Samstag, 17. Dezember 2016

Was hat Audi mit der Bibel zu tun?

Angeregt durch Sprüche 16, 9 "... Gott lenkt" fielen mir in der letzten Woche ständig Bezüge zu deutschen Fahrzeugherstellern auf, die ich dem geneigten Leser dieses Blogs nicht vorenthalten möchte.



Als Ergebnis einer Geburtstagsparty lag ein kleiner Zettel mit der Aufschrift "GOTT LENKT." auf meinem Schreibtisch und postulierte eine Wahrheit, die mir schon länger bewusst ist. Allerdings regen auch bekannte Wahrheiten gelegentlich weitere Denkprozesse an und schwingen in sämtlichen Alltagssituationen mit.

Mercedes und der volle Lohn

So stolperte ich diese Woche im zweiten Brief des Johannes über den Vers 8, wo es heißt, dass wir aufpassen sollen, dass wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen. Auf Latein endet der Vers wie folgt: "sed ut mercedem plenam accipiatis". Der volle Lohn (merces) könnte also bei mobile.de mit "Mercedes Voll! Voll! Voll!" angepriesen werden, was eine höchst mögliche Ausstattungsfülle bedeutet oder einfach nur den potenziellen Kunden zu einer Vorabüberweisung nach England bewegen soll.

sed ut mercedem plenam accipiatis
Mercedes - sed ut mercedem plenam accipiatis - damit ihr den vollen Lohn empfangt.
Janis Joplin besingt den Wunsch sogar mit den Worten: "Oh Lord, won't you buy me a Mercedes Benz?" und setzt damit auf einer biblischen Parallele aus Numeri 11 auf. Dort wurde um Wachteln gebeten und diese gab es dann auch. Der Text aus dem vierten Mose zeigt jedoch auch, dass nicht jeder erfüllte Wunsch wirklich zum Besten dient. Deshalb sollte der "merces" Gottes idealerweise Ihm überlassen werden.

Es könnte sich auch um einen Denar aus Matthäus 20, 1-16 handeln. In Vers acht lesen wir "... redde illis mercedem ..." (gib ihnen den Lohn), was wohl die zuerst angestellten Mitarbeiter missverstanden hatten, da sie sich anschließend über den einen Denar beschwerten. Rechnet man das damalige Gewicht des Reinsilber-Denars (4,55g) auf den heutige Preis der Feinunze um, kommt man auf einen Gegenwert von etwa drei Euro. Damit konnte man damals einen Tag finanzieren und heute etwa zwei Liter Benzin für den Mercedes kaufen. Damit kämen wir mit einer S-Klasse gerade von zu Hause bis zum CVJM Kaulsdorf und müssten dann wieder einen Tag lang im Weinberg arbeiten.

Audi - Vorsprung durch Hören

So schön die Laufruhe von Elektroautos wie Tesla & Co. ist, so gefährlich kann das für andere Verkehrsteilnehmer sein. Man hört diese Fahrzeuge einfach nicht. Bei meinem ersten Vier-Liter-Auto hatte ich Doppelrohr-Endschalldämpfer von Remus und 200-Zellen-Metall-Sportkats verbaut, die meiner Frau auch durch die geschlossenen Scheiben signalisierten, dass ich gerade im Anflug bin.

Audi Israhel!
Audi Israhel! - 5. Mose 6, 4
Audi (Höre!) spielt im Neuen Testament eine große Rolle. Besonders markante Stellen finden wir in der Bergpredigt, wo es in Mt 7, 24+26 heißt: "qui audit verba mea haec" (wer diese meine Worte hört). Wer die gehörten Worte umsetzt, gleicht einem klugen Mann und wer sie nicht umsetzt einem dummen Mann (viro stulto).

Es gibt weitere Passagen, wo Jesus etwas hört und sich wundert (Mt 8,10), wo Herodes von Jesus hört (Mt 14,1), wo Jesus hört, dass Herodes etwas von ihm gehört hat (Mt 14,13), wo die Jünger hören, dass Jakobus und Johannes eine Sonderstellung bei Jesus angefragt hatten und unwillig darüber werden (Mt 20,24) oder die Begebenheit mit dem Blinden in Jericho, der hört, dass Jesus vorbeikommt und zu rufen beginnt, so dass Jesus stehen bleibt und ihn heilt (Lk 18,35-43).

Im Alten Testament gibt es noch das "Höre Israel" (Dtn 6,4), welches in der Vulgata mit "Audi Israhel!" übersetzt wird.

Mein zweiter V8 war so gut gedämmt, dass man im Innenraum nicht hörte, ob der Motor an ist. Bei erneutem Starten war aber ein ungesundes Geräusch des Anlassers zu vernehmen. Auf unserer Fahrt nach Kassel war ich beeindruckt von der guten Dämmung eines Audi A7. Das hätte ich einem viertürigen Coupé ohne Fensterrahmen gar nicht zugetraut. Audi ist übrigens der erste Fahrzeughersteller, der eine 3D-Klanganlage von Bang & Olufsen verbaut, die einzelne Tonspuren separieren kann.

Bete mal wieder!

Der Witz ist alt, bei dem ein Pfarrer und ein Busfahrer an der Himmelspforte anklopfen. Petrus schickt den Pfarrer weg, weil in seinen Predigten alle eingeschlafen waren. Der Busfahrer hingegen wird eingelassen, weil seine Mitfahrer immer intensiv gebetet hatten.

Ähnlich verhält es sich mit der Marke "Bete mal wieder" (BMW). Einige Zeitgenossen übersetzen die Abkürzung mit "Bring mich Werkstatt" oder gar mit "Bayerische Motorenwerke". Der ADAC weiß zu berichten, dass Fahrer von dunklen BMW mit starker Motorisierung als besonders aggressiv wahrgenommen werden. Damit werden nicht nur Schleicher auf der linken Spur, sondern auch begleitende Insassen eines BMW zum Beten angeregt.

"Bete mal wieder!" ist eine gute Idee für sämtliche Verkehrssituationen des Lebens. Wenn der BMW mit 256 km/h in den elektronischen Begrenzer fährt, der Weg frei ist, alles super läuft, die Insassen in die Sitze gepresst sind und das breite Grinsen im Gesicht des Fahrers steht. Dann ist ein Dankgebet dran oder ein Gebet für die anderen Verkehrsteilnehmer, dass sie ihr Ziel vor Augen behalten und nicht ausgerechnet jetzt in die linke Spur wechseln.

BMW Bete mal wieder!
BMW - Bete mal wieder!
Es gibt aber auch andere Situationen, in denen "Bete mal wieder!" die Aufforderung der Wahl ist. Wenn im direkten Umfeld Chaos ausbricht, Verluste hinzunehmen sind und die Fahrt gestoppt oder stark verlangsamt ist. Mal wieder Beten, flankiert mit dem Lesen der Bibel, kann Wunder wirken und schnell wieder auf die Überholspur bringen.

Als mein Auto innerhalb von zwölf Monaten dreimal in einen "Bring mich Werkstatt" umgewidmet wurde (siehe Foto), erlebte ich eine heilsame emotionale Lösung vom materiellen Wert solcher Fahrzeuge. Nach dem dritten Mal blieben die auf Ebay begehrten Teile einfach ausgebaut und ich konzentrierte mich auf das Wesentliche: den Fahrspaß. "Bete mal wieder!" hatte ich als blau-weiße Gedankenstütze weiterhin vor Augen.

Automarken für Rechtgläubige

Es gibt weitere Automarken, die sich in diesen Kontext einreihen könnten. Lexus beispielsweise soll so viel wie "Beschützer der Menschheit" bedeuten. Kombiniert man das mit dem Werbeslogan seines Herstellerkonzerns Toyota "Nichts ist unmöglich", erhält man eine interessante Hymne auf Gott, dem alle Dinge möglich sind (Mt 19,26).

Etwas anders verhält es sich bei Skoda, der mit "schade" oder "Schaden" übersetzt werden kann. Auch Adam Opel hat eine fragwürdige Stellung in der Bibel, wie uns beispielsweise die Verse in Römer 5,12-21 erläutern.

Aus den obigen Schilderungen ergibt sich eine Empfehlung für die automobile Historie eines Christen:

Audi, BMW, Audi, BMW, parallel Lexus oder parallel alle drei Fahrzeugmarken und zum Schluss ein Mercedes. Dann wären die wichtigsten automobilen Prinzipien wie das Hören, das daraus folgende Beten, das Hören im Gebet und der begleitende Schutz Gottes (Psalm 91) erfüllt. Und am Ende kommt der Mercedes pardon "merces" wie wir es in 2. Joh 8 lesen.

Freitag, 16. Dezember 2016

Gott lenkt

Der zweite Teil von Sprüche 16, 9 könnte auf einen automobilen Kontext bezogen werden, hatte heute aber eine andere Bedeutung für mich.



Seit Tagen hatte ich an einer weiteren Buchrezension gefeilt und wollte diese heute früh veröffentlichen. Noch schnell eine kleine Ergänzung und eine Änderung mit STRG-Z und ... der Text war weg. Der komplette Text einfach weg. Schließen ohne Speichern und ... der Text bleib weg. Er ließ sich weder mit Zurück-Button noch über den Browser-Cache herstellen. Der Text war weg.

Mein Blick fiel auf den kleinen Zettel, der unter das Mouse-Pad geklemmt war: "GOTT LENKT". Der Zettel war Teil eines Party-Quiz und hatte mich gedanklich die Woche über begleitet. Wann immer der Blick über den kleinen weißen Papierschnipsel streifte, stellte ich mir Gott auf dem Fahrersitz vor. Ich saß daneben.

Nun war dieser Fall tatsächlich eingetreten. Ich hatte mir etwas gedacht, zeitlich geplant und Gott fuhr in eine andere Richtung. Nach weit über 500 Blogartikeln war das Verschwinden des Textes ein absolutes Novum.

Gott lenkt Sprüche 16, 9
Der Mensch denkt, Gott lenkt. - Sprüche 16, 9
Das sind die Erfahrungen, wenn Gott ans Steuer gelassen wird. Er führt uns in Gegenden und fährt Wege, die wir bisher nicht kannten. Orte, die wir selbst nie ins Navi eingestellt hätten, lernen wir durch Ihn kennen.

Er umfährt mit uns Baustellen, die uns zu lange blockieren würden. Er kennt die Umgehungsstraßen bei Stau. Er ist immer konzentriert und bringt das Fahrzeug des Lebens sicher ans Ziel.

Gott hält auch die Pausenzeiten ein und gibt gerne unterwegs mal einen aus. Wir können entspannen, schlafen, essen und uns unterhalten. Auf einer Fahrt zum Männertag in Kassel hatten wir die vielen Stunden auch genutzt, um die Lebensgeschichten von vier Teilnehmern zu hören. Offensichtlich war Jesus auch dabei und hatte interessiert zugehört. Er stand zumindest in den Schilderungen im Mittelpunkt.

Auf dieser Fahrt hatte uns Röm 8,28 iterativ bewegt. Zu herausfordernden Situationen konnte rückblickend immer ein tieferer Sinn erkannt werden. Ein Sinn, der eine positive Veränderung oder persönliches Wachstum gebracht hatte.

Deshalb kann ich mich wegen des gelöschten Artikels entspannen. Wird er doch entweder zum passenden Zeitpunkt neu geschrieben oder er hätte ohnehin nicht auf Gottes Weg gelegen. Dann ist es egal. Wichtig ist nur, dass ich mit Gott auf Seinen Wegen unterwegs bin.

Donnerstag, 15. Dezember 2016

COEO mit C geschrieben

Von COEO hatte ich schon viel gehört, war aber bisher nie dort gewesen. Gestern nutzte ich die Gelegenheit eines Termins in der City, um auf dem Rückweg bei COEO, dem Haus der guten Taten, in den Potsdamer Platz Arkaden vorbei zu schauen.



Im Rahmen der unfreiwilligen Osteuropahilfe war ich mehrfach der Kamerafunktionen meines Autos beraubt worden. Deshalb hatte ich schon lange keine Tiefgaragen mehr benutzt. Am Nikolaustag war ich auf ein kleineres Auto umgestiegen und unternahm nun den erneuten Versuch einer unbeschadeten Fahrt in die Tiefen einer Garage. Und tatsächlich streifte nur einmal das rechte Hinterrad die Begrenzungskante. Das Parkhaus unter dem Potsdamer Platz (Einfahrt Hans-von-Bülow-Straße) wurde wegen seiner günstigen Stundensätze sogar vom ADAC empfohlen.

Potsdamer Platz Arkaden

Von dort aus sind es nur wenige Schritte zu den Potsdamer Platz Arkaden, in denen sich COEO befinden soll. Mit männlichem Tunnelblick ging ich systematisch vor. Zuerst lief ich durch das Erdgeschoss. Golden glitzernde Tannenbäume überall. Bei so viel Licht verblasste jegliche Werbung an den Geschäften. Kein COEO.

Mit der Rolltreppe fuhr ich ins Obergeschoss. Zwei junge Frauen in weißem Engelskostüm stellten die Kulisse für einen schwarzen Touristen. Überall Lichterglanz, Sushi, Döner, Eis, aber kein COEO.

Einen Versuch hatte ich noch: das Untergeschoss. Ich fuhr hinab, spähte durch die glitzernden Tannenbäume und sah dort an der mittleren Treppe den Schriftzug "Taten". Dort muss es sein: "COEO - Haus der guten Taten".

COEO Haus der guten Taten
COEO Haus der guten Taten - exklusive Lebensmittel und Kochzutaten
An der mittleren Treppe befindet sich auch einer der Zugänge zum Bahnhof Potsdamer Platz, wo Fahrgäste zwischen S-Bahn und Regionalbahn wählen können. Dadurch ergibt sich hier eine rege Frequenz an Laufkundschaft. Etwa 50% der Kunden sind Touristen. Das stellt gewisse Ansprüche an das Sortiment, welches bei einer etablierten Stammkundschaft anders gestaltet sein muss. Auf etwas über 300 Quadratmetern kann der Berlinbesucher recht ausgefallene Dinge finden.

Faires Konzept

Auf den ersten Blick dachte ich an Nanu-Nana, musste dann jedoch feststellen, dass COEO ein ganz anderes Konzept verfolgt. Das Geschäftsführer-Ehepaar Martina und Peter Röhner aus Glauchau erklärte mir, dass nicht nur die Artikel einen klaren Fokus auf Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen in Drittweltländern haben, sondern auch die regionalen Lieferanten hohe Wertemaßstäbe in ihren Unternehmen anwenden.

Besonders begeistert war ich von den eineinhalb Regalmetern mit den verschiedensten Bibelausgaben. Von der Paperback-Bibel für 2,50 Euro bis zur arabischen Bibel in rotem Ledereinband konnte hier fast jeder Berliner oder Tourist versorgt werden. Rein statistisch geben Touristen aus China oder der Ukraine das meiste Geld in Deutschland aus. Auf solche Bibeln hatte ich in dem Moment nicht geachtet. Ein junger Mann wollte seinem Freund ein "völlig abgedrehtes Buch" schenken, fragte an der Kasse und wurde zum Bibelregal geführt. Vielleicht treffen wir den Leser ja demnächst mal in einem Gottesdienst.

Es gibt aber auch eine breite Auswahl an christlichen Bestsellern, Kalendern und Grußkarten. Dabei wird auf eine gute Mischung katholischer und evangelischer Herausgeber geachtet.

Werbung - COEO mit C geschrieben

Die Mitarbeiter trugen schwarze T-Shirts mit der Aufschrift "kyBoot". Diese Walk-on-Air-Schuhe nehmen bei COEO einen präsenten Platz in der Mitte des Ladens ein. Ich habe sogar Bekannte, die diese Schuhe tragen.

Die Mitarbeiter selbst setzen sich zu 50% aus Menschen mit Behinderung zusammen. Das ist diesen nicht unbedingt anzusehen, wird aber in der Werbung bei Radio Paradiso erwähnt und gehört zum Beschäftigungskonzept des "Hauses der guten Taten".

Es gibt mehrere Werbespots zu COEO, die bei Radio Paradiso laufen. Während einige Agenturen immer noch mit markigen Domainnamen wie "Örben-Solluhschns Dot Komm Släsch Börlin" glänzen, heißt es zu COEO schlicht "Ko-Ejo Minus Berlin Punkt De Eh - COEO mit C geschrieben".

COEO Haus der guten Taten
COEO Haus der guten Taten - Tassen mit den Gemütszuständen eines Teenagers
Gerade jetzt in der Weihnachtszeit oder bei der Suche nach Geschenken für Geburtstagskinder, die ohnehin schon alles haben, bietet sich ein Blick in die Regale von COEO an. Neben einer großen Auswahl an exklusiven Ledertaschen und individuell auf Teakholz-Wurzeln geträufelten Glasschalen findet der Kunde hier auch Fairtrade-Schokolade, modern geschnitzte Weihnachtsdekoration, Tassen mit Charaktergesichtern sowie exklusive Lebensmittel und Zutaten für den privaten Kochgenuss.

Das Sortiment wird regelmäßig überarbeitet und in sinnvollen Stückzahlen vorgehalten, so dass schnell auf geändertes Nachfrageverhalten reagiert werden kann.

Nach einem kurzen Gespräch mit Martina und Peter testete ich noch einmal die Luftmatte für die myBoot-Schuhe und verließ die Potsdamer Platz Arkaden. Zwei Euro verlangte der Parkautomat. Die Ausfahrt erfolgte ohne Schrammen und Felgenschäden.

Mittwoch, 14. Dezember 2016

Bahnhofsmission am Zoologischen Garten

Auf der Rückseite des Bahnhofs Zoologischer Garten, abgewandt vom pulsierenden Leben des Zoo-Einganges, des Zoo-Palastes, der Kantstraße und des Breitscheidplatzes mit Gedächtniskirche befinden sich die Zugänge zur Bahnhofsmission. Täglich finden hier mehrere hundert Menschen Hilfe.



"Der Gott des Himmels wird es uns gelingen lassen; denn wir, seine Knechte, haben uns aufgemacht und bauen wieder auf", heißt es in Nehemia 2, 20. Diesen Losungstext hörten heute Vormittag mehr als zwanzig Kameraleute, zehn Textjournalisten, diverse Polizisten und Personenschützer, der Bundespräsident, Daniela Schadt sowie Gäste und Mitarbeiter der Bahnhofsmission.

Gäste oder Fremde?

Das Vokabular ist wichtig. Während in herkömmlichen Gemeinden bei unbekannten Besuchern gerne von "Fremden" gesprochen wird, redet man in der Bahnhofsmission von "Gästen". Einige dieser Gäste standen zusammen mit den Pressevertretern vor der Tür und warteten auf das, was da kommen möge. Advent eben. Auf dem WC teilte einer der Gäste seinem Mitgast mit, dass Jauch käme. "Nein, Gauck", teilte der andere Gast mit. "Den Vogel muss ich mir mal angucken" lallte der Gesprächseinsteiger und brachte noch eine kurze Zusammenfassung seiner sozialpolitischen Einsichten, die der andere Gast kompetent zu korrigieren wusste.

Bahnhofsmission am Zoologischen Garten
Bahnhofsmission am Zoologischen Garten - Mitarbeiter in Blau, Daniela Schadt in Grau, Joachim Gauck im Anzug
Der Bundespräsident erschien pünktlich und begrüßte zunächst die Anzugträger. Dann gesellte er sich zu den Mitarbeitern in Blau, die die Eingangstür "bewachten" und nahm sich Zeit für Gruppenfotos. Kurz vorher hatte die ARD noch eine Szene eingefangen, bei der ein Gast mit weißem Regierungsbändchen ausgestattet und danach als "vorgezogenes A***loch" angepöbelt wurde. Der Pöbler fragte mich nach einem Euro, den ich nicht klein hatte. Er könne wechseln und disqualifizierte sich damit erst recht als Zuwendungsempfänger.

Mit weißen oder grünen Bändchen erhielten wir zusammen mit Joachim Gauck Zutritt zum Essenssaal der Bahnhofsmission. Bildende Journalisten nahmen hinter einem roten Absperrband Platz und die schreibende Zunft durfte sich an weihnachtlich gedeckte Tische mit Kaffee und Schokokeksen setzen. Dann folgte die oben bereits zitierte Losung. Die Andacht war kurz und endete mit einem Lied und Gebet. Selbst einige Personenschützer falteten die Hände. Textjournalisten sprachen ein deutliches "Amen". Danach wurden die Fotografen nach draußen gebeten.

Auf den Liedblättern mit dem Stadtmissionslogo war "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit" in Anlehnung an Psalm 24 abgedruckt. Dass damit Gott gemeint ist, steht außer Frage. Jedoch passte es gut zum Empfang eines Spitzenpolitikers. Joachim Gauck trifft ständig "gekrönte Staatsoberhäupter", ist sich aber auch der "Welt daneben" bewusst. Deshalb taktet er Termine an Brennpunkten der Gesellschaft gerne in seinen Kalender ein. Ihm sei es wichtig, den engagierten Menschen des Landes bei solch einer Gelegenheit "Danke" zu sagen.

Bahnhofsmission am Zoologischen Garten
Bahnhofsmission am Zoologischen Garten - Andacht und Gesprächsrunde mit Bundespräsident Gauck


In kleiner Runde

Statt einer Rede am Pult mit Goldadler setzte er sich auf die harten Stühle der Bahnhofsmission und muss sich wie bei einem der längst vergangenen Bibelabende in seiner Kirche vorgekommen sein. Acht sehr unterschiedliche Menschen saßen im Kreis und erzählten über ihre Beziehung zur Bahnhofsmission. Joachim Gauck hatte damals am Bahnhof Zoo öfter "Daniela abgeholt" und habe aus dieser Zeit die Jebensstraße vor Augen.

Einer der acht im Kreis war ein Polizist mit mehreren Sternen, der mit seinem Verein Obdachlosen hilft. Unter Kollegen werden Sachen gesammelt, die dann hier verteilt werden. Wo im Dienst Distanz zu wahren ist, liegen sich hier öfters Polizisten und Obdachlose in den Armen und haben ein herzliches Verhältnis zueinander.

In der Runde saßen zwei "Gäste" und erzählten aus ihrem Leben. Der Bundespräsident fragte nach und auch Daniela Schadt war sehr interessiert an den Berichten. Die Gäste drückten sich sehr gut aus, erzählten kurz ihre Geschichte und was die Bahnhofsmission für sie bedeute. Sie bekommen hier gute Beratung, ein Bett, Essen, eine Dusche, Ambulanz und Menschen, mit denen sie reden können. Schätzungsweise gibt es in Berlin 4.000 bis 7.000 Obdachlose. Hauptbrennpunkte sind die Fernbahnhöfe. Die Berliner Stadtmission betreibt einen Kältebus, der insbesondere im Winter Obdachlose einsammelt und in Notunterkünfte bringt.

Mitarbeiter in Blau

Die Mitarbeiter der Bahnhofsmission rekrutieren sich aus Freiwilligen, angestellten Mitarbeitern und Straffälligen mit der Auflage gemeinnütziger Arbeit. Es arbeiten Designer, Ärzte, Manager, Volkswirte oder Rentner Hand in Hand und teilen sich die Schichten rund um die Uhr. Dabei fiel auf, dass viele Freiwillige und Gäste aus Süddeutschland stammen. Süddeutschland sei das Bundesland mit dem größten Ehrenamtsanteil.

Bei der Bahnhofsmission gebe es drei Personengruppen: die normal gekleideten sind Gäste, die Anzugträger leiten das Ganze und die Leute in Blau sind die "Nächste Hilfe". Etwa 150 angestellte Mitarbeiter gibt es, die von etwa 200 Straffälligen unterstützt werden. "Sind Knackies hier", fragte der Präsident in die Runde. Es meldete sich niemand. Ansonsten hätte er sich wohl noch dessen Lebensgeschichte erzählen lassen. An den Pressetischen wurde emsig mitgeschrieben, ansonsten wären wir wohl auch noch ins Gespräch verwickelt worden.

Der Chef

Die befragten Mitarbeiter in Blau oder Schwarz (Diakonisse Schwester Inge, übrigens auch aus Süddeutschland) stellten sehr deutlich ihre Beziehung zu Jesus heraus. Lutz erzählte von seinem Krebs, der durch Gebet überwunden worden sei. Er erfülle nun sein dankbares Versprechen, regelmäßig in der Bahnhofsmission zu arbeiten. "Ein Gelübde", konnte Joachim Gauck das theologisch korrekt auf den Punkt bringen. Lutz werde oft nach dem Chef gefragt. Der hänge dort an der Wand und sei auch noch nicht runtergefallen. Alle schauten auf die Schnitzerei mit dem gekreuzigten Jesus. Der pensionierte Werksleiter sei hier geerdet worden. Er sehe Elend aber auch Glück. Er sehe Tränen und Freude. Dieser Lebensabschnitt sei für ihn wie die Medizin. Dass das Arbeitsklima sehr gut sei, bestätigten die Mitarbeiter unisono. Auch die Gäste zeigten sich beeindruckt vom allgemeinen Umgang miteinander.

"Ich liebe die Menschen und liebe den Auftrag von Jesus Christus", rundete Schwester Inge ihre Ausführungen zur Tätigkeit in der Bahnhofsmission ab.

Die doch recht familiäre und ausführliche Zusammenkunft endete mit einem Hinweis auf den Terminkalender. Joachim Gauck sprach sich für einen nächsten Besuch aus. Auch Daniela Schadt war interessiert. Dann stürzten wieder die Fotografen und Kameraleute herein und versperrten die Sicht auf die liebevoll vorbereiteten Brötchen. Ich verließ die Szenerie, um noch möglichst entspannt den weiteren Weg antreten zu können. Draußen langweilten sich die Polizisten und die Fahrer der beiden schwarzen Limousinen.

Montag, 12. Dezember 2016

Sarah Kaiser, Freiheit und Radio Paradiso

Sarah Kaiser ist eine echte Berlinerin mit musikalischer Familientradition. Ihre Stilrichtung ist Jazz. Sie hat inzwischen fünf CDs herausgebracht, die sich insgesamt 50.000 Mal verkauft haben.



Ende der 1990er Jahre hatten wir Sarah Kaiser in der Lukas-Gemeinde kennen gelernt. Kurz darauf begann sie einen Gospelchor in Marzahn. Interessant an diesem Chor war, dass ein Drittel der Teilnehmer über die gute Platzierung der Webseite der Jugendkirche Marzahn zum Chor gekommen waren und sich über 30% der Sänger im Laufe der Jahre für eine Beziehung zu Jesus entschieden.

Sarah Kaiser leitete den Chor hoch professionell und setzte ihre markante Stimme während der regelmäßigen Konzerte gerne als Solistin ein. Sie förderte talentierte Jugendliche, mit denen sie teilweise heute noch auftritt.

Ihre Brötchen verdient sie jedoch als Jazz-Sängerin mit einem nahezu unerschöpflichen Konzertkalender, dem Verkauf ihrer CDs und dem Einzelcoaching als diplomierte Gesangspädagogin. Ihre Hauptprojekte sind die Sarah Kaiser Band, AQUABELLA und Berlin Voices, wobei sich das letztgenannte Quartett 2011 aufgelöst hatte. Sie tritt im Radio, im Fernsehen, auf Kirchentagen, in Gemeinden, in Clubs, im Bundestag, auf Jazztagen und international auf.

Sarah Kaiser ist eine Powerfrau, eine Frau, die klare Ziele hat und bezüglich des Glaubens an Jesus kein Blatt vor den Mund nimmt. Als ich vorhin zu einem Meeting der Internetmission fuhr, kam auf Radio Paradiso bereits ein Teaser-Interview mit ihr. Sie wurde zum Stichwort "Freiheit" befragt. Freiheit sei ein Privileg, dass sie sehr schätze und gerne nutze. Insbesondere die Freiheit, selbst entscheiden zu können sowie die Freiheit, offen über ihren Glauben reden zu dürfen.

Die Frage bezog sich wohl auf ihre Neuveröffentlichung "Freiheit". Das Release-Konzert fand passend zum Reformationstag am 31.10.2016 in Berlin statt. "Freiheit" beschäftigt sich mit der festen Burg, der eigenen Reformation und Martin Luther und reiht sich damit in Sarahs unverkennbares Interesse an neu vertonter alter Kirchenmusik ein. "Gast auf Erden" ist eine jazzige Hommage an Paul Gerhard. "Grüner", "Geistesgegenwart" und "Miracles" sind weitere Editionen, die seit 2003 von ihr erschienen sind.

Zwischen 20 und 21 Uhr hatte sie heute eine Stunde Sendezeit bei Radio Paradiso. Schade, dass mein Meeting länger ging. Die Zeit hatte ich zwar ständig im Blick, aber wenn der Betreiber von MyStory aus der Schweiz eingeflogen kommt, stehen die technischen Anliegen der neuen Webseite von GottinBerlin.de im Fokus. Das Layout dafür wurde übrigens vom selben Designer geliefert wie das für www.SarahKaiser.de.

Sonntag, 11. Dezember 2016

Fernsehpredigt mit der Oma

Wenn Ehepartner unterschiedliche Glaubensauffassungen haben, kann es vorkommen, dass sich die Gottesdienstbesuche auf Weihnachten und Ostern reduzieren oder der unmündige Christ maximal einen Hauskreis unter der Woche besuchen darf. Oft bleibt dann noch der Ausweg über Fernseh- oder Podcast-Predigten.



Meine Schwiegermutter ist es gewohnt, Gottesdienste im Fernsehen zu verfolgen. Das ist abwechslungsreich, gemütlich, hygienisch und logistisch effektiv. Verbindlichkeit, christliche Gemeinschaft und Bekanntheit in der Ortsgemeinde sind dadurch allerdings kaum möglich. Das musste sie erschrocken zur Kenntnis nehmen, als das Ableben ihres Mannes zum Totensonntag in der Dorfkirche keine Erwähnung fand.

Bereits am letzten Sonntag war es uns in Chemnitz gelungen, sie zu einem echten Gottesdienst mitzunehmen. Echte Sänger, ein echter Prediger und echte Leute um uns herum in einem echten Gemeindehaus. Die Alternative wäre ein Fernseh-Gottesdienst aus Herrnhut gewesen.

Fernsehen war ein guter Aufhänger, sie heute einmal mit zu Saddleback zu nehmen. Wir entschieden uns für den Gottesdienst auf Deutsch. Forrest aus Alabama hatte einen Weihnachtschor zusammengestellt und präsentierte das Ergebnis. Da die Oma weder etwas sah noch hörte, wechselten wir die Sitzreihe und konnten nun das Geschehen von sehr weit vorne aus verfolgen. Der Chor sang Weihnachtslieder auf Deutsch und auf Englisch und ging dann in den Nachbarsaal.

Dann begann die Predigt. Es ging um "die gute Nachricht" von Weihnachten. Tom Holladay erzählte ein Beispiel von seinen Enkeln, die in New York Kakao gekauft bekamen. Eines der Kinder ließ sofort die Tasse fallen und produzierte eine riesige "Sauerei". Der Verkäufer reagierte souverän, indem er einen Wischmopp nahm, die "Sauerei" großflächig reinigte, hinter den Tresen ging, einen neuen Kakao zapfte und ihn dem Enkelkind überreichte. "Geht aufs Haus", sagte er und lehnte den Zahlungswunsch des Referenten ab. "Gott macht unsere Sauerei sauber - kostenlos", war die Lehre aus dieser Situation.

Wo sonst die vielen freien Stellen zum Ausfüllen auf dem Beiblatt zum Gottesdienst waren, standen heute Bibelstellen über Bibelstellen zur "guten Nachricht" von Weihnachten. Wir hörten die geballte Ladung des Evangeliums. Tom Holladay redete allerdings sehr schnell und Dave Schnitter übersetzte in einer entsprechenden Geschwindigkeit simultan. Nach zwei Lobpreisliedern und der Kollekte war der Gottesdienst zu Ende und wir füllten noch einmal Kaffee und Tee nach.

Gespannt fragten wir die Oma, wie sie denn diese spezielle Art der Fernsehpredigt fand. Sie stellte fest, dass sie neue Hörgeräte benötigt, da sie das schnelle Reden nicht so richtig verstehen konnte. Erschwerend kam hinzu, dass die Mundbewegungen des amerikanischen Predigers nicht zur deutschen Übersetzung passten. Sehr schade!

Dennoch waren wir begeistert, dass sie sich auf diesen Test eingelassen hatte und freuen uns schon auf ihre nächste Begleitung. Immerhin sorgt sie dafür, dass ich weiter vorne sitzen kann. Falls dann zufällig ein Fernseh-Gottesdienst aufgenommen wird, sind wir hoffentlich öfter mal im Bild.

Freitag, 9. Dezember 2016

Wölfe im Schafspelz

Schuldgefühle, biblisches Halbwissen und subtile Beziehungsgeflechte begünstigen die Strukturen des geistlichen Missbrauchs. In der Folge werden insbesondere begabte Mitarbeiter und Leiter nachhaltig für das Reich Gottes deaktiviert.



Der Autor Edin Lovas schöpft in seinem Buch "Wölfe im Schafspelz - Machtmenschen in der Gemeinde" aus eigenen Erfahrungen in der charismatischen Szene Norwegens. Es wird jedoch schnell klar, dass sich das Thema durch sämtliche Denominationen ziehen kann. Deshalb ist dieses kleine Buch mit seinen weniger als hundert Seiten eine hervorragende Ergänzung zu anderen Werken wie "Heilung erfahren" von Ken Blue oder "Geistlicher Missbrauch" von Inge Tempelmann.

Wölfe im Schafspelz - Machtmenschen in der Gemeinde - Edin Lovas
Wölfe im Schafspelz - Machtmenschen in der Gemeinde - Edin Lovas
Während "Heilung erfahren" anhand von Matthäus 23 missbräuchliche Konstrukte entlarvt und Auswege sowie Heilungsempfehlungen aufzeigt, nimmt sich das Buch von Inge Tempelmann wissenschaftlich fundiert der Thematik "Geistlicher Missbrauch" an. "Wölfe im Schafspelz" betrachtet mit einem strategischen Blick weitere Aktionsfelder wie beispielsweise das Verhalten der unbeteiligten Masse.

Gruppendynamik

Der mitlaufende Konsument wird von dem Problem in der Regel nichts mitbekommen. Das liegt daran, dass er für den Missbraucher ungefährlich ist. Zudem werden unangenehme Dinge weitestgehend unter den Teppich gekehrt. Kritische Gespräche finden unter vier Augen statt, persönliche Briefe werden öffentlich verlesen und Hinterfragungen als Angriff auf die Leitungsperson dargestellt. Die sensationshungrige Masse schwankt in jede gewünschte Richtung mit und unterstützt damit das Missbrauchssystem.

So manch ein Aussteiger berichtet von seltsamen Situationen bei der Begegnung mit ehemaligen Bekannten aus dem Umfeld des Systems. Langjährige Geschäftsbeziehungen oder vermeintliche Freundschaften liegen plötzlich auf Eis, obwohl die Personen gar nicht direkt involviert waren. Individuell zuordenbare Formulierungen der Beteiligten tauchen an Ecken auf, an denen man diese gar nicht erwartet.

Kompetenz oder Wahrheitshoheit

Dabei sind missbrauchende Leiter zutiefst unsicher und oftmals weder als Leiter begabt noch berufen. Deshalb stört jede tatsächlich befähigte Person die Harmonie und muss reglementiert oder entfernt werden, auch auf Kosten der Grundprinzipien einer gesunden Entwicklung des Reiches Gottes. Da unbequeme Personen im Stillen zum Gehen bewegt werden, lassen sich im Nachhinein auch sehr gut theologische Unterschiede oder andere Begründungen konstruieren. Die per Amt gepachtete Wahrheitshoheit wird ungeprüft akzeptiert.

Harmoniebedürfnis tritt vor Wahrheit, Reden vor Beten, Sicherheit vor Glaubenswagnis und schweigende Defizitakzeptanz vor überfällige Optimierung. Hinzu kommt der gegenseitige Schutz durch Verantwortliche der übergeordneten Hierarchieebene.

Zielgruppe

Das kleine Buch mit dem plüschigen Titelbild hat es in sich. Edin Lovas untermauert seine Aussagen mit vielen Bibelstellen und seziert treffsicher die strategischen Denk- und Handlungsmuster geistlicher Missbraucher. Er gibt Handlungsempfehlungen für die weitestgehend sinnfreien Vier-Augen-Gespräche und ernüchtert mit der Feststellung, dass sich Missbraucher normalerweise nicht ändern.

Das Buch eignet sich insbesondere für Menschen, die im Ausstiegsprozess stehen und bestimmte Vorgänge in der Gemeinde nicht logisch einordnen können. Der Heilungsprozess nach dem Ausstieg sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Deshalb empfiehlt sich die zusätzliche Lektüre eines der beiden oben erwähnten Bücher (Ken Blue und/oder Inge Tempelmann) sowie der aktive Kontakt zu vertrauenswürdigen und authentischen Christen.

Hier eine Checkliste zur Erkennung von geistlichem Missbrauch, die sich weitestgehend mit den Checklisten in den erwähnten Büchern deckt.

Donnerstag, 8. Dezember 2016

Menschen mit Format - Leiten lernen bei Jesus

Swen Schönheit ist Pfarrer im Norden Berlins und setzt sich in seinem Buch "Menschen mit Format" mit Leitungsprinzipien auseinander, die er bei Jesus entdeckt hat. Das Buch enthält viele Praxisbeispiele und gibt Christen mit Leitungspotenzial wertvolle Impulse für ihre Aufgaben im Reich Gottes.



Die Anregung zum Lesen des Buches "Menschen mit Format - Leiten lernen bei Jesus" bekamen wir vor zwei Jahren von Hans-Peter Pache, der zur Zeit als Leitercoach im Mülheimer Verband unterwegs ist. Die etwa 300 Seiten hatte ich innerhalb weniger Tage durchgelesen und war von der facettenreichen Betrachtung des Themas Leiterschaft sehr beeindruckt. Auch meine Frau und weitere Leute aus dem Leitungsteam hatten das Buch gelesen und waren begeistert. Viele Seiten sind mit Unterstreichungen und Randnotizen versehen.

Menschen mit Format - Leiten lernen bei Jesus Swen Schönheit
Menschen mit Format - Leiten lernen bei Jesus - Swen Schönheit
Swen Schönheit geht zunächst auf die Grundlagen von Leitung ein. Dann baut er das Thema über die wichtigen Punkte Identität, Begabung und Berufung auf. Leitungsaktivitäten ohne Begabung oder Berufung werden in der Regel im Chaos oder Siechtum enden.

Leiter sollten Visionen haben, die idealerweise mit den Ansichten Gottes harmonieren. Damit beschäftigt sich das fünfte Kapitel. Ab dem sechsten Kapitel geht es in die praktische Umsetzung mit der Festlegung von Prioritäten, der Optimierung des Charakters und dem Umgang mit Prüfungen und Widerständen. Hier spielt die Vorbildwirkung des Leiters und dessen Authentizität hinein. Krisen als Chancen zu sehen, ist ein bekanntes Prinzip aus dem Unternehmertum oder aus Bibelversen wie Römer 8,28.

Das neunte Kapitel mit der Überschrift "Vollmacht" hatte uns besonders angesprochen. Aber auch die weiteren Kapitel zur Bedeutung des Gebetes, der Teambildung und der Stabübergabe bestätigten unsere Erfahrungen. Teamwork und Abgabe von Verantwortung an die nächste Leitergeneration wird auch auf internationalen Kongressen wie dem #MDGC16 immer wieder als Erfolgskonzept zum nachhaltigen Bau des Reiches Gottes postuliert.

Als Pfarrer geht Swen Schönheit in seinem Buch ungeschminkt und direkt auf Herausforderungen im Leitungsalltag von Gemeinden ein. Das stärkt die Kompetenz der Ausführungen. Es werden Persönlichkeitsstrukturen und Verhaltensmuster beleuchtet und anhand vieler biblischer Beispiele immer wieder Parallelen zwischen vorbildhaften Situationen und eigenem Erleben gezogen.

Sonntag, 4. Dezember 2016

FEG Chemnitz

Wegen eines runden Geburtstages waren wir an diesem Wochenende im Großraum Chemnitz unterwegs. Auf Empfehlung besuchten wir die wenige Kilometer südlich der City gelegene FEG Chemnitz.



Die Suche nach einem passenden Gottesdienst in Chemnitz begann damit, dass wir uns bei der Heilsarmee, dem Kirchenportal Kirche-Chemnitz.de und weiteren Webseiten umschauten. So wirklich aussagekräftig waren die Webseiten und Informationen jedoch nicht, so dass wir etwas ratlos waren. Erschwerend kamen weitere Parameter hinzu, nämlich dass das Altersspektrum der Besucher zwischen dreizehn und neunundsechzig lag und die Geschmäcker von anglophiler Trendgemeinde bis traditioneller Kirche gingen. Die Heilsarmee wurde mehrheitlich abgelehnt, da der dortige Gottesdienst erst um 16:00 Uhr beginnt. Sogar der Vormittag stand auf der Kippe, da der Besuch einer Tante eingeschoben werden sollte. Schon war ein Fernsehgottesdienst mit Direktübertragung aus Herrnhut im Gespräch.

Mein Halbschwager feierte am Samstag seinen Fünfzigsten. Verlässliche Prognosen über den Restalkoholpegel der am Gottesdienst Interessierten waren dadurch auch nicht möglich. Die angereiste Verwandtschaft wohnte in einer Pension in Rabenstein. Rabenstein liegt westlich von Chemnitz, verfügt über eine Burg und ein Schloss sowie eine imposante Fußgängerbrücke. Wir waren bereits am Freitag angereist und konnten beim samstäglichen Freikratzen der Autoscheiben den Morgennebel, die tief stehende Sonne und den weihnachtlichen Duft des Kaffeehauses unterhalb der rostigen Stahlträgerbrücke genießen. Dann fuhren wir in die Radon-Therme Schlema.

Lutherkirche oder FEG Chemnitz?

Nachdem wir genügend Radon getankt hatten, klingelte das Handy und Frank Heinrich MdB begrüßte uns in seinem Wahlkreis. Er freute sich, dass wir ausgerechnet im heimatlichen Rabenstein übernachten und feiern. Dann gab er uns zwei Gottesdienst-Empfehlungen unter Berücksichtigung der oben geschilderten personellen Herausforderungen: Lutherkirche Chemnitz und FEG Chemnitz.

Der Gottesdienst in der Lutherkirche startet um 9:30 Uhr und der Gottesdienst in der FEG um 10:30 Uhr. Meine Schwiegermutter plädierte für die Lutherkirche, so dass wir die Geburtstagsfeier schon kurz vor elf verließen und ein frühes Aufstehen anpeilten. Erwartungsgemäß zog sich das Frühstück jedoch so lange hin, dass wir flexibel auf FEG Chemnitz umdisponieren mussten.

Wir trafen eine halbe Stunde vor Beginn bei der FEG ein. Das Kirchengebäude ohne Glockenturm steht separat inmitten eines Wohngebietes mit niedrigen sanierten Plattenbauten. Ein großes schlichtes Kreuz markiert das helle Gemeindehaus. Die Klapptafel mit der Gottesdiensteinladung hatten wir übersehen, da wir nicht aus Richtung City gekommen waren.

Schwiegermutter setzt Akzente

Im Gemeindesaal wurden Lobpreislieder geübt und Tüten für eine weihnachtliche Verteilaktion sortiert. Es war noch sehr leer. Meine Schwiegermutter strebte die zweite Reihe an. Solche Momente stärken die Beziehung zwischen angeheirateter Mutter und Schwiegersohn. "Warum sitzen wir so weit vorne? Hier sehen wir doch nicht, wann wir aufstehen müssen", protestierte die Familie. "Ich höre sonst nichts", war das unschlagbare Argument meiner Schwiegermutter. Ich saß schützend neben ihr und unterstützte sie bei der Verteidigung ihrer Position. Allerdings hoffte ich, dass wir keine Stammplätze besetzt hatten.

Pastor Bernard Millard und einige Verantwortliche kamen an uns vorbei und grüßten sehr freundlich. Besonders unterhaltsam war der nicht erwartete Countdown. Jede der fünf Minuten blinkte eine Zahl auf. Dazwischen wurden Informationen zu den WCs, den parallelen Kindergruppen und dem Gemeinschaftsteil eingeblendet. Die verantwortlichen Mitarbeiter wurden wahlweise aus Sicht der Kinder, der Jugendlichen oder des Geschirrspülers dargestellt.

Gottesdienst

Mit der letzten Filmsequenz schritt ein Mitarbeiter an die Kanzel und begrüßte die Gemeinde. Der Raum hatte sich in der letzten halben Stunde gut gefüllt, so dass es um die achtzig Besucher gewesen sein müssen. Die Altersstruktur war sehr gut durchmischt. Es gab viele Kinder und Jugendliche, aber auch Senioren. Das sah gesund und auf Wachstum angelegt aus.

Es folgten Weihnachtslieder und Jugendlieder aus den 1990ern, die wir weitestgehend ohne Blick auf den Text mitsingen konnten. Meine Tochter fand es "cool", dass immer schon der Text der nächsten Strophe eingeblendet war. Das hilft, falls der Techniker einmal abgelenkt ist. Bei der FEG Chemnitz klappte es jedenfalls perfekt.

Beziehung statt Betriebsamkeit

Die Predigt startete mit einem Rückblick auf den vergangenen Sonntag, wo es um Psalm 24 gegangen sei. "Wer ist der König der Ehren?" und "Öffnet die Tore!" ist dort zu lesen. Bernard Millard leitete zu Off 3,20 über: "Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an". Es war also immer noch der rote Faden vorhanden. Jesus solle in alle unsere Lebensbereiche eingelassen werden. Um das zu unterstreichen, sprang er zu Off 2,4, wo es um das Schreiben an die Gemeinde in Ephesus geht, die die erste Liebe mit gemeindlicher Betriebsamkeit vertauscht hatte. Ergänzend hätte noch Off 3,1 zitiert werden können, worin zur Gemeinde Sardis gesagt wird: "Ich kenne deine Werke. Du hast den Ruf, lebendig zu sein, aber du bist tot". Statt dessen leitete er zu Joh 21 über, wo es ebenfalls um die Liebe bzw. die Beziehung zu Jesus geht.

Dank einer Bibel-App konnte ich recht schnell die sämtlichen Stellen aufrufen und nachlesen. Zusammengefasst ging es darum, die persönliche Beziehung zu Jesus zu intensivieren und sich nicht durch andere Dinge inklusive innergemeindlicher Betriebsamkeit ablenken zu lassen. Die Predigt stieß auf familiäres Wohlwollen.

Ich wunderte mich nur, warum die dunkelbraune Holzkanzel so sehr in die Ecke des Altarbereiches gestellt war. Sollte das eine besondere Art der Demut demonstrieren, oder war das ein ungeplanter Nebeneffekt der jüngsten Reinigungsaktion? Redner mit ausladenden Armbewegungen wären regelmäßig mit der Wand kollidiert.

Aufstehen zum Segen

Weitere Lobpreislieder, eine Kollekte und ein sehr umfangreicher Programmpunkt mit Ansagen rundeten den Gottesdienst ab. Die Befürchtungen meiner Frau, dass man nicht wisse, wann Aufstehen und Hinsetzen gewünscht sei, wurden nicht bestätigt. Ein Alleinstellungsmerkmal der FEG Chemnitz ist wohl, dass lediglich zum abschließenden Segen aufgestanden wird. Gebete, Ansagen, Kollekte und Lobpreis fanden komplett im Sitzen statt.

Gemeindemitglieder bedankten sich beim Pastor für die Predigt. Wir wechselten einige Worte mit ihm, ließen unseren Blick über das muntere Treiben im Gemeindesaal schweifen und verließen kurz darauf die FEG.

Es standen noch der Chemnitzer Weihnachtsmarkt und ein gemeinsames Essen am Schlossteich auf dem Programm. Bei letzterer Gelegenheit trafen wir auch die übernächtigten Geburtstagsgäste wieder und ließen mit einem gestellten Gruppenfoto per Selbstauslöser unseren Besuch in Chemnitz ausklingen.

Mittwoch, 30. November 2016

Gemeinsam e1ns - Schnuppertreffen für Ehepaare

In den ersten Ehejahren hatte ich Paar-Seminare immer belächelt. Inzwischen weiß ich die wertvollen Impulse sehr zu schätzen. und besuchte heute zusammen mit meiner Frau einen Schnupperkurs von "Gemeinsam e1ns", einer Initiative von Campus für Christus.



Bei strömendem Regen und eingeschalteter Sitzheizung erreichten wir nach genau einer Stunde Marienfelde. Viel schwieriger als der per Google-Maps eingeprägte Weg war der Eingang zum Haus zu finden. Es war von sämtlichen Seiten gut einsehbar, nur der Zugang fehlte.

Helge stand im Regen an der Straße und lotste die Erstbesucher auf das Hammergrundstück. Das Haus offenbarte eine gewisse Vorliebe für ein skandinavisches Land mit blau-gelber Fahne und einem dazugehörigen Möbelhaus. Wir waren nicht die ersten Gäste. Auf einem Tisch standen Salzstangen und Süßigkeiten. Tee dampfte aus einer Tasse und Kaffee gab es auch.

Das Wohnzimmer von Helge und Birgit füllte sich, so dass sich letztlich siebeneinhalb Ehepaare um den Tisch scharten. Da der Abend unter den Chatham House Rules abgehalten wurde, dürfen hier nur sehr wenige Details nach Außen dringen. Nur soviel, dass die Paare zwischen vier und vierzig Jahren verheiratet und die Teilnehmer zwischen dreißig und siebzig Jahre alt waren. Marienfelde war lediglich für die Gastgeber zentral gelegen. Viele der Besucher kamen aus der urbanen Peripherie und freuten sich über den anschließenden Vorschlag, die folgenden Eheabende nach Schöneberg zu verlegen.

Vorab hatten wir bereits fünfzehn Seiten Arbeitsmaterial für den "Schnupperkurs" erhalten. Bei dem durchaus gemütlichen Licht stellte ich fest, dass der nachhaltige Ausdruck von zwei Seiten auf einem A4-Blatt ein recht herausforderndes Betrachtungsszenario mit meiner neuen Gleitsichtbrille darstellte. Als ich dann noch eine Stelle aus dem Römerbrief vorlesen sollte, hatte ich mich gerade in der Bibel-App verlaufen und kam nicht mehr aus dem Markiermodus heraus.

Anhand des ausgedruckten Leitfadens kamen wir sehr gut ins Gespräch und lernten einander besser kennen. Das "Du" war noch etwas gewöhnungsbedürftig, half aber bei der im Raum verbleibenden Offenheit. Wir tauschten uns über vorbildhafte Ehen aus und bekamen interessante Denkanstöße zu den Bedürfnissen unserer Ehepartner. Auch Helge und Birgit erfuhren lange gehegte Geheimnisse voneinander.

Nach zwei Stunden endete der Schnupperkurs mit einem Gebet und der Abstimmung weiterer Termine. Es regnete nicht mehr. Den Ausgang mussten wir nicht suchen. Dafür suchte Helge sein Auto. Per Fernbedienung konnte es sichtbar gemacht werden. Auf dem Rückweg nahmen wir noch eines der Ehepaare mit und unterhielten uns über die vielen Aspekte der Kleinkinderziehung.

Montag, 28. November 2016

Chasing Daylight - die letzten 100 Tage

Da wir uns in den letzten vierzehn Monaten von beiden Vätern alias Großvätern verabschieden mussten, spricht "Chasing Daylight" von Eugene O'Kelly genau in unsere familiäre Situation. Viele Passagen sind emotional nachvollziehbar und ich bin beeindruckt, wie rational der Top-Manager O'Kelly mit seinem ungeahnt plötzlich diagnostizierten Ableben umgeht.



Wohl dem, der das Privileg hat, sich auf den Tod vorbereiten zu können. Mein Vater wurde im Sommer 2014 sehr plötzlich mit einer angehenden Blutvergiftung im Bereich der Nieren ins Krankenhaus eingeliefert. Die sofort eingeleitete Operation war die ultimative Hilfe, die ihm noch ein weiteres Lebensjahr ermöglichte. Er erlebte seine Goldene Hochzeit, ein Weihnachtsfest, seinen 75. Geburtstag und sogar noch den einundfünfzigsten Hochzeitstag.

Geklärte Beziehung und Abschied

Die Einlieferung im Sommer 2014 war für mich ein Alarmsignal, noch alle offenen Dinge mit ihm zu klären. Ich schrieb ihm einen längeren Brief. Das war sehr gut so! Er war davon so bewegt, dass wir anschließend gemeinsam beteten und noch ein intensives Jahr der Vater-Sohn-Beziehung leben konnten. Wir telefonierten regelmäßig, lasen uns Bibeltexte vor und beteten gemeinsam. Die Zeit, die uns noch blieb, nutzen wir als bewusste Abschiedszeit und erlebten eine Tiefe in der Beziehung, die es in den vorangegangenen Jahren kaum gegeben hatte. Er schlief im August 2015 in Frieden ein und auch die Beerdigung wurde zu einem positiven Erlebnis.

Einfach tot umfallen

Im Januar 2015 saßen wir mit den Eltern meiner Frau in Costa Calma (Fuerteventura) auf der Terrasse unseres Hotelzimmers und füllten die Patientenverfügungen aus. Bei Zigarre, Chips und Kerzenschein kreuzte mein Schwiegervater die Fragen zur maschinellen Lebenserhaltung an und schrieb darunter, dass er am liebsten einfach "tot umfallen" wolle. Das geschah im Oktober diesen Jahres in seinem Bad. Nach einer intensiven Wiederbelebung wurde er ins künstliche Koma versetzt und an Beatmungsmaschinen gehängt. Es folgte eine Zeit des bewussten Abschieds. Bekommt er noch etwas mit? Hört er uns? Wir redeten mit ihm und beteten für ihn und bedankten uns für die gemeinsame Zeit.

Als ich gerade das Handy ausschalten wollte, um das Flugzeug nach New York zu besteigen, rief meine Frau an und sagte, dass ihr Vater am frühen Morgen verstorben sei. Später erfuhr ich, dass er lächelnd auf der Bahre lag.

Chasing Daylight Eugene O'Kelly
Chasing Daylight - Eugene und Corinne O'Kelly
Chasing Daylight von Eugene und Corinne O'Kelly

Das Buch "Chasing Daylight" (Jagd nach dem Tageslicht) beschreibt eine ähnliche Situation, nur dass der Autor wesentlich jünger war. Als CEO der Beratungsgesellschaft KPMG war Eugene O'Kelly es gewohnt, ständig in Flugzeugen, in Hotelzimmern, auf Golfplätzen und den Chefetagen der Welt unterwegs zu sein. Seine Arbeitswoche umfasste gerne siebzig bis neunzig Stunden.

Der Top-Manager aus New York war 53 Jahre alt, als seine Frau einen ungewohnten Schweißtropfen auf seiner Wange bemerkte. Nach einer aktiven Woche lässt sich solch ein Symptom auch als normale Stressreaktion bagatellisieren. Dennoch suchten sie einen Arzt auf. Mehrere Untersuchungen an aufeinander folgenden Tagen brachten die finale Klarheit über seinen Gesundheitszustand: drei Tumore in der Größe von Tennisbällen hatten sich in seiner linken Gehirnhälfte gebildet und waren ohne Schmerzen oder merkliche Beeinträchtigungen gewachsen. Der Zeitpunkt für einen sinnvollen Eingriff war bereits weit überschritten.

Lebenserwartung 100 Tage!

Der Top-Manager beschreibt seinen Umgang mit der Diagnose und die rationale Planung seiner letzten 100 Tage. Er traf zunächst die Entscheidung, die Situation zu akzeptieren und diese letzte Phase seines Lebens zur wichtigsten Phase werden zu lassen. Er stellte sich der Realität und fertigte eine Todo-Liste an, die sich im Wesentlichen mit der Übergabe seines Postens bei der KPMG, den Formalitäten für die Beisetzung und die Erbschaftsangelegenheiten und dem bewussten Loslassen seiner Beziehungen beschäftigte. Darüber hinaus wurden noch einige prinzipielle Verhaltensregeln aufgestellt. Hier die Liste:

+ ordne rechtliche und finanzielle Dinge
+ verabschiede dich (unwind relationships)
+ vereinfache alles
+ lebe im Jetzt
+ schaffe große oder perfekte Momente (oder sei offen dafür)
+ beginne den Übergang zum neuen Lebensstatus
+ plane das Begräbnis

Der Nachfolger war innerhalb von drei Tagen gefunden. Die sonstigen Formalitäten liefen eher nebenher und das "Entwinden" (unwinding) der Beziehungen in möglichst "besonderen Momenten" war Hauptfokus seiner Aufmerksamkeit. Dazu fertigte er ein Diagramm mit Kreisen an. Im innersten Kreis stand seine Familie, dann kamen angeheiratete Verwandte, engere Freunde und nähere Geschäftspartner. Im äußersten der Kreise standen die langjährigen Bekannten und Business-Kontakte. Er entschied sich für eine Abarbeitung von außen nach innen.

Abschied

Er schrieb die Menschen auf, mit denen er eine Zeit seines Lebens oder kurze intensive Momente verbracht hatte und kam letztlich auf 1.000 Namen. Einige schrieb er per Mail an, andere rief er an, wieder andere traf er persönlich. O'Kelly nahm diese letzten Stunden so intensiv auf, dass fast jede dieser letzten Begegnungen mit anschließendem "Good bye" zu einem "Perfect Moment" für ihn und auch die Gesprächspartner wurde. Der Abschied von dieser Personengruppe nahm drei Wochen in Anspruch, was bei einem Budget von 100 Tagen schon recht viel war.

Schwieriger wurde es mit den engeren Bezugspersonen zwischen äußerem und innerem Kreis. Einige genossen den Abschied in einem dieser perfekten Momente im Central Park, einem Restaurant oder am Telefon. Andere waren wütend über das Leben, das Schicksal und konnten gar nicht verstehen, warum ausgerechnet dieser begabte Mann sterben müsse. Er solle doch kämpfen und nicht einfach so dem als nah diagnostizierten Tod entgegengehen.

Zum Schluss lud er seine Familienangehörigen an den Lake Tahoe ein, fuhr in einem schnellen Motorboot mit ihnen über das spiegelglatte Wasser und genoss auch diese Momente. Er freute sich an gutem Wein, an gutem Essen, dem Blick auf den East River und anderen bisher überhörten Dingen. Von seiner Tochter Dina verabschiedete er sich mit dem Buch selbst. Sie war damals erst vierzehn und verarbeitete vieles in Gedichten.

Dann enden die Aufzeichnungen Eugenes

Der bewegendste Teil des Buches war für mich das Ende der Aufzeichnungen von Eugene und die Fortsetzung durch seine Frau Corinne. Auf 155 Seiten war einem dieser Manager mit seinen vertrauten Denkstrukturen so nahe gekommen, dass die finale Beschreibung seiner letzten Tage dem oben geschilderten Miterleben des Abschiedes von unseren Vätern glich.

Auch wenn Gott recht selten in diesem Buch thematisiert wird, kommt doch zum Ausdruck, dass eine Hoffnung auf die Ewigkeit bei Gott sowie ein guter Abschluss von Beziehungen wesentlich zur Entspannung und einer friedlichen "Transition" beitragen.

Sonntag, 27. November 2016

#MarzahnConnection - Gebet für 260.000

Nur selten lässt sich die reale Zeit wie auf der Timeline eines YouTube-Videos zurückstellen. "Lola rennt" ist ein Film, der mehrfach an der gleichen Stelle einsetzt, aber immer einen anderen Verlauf der Geschichte erzählt. Im CVJM-Haus Trinity erlebten wir heute einen Rewind und Neustart mit Potenzial für eine rennende Lola aus Marzahn.



Mehrere Tische waren zu einer Tafel zusammengestellt. Die Sitzecke mit ihren bequemen schwarzen Lederpolstern war für die Gäste des Abends vorbereitet. Es waren vier Gebetsstationen eingerichtet. Erinnerungen an alte Zeiten des Wachstums einer gesunden Jugendkirche in Marzahn wurden wach. Damals feierten wir hier Gottesdienste und Themenpartys. Es gab vier große Hauskreise, die beständig wuchsen. Ja, damals ...

Als die Kanzlerin beim Besuch des Don-Bosco-Zentrums nach der Einwohnerzahl Marzahns fragte, antwortete die Bezirkspolitikerin Dagmar Pohle: "260.000". Eine Zahl, die mit der Population deutscher Kleinstädte wie Münster (296.000) vergleichbar ist. Die Gemeindelandschaft in Marzahn bedient viele traditionelle Bedürfnisse wie die evangelische Landeskirche, die Baptisten, die SELK und die katholische Kirche. Wachstum scheint es jedoch nur bei den Katholiken, dem Lichtblick e.V. oder Gemeinden mit Fokus auf Aussiedler zu geben.

260.000 Marzahner haben also nur dann eine Anlaufstelle für den christlichen Glauben, wenn sie sich auf traditionelle Strukturen einlassen, zur Zielgruppe des Lichtblick e.V. gehören, eine russische Prägung haben oder sich über die Bezirksgrenzen hinaus orientieren. Doch wo kann Otto Normalverbraucher aus Marzahn eine Beziehung zu Jesus aufbauen? In welche Gemeinde kann er ohne Bedenken seine Freunde oder Kollegen mitnehmen?

So saß heute eine gute Anzahl ehemaliger Mitglieder der Jugendkirche Marzahn (jetzt Kirche43) zusammen und überlegte und betete, wie eine neue Gemeinde im und für den Bezirk aussehen könnte. Die Atmosphäre war angenehm entspannt. Die Timeline nach CVJM Trinity (2006) wurde kaum thematisiert und bei Lobpreis, Andacht und Essen wurde vorwärts gedacht.

Da viele der Anwesenden bereits eine neue Homebase bei ICF, der Kreativen, JKB Treptow, Saddleback oder anderen Gemeinden gefunden hatten, verständigten wir uns auf regelmäßiges Gebet für den Bezirk und zum Hören auf die opportunen Instruktionen Gottes. Ein guter Plan, der allgemeine Zustimmung fand.

Freitag, 25. November 2016

A Disruptive Gospel - Transforming Your City

Ein Evangelium, das die Metropolen dieser Welt durchdringt, beschreibt Mac Pier in seinem Buch "A Disruptive Gospel". Er stellt in achtzehn Kapiteln diverse Beispiele urbaner Transformation vor und geht auch auf die Grundprinzipien erfolgreicher Bewegungen ein.



Das über zweihundert Seiten umfassende Buch "A Disruptive Gospel" von Mac Pier war ein wertiger Bestandteil unseres dunkelblauen Jute-Begleitbeutels zur #MDGC16-Konferenz in New York. Während viele Flyer, Heftchen und Visitenkarten auf der allgemeinen Ablage der NYSUM landeten, wurden dieses Buch, eine Tony-Evans-DVD und die Pfefferminz-Pillen einer Bibelschule ins Reisegepäck transferiert.

Beispiel New York City

Bereits der Titel verspricht eine moderne Auseinandersetzung mit der effektiven Verbreitung des Evangeliums. Besonders hatte mich Kapitel 2 beeindruckt, wo die geistliche Disruption New Yorks beschrieben wird. Die Not war in den 1980er und 1990er so groß, dass sich Leiter unterschiedlicher Gemeinden zum Gebet und gemeinsamen Aktionen trafen. Das taten sie so nachhaltig, dass innerhalb weniger Jahre die Mordrate deutlich nach unten ging, der soziale Frieden gestärkt und viele neue Gemeinden gegründet wurden. Die Wirkung ist statistisch belegt und auch in den Straßen und Untergrundbahnen spürbar. Queens, Brooklyn und die Bronx lassen sich heute auch als weißer Tourist gut per Spaziergang erkunden, was vor fünfundzwanzig Jahren weniger denkbar gewesen wäre.

Diese beachtliche Harmonie einer multiethnischen Population erlebte ich bereits bei meiner Ankunft in New York, als ich mich vom Busbahnhof nach Queens begab. Gleiches in den Gemeinden, die wir besuchten und auf der Straße. Man musste morgens um acht dem Gangsta-Rapper im Donuts-Shop nur freundlich zunicken und schon bekam auch er ein breites Lächeln auf dem Gesicht und grüßte zurück.

A Disruptive Gospel Mac Pier
A Disruptive Gospel - Mac Pier


Transformation durch Einheit

Das Geheimnis liegt in der Einheit. Einheit der geistlichen Leiter und Einheit mit parakirchlichen Werken und dem "Marketplace". Während in Deutschland nur die Pastoren und eventuell noch christliche Hilfsorganisationen auf dem Radar sind, stellen in sämtlichen Teilen der Welt die christlichen Unternehmer (Marketplace) einen wichtigen Bestandteil der Vernetzung dar.

Mac Pier trifft sich in Kapitel 6 im einunddreißigsten Stockwert eines Bürohauses in Downtown Dallas mit Ray Nixon, einem texanischen Unternehmer. Er hat dort einen weiten Blick über die Stadt und erfährt viele interessante Dinge über die Geschichte, die Zusammensetzung der Bevölkerung und die aktuellen Herausforderungen. Auch hier geht es um Einheit der christlichen Leiter, Gebet und praktische Hilfe. Mit praktischer Hilfe ist durch das gesamte Buch hindurch Hilfe zur Selbsthilfe sowie Bildung gemeint.

Statistiken

Die Berichte enthalten viele Zahlen und strategische Hintergrundinformationen, warum beispielsweise Kinder ohne präsente Väter suboptimale Entwicklungen nehmen, wie der Präsident Ruandas für Einheit im Volk und einen wirtschaftlichen Aufschwung sorgt oder wie ausgewanderte Menschen aus Haiti zur Rückkehr auf die Insel zwecks humanitärer Hilfe motiviert werden.

Es werden konkrete Beispiele aus Dubai, Pretoria, Indien, Ruanda, Haiti und anderen Regionen mit Großstädten dargestellt. Immerhin wurden auch schon in der Apostelgeschichte die großen Städte der Antike bereist, um dort einen viralen Einfluss (Impact) auf das Römische Reich zu initiieren. Auch Großbritannien und Schweden geben viel Grund zur Hoffnung. In Frankreich entstehen momentan neue Gemeinden, was wohl eine Folge der Terroranschläge von Paris ist.

Und bei uns?

Allein Mitteleuropa wirkt in Kapitel 17 etwas blass und eingeschlafen nach den vielen ermutigenden Schilderungen. Das wird wohl daran liegen, dass das Prinzip des effektiven Zusammenspiels von lokaler Gemeinde, christlichen Organisationen und Marketplace (siehe Dreibeinhocker) in unseren Regionen noch nicht angekommen ist. Die lokale Gemeinde stellt oftmals das Maß aller Dinge dar und grenzt sich gerne gegen benachbarte Denominationen ab. Dann kommen christliche Organisationen und dann erst einmal gar nichts. Unternehmer und Führungskräfte aus dem säkularen Berufsleben werden in Deutschland selten als geeignete Player für das Reich Gottes angesehen.

Die im Buch mehrfach skizzierten Vernetzungen über Schlüsselpersonen aus Politik und Wirtschaft sind in Europa eher unterentwickelt. Sehr beeindruckend, was Mac Pier in diesem Zusammenhang über Dubai berichtet. Das Schlusswort von Bob Doll widmet sich komplett den christlichen Leitern aus dem Marketplace-Segment und ermutigt sie zum Denken und Handeln in der Reich-Gottes-Perspektive.

Wer das Buch lesen möchte, sollte Englisch verstehen. Eine Übersetzung des zweiten Kapitels über die statistisch belegten Veränderungen in New York City ist bereits angedacht.

Sonntag, 20. November 2016

Mosaik Berlin und der Abgleich einer Webseite

Mosaik Berlin ist eine relativ neue multiethnisch geprägte Gemeinde in Berlin, die sich im Schatten des Axel-Springer-Hochhauses trifft. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist eine Sonntagspredigt auf Englisch, die konsekutiv auf Deutsch übersetzt wird.



"Wir müssen viertel nach halb vor fünfzig los", erklärte mein Sohn noch einmal die Uhrzeit, wann wir startklar sein sollten. Er wollte zusammen mit meiner Frau zu Saddleback fahren, während ich endlich einmal Mosaik Berlin auf dem Programm hatte. Da sich anhand der Webseite schon ein Bild zur Gemeinde geformt hatte, wollte ich unbedingt meine Tochter als Zweitstimme dabei haben und aus der üblichen Meinungspluralität eine sinnvolle Schnittmenge extrahieren. 10:35 Uhr war ein guter Zeitpunkt des Losfahrens, den wir wie üblich um fünf Minuten überzogen.

Kurz nach elf setzten wir Frau und Sohn bei der Kalkscheune ab und fuhren weiter zu Axel Springer. "BILD Dir deine Meinung", war auch unser heutiges Motto. Im Sommer hatte ich erstmalig vom Gründungsprojekt "Mosaik Berlin" gehört, als wir Christopher auf dem SOLA getroffen hatten. Darauf googelte ich die Gemeinde und stellte fest, dass sie sich in unmittelbarer Nähe zu anderen modernen Gemeinden wie Berlin Connect, Kulturwerkstatt Mitte, Berlinprojekt oder Saddleback befindet. Es kam die Frage auf, wer in dieser Region so viele coole Gemeinden brauche? Während in Marzahn die geistliche Flaute herrscht, trampeln sich Missionare und kreative Mittdreißiger in der City auf den Füßen herum.

Der Häuserblock um die Besselstraße 13 wirkte verlassen. Herbstlaub wehte über Freiflächen und Straßen. Es gab sehr viele ungenutzte Parkplätze. Wir liefen am Haus entlang und kamen an einem großen bunten Schild vorbei, das auf ein Game-Science-Event hinwies. Durch die Schaufenster war ein dicht mit jungen Leuten gefüllter Raum zu sehen. Wir liefen weiter und kamen schließlich fast am Ende des Häuserblocks an. Wo war der Eingang zu Mosaik? Als wir uns umsahen, bemerkten wir ein kleines schwarzes Schild mit einem eingekreisten "M". Dieses war völlig von dem massiven Gamer-Schild überdeckt worden. Ein Problem, das sich durch die üblichen Aufstellfähnchen in Segelform lösen ließe.

Proaktiv grüßend betraten wir die hellen Räumlichkeiten und legten unsere winterlichen Jacken ab. An einer Theke konnte man sich mit Tee oder Kaffee bedienen. Der oben erwähnte Christopher kam vorbei und begrüßte uns freundlich, blieb einige Momente bei uns stehen. Smalltalk. Dann musste er noch einige Dinge für den Gottesdienst erledigen. Durch väterlichen Druck gelang es mir, endlich mal wieder etwas weiter vorne zu sitzen: fünfte Reihe.

Pastor Neville Jones lief hin und her und traf letzte Abstimmungen vor dem Beginn. Der Gottesdienst startete mit Lobpreis und den Ansagen. Das Mikro der Moderatorin versagte seinen Dienst. Sie erwähnte auch einen Welcome Desk, den wir beim Betreten der Location gar nicht bemerkt hatten. Dann trat Neville Jones mit einer Übersetzerin auf die Bühne. Noch einmal stellte er sich als Pastor vor, der gemeinsam mit seiner Frau Sue diese Gemeinde leite. Dass man ihn bei Kaffee und Kuchen nach dem Gottesdienst in der zweiten Etage kennen lernen könne, erfuhren wir mehrfach an diesem Vormittag. Das war uns auch schon durch die Webseite bekannt.

Anhand der bisher veröffentlichten Predigtmitschnitte zur Themenreihe "Seeing Jesus" hätte ich heute einen Text aus Johannes 6 oder 7 erwartet. Statt dessen predigte er über mein Lieblingskapitel Johannes 9. Neville Jones hatte die Predigt in drei Blöcke eingeteilt und ging darin auf die Jünger, die Pharisäer als geistlich Blinde und den Blindgeborenen ein. Er las dazu die ersten und die letzten Verse des Kapitels und blieb während der gesamten Predigt am Text. Besonders angesprochen war ich wieder einmal von den Ausführungen zu den Versen 28 und 34.

Nach der Predigt gab es Abendmahl, welches wahlweise mit Saft oder Wein genommen werden konnte. Begleitet wurde es musikalisch von der aus vier Personen bestehenden Lobpreisband. Danach trat die Moderatorin für ein Abschlussgebet und die Verabschiedung auf. Wieder versagte ihr schnurloses Mikro. Ich vermisste die Kollekte.

Der Gottesdienst hatte fast zwei Stunden gedauert, so dass der Rest der Familie bereits vor der Kalkscheune stand und uns per WhatsApp zum Aufbruch drängte. Auf dem Weg tauschte ich mit meiner Tochter die Eindrücke aus.

Die Webseite hatte abgesehen von den ständigen Sicherheitswarnungen des Browsers ein Bild gezeichnet, das durch diesen Besuch vor Ort korrigiert werden konnte. Anhand der Webseite war ich davon ausgegangen, dass es sich um eine auf den Pastor zentrierte und schwach besuchte Gemeinde mit erheblichem Mangel an Mitarbeitern handelt. Das entspricht jedoch so nicht der Realität:

Der Pastor und seine Frau scheinen sich zwar als zentrale Bezugspersonen zu sehen, dennoch lässt sich einiges an Leitungspotenzial in den Reihen von Mosaik erkennen. Die Gemeinde und die Mitarbeiterschaft wirken sehr intakt. Schade, dass letzterer Umstand auf der Webseite so unterrepräsentiert ist. Neben der Webseite birgt auch das Thema Welcome ein gewisses Optimierungspotenzial. Obwohl Mosaik erst vor wenigen Wochen nach Kreuzberg umgezogen ist, kommt der Raum bei über siebzig Besuchern so langsam an seine Kapazitätsgrenzen.