Donnerstag, 12. Januar 2017

Allianzgebetswoche im Christus-Treff

Im Rahmen der Allianzgebetswoche besuchten wir heute eine Veranstaltung im Bezirk Treptow-Köpenick. Das Hauptthema dieser Woche lautet "Einzigartig".



Die Pflastersteine lagen noch am Kreuz. "Vater" und "Heiliger Geist" standen wie gewohnt in großen weißen Buchstaben über den Türportalen. "Jesus" war um eine Kerze mit Krone gruppiert. Die Räume des Christus-Treffs in der Isingstraße wirkten vertraut. Im Februar letzten Jahres hatten wir hier einen Gottesdienst besucht und konnten uns noch an die damaligen Minusgrade erinnern.

Obwohl Treptow-Köpenick einige etablierte Baptisten- und Brüdergemeinden aufzuweisen hat, waren im Programmheft der Allianzgebetswoche nur drei Termine in diesem südöstlichen Bezirk vorgesehen: Springborn Projekt, JKB Treptow und Christus-Treff. Wie Pastor Tobi erklärte, liege die Isingstraße in der "Zone" zwischen Kreuzberg und Neukölln und die Nachbarn hätten wegen ihrer Vergangenheit gewisse Berührungsängste mit der Kirche.

Das Wochenprogramm mit seinen über einhundert Gebetstreffen quer durch die Stadt mit wechselseitigen Gastgebern und Andachtsreferenten zeigt eine starke Vernetzung und eine erfreuliche Annäherung der unterschiedlichen Gemeinden und Kirchen. Einige Namen wie Erhart Zeiser tauchen recht häufig auf. Anfahrtswege von zwanzig Kilometern sind für die Referenten keine Seltenheit. Für uns waren es heute dreizehn Kilometer bis Treptow.

Das Wochenmotto "Einzigartig" bezieht sich auf die vier Grundaussagen der Reformation:

sola gratia (allein aus Gnade)
sola fide (allein aus Vertrauen)
sola scriptura (allein die Schrift)
solus Christus (allein Christus)

Für den heutigen Donnerstag war "sola fide" vorgesehen. Sven Volkmann vom Projekt A+ aus Altglienicke sprach kurz über "Glauben allein", über den auflösbaren Widerspruch zwischen vier Mal "allein" und dem alleinigen "Allein" sowie über Praxisbeispiele zur Umsetzung von Glauben und Werten.

Es gab auch eine Vorstellungsrunde, bei der jede Besuchergruppe zu Wort kam. Neben Christen aus Treptow-Köpenick war auch ein älteres Ehepaar aus Charlottenburg angereist. Der Christus-Treff wurde im Rahmen der Gebetsanliegen etwas genauer vorgestellt. Dabei erfuhren wir, dass sie das Haus inzwischen von der Stadtmission gekauft hatten und ambitionierte Anbaupläne hegen.

Auch das Projekt A+ mit seinem Fokus auf Hauskreise, Gemeinschaft und Nachbarschaftsrelevanz wurde ausführlich vorgestellt. Sven Volkmann lobte die gute Zusammenarbeit mit der Lukas-Gemeinde und das Mentoring durch deren Pastor Hans-Peter Pache. Eine Ansicht, die anhand weiterer Beispiele zu evaluieren wäre.

Die anschließende Gebetszeit gestaltete sich in der Form, dass sich kleine Gruppen um eine der fünf mit Papiertüten umgebenen Kerzen stellen und für die auf der Tüte notierten Anliegen beten sollten. Die Kerzentüte in unserer unmittelbaren Nähe war mit "Einheit" im Sinne von christlicher Vernetzung beschriftet. Wir beteten also für Gemeinsam für Berlin und parakirchliche Netzwerk-Initiativen in der Stadt, was ohnehin meinem momentanen Lieblingsthema entspricht.

Musikalisch wurde der Abend mit einer markanten E-Gitarre ohne Klangkörper und Liedern von Manfred Siebald begleitet. Die Liedtexte erschienen jeweils nach einer Gedenksekunde, da der Techniker wohl testen wollte, ob alle Anwesenden textsicher sind.

Montag, 9. Januar 2017

Heilung erfahren nach geistlichem Missbrauch

Geistlicher Missbrauch bezeichnet den Missbrauch der Vertrauensstellung in einer Leitungsposition und hat ähnlich nachhaltige Verletzungen zur Folge wie sonstige Formen des Missbrauchs. Dabei redet die Bibel oft und konkret über dieses Thema.



Die Mechanismen des geistlichen Missbrauchs werden hinreichend im Neuen Testament beschrieben, aber selten in Predigten thematisiert. Deshalb sind Gemeinden und deren Mitglieder recht unbedarft beim Umgang mit problematischen Leitern und lächeln milde vergebend, wenn sie von diesen missbraucht werden. Bileam aus dem vierten Buch Mose (4. Mose 22-25 und Off 2,14) würde heute geistlichen Missbrauch empfehlen, um Gemeinden und motivierte Mitarbeiter nachhaltig zu schädigen.

Bibel warnt oft vor geistlichem Missbrauch

Dabei lesen wir schon in Johannes ab dem sechsten Kapitel, in Markus ab dem dritten Kapitel oder in Matthäus ab dem zwanzigsten Kapitel von den absurden Fragen und Wortverdrehungen gegenüber Jesus. Auch in der Apostelgeschichte geht es munter weiter und zieht sich vom fünften Kapitel bis zum Ende. In Apg 20,29 kündigt Paulus den Ältesten aus Ephesus bereits an, dass "Wölfe" kommen werden, die die "Herde" nicht schonen.

In den letzten zwei Jahren hatten wir uns intensiv mit diesem Thema beschäftigt und waren erstaunt, wie ernst und oft das Neue Testament darüber redet. Die Zugriffszahlen auf das Stichwort "geistlicher Missbrauch" in diesem Blog verraten uns, dass ein reges Interesse daran besteht.

Nachdem ich bei einem Bier für acht Dollar auf dem Dach des Hilton in New York mit einer Frau über geistlichen Missbrauch in Theorie und Praxis geredet hatte, freute sie sich, dass es endlich mal einen Gesprächspartner gab, der ihre Situation nachvollziehen konnte.

Geistlicher Missbrauch für Dummys

Der missbrauchende Leiter ist in der Regel eine unsichere Persönlichkeit, die oft gar nicht zum Leiten berufen oder befähigt ist und diesen Umstand durch eine besondere Art der Markierung seines Herrschaftsbereiches überspielen muss.

Damals wie heute kann sich solch eine Person sehr einfach etablieren: es reicht eine theologische Ausbildung und administrative Strukturen, die eine Kündigung des Amtsinhabers verhindern. Dann kann es losgehen.

Zuerst wird durch Verwässerung und begriffliche Umwidmung der biblischen Grundlagen die Beurteilungsfähigkeit und Mündigkeit der "Herde" reduziert. Pseudopietistische oder parabiblische Akzente werden gesetzt. Ein Minimum an Themen wird strapaziert und die Gemeinde wird mit rotierendem Aktionismus beschäftigt.

Wettbewerber werden in vertraulichen Einzelgesprächen zum Gehen motiviert oder mit unwahren Behauptungen öffentlich diffamiert. Wenn das nicht fruchtet, werden theologische Unterschiede oder geistliche Unreife konstruiert. Als letzte Möglichkeit steht noch die Okkultismusmasche analog Markus 3, 28-30 zur Verfügung.

Zerstörung von Familien

Da geistlicher Missbrauch von Personen ausgeht, die von Amts wegen Wahrheit und Vorbildwirkung gepachtet haben, können sie sehr lange ihren Handlungen nachgehen, ohne dass jemand an deren Kompetenz zweifelt.

Der Ausstieg einzelner Ehepartner kann dann sogar zu einem Bruch innerhalb der Familie führen. Es kommt dann vor, dass Tochter und Gattin freundlich zu Gemeindeaktivitäten eingeladen werden, während der Mann bereits ausgelistet ist. Wer die Mechanismen des geistlichen Missbrauchs nicht kennt oder die problematischen Leitungsperson bisher nicht hinterfragt hatte, wird sich bei solchen Situationen nichts weiter denken, zumal die offizielle Begründung oft schlüssig klingt.

Wir haben Menschen getroffen, die viele Jahre für ihren Heilungsprozess benötigt hatten oder sich völlig von der Gemeinde Jesu abgewandt haben. Deshalb ist es ermutigend, wenn wir von Betroffenen hören, dass sie sich auf unseren Rat hin sofort in anderen Gemeinden nach neuer Nahrung und christlicher Gemeinschaft umsehen.

Die hybriden Angriffsszenarien des geistlichen Missbrauchs werfen vorwiegend motivierte Mitarbeiter oder begabte Leiter aus der Bahn. Mitarbeiter mit Berufung haben normalerweise kein Interesse daran, dem Glauben den Rücken zu kehren und suchen erst einmal nach Hilfe.


Heilung erfahren nach geistlichem Missbrauch
Heilung erfahren nach geistlichem Missbrauch - Ken Blue
1. Schritt: Missbrauch beim Namen nennen

Die diffusen Erscheinungsformen des geistlichen Missbrauchs sind für die Betroffenen oft nicht klar einzuordnen und entsprechend zu benennen. Das ist jedoch eine wichtige Voraussetzung zum gezielten Angehen des Heilungsprozesses.

So kann es als Gnade gewertet werden, wenn einem die passenden Checklisten über den Weg laufen. Wenn ein Großteil der Punkte mit der Referenzsituation übereinstimmt, kann das Problem klar benannt werden und eine fokussierte Recherche nach Hilfe wird möglich.

Erste Anlaufstelle wäre nach der gängigen Logik die nächst höhere Instanz. Leider stehen sich Kollegen recht nahe und das Problem wird lieber unter den Teppich gekehrt. Dabei spielt das Wohl der Gemeinde eine untergeordnete Rolle. Es war bemerkenswert, dass uns ausgerechnet ein Pastor darauf hinwies, niemals einen Pastor als Mediator in einen Gemeindekonflikt einzubeziehen.

Inwieweit die Clearingstelle der Evangelischen Allianz in der Praxis etwas erreicht, wäre zu prüfen.

Nur echte Freunde werden sich ernsthaft für das Problem interessieren und nach Lösungen suchen. Bei allem Mitteilungsbedarf sollte beachtet werden, dass es oft nur um Sensationslust der Zuhörer geht.

Im schlimmsten Fall ist sogar davon auszugehen, dass niemand etwas vom Geschehenen wissen möchte und der Betroffene erst einmal völlig auf sich selbst gestellt ist. In den Büchern zu geistlichem Missbrauch ist deshalb auch mehrfach vom suizidalen Ausweg zu lesen.

2. Schritt: Heilungsprozess

Nach der Benennung ist die Konsultation von Seelsorgern, das Lesen von Fachbüchern, das Lesen der Bibel, das Gebet, eine Gemeinschaft authentischer Christen und das Finden anderer Heilungswilliger wichtig. Letzteres fördert den Gesundungsfortschritt, ist aber selten gegeben, da die relevanten "Schäfchen" normalerweise segmentiert und einzeln neutralisiert werden.


Ken Blue über Matthäus 23

Neben bereits vorgestellten Büchern ist "Heilung erfahren nach geistlichem Missbrauch" von Ken Blue sehr hilfreich für Christen, die ihr durch den Missbrauch irritiertes Bild von Gemeinde und Leiterschaft biblisch fundiert reparieren lassen möchten.

Ken Blue greift das oben erwähnte Matthäus-Evangelium auf und beschreibt anhand des Kapitels 23 die Facetten des geistlichen Missbrauchs. Zwei Drittel des Buches beschäftigen sich beispielsweise mit dem "Stuhl Moses", den "getünchten Gräbern", den "Heuchlern" (griechisch, Latein und hebräisch decken sich beim Begriff des Schauspielers) und dem Verhalten von Jesus.

Das letzte Drittel des Buches geht auf den konkreten Heilungsprozess und eine "Gemeindezucht" im neutestamentlichen Sinne ein.

Wer das Problem also beim Namen nennen kann und biblisch aufarbeiten möchte, sollte dieses Buch mit seinen 170 Seiten lesen. Kurz vor dem Ende wird wieder eine der Checklisten dargestellt, die sich weitestgehend mit der oben verlinkten Checkliste und der Checkliste aus "Menschen mit Format" (Seiten 199/200) deckt.

Heilung braucht Zeit

Ken Blue vergleicht die Verletzung durch den Missbrauch mit dem Überrollen durch einen Bus. Ähnlich lange solle man sich Zeit für die Heilung nehmen. Auch auf die wohlwollenden Angebote guter Freunde zu neuen Diensten in einem anderen Kontext solle man vorerst verzichten.

Dieser Moment ist jedoch gefährlich. Wir haben Christen erlebt, die erst einmal Siesta machen wollten und sich dadurch so weit von der "Gemeinschaft der Heiligen" entfernt hatten, dass ein Wiedereinstieg auch nach vielen Jahren nicht mehr realistisch war.

Umgang mit dem System

Anhand der zum Thema gelesenen Bücher und der Erfahrung von Betroffenen gibt es im Wesentlichen drei Optionen, mit dem Missbrauchssystem umzugehen:

1) mitmachen
2) zerstören
3) gehen

Die erste Option kommt nur in Frage, wenn die Persönlichkeit des Betroffenen schon völlig demontiert ist oder physische Barrieren den Weg versperren. Ansonsten baut sich ein so starker innerer Gewissenskonflikt auf, dass zu einer der beiden weiteren Optionen übergegangen werden muss.

Die zweite Option hatte bei der Colonia Dignidad sehr gut funktioniert, da die dritte Möglichkeit topografisch verwehrt war und die erste Variante mit physischer Gewalt durchgesetzt wurde. Die Überführung des Hauptverantwortlichen Paul Schäfer erfolgte nach mehrmonatigem Gebet.

Ken Blue empfiehlt die dritte Option, und zwar als familiäre Einheit. Denn es ist davon auszugehen, dass auch der Rest der Familie mit dem System kollidiert.

Von daher wäre für mitteleuropäische Verhältnisse ein Mix aus Gehen (Option 3) und nachgelagertem Beten (Option 2) denkbar. "Aktive Sterbehilfe" sei laut Ken Blue ein Liebesdienst an der pathologischen Gruppe. Immerhin dient das der Schadensbegrenzung.

Sonntag, 8. Januar 2017

Dorfkirche Marzahn mit jugendlichem Charme

Der Jahreswechsel ging auch mit dem Wechsel des Pfarrers der Dorfkirche Marzahn einher. Heute besuchten wir den Gottesdienst anlässlich der Einführung von Lucas Ludewig in Alt-Marzahn.



Frederik Spiegelberg war nur ein knappes Jahr in der Dorfkirche Marzahn. Bei mehreren Anlässen hatten wir ihn erlebt und dabei festgestellt, dass seine Altersparameter nur bedingt mit dem jeweiligen Kontext korreliert hatten. Von daher ist es verständlich, dass er in die Jugendpfarrstelle Berlin-Nordost wechselt.

Sein Nachfolger in Alt-Marzahn heißt Lucas Ludewig. Er ist frisch gebackener Pfarrer und hatte bereits durch einen Gottesdienst mit Star-Wars-Analogien für Schlagzeilen gesorgt. Mit seiner Social-Media-Affinität ist er sicher der passende Mann für die demografischen Gegebenheiten der Nachbarschaft.

Lucas Ludewig ist einunddreißig und stand heute mit zwei weiteren Herren vor dem Altar, die ebenfalls schwarze Gewänder trugen, aber offensichtlich nicht zur "dunklen Seite der Macht" gehörten. Das war daran zu erkennen, dass sie keinen markanten Plastikhelm mit Beatmungsfunktion trugen. Statt dessen war ihr Kragen mit jeweils zwei weißen lutherisch geschnittenen Beffchen versehen. Einer der Herren war Frederik Spiegelberg, einer Lucas Ludewig und der Dritte war Pfarrer Hartmut Wittig aus Hellersdorf. Im Publikum saß unter anderem auch Pfarrerin Katharina Dang aus Marzahn-Nord. Sie hob sich mit ihrem roten Mantel vom amtlichen Schwarz ab.

Apropos Publikum: Etwa achtzig Gottesdienstbesucher zählten wir in der gut geheizten Kirche. Darunter waren auch mehrere Familien und Mittvierziger. Ein Trend, der durch Frederik Spiegelberg wohl auch unter Einbeziehung des evangelischen Dorf-Kindergartens angestoßen wurde Der heute neu eingesetzte Gemeindekirchenrat (GKR) machte mit seiner Altersstruktur ebenfalls einen frischen Eindruck.

Eingebettet in eine umfangreiche Liturgie war die relativ kurze Predigt des scheidenden Pfarrers. Er sprach über Mt 4, 12-17, wo Jesus von der Verhaftung des Täufers Johannes erfährt, dann durch Galiläa zieht und die dortigen Bewohner zur Änderung ihres Lebensstils aufruft. Er hatte wieder eigene Gedanken und Beispiele eingebaut. Wie wir aus den anschließenden Dankesreden erfuhren, konnte gerade diese persönliche Note in den Predigten als wichtiger Faktor zum Wachstum der Gemeindemitglieder beitragen.

Damit Gemeinde und neuer Pfarrer gleich wissen, wie diese mit dem GKR interagieren, wurden mehrere Grundsatzpapiere verlesen. Demnach geht es in der Dorfkirche Marzahn sehr demokratisch zu. Der Pfarrer hat gewisse Aufgaben wie Taufen, Abendmahlsausgabe und Predigten zu erfüllen und ansonsten alles in enger Zusammenarbeit mit GKR und Gemeinde zu leisten. Kraft seines Amtes ist er gleichberechtigter Teil der "Ältesten". Frederik Spiegelberg untermauerte das Gesagte noch mit einem Zitat aus dem fünften Kapitel des ersten Petrusbriefes, worin es um den vorbildhaften Umgang mit der "Herde" geht.

In den Grundsatzpapieren war neben der Verantwortung des GKR für eine biblische Predigt auch das Recht verankert, die Gottesdienstzeiten zu ändern. Das wäre angesichts einer jüngeren Zielgruppe eine wichtige Maßnahme. Neun Uhr war auch für uns heute sehr herausfordernd, zumal wir erst um drei von einer Geburtstagsparty nach Hause gekommen waren.

Jugendlicher Charme manifestierte sich dann auch nach dem Segen. Mit Orgel und Blasinstrumenten wurde das Muppets-Lied gespielt, während die drei Pfarrer und der GKR würdevoll zum Ausgang schritten.

Samstag, 7. Januar 2017

Avner Less und die respektvolle Distanz

Die Bibel erzählt viele Begebenheiten, die als Referenzen auf unsere Alltagssituationen anwendbar sind. Anhand diesen lässt sich unser Handeln nachjustieren oder die Folgen von Fehlentscheidungen abschätzen.



Biblische Personen wie Abraham, David, Elia, Adam, Paulus, Johannes, Daniel oder Noah zeigen, wie bestimmte Dinge angegangen oder bewertet werden können und was besser vermieden werden sollte. Jesus bietet ein Vorbild, an dem wir uns orientieren können.

Jesus als Vorbild

Dem souveränen und respektvollen Umgang Jesu mit problematischen Zeitgenossen, wie es in Matthäus ab Kapitel 20 beschrieben wird, möchte ich mich gerne annähern. Umso beeindruckender ist es, wenn Menschen wie du und ich darin ebenfalls zum Vorbild werden und trotz direkter Betroffenheit eine gesunde innere Distanz wahren können.

Beim Lesen eines Buches über die Entlarvung von Gesprächspartnern, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen, tauchte immer wieder der Name Avner Less auf. Avner Less hatte insgesamt 275 Stunden lang den bekannten Schreibtischtäter Adolf Eichmann verhört.

Abstand und Nähe

Polizisten sind in der Regel nicht direkt betroffen von den straftatbewährten Handlungen ihres Gegenübers. Deshalb können sie einen gewissen Abstand wahren. Avner Less hatte während des Nationalsozialismus seine deutsche Wahlheimat verlassen und war nach Frankreich gegangen. Dort hatte er seine Frau kennen gelernt und war später mit ihr nach Amerika umgezogen. Ein Teil seiner Familie war in Berlin geblieben und wurde kurz vor Kriegsende mit einem der letzten Transporte in die Vernichtungslager gebracht. Der Mann, der maßgeblich für die Organisation dieser Transporte zuständig war, saß ihm seit dem 29.05.1960 für mehrere Monate gegenüber.

Avner Less - Lüge! Alles Lüge!
Avner Less - Lüge! Alles Lüge!
Avner Less war zwei Jahre zuvor von Amerika nach Israel umgezogen und hatte dort bei der Polizei angefangen. Der von Israel gesuchte Adolf Eichmann war in Argentinien untergetaucht und ging dort einer normalen Berufstätigkeit nach. Auf abenteuerliche Weise wurde er dort entführt und nach Israel gebracht. Das Buch "Lüge! Alles Lüge" beschreibt in Tagebuchform die gesetzeskonformen Amtsvorgänge inklusive der ständigen Haftverlängerungen.

Respektvoller Umgang

Polizeihauptmann Less wurde für die Zeit des Verhörs direkt ins Gefängnis versetzt, so dass er nur schriftlich mit seiner Familie kommunizieren konnte. Eichmann war der einzige Häftling vor Ort. Mit Respekt (Lateinisch: respicere - Rücksicht nehmen) näherte er sich Eichmann an, sprach mit ihm wie mit einem Kollegen oder Nachbarn und bot ihm sogar eine Zigaretten an, wenn er selbst rauchen wollte.

Mit dieser Art des Umgangs kamen die Kollegen des Verhörführers gar nicht klar. Auch die israelische Presse beschimpfte Avner Less. Zu viele Israelis hatten Angehörige und Freunde durch den industriellen Genozid verloren, als dass sie noch für einen Prozess nach rechtsstaatlichen Grundlagen offen gewesen wären.

Spannungsfelder

So befand sich Avner Less gleich in mehreren Spannungsfeldern: der Verachtung der Kollegen, dem verständlichen Zorn der israelischen Bevölkerung inklusive der Presse sowie dem inneren Druck, den Hauptverantwortlichen für den Tod eines Teils seiner Familie vor sich sitzen zu haben. Dennoch blieb er sachlich und behandelte den Vorgang so professionell, dass Adolf Eichmann anschließend anhand der Protokolle, die er selbst gegenzeichnete, zum Tode verurteilt werden konnte. Die Vollstreckung erfolgte, als Avner Less gar nicht mehr in Israel wohnte. Er war wieder nach Europa gegangen.

Avner Less beeindruckt!

Schon beim Kauf des Buches war ich gespannt, woraus er denn diese Stärke und Selbstbeherrschung ziehe. Diese Frage wird auf den etwas über 300 Seiten nur zwischen den Zeilen beantwortet.

  1. Bewusste Entscheidung, nicht zu hassen und damit Durchbrechen der Opfer-Täter-Symbiose
  2. starke und innige Beziehung zu seiner Frau
  3. die unspektakuläre Otto-Normal-Persönlichkeit Eichmanns

Gerade letzterer Punkt hatte viele der Beamten irritiert, da sie Eichmann eine Aura des Schreckens angedichtet hatten und bei der persönlichen Begegnung einen ganz normalen Mann, eine absolute Durchschnittspersönlichkeit, antrafen.

Das Buch wechselt zwischen Tagebuchaufzeichnungen, Interviews, Gedichten und Briefen und liest sich wie eine Doku im Ersten.

Freitag, 6. Januar 2017

20*C+M+B+17

20*C+M+B+17 ist in unserer protestantischen Region recht selten zu sehen. In Gegenden mit katholischer Prägung kennt diese Kreideaufschriften wohl jeder.



Als mein Sohn eines Tages vom Religionsunterricht nach Hause kam, klebte er ein Schild mit der Aufschrift "20*C+M+B+13" an die Eingangstür. Stolz erklärte er: "Das heißt Christus mansionem benedicat". Das klang gut und wird normalerweise mit "Christus segne dieses Haus" übersetzt.

Dabei bedeutet "mansio" eher Herberge oder Aufenthaltsort, zumal "manere" (bleiben) im Wortstamm steckt. Das gerne als Segnen übersetzte "benedicere" heißt eigentlich "Gutes reden".

Christus mansionem benedicat

Das Schild sensibilisierte mich für diesen mit Kreide an die Türen oder den Zugangsbereich geschriebenen Text. Er fiel mir vorwiegend in C-geleiteten Ministerien, dem Kanzleramt, dem Konrad-Adenauer-Haus oder dem Schloss Bellevue auf. Auch die Landesvertretung Sachsen war mit diesem Schriftzug versehen. Das erweckte ein gewisses Maß an Sympathie.

Sternsinger

Im letzten Jahr sah ich dann auch erstmalig Fotos von den knuffigen Sternsingern, die nach Berlin gereist waren und die Eingangsbereiche verschiedener Gebäude der Bundesregierung beschriftet hatten. Die Sternsinger verkleiden sich dazu wie die Weisen aus dem Morgenland und tragen mindestens einen goldenen Stern am Holzstab vor sich her. Sie singen Lieder und sammeln Spenden.


20*C+M+B+17 Schloss Bellevue
20*C+M+B+17 an der Eingangstür zum Schloss Bellevue
 
Besucher aus dem Orient

Am sechsten Januar, dem Erscheinungstag des Herrn oder auch Epiphanie genannt, wird der Weisen aus dem Morgenland gedacht. Im Urtext wird sogar von Magiern (griechisch "magoi", lateinisch "magi") geredet, was allerdings nicht so gut ins traditionelle Konzept passt. Die Hebräer sprechen von "Chachamim", was so viel wie "die Weisen" bedeutet. Daraus wurden dann drei Könige mit den Namen Caspar, Melchior und Balthasar gemacht.

In Matthäus 2 werden jedoch weder die Anzahl noch die Namen erwähnt. Lediglich die Geschenke "Gold, Weihrauch und Myrrhen" werden in Mt 2,11 genannt. Diese stellen einen Bezug zur Zahl Drei und den Namen der Besucher aus dem Orient her:

Ceseph ist das hebräische Wort für Geld, Melech das hebräische Wort für König und Beelaschatzar (siehe Daniel 7,1 oder Daniel 8,1) ist ein akkadischer Name, der "Herr, schütze mein Leben" bedeuten soll.

Das C+M+B in der Mitte der Beschriftung könnte also einmal auf die Anfangsbuchstaben der Orientalen und alternativ auf den oben zitierten Segen bezogen werden. Wobei letztere Bedeutung die offizielle ist.

Warum aber stehen der Stern und die Kreuze zwischen den Buchstaben?

Der Stern hinter der Hunderterstelle des Jahres steht für den Stern, dem die Weisen gefolgt waren. In Vers 10 des zweiten Matthäus-Kapitels lesen wir, dass sie den Stern sahen und hoch erfreut wurden. Im Lateinischen wird von "gaudio magno valde" geredet. Dieser Vers begeistert mich jedes Mal aufs Neue.

Die drei Kreuze hinter jedem der drei Buchstaben steht für den Segen "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes". Ich hätte hier noch die nahe liegende Assoziation zu den drei Kreuzen auf Golgatha gehabt.

20*C+M+B+17

Insgesamt eine schöne Tradition. Ich werde mal mit meinem Sohn reden, ob er uns wieder solch ein Schild bastelt.

Donnerstag, 5. Januar 2017

Christen in Berlin mit frischer Optik

Christen-in-Berlin.de ist ein Informationsportal zum christlichen Leben in unserer Stadt. Es enthält weit über 1.000 Links mit regionalem Bezug.



Kurz nach der Gründung von Gemeinsam für Berlin ging auch Christen-in-Berlin.de an den Start. Pünktlich zum Kirchentag im Sommer 2003 waren mehrere hundert Links in das regionale Informationsportal eingepflegt worden und dazu genau zwei Newsbeiträge.

Die Anzahl von zwei Newsbeiträgen war jedoch fatal und sorgte für eine Endlosschleife bei der Generierung der Startseite des Portals. Der Hilferuf ereilte uns auf dem Weg nach Italien. Erst in Innsbruck fanden wir einen christlichen Buchladen, in dem wir mithilfe rudimentärer Mittel wie des Windows-Editors und des DOS-Eingabefensters die notwendigen Anpassungen vornehmen konnten. Dann lief die Seite.

Die Seite etablierte sich auch schnell in den Google-Suchergebnissen, wenn bestimmte Gemeinden oder Angebote in Berlin gefunden werden sollten.

Innerhalb von dreizehn Jahren hatte sich jedoch einiges im Internetbereich geändert. Etwa 50% der Besucher surfen jetzt per Smartphone. Die allgemeine Optik hatte mehrere Generationen durchlaufen und die Anlehnung der Navigation an die damaligen Startseiten von Yahoo oder AOL waren lange überholt. Ganz abgesehen davon, dass diese beiden Anbieter neben Google massiv an Marktrelevanz verloren haben.

Deshalb entschieden wir uns im Sommer 2016 auf recht kurzem Wege zu einem optischen Relaunch bei gleichbleibender Funktionalität. Das Design wurde von Florian Walz geliefert, der uns auch in anderen Projekten unterstützt.

Zwischen Weihnachten und Neujahr wurde die frische Optik programmtechnisch umgesetzt und die Webseite freigeschaltet.

Die Redakteure von Gemeinsam für Berlin pflegen weiterhin regelmäßig neue Links, Veranstaltungen, Kleinanzeigen und Aktuelles mit regionalem Bezug ein. Es lohnt sich also, öfter mal bei www.Christen-in-Berlin.de vorbeizuschauen. Wer die Seite nicht direkt anwählt, wird sicher demnächst bei Google darüber stolpern.

Mittwoch, 4. Januar 2017

Dankbar für die erste Million

Die erste Million sei die schwerste, heißt es. Deshalb werde an der zweiten Million gearbeitet, wenn es mit der ersten nicht geklappt hatte.



Gestern Abend erhielten wir die freudige Mitteilung, dass der Facebook-Kanal der Internetmission Berlin, auch als Gott in Berlin bekannt, die personelle Reichweite von einer Million überschritten hat. Es gab fast 110.000 Beitragsinteraktionen und 421 Likes innerhalb einer Woche.

Der virale Beitrag bestand aus einem fotografierten Text mit dem Titel "Ich bin dankbar". Ein Text, der schon einmal im Vorjahr gepostet wurde, aber so gut wie keine Beachtung gefunden hatte. Wir kannten den Text von einer Andacht im Rahmen unserer Kur im Sauerland. Darin heißt es:

Ich bin dankbar
  • für die Steuern, die ich zahle, weil das bedeutet, ich habe Arbeit und Einkommen.
  • für die Hose, die ein bisschen zu eng sitzt, weil das bedeutet, ich habe genug zu essen.
  • für das Durcheinander nach der Feier, das ich aufräumen muss, weil das bedeutet, ich war von lieben Menschen umgeben.
  • für den Rasen, der gemäht, die Fenster, die geputzt werden müssen, weil das bedeutet, ich habe ein Zuhause.
  • für die laut geäußerten Beschwerden über die Regierung, weil das bedeutet, wir leben in einem freien Land und haben das Recht der freien Meinungsäußerung.
  • für die Frau in der Gemeinde, die hinter mir sitzt und falsch singt, weil das bedeutet, dass ich gut hören kann.
  • für die Wäsche und den Bügelberg, weil das bedeutet, dass ich genug Kleidung habe.
  • für die Müdigkeit und die schmerzenden Muskeln am Ende des Tages, weil das bedeutet, ich bin fähig, hart zu arbeiten.
  • für den Wecker, der morgens klingelt, weil das bedeutet, mir wird ein neuer Tag geschenkt. 

Wegen der starken Verbreitung dieses Textes kann die ursprüngliche Quelle auch per Google nicht eindeutig ermittelt werden. Ebenso wenig kann solch ein Zugriffsverhalten verlässlich geplant werden. Es existieren bestimmte Hebel und Parameter, die einen gewissen Erfolg bei der Verbreitung von Inhalten im Internet versprechen. Einen Garant gibt es jedoch nicht.

Weitere Zahlen

Die Besucherzahlen des YouTube-Kanals meiner Firma hatten zum Jahreswechsel die halbe Million geknackt. Von Jugendlichen wird der Kanal als "langweilig" eingestuft. Er bedient eher Besucher aus dem Umfeld von Politik und Wirtschaft.

Auch der Church-Checker-Blog schreitet straff auf die 10.000 Leser pro Monat zu, obwohl er erst seit einem knappen Jahr wieder aktiv gepflegt wird.

Montag, 2. Januar 2017

Mülheimer Verband und die DNA

Der Mülheimer Verband ist mit seinen knapp 110 Jahren ein recht junger Gemeindeverbund. Deutschlandweit versammeln sich etwa 4.400 Menschen in den Gottesdiensten der 43 Gemeinden und Gründungsprojekte.



"Hier Ihr Kaffee", der Kommissar reicht seinem Gegenüber einen dampfenden Becher. Die als Freundlichkeit verstandene Geste wird anschließend zur Ermittlung der DNA des Befragten verwendet. Die DNA-Spuren am Becher werden mit den Spuren am Tatort abgeglichen, so dass eine eindeutige Überführung des Täters möglich wird.

In einem Buch über wissenschaftliche Antworten auf absurde Fragestellungen beschäftigt sich ein Kapitel mit den Folgen der Selbstbefruchtung. Es kommen zunächst die Berechnungsformeln zur Ermittlung der neuen DNA aus zwei Eltern-DNAs zum Einsatz. Wir lernen dort, dass ein hoher Grad der Divergenz sehr förderlich für die DNA des Kindes ist. Dabei geht es mehr um die vorhandenen DNA-Informationen der Großeltern als die der Eltern selbst. Treffen nun zwei identische DNAs aufeinander, kann es im Idealfall zu einer Extrempotenzierung guter Eigenschaften kommen, so dass ein Genie entsteht. Allerdings ist die Option einer breiten Null-Setzung von Eigenschaften deutlich wahrscheinlicher, da sich identische DNA-Faktoren in der Regel gegenseitig aufheben.

DNA des Mülheimer Verbandes

Die DNA enthält wichtige Informationen über die Herkunft und die Beschaffenheit ihres Inhabers. Deshalb hat die Begrifflichkeit der DNA auch in anderen Lebensbereichen Einzug gehalten und dient als Definition des Selbstverständnisses. Vor zwei Jahren hatte der Mülheimer Verband seine DNA formuliert und in die Grundsatzpapiere aufgenommen.

Ich mag den Mülheimer Verband. Die erste Berührung mit Leuten aus dessen Umfeld hatte ich Anfang der 1990er Jahre. Sie fielen dadurch auf, dass sie auch bei alltäglichen Gelegenheiten wie Geburtstagspartys über ihren Glauben redeten, als sei das eine ganz normale Angelegenheit. Sie fragten mich, wie und wann ich mich für Jesus entschieden hatte und wie das mit der Taufe gewesen sei. Solche Gespräche außerhalb offizieller Gemeindeveranstaltungen waren bis dahin ungewohnt, so dass ich mehr darüber erfahren wollte. Auf diesem Wege kam ich zur Lukas-Gemeinde in Schöneberg, wo ich auch meine Frau kennen lernte.

Die Lukas-Gemeinde gehört zum Mülheimer Verband und hatte beginnend mit der Josua-Gemeinde in Spandau mehrere Gemeinden in Berlin gegründet. Das heißt, es wurden immer wieder Mitglieder der Lukas-Gemeinde in die Berliner Bezirke "gesendet", um vor Ort Gemeinden zu gründen. Es folgten Projekte in Friedrichshain, Marzahn, Steglitz, Pankow und Prenzlauer Berg.

Vision und das Beste für die Stadt

Auch bundesweit sind neue Gemeinden des Mülheimer Verbandes im Entstehen. Kein Wunder also, dass diese Wachstumssicht in der DNA zementiert wurde. Der erste Punkt thematisiert die biblische Aufforderung, das Beste für die Stadt zu suchen (Jer 29,7). Der zweite Punkt beschäftigt sich mit der Vision, dass Gemeinden dadurch wachsen, dass Menschen zum Glauben an Jesus finden, dass innerliche Erneuerung anhand der Bibel als fortdauernder Prozess praktiziert wird, neue Gemeinden entstehen und auch das soziale Engagement nicht zu kurz kommt.

Werte und Herkunft

Um die Vision konkret werden zu lassen, bedarf es einer Wertegrundlage. Diese Werte werden im dritten Punkt formuliert. Die Bibel nimmt dort einen zentralen Platz ein. Auch der Dialog mit Christen anderer Denominationen ist hier verankert. Schriftlich niedergelegt ist zudem das Leben nach den Grundsätzen der Bibel im Alltag, vertrauensvolle und verbindliche Beziehungen untereinander sowie die Wertschätzung von Mitarbeitern und Leitern. Letzteres wird gerne bei Mitarbeiterbanketten zum Ausdruck gebracht.

Neben der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden und christlichen Werken ist auch die Herkunft aus der Erweckungsbewegung um 1900 ein wichtiger Wert des Mülheimer Verbandes. Damals hatten sich die Leiter unterschiedlicher Gemeinden zum gemeinsamen Gebet und der Vorbereitung einer Evangelisation getroffen. Als erste Maßnahme hatten sie sich Vergebung für die langjährigen Unstimmigkeiten zwischen ihren Gruppierungen zugesprochen und um Einheit gebetet. Diese Einheit trat dann tatsächlich ein und hatte eine Erweckung im Ausmaß der Apostelgeschichte zur Folge.

Glaubenskultur

Die Glaubenskultur wird im vierten Punkt mit Leidenschaft für Jesus und ein stetig wachsendes Vertrauen in Gott definiert. Hinzu kommen eine Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes inklusive begleitender Zeichen und Wunder, eine Begeisterung beim Weitergeben des Glaubens und eine Sehnsucht nach dem Reich Gottes in Form von positiver Klimaveränderung und der Wiederkunft von Jesus.

Gesunde Führungspersönlichkeiten

Der letzte Punkt der DNA des Mülheimer Verbandes widmet sich gesunden Leitern, die nach 2.Tim 2,2 entdeckt und gefördert werden sollen, um anschließend weitere Leiter zu finden und zu entwickeln. Mehrfach wird das Wort "Führungspersönlichkeit" verwendet, welches Leiter impliziert, die authentisch, ehrlich und kompetent nach dem dienenden Vorbild Jesu ihre Berufung ausfüllen.

DNA in der Praxis

Beim Mülheimer Verband haben wir einige authentische Leiterpersönlichkeiten kennen gelernt. Menschen, deren Vorbildwirkung in Wort und Tat Übereinstimmung findet und auch meine Handlungsmuster beeinflusst hatte. Einer dieser Leiter, Ekkehart Vetter, ist seit gestern Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA). Andere Leiterpersönlichkeiten gehen säkularen Berufen nach und leben das vor, was in der DNA des Mülheimer Verbandes als theoretische Grundlage fixiert wurde.

Der Mülheimer Verband hat mehr als andere Glaubensgemeinschaften den Spagat zwischen evangelikal und charismatisch geprägten Christen zu meistern. Aber gerade diese Vielfalt ergibt eine interessante Mischung.

Samstag, 31. Dezember 2016

Gottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Durch eine Presseinformation wurde ich gestern Nachmittag auf einen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche aufmerksam gemacht. Der Jahresabschlussgottesdienst der Schaustellerinnen und Schausteller hat wohl schon Tradition an diesem Ort.



"Ach hier war das", der zweite gediegene Herr mit Mantel und Brille nickte, während beide auf das Kerzenmeer in der großen Lücke zwischen den Weihnachtsmarkt-Buden schauten. Wir eilten an ihnen vorbei. Es war zwar noch genügend Zeit, aber wir wussten ja nicht, wie gut der Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche besucht sein wird.

Im Eingangsbereich wurden die Gäste von Verantwortlichen des Schaustellerverbandes begrüßt. Ein Mitarbeiter drückte uns ein Programmheft in die Hand. Der Saal war noch recht leer, so dass wir relativ weit vorne Platz nehmen konnten. Auf dem Altar waren eine Bibel, ein Kreuz, zwölf Kerzen und Abendmahlsgeschirr symmetrisch angeordnet. Darüber schwebte eine segnende Jesus-Figur in goldenem Glanz.

Jahresschlussgottesdienst Schausteller Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Jahresschlussgottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche


Innerhalb der nächsten halben Stunde füllte sich der Saal mit Leuten, die sich offensichtlich kannten und teilweise sehr herzlich begrüßten. Einige waren in Schwarz erschienen, um sich optisch mit ihren Kollegen und Kunden des Weihnachtsmarktes am Breitscheidplatz zu solidarisieren. Als die Orgel erklang, erhob sich die Gemeinde. Durch den Mittelgang schritten katholische und evangelische Pfarrer sowie Entscheidungsträger aus Regionalpolitik und Wirtschaft. Sie stellten zwölf weitere Kerzen auf den Altar.

Das gemeinsame Eingangslied "Von guten Mächten wunderbar geborgen" hatte heute eine ganz besondere Bedeutung. Dietrich Bonhoeffer hatte den Text 1944 geschrieben und erlebte den darauf folgenden Jahreswechsel nicht mehr. Beim Jahresschlussgottesdienst der Schausteller im letzten Jahr hätte wohl niemand damit gerechnet, dass wenige Meter neben der Gedächtniskirche zwölf Menschen aus dem Leben gerissen werden. Sie konnten den Heiligabend 2016 nicht mehr erleben.

Jahresschlussgottesdienst Schausteller Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Jahresschlussgottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche


Auch der Predigttext zur Jahreslosung 2016 "Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet" aus Jes 66,13 bekam angesichts der vorweihnachtlichen Ereignisse eine ganz neue Bedeutung. Gedächtniskirchen-Pfarrer Martin Germer nahm die Zuhörer emotional in den Text hinein und ermutigte auch die harten Männer des Schaustellergewerbes, Tränen zuzulassen und professionelle Hilfe bei der Bewältigung von Trauer, Schlaflosigkeit und Angst zu suchen. Martin Germer ging aber auch auf die Ursprünge des Textes und die damalige Situation des Volkes Israel ein.

Besonders beeindruckend war die Instrumentalbegleitung von Andreas Uhle, der bei einem der Orgelstücke mit einer Aida-Trompete vor dem Altar stand. Warum nur musste ich unentwegt an die sieben Engel mit den Posaunen aus Off 8,2 denken, die in den Offenbarungskapiteln acht bis elf zum Einsatz kommen?

Nach dem Abendmahl, übrigens mit Weißwein, kam Circus- und Schaustellerseelsorger Torsten Heinrich (EKD) zum Einsatz. Er gab einen Ausblick auf die Jahreslosung für 2017: "Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch". Der Vers steht in Hesekiel 36,26 und wurde in einer Zeit verfasst, die die Israeliten in der babylonischen Verbannung zubrachten, die sie sich maßgeblich durch ihr Desinteresse an Gott eingebrockt hatten.

Jahresschlussgottesdienst Schausteller Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Jahresschlussgottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche


Der Segen wurde gemeinschaftlich evangelisch und katholisch gesprochen. Die Kollekte war für die Konfirmanden der Circus- und Schaustellerseelsorge gedacht. Die Kinder und Jugendlichen von Eltern dieser Branche sind ja besonders durch ständige Wohnortwechsel herausgefordert. Mein Sohn flüsterte mir zu, dass das ja gar nicht so dramatisch sei, wie man an unserer guten geistlichen Versorgung durch divergente Gottesdienstbesuche sehe.

Am Ausgang gab es Kerzen mit der Jahreslosung. Einige dieser Kerzen fanden sich anschließend im Meer der Kerzen an der provisorischen Gedenkstätte zwischen den Weihnachtsmarkt-Buden wieder.

Dienstag, 27. Dezember 2016

Migrationskirchen in Berlin

In den letzten eineinhalb Jahren hatten wir über sechzig verschiedene Gemeinden besucht und in diesem Blog beschrieben. Darunter waren auch Gemeinden mit starken afrikanischen, russischen oder internationalen Akzenten. Der Gemeinsam für Berlin e.V. hat nun eine Webseite aufgesetzt, die der starken Zuwanderung nach Berlin Rechnung trägt.



Beim Besuch von Gemeinden mit internationalem Mitgliederschwerpunkt stellten wir fest, dass das nur bedingt auf unsere kulturellen Bedürfnissen adaptierbar ist. Auch wenn wir in der Regel sehr herzlich aufgenommen wurden, fanden wir bei Gottesdienstelementen, den aktuellen Themen oder dem Frömmigkeitsstil zu wenige Anknüpfungspunkte, die eine tragfähige Langzeitgemeinschaft möglich gemacht hätten.

Gleich und Gleich ...

Dass dieses Empfinden auf Gegenseitigkeit beruht, stellten wir bereits Anfang der 1990er Jahre fest, als viele Russlanddeutsche nach Berlin kamen und nur wenige von ihnen in etablierten Gemeinden Anschluss fanden. Integration ist zwar in aller Munde, gestaltet sich jedoch in der Praxis schwieriger als gewünscht. So finden sich ethnisch und konfessionell harmonierende Gruppen und gründen neue Gemeinden in der Stadt, die wiederum einen klaren Zielgruppenfokus aufweisen.

Um Suchenden das Finden leichter zu machen, hat Gemeinsam für Berlin nun die Webseite Migrationskirchen-in-Berlin.de aufgesetzt, die die einzelnen Gemeinden und Kleingruppen nach Sprache, Nationalität und Konfession bzw. geistlicher Prägung katalogisiert.

Französisch, Farsi, Filipino

Wer zuwandert und Farsi spricht, kann diese Sprache anklicken und bekommt darauf fünf Gemeinden in Berlin angezeigt. Koreaner haben eine deutlich größere Auswahl. Ihnen werden evangelische Freikirchen, Pfingstgemeinden und eine römisch-katholische Gemeinde präsentiert. Während sich die Koreaner stark auf die City konzentrieren, bewegen sich russische Gemeinden eher auf die nördliche und östliche Peripherie zu. Franzosen haben fünf relativ zentral gelegene Anlaufstellen, die von acht portugiesisch sprechenden Gemeinden umringt sind.

Die Karte zeigt diverse europäische Sprachgemeinden von ungarisch über norwegisch, schwedisch, serbokroatisch, holländisch und polnisch bis hin zu finnisch. Philippiner, Vietnamesen, Japaner, Chinesen, Mongolen, Tamilen und weitere Asiaten versammeln sich großflächig in Berlin. Araber, Kopten, Aramäer, Syrer ziehen sich mit vierzehn Standorten geografisch betrachtet in Bananenform zwischen Tegel und Grunewald über die Stadt.

Wie zu erwarten war, haben Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und gleichzeitigen Kenntnissen der englischen Sprache die größte Auswahl bei etwa dreißig im Portal registrierten Anlaufstellen. Beim Besuch einiger dieser Gemeinden konnten wir einen hohen Grad des Integrationspotenzials feststellen.

Weitere Infos

Bei einigen der Sprachen kann weiter geklickt werden, so dass sich einzelne Denominationen aufklappen und Einzelgemeinden sichtbar werden. Klickt man weiter, werden Gottesdienstzeiten und zusätzliche Informationen sichtbar. Ein sehr praktisches und gut navigierbares Webangebot zum schnellen Auffinden einer eventuell passenden Gemeinde. Die finale Entscheidung kann ohnehin erst nach einem Besuch vor Ort getroffen werden.

Samstag, 24. Dezember 2016

ICF - Heiligabend im UCI Gropius Passagen

Wachsende Gemeinden erfordern größere Locations. Nach einem sehr gut besuchten Weihnachtsgottesdienst im letzten Jahr hatte ICF diesmal einen Kinosaal im UCI Gropius Passagen angemietet.



Die Omas klingelten viel zu früh. Mein Sohn hatte gerade die Tischdecke gebügelt und den Tisch für den anschließenden Verzehr von Bouletten, Kartoffelsalat und Würstchen vorbereitet. Ich versuchte hinter der Couch das Verlängerungskabel in eine Steckdose mit Kindersicherung zu bekommen. Da half nur noch ein Schraubendreher, der die Kindersicherung in hohem Bogen herausschnellen ließ.

Omas und Kekse

Die Omas gaben nun die Geschwindigkeit vor. Mit sechs Personen mussten wir sogar zwei Autos nutzen. Obwohl auch verkehrstechnische Dämpfungsfaktoren aus Märkisch Oderland (MOL) unterwegs waren, erreichten wir die Gropius Passagen so früh, dass wir vor dem Eingang zum Kinosaal 4 warten mussten. Es wurden selbst gebackene Kekse verteilt.

Kurz vor drei wurden die Pforten geöffnet und innerhalb kürzester Zeit hatte sich der Saal fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Pastor Stefan Hänsch ging durch die Reihen und begrüßte einige Leute. Ab und zu sahen wir Bekannte vom SOLA und anderen Berührungspunkten. Der Countdown lief diesmal nur fünf Minuten und war in eine schlichte Weihnachtsschmuck-Grafik eingebettet.

Emojis und Weihnachtslieder

Der Gottesdienste, bei ICF Berlin auch Celebration genannt, begann mit einem Quiz. Dabei wurden die Besucher in zwei Gruppen von Leuten unter 25 und über 25 eingeteilt. Es sollten anhand von WhatsApp-Emojis Weihnachtslieder erraten werden. Die Antworten ließen in der Regel weniger als fünf Sekunden auf sich warten.

Dann gab es mehrere Vortragsstücke auf Deutsch und Englisch mit unterschiedlicher instrumentaler und personeller Besetzung. Ich war beeindruckt von den Hintergrundbildern und der Lichttechnik und fragte mich die ganze Zeit, wie lange wohl die Vorbereitungen gedauert haben müssen. Es folgte das obligatorische Krippenspiel mit einem schlichten aber wirkungsvollen Bühnenbild. Auch hier war die Beleuchtung perfekt abgestimmt. Allerdings rätselte die Familie anschließend über den roten Faden des Stückes, da offensichtlich mehrfach zwischen eigentlichem Stück und Rahmenhandlung bei der Verteilung der Rollen umgeschaltet wurde.

Fürchtet euch nicht!

Die Predigt hatte den Omas am besten gefallen. Inhaltlich ging es um das Thema "furchtlos". Der Referent schüttelte eine Schneekugel und nahm uns in die Zeit seiner Kindheit mit, wo er in verschiedenen Situationen das Glas geschüttelt hatte und dann mit dem Beruhigen des Sturmes im Glas auch selbst ruhiger wurde. Furcht ist ein aktuelles Thema. Furcht war im Sommer aktuell, als die ersten Konzepte für den Weihnachtsgottesdienst überlegt wurden. Furcht war auch vor 2.000 Jahren angesagt, als die Römer die Vorherrschaft in Israel ausübten und Jesus geboren wurde. "Fürchtet euch nicht", sprechen die Engel den Hirten zu. "Fürchtet euch nicht", sagt Jesus mehrfach zu seinen Schülern. "In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden", gibt Jesus seinen Jüngern und uns in Joh 16,33 mit auf den Weg. 365 Mal soll dieser Zuspruch in der Bibel vorkommen. Für jeden Tag ein Zuspruch der Ermutigung.

Als ein großes Bild mit Kreuz auf der Leinwand eingeblendet wurde, verließ eine Sitzreihe mit mehreren Kopftuchfrauen und deren männlichem Anhang den Saal. Das war aber relativ am Ende, so dass sie noch die vielen Lieder und das Krippenspiel miterlebt hatten.

Kekse und Würstchen

Nach der Predigt gab es weitere gemeinsame und vorgetragene Lieder. Kathrin Hänsch sprach den Segen und gab noch einige Informationen weiter. Am Ausgang wurde die Kollekte eingesammelt und die immer noch reichlich vorhandenen selbst gebackenen Kekse verteilt.

Obwohl meine Kinder und ich einen deutlich weiteren Weg zum Parkplatz hatten, waren wir schneller zu Hause als meine Frau mit den Omas. Das gab dann zwar Ärger, aber den konnten wir damit kompensieren, dass wir bereits Wasser für Tee und Würstchen aufgesetzt hatten.

Mittwoch, 21. Dezember 2016

3. Johannes und der Trend zum Hals

Der zweite und dritte Johannesbrief werden mit ihren insgesamt nur 28 Versen schnell mal überlesen. Es folgt der Judasbrief und dann die atemberaubende Offenbarung. Gestern schauten wir uns den 3. Johannes etwas genauer an.



"So intensiv hatte ich mich noch nie mit dem 3. Johannesbrief beschäftigt", sagte mir anschließend ein Teilnehmer der recht großen Runde des Gebetsabends. Passend zum Jahresende war das der Abschluss einer längeren Expedition durch die drei Briefe des Apostels.

3. Johannesbrief
3. Johannesbrief ist mit 15 Versen das kürzeste Buch des Neuen Testamentes
Gaius, Diotrephes und Demetrio

In den fünfzehn Versen tauchen drei Hauptakteure auf: Gaius, Diotrephes und Demetrio.

Gaius wird als gastfreundlicher Gemeindeleiter vorgestellt, der sich um reisende Missionare kümmert und von diesen dafür gelobt wird. Auch Demetrius wird von Johannes gelobt. Er bekommt sogar eine dreifache Bestätigung (Zeugnis), nämlich von allen, von der Wahrheit und von den Leuten um Johannes. Neben dem deutschen Wort "Liebe", das in anderen Sprachen wie Griechisch oder Latein noch besser auf Wertschätzung, diakonische Liebe, erotische Liebe oder Geschwisterliebe differenziert wird, spielt bei Johannes auch "Wahrheit" eine sehr große Rolle.

Wahrheit

Der wohl bekannteste Satz dazu steht in Joh 18,38, wo Pilatus die Frage stellt: "Was ist Wahrheit?", obwohl die "Wahrheit" (Joh 14,6) direkt vor ihm steht.

In den Versen neun und zehn geht es um Diotrephes, der "der erste sein möchte". Bei Nestle-Aland lesen wir sogar, dass er es liebt, sich wie der erste zu benehmen (amat primatum gerere). Das erinnert ein wenig an das gelegentlich formulierte Selbstbild des "primus inter pares" (Erster unter Gleichen), was dann in der Praxis eher als "primus supra pares" gelebt wird. Und wenn "supra" (über) nicht klappt, dann eben "iuxta" (neben). Solch ein Primus schafft gerne vollendete Tatsachen an der Gemeinde und deren Leitung vorbei, die das dann aber bitte im Nachhinein zu unterstützen haben.

Mit Wahrheit hat das nichts zu tun. Diotrephes kann folglich auch keine "Brüder" ertragen, die seinen unwahren Behauptungen nicht folgen. Sie werden aus der Gemeinschaft herausgeworfen. Ein Wort, das wir auch von der Eject-Taste des DVD-Players kennen.

Der Hals

Vor einigen Tagen unterhielten wir uns mit einer theologischen Schlüsselperson über die Passgenauigkeit von Persönlichkeitsstrukturen zu gemeindlichen Aufgabenprofilen. Er berichtete, dass wohl insbesondere jüngere Pastoren den Dienst des Alleinunterhalters wiederentdeckt hätten. Die Zuhörer waren erstaunt, zumal es weder mit den Prinzipien von 1. Kor 12 noch mit säkularen Trends der Teambildung harmoniert.

Abgesehen vom drohenden Burnout des Alleinunterhalters stagniert auch das Wachstum der Gemeindemitglieder in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Unwahrheit und Heuchelei werden gefördert. Wer möchte schon gerne wie eine DVD ausgeworfen werden? Der Primus mit dem Anspruch, den ganzen Leib Christi in seiner Person zu verkörpern, macht sich letztlich selbst zum Hals, obwohl dieser in den Metaphern zum gesunden Leib Christi gar nicht erwähnt wird. Der Hals verbindet den Kopf (Jesus) mit dem Körper (Gemeinde) und kontrolliert die Kommunikationswege. Auch eine im südlichen und östlichen Mittelmeerraum agierende Islamistengruppe hat den Hals als geeignetes Körperteil zur Unterbrechung lebenswichtiger Steuerungs- und Nachschubwege entdeckt.

Freundschaft

Gut, wenn Johannes dann in den letzten zwei Versen schreibt, dass er sich gerne persönlich mit Gaius unterhalten möchte und dass er ihm Frieden wünscht. Zweimal redet er im letzten Vers sogar von Freunden, was Gaius in seiner aktuellen Situation die Gewissheit vermittelt, dass er nicht alleine steht.

Montag, 19. Dezember 2016

Adrians neuer Adventskalender

Adrian Plass wurde mit dem "frommen Chaoten" bekannt. Wie sein Adventskalender zeigt, kann er auch ernste Geschichten schreiben.



Der Sohn unseres Steuerberaters, Adrian Snell und Adrian Plass waren gute Argumente für die Namensgebung unseres Sohnes. Meinen Eltern gefiel der Name Adrian zwar nicht. Für uns war er jedoch mehrfach positiv belegt. Zudem gab es eine Kongruenz zwischen unserem Humor und dem des schreibenden Adrians.

Mit dem Titel seines Buches "Adrians neuer Adventskalender" hatten wir eine fröhliche Adventszeit assoziiert und waren davon ausgegangen, dass wir die vierundzwanzig Tage bis Heiligabend mit heiteren Erzählungen erfreut werden.

Adrian Plass - Adrians neuer Adventskalender
Adrian Plass - Adrians neuer Adventskalender
Das Büchlein mit den knapp 100 Seiten enthält 24 Kapitel, so dass an jedem Dezembertag analog zum Weihnachtskalender eine Geschichte gelesen werden kann. Ein beachtlicher Teil der Geschichten ist allerdings eher ernst und besinnlich.

Besonders bewegt waren wir am 14. Dezember durch das Kapitel mit der Überschrift "Der Keller". Die Geschichte nimmt eine Wendung, mit der man nicht gerechnet hatte. Einen Tag zuvor hatten wir noch eine Kostprobe britischen Humors bekommen.

So wechseln sich in diesem "Adventskalender" heitere Geschichten und ernste Denkanstöße ab. Man weiß nicht, was einen am nächsten Tag erwartet. Bis zum Heiligabend bleibt es spannend und die tägliche Lese-Überraschung ähnelt der kindlichen Überraschung beim Öffnen des nächsten Türchens am Schokokalender.

Dieses Buch ist "exklusiv für Adrians deutsche Freunde" geschrieben. Immerhin kennt man ihn ja durch die unzähligen Berichte aus dem Leben des frommen Chaoten.

Sonntag, 18. Dezember 2016

Kneipen-Gottesdienst in Lankwitz

Die Internetmission Berlin dreht zur Zeit Filme über Glaubensthemen, die in einer Lankwitzer Kneipe spielen. Heute fand erstmalig ein Gottesdienst im "Schusterjungen" statt.



Thomas Nachtigall ist in seinem Kiez als "Don Camillo" bekannt. Der studierte Theologe fällt aus sämtlichen pietistischen Rastern und eckt regelmäßig mit seinen provokanten Artikeln im Blog von GottinBerlin.de an. Er ist zudem der fromme Part im "Berliner Kneipengespräch" und erklärt dort seinem Kollegen Werner Kasulske in breitem Berlinerisch, wat im Jlobn Sache is, wa?

Als ich zusammen mit meiner Mutter (75) kurz vor elf in Lankwitz eintraf, war der Kneipenraum schon gut gefüllt. Direkt vor der Bühne, besser gesagt vor dem Tresen, fanden wir noch zwei Plätze an einem Vierertisch. Der Stammtisch neben uns war reserviert und weitestgehend besetzt. Stimmengewirr. Kellnerinnen trugen Kakao, Kaffee, Weiße, Cola, Bier und Schnaps durch den Raum. Es wurde immer enger, so dass sogar noch Stühle von der Freifläche geholt werden mussten.

Blues und Rock'n Roll

Dann traf auch der Rock'n Roll Preacher mit seinem Equipment ein. Eine Verstärkerbox, eine Konzertgitarre und eine E-Gitarre wurden ausgepackt und angeschlossen. Unter seinem Ledermantel wurde ein großer Patronengürtel sichtbar. Der regelmäßige Kneipengast neben mir zeigte sich erleichtert, dass im Gürtel nur unzählige Mundharmonikas statt der üblichen großkalibrigen Patronen steckten.

"Ej, Nachtigall-Pfarrer, fang an", rief ein Gast über seinen zweiten Schnaps hinweg. Der Preacher mit dem Ledermantel begann zu rocken und wurde von einem weiteren Musiker auf der E-Gitarre begleitet. Blues at its best! Die Gläser auf dem Tisch vibrierten, die Wirtin lächelte und Don Camillo platzierte sich im Schneidersitz auf dem hohen runden Tisch vor dem Tresen. Vor mir saß nun auch ein ZZ-Top-Double auf einem der hereingetragenen Stühle.

Paule und Kasulske

Um den Bezug zum "Schusterjungen" zu erklären, zeigte Thomas zunächst den jüngsten Kneipen-Streifen zur Fragestellung "Wat is Advent". Paule und Kasulske unterhalten sich darin über eintreffende Leute, Geburtstagsgeschenke, den Weihnachtsmann und Jesus. Paule raucht, trinkt Bier und erklärt das Evangelium mit Herz und Schnauze. Der Kasulske-Darsteller saß im hinteren Teil der gemütlichen Gaststube.

Persönliche Beziehung zu Jesus

Es müssen so um die fünfunddreißig Leute der anschließenden Predigt gelauscht haben. Es war allerdings keine klassische Predigt mit Kanzel, Bibeltext, Exegese und diversen Unterpunkten sondern eine Predigt, wie sie in der Apostelgeschichte mehrfach zu finden ist. Thomas erzählte von seiner Begegnung mit Jesus, der ihn nach einem sehr persönlichen Gebet auf Berlinerisch, mit Herz und Schnauze eben, von Sinnlosigkeit, Angst und Schlaflosigkeit befreit hatte. Dieses persönliche Erleben war so markant, dass es maßgeblich seine weiteren Entscheidungen und Entwicklungen beeinflusst hatte. Er zitierte nur einen Bibelvers aus Off 3,20, worin es heißt, dass Jesus an der Tür steht, anklopft und möchte, dass wir ihn einlassen. Sehr persönlich ging es weiter, so dass am Ende jeder im Raum wusste, dass es um die Beziehung zu Jesus und nicht um fromme Rituale gehe.

Rauchen, Schnaps und Segen

Dem Raucher neben mir war die Predigt zu lange, so dass er den Zuhörern klar machte, dass er dringend das WC benutzen müsse. Danach ging er vor die Kneipentür und rauchte. Beim abschließenden Amazing Grace setzte er sich zu seinem dritten Schnaps und sang mit einer beachtlich guten Stimme mit. Er trug Jeans, ein Hemd, schwarze Lederschuhe und ein graues Sakko, welches ihn unter der Woche optisch als Teil der New Economy durchgehen ließe.

Der Nachtigall-Pfarrer betete und leitete dann ins Vaterunser über, welches fast alle Kneipenbesucher mitbeten konnten. Es folgte ein weiterer Blues und der persönlich formulierte Segen. "Wo war denn jetzt der Abschluss-Segen", wurde Thomas nach dem Gottesdienst gefragt, "so mit Kreuz und so". "Ich hatte euch einen persönlichen Segen zugesprochen", war seine ruhige Antwort und wurde akzeptiert.

Erst als wir im Auto saßen, bemerkten wir, dass wir uns ja eben über eine Stunde in einer Raucherkneipe aufgehalten hatten. Das Hemd war in leichten Nikotingeruch gehüllt, aber es hatte uns dort nicht gestört. Meine Mutter zählte auf der Rückfahrt die Fortsetzungs-Termine für den Kneipen-Gottesdienst auf und gab mehrfach das als Lob zu wertende Statement: "Wenn du hier das nächste Mal hinfährst, komme ich wieder mit".