Freitag, 6. Januar 2017

20*C+M+B+17

20*C+M+B+17 ist in unserer protestantischen Region recht selten zu sehen. In Gegenden mit katholischer Prägung kennt diese Kreideaufschriften wohl jeder.



Als mein Sohn eines Tages vom Religionsunterricht nach Hause kam, klebte er ein Schild mit der Aufschrift "20*C+M+B+13" an die Eingangstür. Stolz erklärte er: "Das heißt Christus mansionem benedicat". Das klang gut und wird normalerweise mit "Christus segne dieses Haus" übersetzt.

Dabei bedeutet "mansio" eher Herberge oder Aufenthaltsort, zumal "manere" (bleiben) im Wortstamm steckt. Das gerne als Segnen übersetzte "benedicere" heißt eigentlich "Gutes reden".

Christus mansionem benedicat

Das Schild sensibilisierte mich für diesen mit Kreide an die Türen oder den Zugangsbereich geschriebenen Text. Er fiel mir vorwiegend in C-geleiteten Ministerien, dem Kanzleramt, dem Konrad-Adenauer-Haus oder dem Schloss Bellevue auf. Auch die Landesvertretung Sachsen war mit diesem Schriftzug versehen. Das erweckte ein gewisses Maß an Sympathie.

Sternsinger

Im letzten Jahr sah ich dann auch erstmalig Fotos von den knuffigen Sternsingern, die nach Berlin gereist waren und die Eingangsbereiche verschiedener Gebäude der Bundesregierung beschriftet hatten. Die Sternsinger verkleiden sich dazu wie die Weisen aus dem Morgenland und tragen mindestens einen goldenen Stern am Holzstab vor sich her. Sie singen Lieder und sammeln Spenden.


20*C+M+B+17 Schloss Bellevue
20*C+M+B+17 an der Eingangstür zum Schloss Bellevue
 
Besucher aus dem Orient

Am sechsten Januar, dem Erscheinungstag des Herrn oder auch Epiphanie genannt, wird der Weisen aus dem Morgenland gedacht. Im Urtext wird sogar von Magiern (griechisch "magoi", lateinisch "magi") geredet, was allerdings nicht so gut ins traditionelle Konzept passt. Die Hebräer sprechen von "Chachamim", was so viel wie "die Weisen" bedeutet. Daraus wurden dann drei Könige mit den Namen Caspar, Melchior und Balthasar gemacht.

In Matthäus 2 werden jedoch weder die Anzahl noch die Namen erwähnt. Lediglich die Geschenke "Gold, Weihrauch und Myrrhen" werden in Mt 2,11 genannt. Diese stellen einen Bezug zur Zahl Drei und den Namen der Besucher aus dem Orient her:

Ceseph ist das hebräische Wort für Geld, Melech das hebräische Wort für König und Beelaschatzar (siehe Daniel 7,1 oder Daniel 8,1) ist ein akkadischer Name, der "Herr, schütze mein Leben" bedeuten soll.

Das C+M+B in der Mitte der Beschriftung könnte also einmal auf die Anfangsbuchstaben der Orientalen und alternativ auf den oben zitierten Segen bezogen werden. Wobei letztere Bedeutung die offizielle ist.

Warum aber stehen der Stern und die Kreuze zwischen den Buchstaben?

Der Stern hinter der Hunderterstelle des Jahres steht für den Stern, dem die Weisen gefolgt waren. In Vers 10 des zweiten Matthäus-Kapitels lesen wir, dass sie den Stern sahen und hoch erfreut wurden. Im Lateinischen wird von "gaudio magno valde" geredet. Dieser Vers begeistert mich jedes Mal aufs Neue.

Die drei Kreuze hinter jedem der drei Buchstaben steht für den Segen "Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes". Ich hätte hier noch die nahe liegende Assoziation zu den drei Kreuzen auf Golgatha gehabt.

20*C+M+B+17

Insgesamt eine schöne Tradition. Ich werde mal mit meinem Sohn reden, ob er uns wieder solch ein Schild bastelt.

Donnerstag, 5. Januar 2017

Christen in Berlin mit frischer Optik

Christen-in-Berlin.de ist ein Informationsportal zum christlichen Leben in unserer Stadt. Es enthält weit über 1.000 Links mit regionalem Bezug.



Kurz nach der Gründung von Gemeinsam für Berlin ging auch Christen-in-Berlin.de an den Start. Pünktlich zum Kirchentag im Sommer 2003 waren mehrere hundert Links in das regionale Informationsportal eingepflegt worden und dazu genau zwei Newsbeiträge.

Die Anzahl von zwei Newsbeiträgen war jedoch fatal und sorgte für eine Endlosschleife bei der Generierung der Startseite des Portals. Der Hilferuf ereilte uns auf dem Weg nach Italien. Erst in Innsbruck fanden wir einen christlichen Buchladen, in dem wir mithilfe rudimentärer Mittel wie des Windows-Editors und des DOS-Eingabefensters die notwendigen Anpassungen vornehmen konnten. Dann lief die Seite.

Die Seite etablierte sich auch schnell in den Google-Suchergebnissen, wenn bestimmte Gemeinden oder Angebote in Berlin gefunden werden sollten.

Innerhalb von dreizehn Jahren hatte sich jedoch einiges im Internetbereich geändert. Etwa 50% der Besucher surfen jetzt per Smartphone. Die allgemeine Optik hatte mehrere Generationen durchlaufen und die Anlehnung der Navigation an die damaligen Startseiten von Yahoo oder AOL waren lange überholt. Ganz abgesehen davon, dass diese beiden Anbieter neben Google massiv an Marktrelevanz verloren haben.

Deshalb entschieden wir uns im Sommer 2016 auf recht kurzem Wege zu einem optischen Relaunch bei gleichbleibender Funktionalität. Das Design wurde von Florian Walz geliefert, der uns auch in anderen Projekten unterstützt.

Zwischen Weihnachten und Neujahr wurde die frische Optik programmtechnisch umgesetzt und die Webseite freigeschaltet.

Die Redakteure von Gemeinsam für Berlin pflegen weiterhin regelmäßig neue Links, Veranstaltungen, Kleinanzeigen und Aktuelles mit regionalem Bezug ein. Es lohnt sich also, öfter mal bei www.Christen-in-Berlin.de vorbeizuschauen. Wer die Seite nicht direkt anwählt, wird sicher demnächst bei Google darüber stolpern.

Mittwoch, 4. Januar 2017

Dankbar für die erste Million

Die erste Million sei die schwerste, heißt es. Deshalb werde an der zweiten Million gearbeitet, wenn es mit der ersten nicht geklappt hatte.



Gestern Abend erhielten wir die freudige Mitteilung, dass der Facebook-Kanal der Internetmission Berlin, auch als Gott in Berlin bekannt, die personelle Reichweite von einer Million überschritten hat. Es gab fast 110.000 Beitragsinteraktionen und 421 Likes innerhalb einer Woche.

Der virale Beitrag bestand aus einem fotografierten Text mit dem Titel "Ich bin dankbar". Ein Text, der schon einmal im Vorjahr gepostet wurde, aber so gut wie keine Beachtung gefunden hatte. Wir kannten den Text von einer Andacht im Rahmen unserer Kur im Sauerland. Darin heißt es:

Ich bin dankbar
  • für die Steuern, die ich zahle, weil das bedeutet, ich habe Arbeit und Einkommen.
  • für die Hose, die ein bisschen zu eng sitzt, weil das bedeutet, ich habe genug zu essen.
  • für das Durcheinander nach der Feier, das ich aufräumen muss, weil das bedeutet, ich war von lieben Menschen umgeben.
  • für den Rasen, der gemäht, die Fenster, die geputzt werden müssen, weil das bedeutet, ich habe ein Zuhause.
  • für die laut geäußerten Beschwerden über die Regierung, weil das bedeutet, wir leben in einem freien Land und haben das Recht der freien Meinungsäußerung.
  • für die Frau in der Gemeinde, die hinter mir sitzt und falsch singt, weil das bedeutet, dass ich gut hören kann.
  • für die Wäsche und den Bügelberg, weil das bedeutet, dass ich genug Kleidung habe.
  • für die Müdigkeit und die schmerzenden Muskeln am Ende des Tages, weil das bedeutet, ich bin fähig, hart zu arbeiten.
  • für den Wecker, der morgens klingelt, weil das bedeutet, mir wird ein neuer Tag geschenkt. 

Wegen der starken Verbreitung dieses Textes kann die ursprüngliche Quelle auch per Google nicht eindeutig ermittelt werden. Ebenso wenig kann solch ein Zugriffsverhalten verlässlich geplant werden. Es existieren bestimmte Hebel und Parameter, die einen gewissen Erfolg bei der Verbreitung von Inhalten im Internet versprechen. Einen Garant gibt es jedoch nicht.

Weitere Zahlen

Die Besucherzahlen des YouTube-Kanals meiner Firma hatten zum Jahreswechsel die halbe Million geknackt. Von Jugendlichen wird der Kanal als "langweilig" eingestuft. Er bedient eher Besucher aus dem Umfeld von Politik und Wirtschaft.

Auch der Church-Checker-Blog schreitet straff auf die 10.000 Leser pro Monat zu, obwohl er erst seit einem knappen Jahr wieder aktiv gepflegt wird.

Montag, 2. Januar 2017

Mülheimer Verband und die DNA

Der Mülheimer Verband ist mit seinen knapp 110 Jahren ein recht junger Gemeindeverbund. Deutschlandweit versammeln sich etwa 4.400 Menschen in den Gottesdiensten der 43 Gemeinden und Gründungsprojekte.



"Hier Ihr Kaffee", der Kommissar reicht seinem Gegenüber einen dampfenden Becher. Die als Freundlichkeit verstandene Geste wird anschließend zur Ermittlung der DNA des Befragten verwendet. Die DNA-Spuren am Becher werden mit den Spuren am Tatort abgeglichen, so dass eine eindeutige Überführung des Täters möglich wird.

In einem Buch über wissenschaftliche Antworten auf absurde Fragestellungen beschäftigt sich ein Kapitel mit den Folgen der Selbstbefruchtung. Es kommen zunächst die Berechnungsformeln zur Ermittlung der neuen DNA aus zwei Eltern-DNAs zum Einsatz. Wir lernen dort, dass ein hoher Grad der Divergenz sehr förderlich für die DNA des Kindes ist. Dabei geht es mehr um die vorhandenen DNA-Informationen der Großeltern als die der Eltern selbst. Treffen nun zwei identische DNAs aufeinander, kann es im Idealfall zu einer Extrempotenzierung guter Eigenschaften kommen, so dass ein Genie entsteht. Allerdings ist die Option einer breiten Null-Setzung von Eigenschaften deutlich wahrscheinlicher, da sich identische DNA-Faktoren in der Regel gegenseitig aufheben.

DNA des Mülheimer Verbandes

Die DNA enthält wichtige Informationen über die Herkunft und die Beschaffenheit ihres Inhabers. Deshalb hat die Begrifflichkeit der DNA auch in anderen Lebensbereichen Einzug gehalten und dient als Definition des Selbstverständnisses. Vor zwei Jahren hatte der Mülheimer Verband seine DNA formuliert und in die Grundsatzpapiere aufgenommen.

Ich mag den Mülheimer Verband. Die erste Berührung mit Leuten aus dessen Umfeld hatte ich Anfang der 1990er Jahre. Sie fielen dadurch auf, dass sie auch bei alltäglichen Gelegenheiten wie Geburtstagspartys über ihren Glauben redeten, als sei das eine ganz normale Angelegenheit. Sie fragten mich, wie und wann ich mich für Jesus entschieden hatte und wie das mit der Taufe gewesen sei. Solche Gespräche außerhalb offizieller Gemeindeveranstaltungen waren bis dahin ungewohnt, so dass ich mehr darüber erfahren wollte. Auf diesem Wege kam ich zur Lukas-Gemeinde in Schöneberg, wo ich auch meine Frau kennen lernte.

Die Lukas-Gemeinde gehört zum Mülheimer Verband und hatte beginnend mit der Josua-Gemeinde in Spandau mehrere Gemeinden in Berlin gegründet. Das heißt, es wurden immer wieder Mitglieder der Lukas-Gemeinde in die Berliner Bezirke "gesendet", um vor Ort Gemeinden zu gründen. Es folgten Projekte in Friedrichshain, Marzahn, Steglitz, Pankow und Prenzlauer Berg.

Vision und das Beste für die Stadt

Auch bundesweit sind neue Gemeinden des Mülheimer Verbandes im Entstehen. Kein Wunder also, dass diese Wachstumssicht in der DNA zementiert wurde. Der erste Punkt thematisiert die biblische Aufforderung, das Beste für die Stadt zu suchen (Jer 29,7). Der zweite Punkt beschäftigt sich mit der Vision, dass Gemeinden dadurch wachsen, dass Menschen zum Glauben an Jesus finden, dass innerliche Erneuerung anhand der Bibel als fortdauernder Prozess praktiziert wird, neue Gemeinden entstehen und auch das soziale Engagement nicht zu kurz kommt.

Werte und Herkunft

Um die Vision konkret werden zu lassen, bedarf es einer Wertegrundlage. Diese Werte werden im dritten Punkt formuliert. Die Bibel nimmt dort einen zentralen Platz ein. Auch der Dialog mit Christen anderer Denominationen ist hier verankert. Schriftlich niedergelegt ist zudem das Leben nach den Grundsätzen der Bibel im Alltag, vertrauensvolle und verbindliche Beziehungen untereinander sowie die Wertschätzung von Mitarbeitern und Leitern. Letzteres wird gerne bei Mitarbeiterbanketten zum Ausdruck gebracht.

Neben der Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden und christlichen Werken ist auch die Herkunft aus der Erweckungsbewegung um 1900 ein wichtiger Wert des Mülheimer Verbandes. Damals hatten sich die Leiter unterschiedlicher Gemeinden zum gemeinsamen Gebet und der Vorbereitung einer Evangelisation getroffen. Als erste Maßnahme hatten sie sich Vergebung für die langjährigen Unstimmigkeiten zwischen ihren Gruppierungen zugesprochen und um Einheit gebetet. Diese Einheit trat dann tatsächlich ein und hatte eine Erweckung im Ausmaß der Apostelgeschichte zur Folge.

Glaubenskultur

Die Glaubenskultur wird im vierten Punkt mit Leidenschaft für Jesus und ein stetig wachsendes Vertrauen in Gott definiert. Hinzu kommen eine Offenheit für das Wirken des Heiligen Geistes inklusive begleitender Zeichen und Wunder, eine Begeisterung beim Weitergeben des Glaubens und eine Sehnsucht nach dem Reich Gottes in Form von positiver Klimaveränderung und der Wiederkunft von Jesus.

Gesunde Führungspersönlichkeiten

Der letzte Punkt der DNA des Mülheimer Verbandes widmet sich gesunden Leitern, die nach 2.Tim 2,2 entdeckt und gefördert werden sollen, um anschließend weitere Leiter zu finden und zu entwickeln. Mehrfach wird das Wort "Führungspersönlichkeit" verwendet, welches Leiter impliziert, die authentisch, ehrlich und kompetent nach dem dienenden Vorbild Jesu ihre Berufung ausfüllen.

DNA in der Praxis

Beim Mülheimer Verband haben wir einige authentische Leiterpersönlichkeiten kennen gelernt. Menschen, deren Vorbildwirkung in Wort und Tat Übereinstimmung findet und auch meine Handlungsmuster beeinflusst hatte. Einer dieser Leiter, Ekkehart Vetter, ist seit gestern Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA). Andere Leiterpersönlichkeiten gehen säkularen Berufen nach und leben das vor, was in der DNA des Mülheimer Verbandes als theoretische Grundlage fixiert wurde.

Der Mülheimer Verband hat mehr als andere Glaubensgemeinschaften den Spagat zwischen evangelikal und charismatisch geprägten Christen zu meistern. Aber gerade diese Vielfalt ergibt eine interessante Mischung.

Samstag, 31. Dezember 2016

Gottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Durch eine Presseinformation wurde ich gestern Nachmittag auf einen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche aufmerksam gemacht. Der Jahresabschlussgottesdienst der Schaustellerinnen und Schausteller hat wohl schon Tradition an diesem Ort.



"Ach hier war das", der zweite gediegene Herr mit Mantel und Brille nickte, während beide auf das Kerzenmeer in der großen Lücke zwischen den Weihnachtsmarkt-Buden schauten. Wir eilten an ihnen vorbei. Es war zwar noch genügend Zeit, aber wir wussten ja nicht, wie gut der Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche besucht sein wird.

Im Eingangsbereich wurden die Gäste von Verantwortlichen des Schaustellerverbandes begrüßt. Ein Mitarbeiter drückte uns ein Programmheft in die Hand. Der Saal war noch recht leer, so dass wir relativ weit vorne Platz nehmen konnten. Auf dem Altar waren eine Bibel, ein Kreuz, zwölf Kerzen und Abendmahlsgeschirr symmetrisch angeordnet. Darüber schwebte eine segnende Jesus-Figur in goldenem Glanz.

Jahresschlussgottesdienst Schausteller Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Jahresschlussgottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche


Innerhalb der nächsten halben Stunde füllte sich der Saal mit Leuten, die sich offensichtlich kannten und teilweise sehr herzlich begrüßten. Einige waren in Schwarz erschienen, um sich optisch mit ihren Kollegen und Kunden des Weihnachtsmarktes am Breitscheidplatz zu solidarisieren. Als die Orgel erklang, erhob sich die Gemeinde. Durch den Mittelgang schritten katholische und evangelische Pfarrer sowie Entscheidungsträger aus Regionalpolitik und Wirtschaft. Sie stellten zwölf weitere Kerzen auf den Altar.

Das gemeinsame Eingangslied "Von guten Mächten wunderbar geborgen" hatte heute eine ganz besondere Bedeutung. Dietrich Bonhoeffer hatte den Text 1944 geschrieben und erlebte den darauf folgenden Jahreswechsel nicht mehr. Beim Jahresschlussgottesdienst der Schausteller im letzten Jahr hätte wohl niemand damit gerechnet, dass wenige Meter neben der Gedächtniskirche zwölf Menschen aus dem Leben gerissen werden. Sie konnten den Heiligabend 2016 nicht mehr erleben.

Jahresschlussgottesdienst Schausteller Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Jahresschlussgottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche


Auch der Predigttext zur Jahreslosung 2016 "Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet" aus Jes 66,13 bekam angesichts der vorweihnachtlichen Ereignisse eine ganz neue Bedeutung. Gedächtniskirchen-Pfarrer Martin Germer nahm die Zuhörer emotional in den Text hinein und ermutigte auch die harten Männer des Schaustellergewerbes, Tränen zuzulassen und professionelle Hilfe bei der Bewältigung von Trauer, Schlaflosigkeit und Angst zu suchen. Martin Germer ging aber auch auf die Ursprünge des Textes und die damalige Situation des Volkes Israel ein.

Besonders beeindruckend war die Instrumentalbegleitung von Andreas Uhle, der bei einem der Orgelstücke mit einer Aida-Trompete vor dem Altar stand. Warum nur musste ich unentwegt an die sieben Engel mit den Posaunen aus Off 8,2 denken, die in den Offenbarungskapiteln acht bis elf zum Einsatz kommen?

Nach dem Abendmahl, übrigens mit Weißwein, kam Circus- und Schaustellerseelsorger Torsten Heinrich (EKD) zum Einsatz. Er gab einen Ausblick auf die Jahreslosung für 2017: "Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch". Der Vers steht in Hesekiel 36,26 und wurde in einer Zeit verfasst, die die Israeliten in der babylonischen Verbannung zubrachten, die sie sich maßgeblich durch ihr Desinteresse an Gott eingebrockt hatten.

Jahresschlussgottesdienst Schausteller Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Jahresschlussgottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche


Der Segen wurde gemeinschaftlich evangelisch und katholisch gesprochen. Die Kollekte war für die Konfirmanden der Circus- und Schaustellerseelsorge gedacht. Die Kinder und Jugendlichen von Eltern dieser Branche sind ja besonders durch ständige Wohnortwechsel herausgefordert. Mein Sohn flüsterte mir zu, dass das ja gar nicht so dramatisch sei, wie man an unserer guten geistlichen Versorgung durch divergente Gottesdienstbesuche sehe.

Am Ausgang gab es Kerzen mit der Jahreslosung. Einige dieser Kerzen fanden sich anschließend im Meer der Kerzen an der provisorischen Gedenkstätte zwischen den Weihnachtsmarkt-Buden wieder.

Dienstag, 27. Dezember 2016

Migrationskirchen in Berlin

In den letzten eineinhalb Jahren hatten wir über sechzig verschiedene Gemeinden besucht und in diesem Blog beschrieben. Darunter waren auch Gemeinden mit starken afrikanischen, russischen oder internationalen Akzenten. Der Gemeinsam für Berlin e.V. hat nun eine Webseite aufgesetzt, die der starken Zuwanderung nach Berlin Rechnung trägt.



Beim Besuch von Gemeinden mit internationalem Mitgliederschwerpunkt stellten wir fest, dass das nur bedingt auf unsere kulturellen Bedürfnissen adaptierbar ist. Auch wenn wir in der Regel sehr herzlich aufgenommen wurden, fanden wir bei Gottesdienstelementen, den aktuellen Themen oder dem Frömmigkeitsstil zu wenige Anknüpfungspunkte, die eine tragfähige Langzeitgemeinschaft möglich gemacht hätten.

Gleich und Gleich ...

Dass dieses Empfinden auf Gegenseitigkeit beruht, stellten wir bereits Anfang der 1990er Jahre fest, als viele Russlanddeutsche nach Berlin kamen und nur wenige von ihnen in etablierten Gemeinden Anschluss fanden. Integration ist zwar in aller Munde, gestaltet sich jedoch in der Praxis schwieriger als gewünscht. So finden sich ethnisch und konfessionell harmonierende Gruppen und gründen neue Gemeinden in der Stadt, die wiederum einen klaren Zielgruppenfokus aufweisen.

Um Suchenden das Finden leichter zu machen, hat Gemeinsam für Berlin nun die Webseite Migrationskirchen-in-Berlin.de aufgesetzt, die die einzelnen Gemeinden und Kleingruppen nach Sprache, Nationalität und Konfession bzw. geistlicher Prägung katalogisiert.

Französisch, Farsi, Filipino

Wer zuwandert und Farsi spricht, kann diese Sprache anklicken und bekommt darauf fünf Gemeinden in Berlin angezeigt. Koreaner haben eine deutlich größere Auswahl. Ihnen werden evangelische Freikirchen, Pfingstgemeinden und eine römisch-katholische Gemeinde präsentiert. Während sich die Koreaner stark auf die City konzentrieren, bewegen sich russische Gemeinden eher auf die nördliche und östliche Peripherie zu. Franzosen haben fünf relativ zentral gelegene Anlaufstellen, die von acht portugiesisch sprechenden Gemeinden umringt sind.

Die Karte zeigt diverse europäische Sprachgemeinden von ungarisch über norwegisch, schwedisch, serbokroatisch, holländisch und polnisch bis hin zu finnisch. Philippiner, Vietnamesen, Japaner, Chinesen, Mongolen, Tamilen und weitere Asiaten versammeln sich großflächig in Berlin. Araber, Kopten, Aramäer, Syrer ziehen sich mit vierzehn Standorten geografisch betrachtet in Bananenform zwischen Tegel und Grunewald über die Stadt.

Wie zu erwarten war, haben Menschen mit Zuwanderungsgeschichte und gleichzeitigen Kenntnissen der englischen Sprache die größte Auswahl bei etwa dreißig im Portal registrierten Anlaufstellen. Beim Besuch einiger dieser Gemeinden konnten wir einen hohen Grad des Integrationspotenzials feststellen.

Weitere Infos

Bei einigen der Sprachen kann weiter geklickt werden, so dass sich einzelne Denominationen aufklappen und Einzelgemeinden sichtbar werden. Klickt man weiter, werden Gottesdienstzeiten und zusätzliche Informationen sichtbar. Ein sehr praktisches und gut navigierbares Webangebot zum schnellen Auffinden einer eventuell passenden Gemeinde. Die finale Entscheidung kann ohnehin erst nach einem Besuch vor Ort getroffen werden.

Samstag, 24. Dezember 2016

ICF - Heiligabend im UCI Gropius Passagen

Wachsende Gemeinden erfordern größere Locations. Nach einem sehr gut besuchten Weihnachtsgottesdienst im letzten Jahr hatte ICF diesmal einen Kinosaal im UCI Gropius Passagen angemietet.



Die Omas klingelten viel zu früh. Mein Sohn hatte gerade die Tischdecke gebügelt und den Tisch für den anschließenden Verzehr von Bouletten, Kartoffelsalat und Würstchen vorbereitet. Ich versuchte hinter der Couch das Verlängerungskabel in eine Steckdose mit Kindersicherung zu bekommen. Da half nur noch ein Schraubendreher, der die Kindersicherung in hohem Bogen herausschnellen ließ.

Omas und Kekse

Die Omas gaben nun die Geschwindigkeit vor. Mit sechs Personen mussten wir sogar zwei Autos nutzen. Obwohl auch verkehrstechnische Dämpfungsfaktoren aus Märkisch Oderland (MOL) unterwegs waren, erreichten wir die Gropius Passagen so früh, dass wir vor dem Eingang zum Kinosaal 4 warten mussten. Es wurden selbst gebackene Kekse verteilt.

Kurz vor drei wurden die Pforten geöffnet und innerhalb kürzester Zeit hatte sich der Saal fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Pastor Stefan Hänsch ging durch die Reihen und begrüßte einige Leute. Ab und zu sahen wir Bekannte vom SOLA und anderen Berührungspunkten. Der Countdown lief diesmal nur fünf Minuten und war in eine schlichte Weihnachtsschmuck-Grafik eingebettet.

Emojis und Weihnachtslieder

Der Gottesdienste, bei ICF Berlin auch Celebration genannt, begann mit einem Quiz. Dabei wurden die Besucher in zwei Gruppen von Leuten unter 25 und über 25 eingeteilt. Es sollten anhand von WhatsApp-Emojis Weihnachtslieder erraten werden. Die Antworten ließen in der Regel weniger als fünf Sekunden auf sich warten.

Dann gab es mehrere Vortragsstücke auf Deutsch und Englisch mit unterschiedlicher instrumentaler und personeller Besetzung. Ich war beeindruckt von den Hintergrundbildern und der Lichttechnik und fragte mich die ganze Zeit, wie lange wohl die Vorbereitungen gedauert haben müssen. Es folgte das obligatorische Krippenspiel mit einem schlichten aber wirkungsvollen Bühnenbild. Auch hier war die Beleuchtung perfekt abgestimmt. Allerdings rätselte die Familie anschließend über den roten Faden des Stückes, da offensichtlich mehrfach zwischen eigentlichem Stück und Rahmenhandlung bei der Verteilung der Rollen umgeschaltet wurde.

Fürchtet euch nicht!

Die Predigt hatte den Omas am besten gefallen. Inhaltlich ging es um das Thema "furchtlos". Der Referent schüttelte eine Schneekugel und nahm uns in die Zeit seiner Kindheit mit, wo er in verschiedenen Situationen das Glas geschüttelt hatte und dann mit dem Beruhigen des Sturmes im Glas auch selbst ruhiger wurde. Furcht ist ein aktuelles Thema. Furcht war im Sommer aktuell, als die ersten Konzepte für den Weihnachtsgottesdienst überlegt wurden. Furcht war auch vor 2.000 Jahren angesagt, als die Römer die Vorherrschaft in Israel ausübten und Jesus geboren wurde. "Fürchtet euch nicht", sprechen die Engel den Hirten zu. "Fürchtet euch nicht", sagt Jesus mehrfach zu seinen Schülern. "In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden", gibt Jesus seinen Jüngern und uns in Joh 16,33 mit auf den Weg. 365 Mal soll dieser Zuspruch in der Bibel vorkommen. Für jeden Tag ein Zuspruch der Ermutigung.

Als ein großes Bild mit Kreuz auf der Leinwand eingeblendet wurde, verließ eine Sitzreihe mit mehreren Kopftuchfrauen und deren männlichem Anhang den Saal. Das war aber relativ am Ende, so dass sie noch die vielen Lieder und das Krippenspiel miterlebt hatten.

Kekse und Würstchen

Nach der Predigt gab es weitere gemeinsame und vorgetragene Lieder. Kathrin Hänsch sprach den Segen und gab noch einige Informationen weiter. Am Ausgang wurde die Kollekte eingesammelt und die immer noch reichlich vorhandenen selbst gebackenen Kekse verteilt.

Obwohl meine Kinder und ich einen deutlich weiteren Weg zum Parkplatz hatten, waren wir schneller zu Hause als meine Frau mit den Omas. Das gab dann zwar Ärger, aber den konnten wir damit kompensieren, dass wir bereits Wasser für Tee und Würstchen aufgesetzt hatten.

Mittwoch, 21. Dezember 2016

3. Johannes und der Trend zum Hals

Der zweite und dritte Johannesbrief werden mit ihren insgesamt nur 28 Versen schnell mal überlesen. Es folgt der Judasbrief und dann die atemberaubende Offenbarung. Gestern schauten wir uns den 3. Johannes etwas genauer an.



"So intensiv hatte ich mich noch nie mit dem 3. Johannesbrief beschäftigt", sagte mir anschließend ein Teilnehmer der recht großen Runde des Gebetsabends. Passend zum Jahresende war das der Abschluss einer längeren Expedition durch die drei Briefe des Apostels.

3. Johannesbrief
3. Johannesbrief ist mit 15 Versen das kürzeste Buch des Neuen Testamentes
Gaius, Diotrephes und Demetrio

In den fünfzehn Versen tauchen drei Hauptakteure auf: Gaius, Diotrephes und Demetrio.

Gaius wird als gastfreundlicher Gemeindeleiter vorgestellt, der sich um reisende Missionare kümmert und von diesen dafür gelobt wird. Auch Demetrius wird von Johannes gelobt. Er bekommt sogar eine dreifache Bestätigung (Zeugnis), nämlich von allen, von der Wahrheit und von den Leuten um Johannes. Neben dem deutschen Wort "Liebe", das in anderen Sprachen wie Griechisch oder Latein noch besser auf Wertschätzung, diakonische Liebe, erotische Liebe oder Geschwisterliebe differenziert wird, spielt bei Johannes auch "Wahrheit" eine sehr große Rolle.

Wahrheit

Der wohl bekannteste Satz dazu steht in Joh 18,38, wo Pilatus die Frage stellt: "Was ist Wahrheit?", obwohl die "Wahrheit" (Joh 14,6) direkt vor ihm steht.

In den Versen neun und zehn geht es um Diotrephes, der "der erste sein möchte". Bei Nestle-Aland lesen wir sogar, dass er es liebt, sich wie der erste zu benehmen (amat primatum gerere). Das erinnert ein wenig an das gelegentlich formulierte Selbstbild des "primus inter pares" (Erster unter Gleichen), was dann in der Praxis eher als "primus supra pares" gelebt wird. Und wenn "supra" (über) nicht klappt, dann eben "iuxta" (neben). Solch ein Primus schafft gerne vollendete Tatsachen an der Gemeinde und deren Leitung vorbei, die das dann aber bitte im Nachhinein zu unterstützen haben.

Mit Wahrheit hat das nichts zu tun. Diotrephes kann folglich auch keine "Brüder" ertragen, die seinen unwahren Behauptungen nicht folgen. Sie werden aus der Gemeinschaft herausgeworfen. Ein Wort, das wir auch von der Eject-Taste des DVD-Players kennen.

Der Hals

Vor einigen Tagen unterhielten wir uns mit einer theologischen Schlüsselperson über die Passgenauigkeit von Persönlichkeitsstrukturen zu gemeindlichen Aufgabenprofilen. Er berichtete, dass wohl insbesondere jüngere Pastoren den Dienst des Alleinunterhalters wiederentdeckt hätten. Die Zuhörer waren erstaunt, zumal es weder mit den Prinzipien von 1. Kor 12 noch mit säkularen Trends der Teambildung harmoniert.

Abgesehen vom drohenden Burnout des Alleinunterhalters stagniert auch das Wachstum der Gemeindemitglieder in qualitativer und quantitativer Hinsicht. Unwahrheit und Heuchelei werden gefördert. Wer möchte schon gerne wie eine DVD ausgeworfen werden? Der Primus mit dem Anspruch, den ganzen Leib Christi in seiner Person zu verkörpern, macht sich letztlich selbst zum Hals, obwohl dieser in den Metaphern zum gesunden Leib Christi gar nicht erwähnt wird. Der Hals verbindet den Kopf (Jesus) mit dem Körper (Gemeinde) und kontrolliert die Kommunikationswege. Auch eine im südlichen und östlichen Mittelmeerraum agierende Islamistengruppe hat den Hals als geeignetes Körperteil zur Unterbrechung lebenswichtiger Steuerungs- und Nachschubwege entdeckt.

Freundschaft

Gut, wenn Johannes dann in den letzten zwei Versen schreibt, dass er sich gerne persönlich mit Gaius unterhalten möchte und dass er ihm Frieden wünscht. Zweimal redet er im letzten Vers sogar von Freunden, was Gaius in seiner aktuellen Situation die Gewissheit vermittelt, dass er nicht alleine steht.

Montag, 19. Dezember 2016

Adrians neuer Adventskalender

Adrian Plass wurde mit dem "frommen Chaoten" bekannt. Wie sein Adventskalender zeigt, kann er auch ernste Geschichten schreiben.



Der Sohn unseres Steuerberaters, Adrian Snell und Adrian Plass waren gute Argumente für die Namensgebung unseres Sohnes. Meinen Eltern gefiel der Name Adrian zwar nicht. Für uns war er jedoch mehrfach positiv belegt. Zudem gab es eine Kongruenz zwischen unserem Humor und dem des schreibenden Adrians.

Mit dem Titel seines Buches "Adrians neuer Adventskalender" hatten wir eine fröhliche Adventszeit assoziiert und waren davon ausgegangen, dass wir die vierundzwanzig Tage bis Heiligabend mit heiteren Erzählungen erfreut werden.

Adrian Plass - Adrians neuer Adventskalender
Adrian Plass - Adrians neuer Adventskalender
Das Büchlein mit den knapp 100 Seiten enthält 24 Kapitel, so dass an jedem Dezembertag analog zum Weihnachtskalender eine Geschichte gelesen werden kann. Ein beachtlicher Teil der Geschichten ist allerdings eher ernst und besinnlich.

Besonders bewegt waren wir am 14. Dezember durch das Kapitel mit der Überschrift "Der Keller". Die Geschichte nimmt eine Wendung, mit der man nicht gerechnet hatte. Einen Tag zuvor hatten wir noch eine Kostprobe britischen Humors bekommen.

So wechseln sich in diesem "Adventskalender" heitere Geschichten und ernste Denkanstöße ab. Man weiß nicht, was einen am nächsten Tag erwartet. Bis zum Heiligabend bleibt es spannend und die tägliche Lese-Überraschung ähnelt der kindlichen Überraschung beim Öffnen des nächsten Türchens am Schokokalender.

Dieses Buch ist "exklusiv für Adrians deutsche Freunde" geschrieben. Immerhin kennt man ihn ja durch die unzähligen Berichte aus dem Leben des frommen Chaoten.

Sonntag, 18. Dezember 2016

Kneipen-Gottesdienst in Lankwitz

Die Internetmission Berlin dreht zur Zeit Filme über Glaubensthemen, die in einer Lankwitzer Kneipe spielen. Heute fand erstmalig ein Gottesdienst im "Schusterjungen" statt.



Thomas Nachtigall ist in seinem Kiez als "Don Camillo" bekannt. Der studierte Theologe fällt aus sämtlichen pietistischen Rastern und eckt regelmäßig mit seinen provokanten Artikeln im Blog von GottinBerlin.de an. Er ist zudem der fromme Part im "Berliner Kneipengespräch" und erklärt dort seinem Kollegen Werner Kasulske in breitem Berlinerisch, wat im Jlobn Sache is, wa?

Als ich zusammen mit meiner Mutter (75) kurz vor elf in Lankwitz eintraf, war der Kneipenraum schon gut gefüllt. Direkt vor der Bühne, besser gesagt vor dem Tresen, fanden wir noch zwei Plätze an einem Vierertisch. Der Stammtisch neben uns war reserviert und weitestgehend besetzt. Stimmengewirr. Kellnerinnen trugen Kakao, Kaffee, Weiße, Cola, Bier und Schnaps durch den Raum. Es wurde immer enger, so dass sogar noch Stühle von der Freifläche geholt werden mussten.

Blues und Rock'n Roll

Dann traf auch der Rock'n Roll Preacher mit seinem Equipment ein. Eine Verstärkerbox, eine Konzertgitarre und eine E-Gitarre wurden ausgepackt und angeschlossen. Unter seinem Ledermantel wurde ein großer Patronengürtel sichtbar. Der regelmäßige Kneipengast neben mir zeigte sich erleichtert, dass im Gürtel nur unzählige Mundharmonikas statt der üblichen großkalibrigen Patronen steckten.

"Ej, Nachtigall-Pfarrer, fang an", rief ein Gast über seinen zweiten Schnaps hinweg. Der Preacher mit dem Ledermantel begann zu rocken und wurde von einem weiteren Musiker auf der E-Gitarre begleitet. Blues at its best! Die Gläser auf dem Tisch vibrierten, die Wirtin lächelte und Don Camillo platzierte sich im Schneidersitz auf dem hohen runden Tisch vor dem Tresen. Vor mir saß nun auch ein ZZ-Top-Double auf einem der hereingetragenen Stühle.

Paule und Kasulske

Um den Bezug zum "Schusterjungen" zu erklären, zeigte Thomas zunächst den jüngsten Kneipen-Streifen zur Fragestellung "Wat is Advent". Paule und Kasulske unterhalten sich darin über eintreffende Leute, Geburtstagsgeschenke, den Weihnachtsmann und Jesus. Paule raucht, trinkt Bier und erklärt das Evangelium mit Herz und Schnauze. Der Kasulske-Darsteller saß im hinteren Teil der gemütlichen Gaststube.

Persönliche Beziehung zu Jesus

Es müssen so um die fünfunddreißig Leute der anschließenden Predigt gelauscht haben. Es war allerdings keine klassische Predigt mit Kanzel, Bibeltext, Exegese und diversen Unterpunkten sondern eine Predigt, wie sie in der Apostelgeschichte mehrfach zu finden ist. Thomas erzählte von seiner Begegnung mit Jesus, der ihn nach einem sehr persönlichen Gebet auf Berlinerisch, mit Herz und Schnauze eben, von Sinnlosigkeit, Angst und Schlaflosigkeit befreit hatte. Dieses persönliche Erleben war so markant, dass es maßgeblich seine weiteren Entscheidungen und Entwicklungen beeinflusst hatte. Er zitierte nur einen Bibelvers aus Off 3,20, worin es heißt, dass Jesus an der Tür steht, anklopft und möchte, dass wir ihn einlassen. Sehr persönlich ging es weiter, so dass am Ende jeder im Raum wusste, dass es um die Beziehung zu Jesus und nicht um fromme Rituale gehe.

Rauchen, Schnaps und Segen

Dem Raucher neben mir war die Predigt zu lange, so dass er den Zuhörern klar machte, dass er dringend das WC benutzen müsse. Danach ging er vor die Kneipentür und rauchte. Beim abschließenden Amazing Grace setzte er sich zu seinem dritten Schnaps und sang mit einer beachtlich guten Stimme mit. Er trug Jeans, ein Hemd, schwarze Lederschuhe und ein graues Sakko, welches ihn unter der Woche optisch als Teil der New Economy durchgehen ließe.

Der Nachtigall-Pfarrer betete und leitete dann ins Vaterunser über, welches fast alle Kneipenbesucher mitbeten konnten. Es folgte ein weiterer Blues und der persönlich formulierte Segen. "Wo war denn jetzt der Abschluss-Segen", wurde Thomas nach dem Gottesdienst gefragt, "so mit Kreuz und so". "Ich hatte euch einen persönlichen Segen zugesprochen", war seine ruhige Antwort und wurde akzeptiert.

Erst als wir im Auto saßen, bemerkten wir, dass wir uns ja eben über eine Stunde in einer Raucherkneipe aufgehalten hatten. Das Hemd war in leichten Nikotingeruch gehüllt, aber es hatte uns dort nicht gestört. Meine Mutter zählte auf der Rückfahrt die Fortsetzungs-Termine für den Kneipen-Gottesdienst auf und gab mehrfach das als Lob zu wertende Statement: "Wenn du hier das nächste Mal hinfährst, komme ich wieder mit".

Samstag, 17. Dezember 2016

Was hat Audi mit der Bibel zu tun?

Angeregt durch Sprüche 16, 9 "... Gott lenkt" fielen mir in der letzten Woche ständig Bezüge zu deutschen Fahrzeugherstellern auf, die ich dem geneigten Leser dieses Blogs nicht vorenthalten möchte.



Als Ergebnis einer Geburtstagsparty lag ein kleiner Zettel mit der Aufschrift "GOTT LENKT." auf meinem Schreibtisch und postulierte eine Wahrheit, die mir schon länger bewusst ist. Allerdings regen auch bekannte Wahrheiten gelegentlich weitere Denkprozesse an und schwingen in sämtlichen Alltagssituationen mit.

Mercedes und der volle Lohn

So stolperte ich diese Woche im zweiten Brief des Johannes über den Vers 8, wo es heißt, dass wir aufpassen sollen, dass wir nicht verlieren, was wir erarbeitet haben, sondern vollen Lohn empfangen. Auf Latein endet der Vers wie folgt: "sed ut mercedem plenam accipiatis". Der volle Lohn (merces) könnte also bei mobile.de mit "Mercedes Voll! Voll! Voll!" angepriesen werden, was eine höchst mögliche Ausstattungsfülle bedeutet oder einfach nur den potenziellen Kunden zu einer Vorabüberweisung nach England bewegen soll.

sed ut mercedem plenam accipiatis
Mercedes - sed ut mercedem plenam accipiatis - damit ihr den vollen Lohn empfangt.
Janis Joplin besingt den Wunsch sogar mit den Worten: "Oh Lord, won't you buy me a Mercedes Benz?" und setzt damit auf einer biblischen Parallele aus Numeri 11 auf. Dort wurde um Wachteln gebeten und diese gab es dann auch. Der Text aus dem vierten Mose zeigt jedoch auch, dass nicht jeder erfüllte Wunsch wirklich zum Besten dient. Deshalb sollte der "merces" Gottes idealerweise Ihm überlassen werden.

Es könnte sich auch um einen Denar aus Matthäus 20, 1-16 handeln. In Vers acht lesen wir "... redde illis mercedem ..." (gib ihnen den Lohn), was wohl die zuerst angestellten Mitarbeiter missverstanden hatten, da sie sich anschließend über den einen Denar beschwerten. Rechnet man das damalige Gewicht des Reinsilber-Denars (4,55g) auf den heutige Preis der Feinunze um, kommt man auf einen Gegenwert von etwa drei Euro. Damit konnte man damals einen Tag finanzieren und heute etwa zwei Liter Benzin für den Mercedes kaufen. Damit kämen wir mit einer S-Klasse gerade von zu Hause bis zum CVJM Kaulsdorf und müssten dann wieder einen Tag lang im Weinberg arbeiten.

Audi - Vorsprung durch Hören

So schön die Laufruhe von Elektroautos wie Tesla & Co. ist, so gefährlich kann das für andere Verkehrsteilnehmer sein. Man hört diese Fahrzeuge einfach nicht. Bei meinem ersten Vier-Liter-Auto hatte ich Doppelrohr-Endschalldämpfer von Remus und 200-Zellen-Metall-Sportkats verbaut, die meiner Frau auch durch die geschlossenen Scheiben signalisierten, dass ich gerade im Anflug bin.

Audi Israhel!
Audi Israhel! - 5. Mose 6, 4
Audi (Höre!) spielt im Neuen Testament eine große Rolle. Besonders markante Stellen finden wir in der Bergpredigt, wo es in Mt 7, 24+26 heißt: "qui audit verba mea haec" (wer diese meine Worte hört). Wer die gehörten Worte umsetzt, gleicht einem klugen Mann und wer sie nicht umsetzt einem dummen Mann (viro stulto).

Es gibt weitere Passagen, wo Jesus etwas hört und sich wundert (Mt 8,10), wo Herodes von Jesus hört (Mt 14,1), wo Jesus hört, dass Herodes etwas von ihm gehört hat (Mt 14,13), wo die Jünger hören, dass Jakobus und Johannes eine Sonderstellung bei Jesus angefragt hatten und unwillig darüber werden (Mt 20,24) oder die Begebenheit mit dem Blinden in Jericho, der hört, dass Jesus vorbeikommt und zu rufen beginnt, so dass Jesus stehen bleibt und ihn heilt (Lk 18,35-43).

Im Alten Testament gibt es noch das "Höre Israel" (Dtn 6,4), welches in der Vulgata mit "Audi Israhel!" übersetzt wird.

Mein zweiter V8 war so gut gedämmt, dass man im Innenraum nicht hörte, ob der Motor an ist. Bei erneutem Starten war aber ein ungesundes Geräusch des Anlassers zu vernehmen. Auf unserer Fahrt nach Kassel war ich beeindruckt von der guten Dämmung eines Audi A7. Das hätte ich einem viertürigen Coupé ohne Fensterrahmen gar nicht zugetraut. Audi ist übrigens der erste Fahrzeughersteller, der eine 3D-Klanganlage von Bang & Olufsen verbaut, die einzelne Tonspuren separieren kann.

Bete mal wieder!

Der Witz ist alt, bei dem ein Pfarrer und ein Busfahrer an der Himmelspforte anklopfen. Petrus schickt den Pfarrer weg, weil in seinen Predigten alle eingeschlafen waren. Der Busfahrer hingegen wird eingelassen, weil seine Mitfahrer immer intensiv gebetet hatten.

Ähnlich verhält es sich mit der Marke "Bete mal wieder" (BMW). Einige Zeitgenossen übersetzen die Abkürzung mit "Bring mich Werkstatt" oder gar mit "Bayerische Motorenwerke". Der ADAC weiß zu berichten, dass Fahrer von dunklen BMW mit starker Motorisierung als besonders aggressiv wahrgenommen werden. Damit werden nicht nur Schleicher auf der linken Spur, sondern auch begleitende Insassen eines BMW zum Beten angeregt.

"Bete mal wieder!" ist eine gute Idee für sämtliche Verkehrssituationen des Lebens. Wenn der BMW mit 256 km/h in den elektronischen Begrenzer fährt, der Weg frei ist, alles super läuft, die Insassen in die Sitze gepresst sind und das breite Grinsen im Gesicht des Fahrers steht. Dann ist ein Dankgebet dran oder ein Gebet für die anderen Verkehrsteilnehmer, dass sie ihr Ziel vor Augen behalten und nicht ausgerechnet jetzt in die linke Spur wechseln.

BMW Bete mal wieder!
BMW - Bete mal wieder!
Es gibt aber auch andere Situationen, in denen "Bete mal wieder!" die Aufforderung der Wahl ist. Wenn im direkten Umfeld Chaos ausbricht, Verluste hinzunehmen sind und die Fahrt gestoppt oder stark verlangsamt ist. Mal wieder Beten, flankiert mit dem Lesen der Bibel, kann Wunder wirken und schnell wieder auf die Überholspur bringen.

Als mein Auto innerhalb von zwölf Monaten dreimal in einen "Bring mich Werkstatt" umgewidmet wurde (siehe Foto), erlebte ich eine heilsame emotionale Lösung vom materiellen Wert solcher Fahrzeuge. Nach dem dritten Mal blieben die auf Ebay begehrten Teile einfach ausgebaut und ich konzentrierte mich auf das Wesentliche: den Fahrspaß. "Bete mal wieder!" hatte ich als blau-weiße Gedankenstütze weiterhin vor Augen.

Automarken für Rechtgläubige

Es gibt weitere Automarken, die sich in diesen Kontext einreihen könnten. Lexus beispielsweise soll so viel wie "Beschützer der Menschheit" bedeuten. Kombiniert man das mit dem Werbeslogan seines Herstellerkonzerns Toyota "Nichts ist unmöglich", erhält man eine interessante Hymne auf Gott, dem alle Dinge möglich sind (Mt 19,26).

Etwas anders verhält es sich bei Skoda, der mit "schade" oder "Schaden" übersetzt werden kann. Auch Adam Opel hat eine fragwürdige Stellung in der Bibel, wie uns beispielsweise die Verse in Römer 5,12-21 erläutern.

Aus den obigen Schilderungen ergibt sich eine Empfehlung für die automobile Historie eines Christen:

Audi, BMW, Audi, BMW, parallel Lexus oder parallel alle drei Fahrzeugmarken und zum Schluss ein Mercedes. Dann wären die wichtigsten automobilen Prinzipien wie das Hören, das daraus folgende Beten, das Hören im Gebet und der begleitende Schutz Gottes (Psalm 91) erfüllt. Und am Ende kommt der Mercedes pardon "merces" wie wir es in 2. Joh 8 lesen.

Freitag, 16. Dezember 2016

Gott lenkt

Der zweite Teil von Sprüche 16, 9 könnte auf einen automobilen Kontext bezogen werden, hatte heute aber eine andere Bedeutung für mich.



Seit Tagen hatte ich an einer weiteren Buchrezension gefeilt und wollte diese heute früh veröffentlichen. Noch schnell eine kleine Ergänzung und eine Änderung mit STRG-Z und ... der Text war weg. Der komplette Text einfach weg. Schließen ohne Speichern und ... der Text bleib weg. Er ließ sich weder mit Zurück-Button noch über den Browser-Cache herstellen. Der Text war weg.

Mein Blick fiel auf den kleinen Zettel, der unter das Mouse-Pad geklemmt war: "GOTT LENKT". Der Zettel war Teil eines Party-Quiz und hatte mich gedanklich die Woche über begleitet. Wann immer der Blick über den kleinen weißen Papierschnipsel streifte, stellte ich mir Gott auf dem Fahrersitz vor. Ich saß daneben.

Nun war dieser Fall tatsächlich eingetreten. Ich hatte mir etwas gedacht, zeitlich geplant und Gott fuhr in eine andere Richtung. Nach weit über 500 Blogartikeln war das Verschwinden des Textes ein absolutes Novum.

Gott lenkt Sprüche 16, 9
Der Mensch denkt, Gott lenkt. - Sprüche 16, 9
Das sind die Erfahrungen, wenn Gott ans Steuer gelassen wird. Er führt uns in Gegenden und fährt Wege, die wir bisher nicht kannten. Orte, die wir selbst nie ins Navi eingestellt hätten, lernen wir durch Ihn kennen.

Er umfährt mit uns Baustellen, die uns zu lange blockieren würden. Er kennt die Umgehungsstraßen bei Stau. Er ist immer konzentriert und bringt das Fahrzeug des Lebens sicher ans Ziel.

Gott hält auch die Pausenzeiten ein und gibt gerne unterwegs mal einen aus. Wir können entspannen, schlafen, essen und uns unterhalten. Auf einer Fahrt zum Männertag in Kassel hatten wir die vielen Stunden auch genutzt, um die Lebensgeschichten von vier Teilnehmern zu hören. Offensichtlich war Jesus auch dabei und hatte interessiert zugehört. Er stand zumindest in den Schilderungen im Mittelpunkt.

Auf dieser Fahrt hatte uns Röm 8,28 iterativ bewegt. Zu herausfordernden Situationen konnte rückblickend immer ein tieferer Sinn erkannt werden. Ein Sinn, der eine positive Veränderung oder persönliches Wachstum gebracht hatte.

Deshalb kann ich mich wegen des gelöschten Artikels entspannen. Wird er doch entweder zum passenden Zeitpunkt neu geschrieben oder er hätte ohnehin nicht auf Gottes Weg gelegen. Dann ist es egal. Wichtig ist nur, dass ich mit Gott auf Seinen Wegen unterwegs bin.

Donnerstag, 15. Dezember 2016

COEO mit C geschrieben

Von COEO hatte ich schon viel gehört, war aber bisher nie dort gewesen. Gestern nutzte ich die Gelegenheit eines Termins in der City, um auf dem Rückweg bei COEO, dem Haus der guten Taten, in den Potsdamer Platz Arkaden vorbei zu schauen.



Im Rahmen der unfreiwilligen Osteuropahilfe war ich mehrfach der Kamerafunktionen meines Autos beraubt worden. Deshalb hatte ich schon lange keine Tiefgaragen mehr benutzt. Am Nikolaustag war ich auf ein kleineres Auto umgestiegen und unternahm nun den erneuten Versuch einer unbeschadeten Fahrt in die Tiefen einer Garage. Und tatsächlich streifte nur einmal das rechte Hinterrad die Begrenzungskante. Das Parkhaus unter dem Potsdamer Platz (Einfahrt Hans-von-Bülow-Straße) wurde wegen seiner günstigen Stundensätze sogar vom ADAC empfohlen.

Potsdamer Platz Arkaden

Von dort aus sind es nur wenige Schritte zu den Potsdamer Platz Arkaden, in denen sich COEO befinden soll. Mit männlichem Tunnelblick ging ich systematisch vor. Zuerst lief ich durch das Erdgeschoss. Golden glitzernde Tannenbäume überall. Bei so viel Licht verblasste jegliche Werbung an den Geschäften. Kein COEO.

Mit der Rolltreppe fuhr ich ins Obergeschoss. Zwei junge Frauen in weißem Engelskostüm stellten die Kulisse für einen schwarzen Touristen. Überall Lichterglanz, Sushi, Döner, Eis, aber kein COEO.

Einen Versuch hatte ich noch: das Untergeschoss. Ich fuhr hinab, spähte durch die glitzernden Tannenbäume und sah dort an der mittleren Treppe den Schriftzug "Taten". Dort muss es sein: "COEO - Haus der guten Taten".

COEO Haus der guten Taten
COEO Haus der guten Taten - exklusive Lebensmittel und Kochzutaten
An der mittleren Treppe befindet sich auch einer der Zugänge zum Bahnhof Potsdamer Platz, wo Fahrgäste zwischen S-Bahn und Regionalbahn wählen können. Dadurch ergibt sich hier eine rege Frequenz an Laufkundschaft. Etwa 50% der Kunden sind Touristen. Das stellt gewisse Ansprüche an das Sortiment, welches bei einer etablierten Stammkundschaft anders gestaltet sein muss. Auf etwas über 300 Quadratmetern kann der Berlinbesucher recht ausgefallene Dinge finden.

Faires Konzept

Auf den ersten Blick dachte ich an Nanu-Nana, musste dann jedoch feststellen, dass COEO ein ganz anderes Konzept verfolgt. Das Geschäftsführer-Ehepaar Martina und Peter Röhner aus Glauchau erklärte mir, dass nicht nur die Artikel einen klaren Fokus auf Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen in Drittweltländern haben, sondern auch die regionalen Lieferanten hohe Wertemaßstäbe in ihren Unternehmen anwenden.

Besonders begeistert war ich von den eineinhalb Regalmetern mit den verschiedensten Bibelausgaben. Von der Paperback-Bibel für 2,50 Euro bis zur arabischen Bibel in rotem Ledereinband konnte hier fast jeder Berliner oder Tourist versorgt werden. Rein statistisch geben Touristen aus China oder der Ukraine das meiste Geld in Deutschland aus. Auf solche Bibeln hatte ich in dem Moment nicht geachtet. Ein junger Mann wollte seinem Freund ein "völlig abgedrehtes Buch" schenken, fragte an der Kasse und wurde zum Bibelregal geführt. Vielleicht treffen wir den Leser ja demnächst mal in einem Gottesdienst.

Es gibt aber auch eine breite Auswahl an christlichen Bestsellern, Kalendern und Grußkarten. Dabei wird auf eine gute Mischung katholischer und evangelischer Herausgeber geachtet.

Werbung - COEO mit C geschrieben

Die Mitarbeiter trugen schwarze T-Shirts mit der Aufschrift "kyBoot". Diese Walk-on-Air-Schuhe nehmen bei COEO einen präsenten Platz in der Mitte des Ladens ein. Ich habe sogar Bekannte, die diese Schuhe tragen.

Die Mitarbeiter selbst setzen sich zu 50% aus Menschen mit Behinderung zusammen. Das ist diesen nicht unbedingt anzusehen, wird aber in der Werbung bei Radio Paradiso erwähnt und gehört zum Beschäftigungskonzept des "Hauses der guten Taten".

Es gibt mehrere Werbespots zu COEO, die bei Radio Paradiso laufen. Während einige Agenturen immer noch mit markigen Domainnamen wie "Örben-Solluhschns Dot Komm Släsch Börlin" glänzen, heißt es zu COEO schlicht "Ko-Ejo Minus Berlin Punkt De Eh - COEO mit C geschrieben".

COEO Haus der guten Taten
COEO Haus der guten Taten - Tassen mit den Gemütszuständen eines Teenagers
Gerade jetzt in der Weihnachtszeit oder bei der Suche nach Geschenken für Geburtstagskinder, die ohnehin schon alles haben, bietet sich ein Blick in die Regale von COEO an. Neben einer großen Auswahl an exklusiven Ledertaschen und individuell auf Teakholz-Wurzeln geträufelten Glasschalen findet der Kunde hier auch Fairtrade-Schokolade, modern geschnitzte Weihnachtsdekoration, Tassen mit Charaktergesichtern sowie exklusive Lebensmittel und Zutaten für den privaten Kochgenuss.

Das Sortiment wird regelmäßig überarbeitet und in sinnvollen Stückzahlen vorgehalten, so dass schnell auf geändertes Nachfrageverhalten reagiert werden kann.

Nach einem kurzen Gespräch mit Martina und Peter testete ich noch einmal die Luftmatte für die myBoot-Schuhe und verließ die Potsdamer Platz Arkaden. Zwei Euro verlangte der Parkautomat. Die Ausfahrt erfolgte ohne Schrammen und Felgenschäden.

Mittwoch, 14. Dezember 2016

Bahnhofsmission am Zoologischen Garten

Auf der Rückseite des Bahnhofs Zoologischer Garten, abgewandt vom pulsierenden Leben des Zoo-Einganges, des Zoo-Palastes, der Kantstraße und des Breitscheidplatzes mit Gedächtniskirche befinden sich die Zugänge zur Bahnhofsmission. Täglich finden hier mehrere hundert Menschen Hilfe.



"Der Gott des Himmels wird es uns gelingen lassen; denn wir, seine Knechte, haben uns aufgemacht und bauen wieder auf", heißt es in Nehemia 2, 20. Diesen Losungstext hörten heute Vormittag mehr als zwanzig Kameraleute, zehn Textjournalisten, diverse Polizisten und Personenschützer, der Bundespräsident, Daniela Schadt sowie Gäste und Mitarbeiter der Bahnhofsmission.

Gäste oder Fremde?

Das Vokabular ist wichtig. Während in herkömmlichen Gemeinden bei unbekannten Besuchern gerne von "Fremden" gesprochen wird, redet man in der Bahnhofsmission von "Gästen". Einige dieser Gäste standen zusammen mit den Pressevertretern vor der Tür und warteten auf das, was da kommen möge. Advent eben. Auf dem WC teilte einer der Gäste seinem Mitgast mit, dass Jauch käme. "Nein, Gauck", teilte der andere Gast mit. "Den Vogel muss ich mir mal angucken" lallte der Gesprächseinsteiger und brachte noch eine kurze Zusammenfassung seiner sozialpolitischen Einsichten, die der andere Gast kompetent zu korrigieren wusste.

Bahnhofsmission am Zoologischen Garten
Bahnhofsmission am Zoologischen Garten - Mitarbeiter in Blau, Daniela Schadt in Grau, Joachim Gauck im Anzug
Der Bundespräsident erschien pünktlich und begrüßte zunächst die Anzugträger. Dann gesellte er sich zu den Mitarbeitern in Blau, die die Eingangstür "bewachten" und nahm sich Zeit für Gruppenfotos. Kurz vorher hatte die ARD noch eine Szene eingefangen, bei der ein Gast mit weißem Regierungsbändchen ausgestattet und danach als "vorgezogenes A***loch" angepöbelt wurde. Der Pöbler fragte mich nach einem Euro, den ich nicht klein hatte. Er könne wechseln und disqualifizierte sich damit erst recht als Zuwendungsempfänger.

Mit weißen oder grünen Bändchen erhielten wir zusammen mit Joachim Gauck Zutritt zum Essenssaal der Bahnhofsmission. Bildende Journalisten nahmen hinter einem roten Absperrband Platz und die schreibende Zunft durfte sich an weihnachtlich gedeckte Tische mit Kaffee und Schokokeksen setzen. Dann folgte die oben bereits zitierte Losung. Die Andacht war kurz und endete mit einem Lied und Gebet. Selbst einige Personenschützer falteten die Hände. Textjournalisten sprachen ein deutliches "Amen". Danach wurden die Fotografen nach draußen gebeten.

Auf den Liedblättern mit dem Stadtmissionslogo war "Macht hoch die Tür, die Tor macht weit" in Anlehnung an Psalm 24 abgedruckt. Dass damit Gott gemeint ist, steht außer Frage. Jedoch passte es gut zum Empfang eines Spitzenpolitikers. Joachim Gauck trifft ständig "gekrönte Staatsoberhäupter", ist sich aber auch der "Welt daneben" bewusst. Deshalb taktet er Termine an Brennpunkten der Gesellschaft gerne in seinen Kalender ein. Ihm sei es wichtig, den engagierten Menschen des Landes bei solch einer Gelegenheit "Danke" zu sagen.

Bahnhofsmission am Zoologischen Garten
Bahnhofsmission am Zoologischen Garten - Andacht und Gesprächsrunde mit Bundespräsident Gauck


In kleiner Runde

Statt einer Rede am Pult mit Goldadler setzte er sich auf die harten Stühle der Bahnhofsmission und muss sich wie bei einem der längst vergangenen Bibelabende in seiner Kirche vorgekommen sein. Acht sehr unterschiedliche Menschen saßen im Kreis und erzählten über ihre Beziehung zur Bahnhofsmission. Joachim Gauck hatte damals am Bahnhof Zoo öfter "Daniela abgeholt" und habe aus dieser Zeit die Jebensstraße vor Augen.

Einer der acht im Kreis war ein Polizist mit mehreren Sternen, der mit seinem Verein Obdachlosen hilft. Unter Kollegen werden Sachen gesammelt, die dann hier verteilt werden. Wo im Dienst Distanz zu wahren ist, liegen sich hier öfters Polizisten und Obdachlose in den Armen und haben ein herzliches Verhältnis zueinander.

In der Runde saßen zwei "Gäste" und erzählten aus ihrem Leben. Der Bundespräsident fragte nach und auch Daniela Schadt war sehr interessiert an den Berichten. Die Gäste drückten sich sehr gut aus, erzählten kurz ihre Geschichte und was die Bahnhofsmission für sie bedeute. Sie bekommen hier gute Beratung, ein Bett, Essen, eine Dusche, Ambulanz und Menschen, mit denen sie reden können. Schätzungsweise gibt es in Berlin 4.000 bis 7.000 Obdachlose. Hauptbrennpunkte sind die Fernbahnhöfe. Die Berliner Stadtmission betreibt einen Kältebus, der insbesondere im Winter Obdachlose einsammelt und in Notunterkünfte bringt.

Mitarbeiter in Blau

Die Mitarbeiter der Bahnhofsmission rekrutieren sich aus Freiwilligen, angestellten Mitarbeitern und Straffälligen mit der Auflage gemeinnütziger Arbeit. Es arbeiten Designer, Ärzte, Manager, Volkswirte oder Rentner Hand in Hand und teilen sich die Schichten rund um die Uhr. Dabei fiel auf, dass viele Freiwillige und Gäste aus Süddeutschland stammen. Süddeutschland sei das Bundesland mit dem größten Ehrenamtsanteil.

Bei der Bahnhofsmission gebe es drei Personengruppen: die normal gekleideten sind Gäste, die Anzugträger leiten das Ganze und die Leute in Blau sind die "Nächste Hilfe". Etwa 150 angestellte Mitarbeiter gibt es, die von etwa 200 Straffälligen unterstützt werden. "Sind Knackies hier", fragte der Präsident in die Runde. Es meldete sich niemand. Ansonsten hätte er sich wohl noch dessen Lebensgeschichte erzählen lassen. An den Pressetischen wurde emsig mitgeschrieben, ansonsten wären wir wohl auch noch ins Gespräch verwickelt worden.

Der Chef

Die befragten Mitarbeiter in Blau oder Schwarz (Diakonisse Schwester Inge, übrigens auch aus Süddeutschland) stellten sehr deutlich ihre Beziehung zu Jesus heraus. Lutz erzählte von seinem Krebs, der durch Gebet überwunden worden sei. Er erfülle nun sein dankbares Versprechen, regelmäßig in der Bahnhofsmission zu arbeiten. "Ein Gelübde", konnte Joachim Gauck das theologisch korrekt auf den Punkt bringen. Lutz werde oft nach dem Chef gefragt. Der hänge dort an der Wand und sei auch noch nicht runtergefallen. Alle schauten auf die Schnitzerei mit dem gekreuzigten Jesus. Der pensionierte Werksleiter sei hier geerdet worden. Er sehe Elend aber auch Glück. Er sehe Tränen und Freude. Dieser Lebensabschnitt sei für ihn wie die Medizin. Dass das Arbeitsklima sehr gut sei, bestätigten die Mitarbeiter unisono. Auch die Gäste zeigten sich beeindruckt vom allgemeinen Umgang miteinander.

"Ich liebe die Menschen und liebe den Auftrag von Jesus Christus", rundete Schwester Inge ihre Ausführungen zur Tätigkeit in der Bahnhofsmission ab.

Die doch recht familiäre und ausführliche Zusammenkunft endete mit einem Hinweis auf den Terminkalender. Joachim Gauck sprach sich für einen nächsten Besuch aus. Auch Daniela Schadt war interessiert. Dann stürzten wieder die Fotografen und Kameraleute herein und versperrten die Sicht auf die liebevoll vorbereiteten Brötchen. Ich verließ die Szenerie, um noch möglichst entspannt den weiteren Weg antreten zu können. Draußen langweilten sich die Polizisten und die Fahrer der beiden schwarzen Limousinen.