es nun weitere Entdeckungen.



Zunächst werden sich alle Martha-Typen freuen, dass Martha in Vers 38 zuerst genannt wird. Martha war es, die Jesus in ihr Haus einlud. Maria wird erst ab Vers 39 erwähnt. Ad hoc fallen mir zwei Frauen ein, die sich mit der aktiven Martha identifizieren und sofort über die "mufflige" Maria herfallen.

Als Mann sollte man sich nicht in einen "Zickenkrieg" einmischen, so dass ich bisher immer das "Eines ist wichtig!" für mich aus dem Text geholt hatte. Die aktive Martha bedient und versorgt die Gäste, redet mit Jesus und beschwert sich über ihre Schwester. Maria sagt gar nichts, sitzt zu Jesu Füßen und hört zu. In Johannes 11 werden die beiden Schwestern noch einmal im Zusammenhang mit ihrem Bruder Lazarus beschrieben. Ihr dortiges Auftreten passt zum Lukas-Text.

Soweit nichts Neues

Zur Abwechslung lese ich das Neue Testament gerade wieder auf Ivrith (modernes Hebräisch). Dabei fiel mir ein interessantes Wortspiel mit dem hebräischen Konsonantenstamm DBR (דבר - davar) auf. Es wird verwendet für: Wort, Sache, Angelegenheit, Sprechen, Sprachfähigkeit, Wortführung oder Anliegen. Davon leiten sich auch schöne Begriffe wie dabran (Schwätzer) oder daberet (krankhafter Redefluss, Geschwätzigkeit) ab.

Lukas 10, 38-42
Jesus bei Maria und Martha - Lukas 10, 38-42
Wie das Wort ausgesprochen wird, hängt von der Vokalisierung ab, die mit Pünktchen und Strichen um die Konsonanten DBR gesetzt werden. So kann das B gelegentlich als V ausgesprochen werden, wenn der Punkt im dicken Bauch des hebräischen Beth fehlt. Beth heißt übrigens Haus, was von Beth El (Haus Gottes) her bekannt sein dürfte.

Maria hört

In Vers 39 lesen wir, dass Maria "seinen Worten" (דברו - devaro) zuhörte. Oder hörte sie den Angelegenheiten zu, von denen Jesus erzählte? Da im Griechischen "logos" steht, gehen wir mal von Worten und Erzählungen aus. Aber hatte Jesus griechisch gesprochen? Wohl kaum, eher aramäisch. Aram steht aber im alttestamentlichen Kontext für Syrien. Warum sollte Jesus syrisch gesprochen haben? Interessanterweise switchen (das ist Englisch) einige neuere Bücher des Alten Testamentes wie Daniel oder Esra mitten im Text auf aramäisch um, was durch das seltsame und im Hebräischen unbekannte Wort "di" postuliert wird. "Di" muss ein Artikel wie der, die das sein und tritt dann mindestens so oft auf, wie das "Ähm" eines Pressesprechers ohne Rhetorikausbildung. Einem solchen  hatten wir einst bei einem Unternehmertag in Potsdam zugehört. Er moderierte eine Diskussionsrunde, bei der innerhalb einer Viertelstunde 113 "Ähms" zu zählen waren.

McCafé

In Vers 41 redet Jesus die aktive Gastgeberin zweimal mit Namen an und stellt fest, dass sie sich über viele Dinge (devarim rabbim) aufregt. Beim Aufregen sind sich die Hebräer und Lateiner in der Wortwahl einig. Interessant ist die Mehrzahl (devarim), die dann noch mit einem "rabbim" verstärkt und damit zu einer Vielzahl wird. Das Wort "Rabbi" wird gerne in kanaanäischen Predigten verwendet. Regt sich Martha nun über viele Worte oder viele Angelegenheiten oder über spezielle Rabbis oder gar über Alles auf? War sie eine antike McCafé? Ausgesprochen: Mecker-Fee.

Eines

In Vers 42 stellt Jesus klar, dass nur ein Wort oder eine Sache (bedavar echad) erforderlich bzw. notwendig sei. Maria habe das Gute erwählt und das werde ihr nicht weggenommen. Echad kennen wir ja vom "Schma Israel" (Höre Israel aus Dtn 6,4), wo es weiter heißt "Adonai Elohenu, Adonai Echad". Der HERR ist unser Gott, der HERR ist Einer.

Sollte uns das nicht zu denken geben? Zumindest so viel, den Blick von den vielen aufregenden Dingen abzuwenden und auf den Einen zu sehen, den Gott in unser Beth, ähm Haus, gebracht hat: Jesus.