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Donnerstag, 25. Mai 2017

#Kirchentag: Messe Berlin und City

Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag wartet mit vielen Veranstaltungen in Berlin, Wittenberg, Potsdam und Leipzig auf. Heute schauten wir uns auf dem Messegelände am Funkturm und am Alexanderplatz um.



Die Entscheidung für den öffentlichen Nahverkehr fiel heute leicht. Bequem erreichten wir die Nordseite des Messegeländes, liefen an schwer bewaffneten Polizisten vorbei, lehnten Flyer dubioser Gruppen ab und betraten das Palais am Funkturm. Hier, wo seit Jahren die goldenen Lolas an Filmschaffende vergeben werden und wilde After Show Partys toben, flatterten heute orange Schals und orange Fahnen mit großen runden Augen.

Wahrheit vor der Kamera

Wir steuerten die Bühne an und setzten uns in die dritte Reihe. Der Innenminister diskutierte vor laufenden Kameras des ZDF über Wahrheit. Thematisch entglitt das Ganze in Richtung Medienkompetenz, Shit Storm und juristische Optionen. Es wurde kontrovers diskutiert, enthielt aber für alle Teilnehmer des Panels wertvolle Impulse. Alle waren sich einig, dass gegenteilige Meinungen durchaus erwünscht seien, jedoch sollte der Diskurs in einer respektvollen Atmosphäre geführt werden.

#Kirchentag
#Kirchentag - Sitzplätze in den Messehallen
Leere, Pilgerweg und Seelsorge

Anschließend unternahmen wir den Versuch, uns systematisch von Nord nach Süd durch die Messehallen zu arbeiten. Die ersten Hallen waren etwas spartanisch eingerichtet. Hier und dort ein vereinzelter Stand, dann eine ganze Halle als Pilgerweg. Die übliche Optik schillernder Messebauten mit Jutebeuteln und Kugelschreibern begegnete uns nicht. Wir kauften zwei Pizzabrote und liefen weiter.

Eine ganze Halle für Seelsorge: Paarberatung, Einzelberatung, Gebetskabinen, Wartelisten. Interessant, woran beim Kirchentag gedacht worden war. Die Population wurde dichter. Immer mehr orange Schals und Beutel mit DEKT-Aufschrift kamen uns entgegen. Eine jung gebliebene Dame hatte sich einen grauen Hoodie im Kirchentags-Look zugelegt. Zwei großen Augen schauten mich von ihrem Rücken aus an.

Markt der Möglichkeiten

Wir näherten uns den eigentlichen Messeständen und fanden uns plötzlich in einem wilden Durcheinander wieder. Das heißt, über einigen Ständen waren Tafeln mit Kategorien angebracht. Allerdings erschloss sich die Zusammenstellung nicht wirklich unserer Logik.

Hier eine Israel-Ecke, dort Freizeitheime, hier Hospitalschiffe und dort die Bundespolizei; Bücher, Verlage, Bibelschulen, Missionsgesellschaften, Godly Play, Nagelkreuz-Verein, Verein der ostpreußischen Ostkirche und interreligiöse Stände. Dazwischen noch Aktionen gegen Menschenhandel, Podiumsdiskussionen, Pfadfinder, die Internetmission, die Christoffel Blindenmission, die Jesuiten, christliche Berufsperspektiven und World Vision.

#Kirchentag
#Kirchentag - Du siehst mich.
Mitglieder und Spender

So muss Luther Rom erlebt haben: Spende für Kaffee, Spende für den Verein, ein Euro für den bedruckten Radiergummi, eine Unterschrift gegen die Bundeswehr und hier noch das Formular zum Eintritt in einen Förderverein. Wären wir auf all diese Wünsche eingegangen, hätte uns das viel Geld gekostet und rein rechnerisch täglich zur Teilnahme an mehreren Jahreshauptversammlungen verpflichtet. Die Vielfalt ist schön und bunt, könnte aber sicher auch gebündelt und damit effizienter gestaltet werden.

"Christ und nicht hetero", lasen wir an einem Stand, der uns auf die Umwidmung des Regenbogens einstimmte. Beim nächsten Anbieter mussten wir erst einmal schauen, in welchem Kontext der Regenbogen dort genutzt wurde. Aha, Holzspielzeug für Kinder. Überhaupt wirkten die Besucher wenig heterogen. Wer "kirchlich" ist, offenbart sich durch ein wesentliches Merkmal:

Die Brille.

Es muss ein Modell im dreistelligen Preissegment sein. Dazu graue oder weiße Haare. Frauen tragen das Haar maximal schulterlang und Männer zusätzlich einen kurzen Bart. Sportliche Ökokleidung und gepflegtes Äußeres, kombiniert mit einem intelligenten Blick runden den homogenen Kirchgänger ab. Was wir bisher nur instinktiv kategorisiert hatten, notierte ich auf einem Zettel und evaluierte es im weiteren Verlauf des (Kirchen-)Tages.

#Kirchentag
#Kirchentag - Marienkirche am Alexanderplatz (Foto: Archiv 27.06.2017)
Alexanderplatz

Am Abend schauten wir uns mehrere Musikveranstaltungen rund um den Alexanderplatz an. Mit geschärftem Blick erkannten wir die DEKT-Teilnehmer auch ohne den markanten orangen Schal. Eine Band aus dem Libanon fiel jedoch durch das kulturell-ethnische Raster. Die Rocker hätten auch als Europäer oder Amerikaner durchgehen können. Fasziniert lauschten wir ihrer musikalischen Darbietung. Ein Schwarzer tanzte, Frauen mit Kopftüchern blieben stehen und EKD-Mitglieder offenbarten ihr Rhythmus-Gefühl.

Im benachbarten Bücherzelt kauften wir eine Twitter-Bibel. In der Marienkirche lauschten wir dem Konzert von Einheimischen und Geflüchteten: Klassik auf höchstem Niveau aus einem Mix europäischer und nahöstlicher Klänge und Gesänge.

Auf dem Rückweg mit der Tram setzten sich zwei ältere Damen zu uns. Den Zweck ihres Berlin-Besuchs erkannten wir an den Brillen und den schulterlangen grauen Haaren.

Mittwoch, 24. Mai 2017

#Kirchentag: Eröffnungs-Gottesdienst am Reichstag

Sehen und gesehen werden bei der Eröffnung des 36. Deutschen Evangelischen Kirchentages #DEKT. Wer und was war alles beim Gottesdienst am Reichstag und dem anschließenden Empfang beim Evangelischen Arbeitskreis der CDU/CSU zu sehen?



Es muss schon eine charismatische Persönlichkeit sein, die mehrere tausend Erwachsene zu seltsamen Handbewegungen anstiftet: Eckart von Hirschhausen. Beim Gottesdienstes zur Eröffnung des #DEKT motivierte er die Teilnehmer, mit ihren Händen ein Fernrohr zu formen und einen beliebigen Punkt in der Umgebung zu fixieren. Ich ließ mein Fernrohr von der Ministerbank zum Dach der Bühne schweifen und blieb dort haften: ein Dach über vielen Christen aus vielen Gemeinden und Konfessionen.

Sehen und gesehen werden

Als Hagar in 1. Mose 16, 13 - frei übersetzt - "Du siehst mich" sagte, wusste sie noch nicht, dass 4.000 Jahre später ein Kirchentag unter diesem Motto stattfinden wird. Im Bereich vor der Bühne galt jedenfalls das "Sehen und gesehen werden". Wolfgang Thierse, Christian Wulff, Franz Josef Jung, Hermann Gröhe, Petra Pau, Thomas de Maizière und Norbert Lammert sahen sich und andere Personen in ihrem Umfeld. Dazu gehörten Eckart von Hirschhausen, Friede Springer, Martin Pepper und jede Menge unbekannter Kirchenvertreter, die sich alle kannten. Letzteres war daran zu erkennen, dass sie sich sehr herzlich grüßten, als sie sich sahen.

#Kirchentag Reichstag Eröffnungsgottesdienst
#Kirchentag - Eröffnungsgottesdienst vor dem Reichstag
Du siehst mich ab 18:00 Uhr

Der Gottesdienst vor dem Reichstag startete um 18:00 Uhr. Immer wieder schallten Klänge vom Parallel-Gottesdienst am Brandenburger Tor herüber. Die eigentliche Musik spielte aber hier auf dem Platz der Republik:

Die Zuschauer sahen und hörten unter anderem den Landesbischof Heiner Koch. Als Katholik machte er sich stark für die Zusammenarbeit von evangelischen und katholischen Christen in der Stadt. Es gebe mehr Christen in Berlin, als wir denken. Eine Aussage, die ich nach dem Besuch von weit über 70 Gemeinden bestätigen kann.

Sehr positiv wurde auch der Erzbischof von Canterbury, Justin Welby, aufgenommen. Ausgehend vom Nagelkreuz, das er sichtbar über seinem schwarzen Gewand trug, predigte er über Jesus und "Eine feste Burg ist unser Gott". Diesen Satz zitierte er mehrfach auf Deutsch. Der Rest wurde von der Bühne aus übersetzt.

Mit "Schwestern und Brüder" begrüßte Norbert Lammert die Gottesdienst-Besucher und redete davon, dass Christen sichtbar sein sollten - auch im Alltag. Überhaupt blieb der gesamte Gottesdienst am Thema "Sehen": Mitmenschen wahrnehmen, in die Augen sehen, etwas sehen, übersehen, herabsehen, Gott sehen, von Gott gesehen werden.

#Kirchentag Reichstag Eröffnungsgottesdienst
#Kirchentag - Eröffnungsgottesdienst vor dem Reichstag - Predigt des Erzbischofs von Canterbury
Ich sehe einen Parkplatz und die Kanzlerin

Als ich zum Auto zurückkam, sah ich ein Ticket: 10 Euro. Behutsam entfernte ich es und fuhr zur CDU-Bundesgeschäftsstelle. Das war gar nicht so einfach. Die City war weiträumig abgesperrt. Ich parkte am Großen Stern und lief die 600 Meter zum Konrad-Adenauer-Haus.

Dort sah ich weitere Bekannte: Angela Merkel, EKD-Chef Heinrich Bedford-Strohm, Erhart Zeiser und Allianz-Primus Ekkehart Vetter. Eckart von Hirschhausen und Norbert Lammert standen neben mir und folgten dem Grußwort der Kanzlerin, die sich über den wachsenden Mut zum Outen als Christ redete. Ursula von der Leyen sah ich nicht, dafür aber die Kirchentags-Präsidentin Christina Aus der Au. Die Schweizerin mit dem starken fränkischen Akzent hatte schon beim Gottesdienst einen sehr sympathischen Eindruck hinterlassen.

Wir sehen die zu spät Kommenden

Wegen der oben erwähnten Verkehrssituation kamen fast alle Altvorderen zu spät, also die Personen, die in der ersten Reihe neben der Kanzlerin und Peter Tauber sitzen durften. Peter Tauber hätte ich nach dem Gottesdienst am Reichstag fast eine Mitfahrgelegenheit angeboten. Sein nächstens Ziel war absehbar.

Auch Erzbischof Welby mit dem Nagelkreuz und Landesbischof Bedford-Strohm kamen zu spät. Bedford-Strohm ist dafür bekannt, seinen Halsschmuck auf den Anlass anzupassen. Statt eines Kreuzes trug er heute einen DEKT-Schal. Sein Grußwort war frei gesprochen und zeigte, dass er auch Latein kann: Dreimal wiederholte er mit den Worten "homo incurvatus in se ipsum", dass der Mensch verkrümmt in sich selbst sei. Diese Verkrümmung könne sich nicht nur in Sünde äußern, sondern auch in einem um sich selbst Drehen. Das gelte für Einzelpersonen und ganze Gemeinden. Applaus.

Siehe, ein D!

Immer wieder grüßten mich völlig unbekannte Leute. Einer davon raunte mir in vertraulichem Ton zu: "Essen gibt's oben". Oben wurden die Gäste mit belegten Broten, Wein, Bier und anderen Getränken versorgt. Gemeinsam mit Allianz-Chef Ekkehart Vetter wurde die Demokratie einer Belastungsprobe unterzogen. Wir lehnten uns gegen das zwei Meter hohe D des CDU-Schriftzuges. Es gab nach und rutschte Richtung Fenster. Wir stellten den Buchstaben an seinem ursprünglichen Ort und wechselten den geografischen Standpunkt.

Am Ende des Ganges wurden Eierkuchen gebacken. Ich bekam einen in Form des CDU-Schriftzuges. Sollte das mein Gewissen herausfordern? Keine Ahnung. Ich tauchte die drei Buchstaben in rote Fruchtsoße und verspeiste das D zum Schluss.

Apropos rote Fruchtsoße: Die Kanzlerin hatte den EKD-Ratsvorsitzenden trotz seiner politischen Orientierung sehr herzlich begrüßt und dann von der Kanzel aus bemerkt, dass sie die geschwisterliche Gemeinschaft über Parteigrenzen hinweg genieße. Am Promi-Tisch saß Angela Merkel dann jedoch neben dem Briten mit dem Nagelkreuz.

Sonntag, 21. Mai 2017

RESET Berlin sorgt für Updates in Friedenau

RESET Berlin ist ein Jahr jünger als unser Sohn und gehört zum Ecclesia-Verband, der wiederum ein Teil des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) ist. Heute besuchten wir den Gottesdienst im ehemaligen Computerladen an der Bundesallee.



Meine Winterräder hatte ich in der Nähe von RESET Berlin gekauft und stellte bei der Montage fest, dass die keine RDC-Sensoren haben. RDC-Sensoren messen den Luftdruck und melden ihn ans Cockpit. Gelbes Warnsymbol! Nach dem Einbau der Sensoren brauchten die Räder einen RESET.

Mit einem Reifendruck von 2,4 bis 2,7 Bar rollten wir heute auf die Location von RESET Berlin in der Bundesallee zu. Als wir den Eckladen mit der markanten Schrift sahen, bogen wir ab und fanden etwa hundert Meter weiter einen Parkplatz.

Cappuccino, Milchkaffee, Filterkaffee

Zum Konzept der Besucherführung gehört es, dass die Räume von der Nebenstraße aus betreten werden. Wir öffneten die Tür und standen sofort in einem kleinen Vorraum mit Theke. Die Dame dahinter fragte uns, was wir denn trinken möchten. "Kaffee", sagte ich und wurde durch die Gegenfrage sofort in einen Entscheidungsnotstand versetzt: Cappuccino, Milchkaffee, Filterkaffee und weitere Arten von Kaffee wurden genannt. Filterkaffee kannte ich. Den zapfte ich aus einer großen silbernen Kanne. Meine Frau ließ sich eines der anderen Getränke zubereiten.

Im Saal standen elf kleine Tische mit Barhockern. Der Raum hatte ein Fassungsvermögen von maximal siebzig Personen. Auf den Tischen standen Schälchen mit Kaffeebohnen und Teelichten.

Gemeinsames Essen

Der Gottesdienst bei RESET beginnt um 10:30 Uhr. Es gibt kein akademisches Viertel. Wer schon um zehn kommt, kann die halbe Stunde vorher zum Frühstücken und Netzwerken nutzen. Langsam-Esser dürfen während der Lobpreiszeit im Saal den Rest verzehren. Es gebe einmal im Monat auch ein Mitbring-Buffet, welches nach dem Gottesdienst verspeist werde. Kaffee-Atmosphäre und gemeinsames Essen ist ein wichtiges Merkmal von RESET.

Säule des Hauses und Säulen der Gemeinde

Wir kamen mit dem Pastor Jim Johnson, seiner Frau und einigen Leuten aus der Gemeinde ins Gespräch. Dann setzten wir uns an einen Tisch direkt vor der Bühne. Neben uns - also mitten im Raum - stand eine Säule. Sie muss wohl eine tragende Rolle für das darüber liegende Mietshaus spielen. Ansonsten wäre sie ein Fall für die nächste Baumaßnahme. Heute trug sie den Beamer, eine Kamera und die Verantwortung dafür, dass Tisch 9 nur akustisch dem Geschehen folgen konnte.

Apropos Säule: Die Gemeinde hat ein breit aufgestelltes Leitungsteam, das sogar Sprechstunden anbietet. Der Pastor ist also kein Alleinunterhalter. Er kann delegieren und die Mitglieder von RESET ihren Gaben gemäß agieren lassen.

Kurz vor Beginn stellte sich der Pastor mit den Akteuren zusammen und betete für den Gottesdienst. Es gab einen Werbeblock für Kleingruppen und eine längere Lobpreiszeit. Das Team mit zwei Gitarren und einem Keyboard war recht jung. Überhaupt gab es in der Gemeinde viele Mittzwanziger. Es wurde mehrfach betont, dass es sonst voller sei. Zwanzig Personen hätten heute noch gepasst.

Englisch, Deutsch und Römer

Pastor Jim predigte auf Englisch. Er wurde von der Bühne aus übersetzt, so dass wir das wichtige Thema doppelt hören konnten. Evangelium pur: Römer 6, 6-7 und weitere Bibelstellen untermalten die Folgen der Kreuzigung. Durch das Blut von Jesus seien die Sünden abgewaschen worden. Tod und Kreuz seien darüber hinaus ein Zeichen für neue Lebensqualität. Eine Lebensqualität, die nicht mehr vom "Selbst" bestimmt werde:

Gott an erster Stelle; Gott mit höchster Priorität; dann der Rest: Familie, Kinder, Eltern, Beruf, Träume. Das sei jedoch kein Freibrief für geistlich begründete Verantwortungslosigkeit. RESET der Denkmuster, RESET der Prioritäten, RESET der Entscheidungsgrundlagen.

Während der Predigt versuchten Frau und Sohn, den Kaffeebohnen aus der Deko ihren ursprünglichen Duft zu entlocken. Sie zerbröselten diese auf dem Tisch und streuten sie anschließend ins Teelicht. Als das nicht gelang, stellte ich die Bohnenschale an meine Ecke des Tisches und schirmte sie mit vier Tassen vom weiteren Zugriff durch die Familie ab. RESET!

UPDATE bei RESET

Im Zuge von Gebet und Segen wurde angesagt, dass in fünf Minuten das UPDATE beginne. UPDATE ist Englisch und bedeutet im Kontext von RESET: Gemeindeversammlung. Fünf Minuten sind ein sportliches Limit. Deshalb verließen wir schnell die Räume.

In der Nähe gab es nur zwei Restaurants. Deshalb fuhren wir nach Schöneberg-City und testeten dort einen Perser. In diesem Falle keinen Teppich, sondern ein Restaurant mit dem Namen Shayan. Da die Körbe für "das Opfer" nur Gemeinde-Leuten gereicht worden waren, reichte das Bargeld für fünf Mahlzeiten, zwei Mango-Lassis und drei Softdrinks.

Dienstag, 16. Mai 2017

Berlin Connect macht Sex zum Thema

Berlin Connect ist Teil der Hillsong Family. Zur Planung einer Familie gehört auch das Thema Sex. Heute Abend besuchten wir eines der Seminare aus der Themenreihe "God, Sex & Culture".



Nachdem ich nach einiger Zeit der Suche den Wagen irgendwo im Parkverbot abgestellt hatte, lief ich mit meinem Sohn zurück zur Brunnenstraße. "Wir sind hier die Ausländer", bemerkte er. Wedding.

Das Einhorn

Beim Studieren des Flyers zur Seminarreihe "God, Sex & Culture" hatte ich mich gefragt, ob "Unicorn" (Einhorn) bewusst als Veranstaltungsort ausgewählt wurde. Unicorn ist ein Co-Location Workspace, wie man ihn in dieser Gegend reichlich findet. Bereits am Eingang mussten wir dichte Trauben junger Leute passieren und landeten kurz darauf am Empfangstisch. Schnell waren wir über Eventbrite eingebucht, zahlten jeweils zehn Euro und bekamen einen kleinen B/C-Stempel auf den Arm.

Welcome Home

Alles sehr professionell. Dann tauchten wir in die gelebte Willkommenskultur ein. Die Leiterin des Welcome-Home-Teams kam auf uns zu. Andere Mitarbeiter der Gemeinde unterbrachen ihren emsigen Lauf und blieben für ein kurzes Gespräch stehen. So viele Namen konnten wir uns auf die Schnelle gar nicht merken. Zielgerichtet steuerte uns die Frau des Pastors an und holte auch ihren Mann dazu. Wir unterhielten uns über die Vernetzung in der Stadt und freuten uns an gemeinsamen Bekannten.

(en)large Learning

Es gab kein akademisches Viertel, statt dessen ein akademisches Halb. Gegen 19:30 Uhr wurden die Türen zum Saal geöffnet. Über hundert Wissbegierige im Durchschnittsalter von 25 fluteten den Raum. Dieser war anschließend fast bis auf den letzten Platz besetzt. "(en)large Learning" zieht einen großen Teil der Mitglieder und Freunde von Berlin Connect an.

Nach zwei mit Power vorgetragenen Hill-Songs startete die erste Lehreinheit. Sie wurde von Joyce Wilkinson eingeleitet, die von der Hochzeitsreise mit Mark, dem bärtigen B/C-Pastor, berichtete. Die Beiden gehen straff auf die Silberhochzeit zu und haben deshalb eine gewisse Kompetenz in Fragen von "Single, Ehe und Familie" oder "Baue göttliche Freundschaften und Beziehungen" oder wie heute "Sex & Sexualität - Warum geht Religion so negativ damit um?".

Die Inhalte des vermittelten Wissens, das maßgeblich von Mark Wilkinson vorgetragen wurde, können im Prinzip mit einem Satz zusammengefasst werden:

It's all about Jesus!

OK, in den zweieinhalb Stunden wurde das alles etwas detaillierter betrachtet, führte aber immer wieder auf die eine Kernaussage: Wenn die Beziehung zu Jesus maßgeblicher Bestandteil des eigenen Lebens ist, regelt sich der Rest fast von selbst. Wenn Jesus im Leben fehlt, wird dieser Platz von etwas anderem ausgefüllt, beispielsweise von Sex, Geld und ungesunden Beziehungen.

Sex sei die höchste Form von Vertrauens. Das solle nicht billig verspielt werden. Gott habe das so gewollt, als er den Menschen und damit auch die Möglichkeit zu dessen Vermehrung schuf. Mark ging sehr emotional auf Menschenhandel und Pornografie ein. Er erwähnte, dass über Sex vor der Ehe und Masturbation kaum etwas in der Bibel steht. Wenn es darin stehe, wäre immer noch die Frage, ob man sich daran halten wolle. Was gut ist und was schadet, ergebe sich aus der gelebten Beziehung zu Gott, die liebevoll, heilend und korrigierend auf uns einwirke.

Überhaupt klebte das Publikum an Marks Lippen und Bewegungen auf der Bühne. Der Mann ist rhetorisch hochgradig talentiert. Mit britischem Humor bringt er die Zuhörer zum Lachen und schaltet dann plötzlich auf Ernst um, so dass die Pointe sicher im Tor landet. "Amen", "Ja", waren die regelmäßigen Zustimmungen, die der Vortrag erregte.

Sein Wortschatz war so breit, dass wir nicht an allen Stellen lachen konnten: Wir kannten die Vokabeln einfach nicht. Mein Sohn und ich hatten wie üblich auf die Simultan-Übersetzung verzichtet. Diese wurde für mehrere Sprachen angeboten.

Pause mit Fritz und Abendmahl

Kurz vor dem Ende gab es eine kurze Pause. Wir kauften an der offiziellen Theke der Co-Location für sechs Euro eine Fritz-Cola und eine Rhabarber-Schorle. Am langen Holztisch, wo tagsüber die MacBooks der Kreativszene stehen, waren nun Bücher, Flyer und Utensilien für das Abendmahl aufgebaut. Drei junge Männer reichten sich Brot und Wein(?), während ich ein Buch zum Stehen bringen wollte, das ich kurz zuvor von einem Stapel genommen hatte. Es klappte nicht. Wir wechselten den Standort.

Immer wieder wurden wir angesprochen: spanisch, englisch, deutsch. Namen über Namen, die wir teilweise noch nie gehört hatten. Alles connected in Berlin und wir als Exoten mittendrin: Berliner in zweiter und dritter Generation.

Gemeinde connected

Gegen zehn war das Seminar zu Ende. Unfassbar, dass solch ein großes Interesse an einem Gemeindeseminar besteht; mitten in der Woche und zehn Euro Eintritt. Beim Gehen erspähte ich noch einen Bekannten aus der internationalen Politikszene. Er bestätigte mir, dass gerade die Willkommenskultur und die integrative Atmosphäre bei Berlin Connect zur Entscheidung für diese Gemeinde geführt hatten.

Samstag, 6. Mai 2017

Sohn Jonas interviewt Heinrich Bedford-Strohm

Heinrich Bedford-Strohm ist Ratsvorsitzender der EKD und auch im Rahmen des bevorstehenden Kirchentages immer wieder im Gespräch. Seine Persönlichkeit und theologischen Ansichten werden in einem etwa 200-seitigen Interview transparent.



Heinrich Bedford-Strohm hatten einige meiner Gesprächspartner erst zum Jahreswechsel wahrgenommen: Spiegel-Online hatte ihn bezüglich einer Dienstreise in die öffentliche Diskussion gebracht. Anschließend tauchte er im Zusammenhang mit Dynamissio und dem Kirchentag auf. Er ist bayerischer Landesbischof und Ratsvorsitzender der EKD.

Heinrich Bedford-Strohm?

Um die Ansichten des Mannes aus dem Süden kennen zu lernen, bestellte ich das Buch "Wer's glaubt, wird selig". Darin führt Sohn Jonas ein Interview mit seinem Vater Heinrich.

Titel und Umschlaggestaltung lassen auf ein Mittel zur Insomnie-Behandlung schließen. Dennoch kann man die 192 Seiten flüssig in etwa acht Stunden durchlesen und lernt die beiden Autoren kennen. Der Frage-Antwort-Stil lockert den Inhalt auf. Dadurch sind Lesepausen jederzeit möglich.

Das Buch ist in acht Schwerpunkte unterteilt. Neben Glück, Spiritualität, Religionen und Tod werden auch die Basics Gott, Jesus, Bibel und Kirche behandelt.

Jonas und Heinrich Bedford-Strohm
Jonas & Heinrich Bedford-Strohm - Sohn interviewt Vater


Offen und ehrlich

Das Gespräch zwischen den Generationen wird offen, ehrlich und gelegentlich etwas provokativ geführt. Die Argumentationslinien sind schlüssig und vermitteln ein umfangreiches Bild über die Theologie des Vaters und die Lernziele des Sohnes. Der Leser erfährt, dass der Sohn durch einen längeren Aufenthalt in Südafrika geprägt wurde und der Vater als Doktor der Theologie schnell und kompetent auf kritische Themen antworten kann.

Glauben und Theologie

Ein Großteil der Amazon-Rezensenten bescheinigt dem Buch einen Mehrwert in Glaubensfragen. Es gibt aber auch Stimmen, die die Ansichten des EKD-Chefs als überholt einstufen. Für mich brachte das Buch keine neuen theologischen Erkenntnisse.

Die Jungfrauengeburt und den Schöpfungsbericht bewertet der Landesbischof durch eine historisch kritische Brille. An der Auferstehung von Jesus zweifelt er nicht. An vielen Stellen des Buches wird deutlich, dass er eine aktive Beziehung zu Jesus pflegt, regelmäßig betet und sich durch die Bibel korrigieren lässt. Das stellt einen gewissen Spagat zwischen moderner Theologie und Anspruch des Wortes Gottes dar. Er kann damit offensichtlich gut umgehen und ruht faktisch in seinem christlichen Glauben.

Bibel und Interessenten

Auch wenn der Ratsvorsitzende zum Bibelstudium die Verwendung mehrerer Übersetzungen oder gar des Urtextes rät, legt er die Latte sehr tief an. Es schimmert durch, dass er die Mitglieder seiner Kirche eher auf dem Niveau der Kinderbibel sieht. Er empfiehlt zunächst ein Vorlesen der bunten Light-Versionen im Beisein der lieben Kleinen. Wer mehr über die Bibel lernen wolle, könne Theologie studieren. So habe er es gemacht und auch sein Sohn.

Wegen der finanziellen Ausstattung der EKD sei es nicht dramatisch, dass immer weniger Zuhörer im Gottesdienst sitzen. Es gingen nach wie vor mehr Menschen am Sonntag in die Kirche als ins Fußball-Stadion. Die mediale Berichterstattung verfälsche dabei die Wahrnehmung. An der Gottesdienstform sei nicht zu rütteln. Kirchenferne Interessenten sollten sich auf die traditionellen Formen einstellen und im Laufe der Zeit von selbst deren Wert erkennen.

Armut und Dienstwagen

Vater Heinrich ist ein begeisterter Anhänger von Wertschätzung, Dialog und Gewaltlosigkeit. Auch gesellschaftlich benachteiligte Menschen oder Armut stehen in seinem Fokus. Das stützt er auf das Doppelgebot der Liebe zu Gott und den Mitmenschen.

Bei Kirchensteuer und Dienstwagen bohrt der Sohn nach. Beides beantwortet sein Vater ausführlich. Ob ein BMW 5er aus dem 200-PS-Segment als "dicke Limousine" zu bezeichnen ist, sei mal dahingestellt. Immerhin freut sich der bayerische Würdenträger daran, dass er einen Arbeitsplatz für den Fahrer schaffen und selbst effektiv die Reisezeit nutzen könne. In regelmäßigen Bewertungen kirchlicher Amtsfahrzeuge schneidet Bedford-Strohm seit mehreren Jahren als ökologisches Vorbild ab.

Zu Macht und deren Missbrauch werden im Buch vorrangig Beispiele aus Südafrika, der NS-Zeit oder der christlichen Mission gebracht. Die evangelische Kirche stehe heute im aktiven Gespräch mit ihren Mitarbeitern und Mitgliedern. Missstände gehe man schnell und auf Konsens orientiert an. Eine ermutigende Aussage, deren Umsetzung wir an dieser Stelle nicht evaluieren können.

Islam und Homophobie

Einige Themen scheinen Jonas besonders wichtig zu sein. Dabei verwandelt er seine Position als Fragesteller schon fast in die eines Ko-Referenten. Sehr emotional wird er bei Homophobie, Islamkritik und christlichem Fundamentalismus. Dem Grundtenor des Buches folgend ist damit wohl das freikirchliche Parallel-Universum gemeint.

Homosexualität müsse laut Vater Heinrich im historischen Kontext bewertet werden. Dieser sei heute nicht mehr gegeben.

Der von Wertschätzung geprägte Gedankenaustausch mit dem Islam ändere nichts am christlichen Selbstwertgefühl des Landesbischofs. Beim Lesen des Korans habe er nach den ersten Suren den Eindruck gewonnen, "das Werk eines Propheten zu lesen". Er formuliert Absichtserklärungen zum Diskurs mit islamischen Wissenschaftlern und Imamen. Auf diesem Wege sollten "die gewaltfreien Traditionen des Korans wiederentdeckt werden". Ein sportliches Ziel, das eine historisch kritische Herangehensweise an eine Religion voraussetzt, die keine Epoche der Aufklärung durchlaufen hatte.

Glück und Segen

Beachtlich fand ich das Kapitel über Glück. Darin nähert sich Bedford-Strohm von einer sehr persönlichen Seite der Standardfrage an: "Warum lässt Gott das Leid zu?" Er hat wohl Römer 8 Vers 28 verinnerlicht und trägt die schweren Situationen des Lebens in der Kraft seiner Beziehung zu Jesus. Auch das Kapitel über Tod offenbart eine hohe seelsorgerliche Empathie und einen liebevollen Umgang mit Menschen, die in Lebenskrisen Hilfe bei ihm suchen.

Stilistisch gelungen fand ich den Ausklang des Buches, wo der Vater dem Sohn, die einzelnen Verse des Vaterunsers erklärt und dann das Buch mit "Amen" und einem kurzen Nachwort beschließt.

Sonntag, 30. April 2017

Berlin Connect - Hillsong Family in der Kulturbrauerei

Berlin Connect gehört zur Hillsong Family und spricht Young Professionals und Studenten auf Englisch an. Die Willkommenskultur ist beispielhaft. Heute besuchten wir Berlin Connect in der Kulturwerkstatt.



Berlin Connect feiert seine Gottesdienste inzwischen im Hotel Maritim proArte stattfinden. So hatte ich es zumindest der Webseite entnommen. Wir entschlossen uns für eine Anreise mit der S-Bahn. Kurz vor elf traten wir in die Lobby und fragten nach dem Gottesdienst. "Sie meinen diese Kirche", fragte die Dame an der Rezeption. Ihre Kollegin bot noch das "Gebet für Berlin" an. Aber beides fand heute nicht statt. Da hatte ich mich wohl verguckt.

Flexibler Ortswechsel

Smartphone, Webseite, Aha: Kino in der Kulturbrauerei, 11:00 Uhr. Wir entschieden uns, mit der Straßenbahn zur Kulturbrauerei nach Prenzlauer Berg zu fahren. Die M12 kam kurz nach elf und zuckelte eine Viertelstunde von der Friedrichstraße in den Trendbezirk.

Im Blogbeitrag aus 2015 wurde nichts von einem akademischen Viertel erwähnt. Deshalb gingen wir davon aus, dass wir mitten in den Gottesdienst hineinplatzen. Auf dem Weg malten wir uns aus, wie wir neben der Bühne die Tür zum Saal öffnen und alle Augen auf uns gerichtet sind. Schnell deklarierten wir die Peinlichkeit in eine geeignete PR-Aktion um und gingen zielstrebig auf den gelben Backsteinkomplex zu.

Welcome Home

Der Weg zum Gottesdienst war gut ausgeschildert. An der Treppe wurden wir sehr freundlich begrüßt und jegliche Bedenken wegen des Zuspätkommens zerstreut. An der Tür empfing uns eine Mitreisende des #MDGC16-Teams und organisierte für meine Frau ein Kopfhörer-Set. Der heutige Gastredner solle sehr schnell sprechen. Inzwischen sind wir jedoch verschiedene Referenten mit markantem "American English" gewohnt. Deshalb verzichtete der Rest der Familie auf eine Simultan-Übersetzung.

Im Kinosaal nahm uns ein weiterer Mitarbeiter mit Welcome-Home-Shirt in Empfang und zeigte uns eine freie Sitzreihe. Die Lobpreiszeit war noch in vollem Gange. Auf der Bühne spielte eine Band und wurde von vier Sängerinnen unterstützt. Die Gemeinde konnte den jeweiligen Text an der riesigen Kinoleinwand ablesen.

Wir hatten also noch nicht so viel verpasst. Es folgten die Ansagen per Videobotschaft und die Kollekte mit großen Plastiktöpfen. Diese werden wohl originär für Grünpflanzen verwendet. Es konnten neben Geld auch die im Responsive Design gestalteten Kontaktkarten eingeworfen werden.

Dein Wert bei Gott

Dann trat Sy Rogers auf. Ein Mann mit einer sehr bewegten Historie und einer entsprechenden Kompetenz bei der Seelsorge in sexuellen Fragen. Letzteres passte sehr gut zur aktuellen Seminarreihe "God, Sex & Culture", die noch an drei Abenden im Mai fortgesetzt wird.

Auch wenn Sy Rogers nur wenige Bibelstellen zitierte, hatte er doch eine klare Kernbotschaft: Jeder Mensch hat einen Wert vor Gott. Im Deutschen wird immer von "Liebe" geredet, während andere Sprachen wie Griechisch, Latein oder Englisch nach Mitgefühl, Erotik, Freundesliebe oder Wertschätzung differenzieren. Das hilft bei der Auslegung und Umsetzung der Bibelstellen deutlich mehr als der frei interpretierbare Begriff "Liebe".

Die Performance von Sy Rogers war so brillant, dass die in der Tat sehr schnelle Aussprache und die Länge der Predigt kaum ins Gewicht fielen. Meine Familie konnte gut folgen und lachte an den richtigen Stellen, was auf ein problemloses Verstehen des englischen O-Tons hindeutete. Spontane Amen-Zurufe und nonverbale Gesten aus dem Publikum zeigten eine breite Übereinstimmung mit dem so lebhaft auf der Bühne vorgetragenen Thema.

Während der Predigt scannte ich gedanklich mehrere Personen aus dem Bekanntenkreis und überlegte, ob ich sie ihrem Wert vor Gott entsprechend behandle und wo konkreter Optimierungsbedarf bestehe.

Segen und Integration

Zum Abschluss wurde ein Start in die Beziehung zu Jesus inklusive Übergabegebet angeboten. Dann folgte eine weitere Kollekte, diesmal für Sy Rogers. Nach den Segenswünschen für die kommende Woche verließen die Besucher den Kinosaal.

Es waren nur noch wenige Minuten bis zum 13-Uhr-Gottesdienst. Dennoch widmeten sich die Welcome-Home-Mitarbeiter entspannt den Gästen und Dauerbesuchern. Selbst unsere Kinder wurden von etwa sechs Gemeindeleuten angesprochen. Eine integrative Atmosphäre, in die man gerne öfter eintauchen möchte. "Bis nächsten Sonntag", wurden wir verabschiedet und mussten uns regelrecht losreißen.

Beim benachbarten "Pane e Vino" reflektierten wir bei Pizza für 3,90 Euro den Gottesdienst und entschieden uns für den Besuch eines der Seminare im Mai.

Sonntag, 5. Februar 2017

#BICC Berlin International Community Church

Großes Kino im CinemaxX am Potsdamer Platz. Heute hatten wir einen Gottesdienst der BICC Berlin International Community Church besucht. Gäste werden als VIPs über den roten Teppich geleitet.



Der Parkraumbewirtschaftungshinweis "Mo-Sa" rauschte an uns vorbei, als wir der Grünphase zum Potsdamer Platz entgegenrollten. Noch war unklar, ob wir die Tiefgarage nutzen oder eine geeignete Stelle an der Straße finden. Das hatte sich jedoch recht schnell geklärt, da der Potsdamer Platz im Rahmen der Berlinale bereits weiträumig abgesperrt war. So stellten wir das Auto kostenfrei vor dem Dali-Museum am benachbarten Leipziger Platz ab.

Red Carpet

Vor dem Eingang des CinemaxX empfingen uns drei Mitglieder des Welcome-Teams und zeigten uns eine Klapptafel am Fuß einer Treppe. Dort standen zwei weitere Welcome-Mitarbeiter. Auf dem Weg zu unseren Plätzen in Reihe 3 passierten wir etwa sieben Welcome-Stationen. Mit den Worten "First Time" wurden wir übergeben und mit "Welcome" und "How are You" zur nächsten Etappe begleitet. Warum nur dachte ich die ganze Zeit an die Times Square Church in New York? Gäste werden hier als VIPs angesehen, so dass das Welcome-Team heute auch offiziell in Red Carpet Team umbenannt wurde.

Es gab keinen Countdown und kein akademisches Viertel. Dafür begann der Gottesdienst Punkt elf mit einem cineastisch ausgereiften Glaubensbekenntnis von der Leinwand. Professionell ging es weiter mit einer recht großen Lobpreisband und einer Sängerin, die das Publikum zum Mittanzen animierte. Es war nur zu wenig Platz in den Sitzreihen. Wir kannten keines der auf Deutsch und Englisch vorgetragenen Lieder, konnten aber rhythmisch ganz gut mithalten.

Self Supported

Es folgte ein Intro, welches mein Sohn mit "Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der Tagesschau" kommentierte. Statt der Tagesschau trat BICC-Pastor Steve Mack auf, der für ein freudiges Geben der Kollekte warb. Es wurden große dunkle Eimer durch die Reihen gegeben und mit Umschlägen und Scheinen befüllt. Wie wir erfuhren, ist die Gemeinde stolz auf die finanzielle Eigenständigkeit.

Eigenständig ist ein guter Begriff für die Berlin International Community Church. Wir hatten beiläufig von der Existenz einer "Börlin Internäschenell Soundso" gehört, diese aber bisher so gar nicht auf dem Radar, obwohl dieses Paralleluniversum in unmittelbarer Nähe zu Saddleback, Berlinprojekt und Berlin Connect agiert. Google ergänzte dann die Freitextsuche und versorgte uns mit den weiteren Kontaktinformationen. Laut Worship Pastor Andrew Mack, dem Sohn des über vierzig Jahre verheirateten Pastoren-Ehepaares Steve und Karen Mack, treffe sich die Gemeinde an einer "A Location" inmitten von "Five Star Locations" wie dem Grand Hyatt Berlin. Auf Gemeinde Jesu wurde das mit unserem großartigen Gott adaptiert, der der Chef einer großartigen Gemeinde sei. Auf diese gedankliche Verbindung mit der "Five Star Church" an einer "A Location" gab es ein "A-Men" aus dem Publikum.

Wachstum mit Qualitätsanspruch

Auch wenn die Herkunft und konfessionelle Anbindung des ehemaligen Missionsprojektes bisher nicht erschlossen werden konnte, liegt doch ein klar erkennbarer Fokus auf Etablierung und Wachstum. Die Gemeinde unterhält professionelle und personell beachtliche "Children's Ministries". Es wird viel in die Zukunft und das Training von Mitarbeitern und Leitern investiert. Über Kurse werden Christen im Glauben gestärkt und Suchende in eine Beziehung zu Jesus geführt.

Kino 7 ist wohl der größte Raum des CinemaxX am Potsdamer Platz. Heute waren etwa 250 Plätze besetzt. Solch eine Auslastung sehen Kinos normalerweise nur zur Berlinale oder bei Premieren von Star Wars oder James Bond. Die heutigen Besucher waren ethnisch und demografisch stark diversifiziert. Die Hauptsprache des Gottesdienstes war Englisch. Für eine Simultanübersetzung standen Kopfhörer zur Verfügung.

Vision Sunday

Statt einer Predigt erlebten wir eine Podiumsdiskussion der drei oben genannten Pastoren aus der Familie Mack sowie zwei Eingeborenen aus Deutschland, die seit vielen Jahren Teil der Gemeinde sind. Andrew Mack moderierte, die beiden Deutschen erzählten ihre Lebensgeschichte mit einem besonderen Augenmerk auf ihre Entscheidung für Jesus und die Gemeinde. Karen Mack sprach über die Passage der Lichtverbreitung aus der Bergpredigt (Mt 5,14-16) und Steve Mack über "Acceleration". Acceleration kann mit Beschleunigung übersetzt werden. Eine Sache läuft an, aber ist noch nicht in voller Fahrt. Irgendwann jedoch geht es richtig los. Ich musste an die Wildwasserfahrt im Heidepark Soltau denken, wo der Einbaum zunächst gemächlich für das obligatorische Foto durch eine Almhütte gleitet und anschließend ungebremst in das finale Wasserbecken stürzt. An der Leinwand lasen wir: "Vision Sunday". Das erklärte, warum so viel über die eigene "Five Star Church" an der "A Location" geredet wurde.

Texanischer Ausklang

Das Ende des Gottesdienstes erinnerte mich ans Rodeo in Texas. Die Deutsche aus der Diskussionsrunde stand auf und verabschiedete die Gottesdienstbesucher. Kein Gebet, kein Segen, kein Lied, einfach Schluss. Etwas irritiert verließen wir das Kino. Am Ausgang wurden wir vom Welcome Team verabschiedet.

Auf dem Weg zum Parkplatz tauschten wir unsere Eindrücke aus. Frau und Tochter hatten die ergänzenden Informationen zur Wahrnehmung der männlichen Familienmitglieder. Während mein Sohn und ich per Tunnelblick auf die Teilnehmer der Diskussionsrunde geachtet hatten, konnten die Frauen gleichzeitig die Texte auf der Leinwand verfolgen. "Stand doch da", lachten sie die ganze Rückfahrt über unsere Unwissenheit.

Meine Frau war besonders von der Acceleration angesprochen. Gerne hätte ich die Familie simultan in das Gefühl von Acceleration hineingenommen, hatte aber leider nicht die Pole Position an der roten Ampel. Ich holte das in den Kurven nach. Auch beim Chinesen diskutierten wir bei Ente kross und Mangosauce weiter über die Berlin International Community Church.

Donnerstag, 12. Januar 2017

Allianzgebetswoche im Christus-Treff

Im Rahmen der Allianzgebetswoche besuchten wir heute eine Veranstaltung im Bezirk Treptow-Köpenick. Das Hauptthema dieser Woche lautet "Einzigartig".



Die Pflastersteine lagen noch am Kreuz. "Vater" und "Heiliger Geist" standen wie gewohnt in großen weißen Buchstaben über den Türportalen. "Jesus" war um eine Kerze mit Krone gruppiert. Die Räume des Christus-Treffs in der Isingstraße wirkten vertraut. Im Februar letzten Jahres hatten wir hier einen Gottesdienst besucht und konnten uns noch an die damaligen Minusgrade erinnern.

Obwohl Treptow-Köpenick einige etablierte Baptisten- und Brüdergemeinden aufzuweisen hat, waren im Programmheft der Allianzgebetswoche nur drei Termine in diesem südöstlichen Bezirk vorgesehen: Springborn Projekt, JKB Treptow und Christus-Treff. Wie Pastor Tobi erklärte, liege die Isingstraße in der "Zone" zwischen Kreuzberg und Neukölln und die Nachbarn hätten wegen ihrer Vergangenheit gewisse Berührungsängste mit der Kirche.

Das Wochenprogramm mit seinen über einhundert Gebetstreffen quer durch die Stadt mit wechselseitigen Gastgebern und Andachtsreferenten zeigt eine starke Vernetzung und eine erfreuliche Annäherung der unterschiedlichen Gemeinden und Kirchen. Einige Namen wie Erhart Zeiser tauchen recht häufig auf. Anfahrtswege von zwanzig Kilometern sind für die Referenten keine Seltenheit. Für uns waren es heute dreizehn Kilometer bis Treptow.

Das Wochenmotto "Einzigartig" bezieht sich auf die vier Grundaussagen der Reformation:

sola gratia (allein aus Gnade)
sola fide (allein aus Vertrauen)
sola scriptura (allein die Schrift)
solus Christus (allein Christus)

Für den heutigen Donnerstag war "sola fide" vorgesehen. Sven Volkmann vom Projekt A+ aus Altglienicke sprach kurz über "Glauben allein", über den auflösbaren Widerspruch zwischen vier Mal "allein" und dem alleinigen "Allein" sowie über Praxisbeispiele zur Umsetzung von Glauben und Werten.

Es gab auch eine Vorstellungsrunde, bei der jede Besuchergruppe zu Wort kam. Neben Christen aus Treptow-Köpenick war auch ein älteres Ehepaar aus Charlottenburg angereist. Der Christus-Treff wurde im Rahmen der Gebetsanliegen etwas genauer vorgestellt. Dabei erfuhren wir, dass sie das Haus inzwischen von der Stadtmission gekauft hatten und ambitionierte Anbaupläne hegen.

Auch das Projekt A+ mit seinem Fokus auf Hauskreise, Gemeinschaft und Nachbarschaftsrelevanz wurde ausführlich vorgestellt. Sven Volkmann lobte die gute Zusammenarbeit mit der Lukas-Gemeinde und das Mentoring durch deren Pastor Hans-Peter Pache. Eine Ansicht, die anhand weiterer Beispiele zu evaluieren wäre.

Die anschließende Gebetszeit gestaltete sich in der Form, dass sich kleine Gruppen um eine der fünf mit Papiertüten umgebenen Kerzen stellen und für die auf der Tüte notierten Anliegen beten sollten. Die Kerzentüte in unserer unmittelbaren Nähe war mit "Einheit" im Sinne von christlicher Vernetzung beschriftet. Wir beteten also für Gemeinsam für Berlin und parakirchliche Netzwerk-Initiativen in der Stadt, was ohnehin meinem momentanen Lieblingsthema entspricht.

Musikalisch wurde der Abend mit einer markanten E-Gitarre ohne Klangkörper und Liedern von Manfred Siebald begleitet. Die Liedtexte erschienen jeweils nach einer Gedenksekunde, da der Techniker wohl testen wollte, ob alle Anwesenden textsicher sind.

Sonntag, 8. Januar 2017

Dorfkirche Marzahn mit jugendlichem Charme

Der Jahreswechsel ging auch mit dem Wechsel des Pfarrers der Dorfkirche Marzahn einher. Heute besuchten wir den Gottesdienst anlässlich der Einführung von Lucas Ludewig in Alt-Marzahn.



Frederik Spiegelberg war nur ein knappes Jahr in der Dorfkirche Marzahn. Bei mehreren Anlässen hatten wir ihn erlebt und dabei festgestellt, dass seine Altersparameter nur bedingt mit dem jeweiligen Kontext korreliert hatten. Von daher ist es verständlich, dass er in die Jugendpfarrstelle Berlin-Nordost wechselt.

Sein Nachfolger in Alt-Marzahn heißt Lucas Ludewig. Er ist frisch gebackener Pfarrer und hatte bereits durch einen Gottesdienst mit Star-Wars-Analogien für Schlagzeilen gesorgt. Mit seiner Social-Media-Affinität ist er sicher der passende Mann für die demografischen Gegebenheiten der Nachbarschaft.

Lucas Ludewig ist einunddreißig und stand heute mit zwei weiteren Herren vor dem Altar, die ebenfalls schwarze Gewänder trugen, aber offensichtlich nicht zur "dunklen Seite der Macht" gehörten. Das war daran zu erkennen, dass sie keinen markanten Plastikhelm mit Beatmungsfunktion trugen. Statt dessen war ihr Kragen mit jeweils zwei weißen lutherisch geschnittenen Beffchen versehen. Einer der Herren war Frederik Spiegelberg, einer Lucas Ludewig und der Dritte war Pfarrer Hartmut Wittig aus Hellersdorf. Im Publikum saß unter anderem auch Pfarrerin Katharina Dang aus Marzahn-Nord. Sie hob sich mit ihrem roten Mantel vom amtlichen Schwarz ab.

Apropos Publikum: Etwa achtzig Gottesdienstbesucher zählten wir in der gut geheizten Kirche. Darunter waren auch mehrere Familien und Mittvierziger. Ein Trend, der durch Frederik Spiegelberg wohl auch unter Einbeziehung des evangelischen Dorf-Kindergartens angestoßen wurde Der heute neu eingesetzte Gemeindekirchenrat (GKR) machte mit seiner Altersstruktur ebenfalls einen frischen Eindruck.

Eingebettet in eine umfangreiche Liturgie war die relativ kurze Predigt des scheidenden Pfarrers. Er sprach über Mt 4, 12-17, wo Jesus von der Verhaftung des Täufers Johannes erfährt, dann durch Galiläa zieht und die dortigen Bewohner zur Änderung ihres Lebensstils aufruft. Er hatte wieder eigene Gedanken und Beispiele eingebaut. Wie wir aus den anschließenden Dankesreden erfuhren, konnte gerade diese persönliche Note in den Predigten als wichtiger Faktor zum Wachstum der Gemeindemitglieder beitragen.

Damit Gemeinde und neuer Pfarrer gleich wissen, wie diese mit dem GKR interagieren, wurden mehrere Grundsatzpapiere verlesen. Demnach geht es in der Dorfkirche Marzahn sehr demokratisch zu. Der Pfarrer hat gewisse Aufgaben wie Taufen, Abendmahlsausgabe und Predigten zu erfüllen und ansonsten alles in enger Zusammenarbeit mit GKR und Gemeinde zu leisten. Kraft seines Amtes ist er gleichberechtigter Teil der "Ältesten". Frederik Spiegelberg untermauerte das Gesagte noch mit einem Zitat aus dem fünften Kapitel des ersten Petrusbriefes, worin es um den vorbildhaften Umgang mit der "Herde" geht.

In den Grundsatzpapieren war neben der Verantwortung des GKR für eine biblische Predigt auch das Recht verankert, die Gottesdienstzeiten zu ändern. Das wäre angesichts einer jüngeren Zielgruppe eine wichtige Maßnahme. Neun Uhr war auch für uns heute sehr herausfordernd, zumal wir erst um drei von einer Geburtstagsparty nach Hause gekommen waren.

Jugendlicher Charme manifestierte sich dann auch nach dem Segen. Mit Orgel und Blasinstrumenten wurde das Muppets-Lied gespielt, während die drei Pfarrer und der GKR würdevoll zum Ausgang schritten.

Samstag, 31. Dezember 2016

Gottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche

Durch eine Presseinformation wurde ich gestern Nachmittag auf einen Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche aufmerksam gemacht. Der Jahresabschlussgottesdienst der Schaustellerinnen und Schausteller hat wohl schon Tradition an diesem Ort.



"Ach hier war das", der zweite gediegene Herr mit Mantel und Brille nickte, während beide auf das Kerzenmeer in der großen Lücke zwischen den Weihnachtsmarkt-Buden schauten. Wir eilten an ihnen vorbei. Es war zwar noch genügend Zeit, aber wir wussten ja nicht, wie gut der Gottesdienst in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche besucht sein wird.

Im Eingangsbereich wurden die Gäste von Verantwortlichen des Schaustellerverbandes begrüßt. Ein Mitarbeiter drückte uns ein Programmheft in die Hand. Der Saal war noch recht leer, so dass wir relativ weit vorne Platz nehmen konnten. Auf dem Altar waren eine Bibel, ein Kreuz, zwölf Kerzen und Abendmahlsgeschirr symmetrisch angeordnet. Darüber schwebte eine segnende Jesus-Figur in goldenem Glanz.

Jahresschlussgottesdienst Schausteller Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Jahresschlussgottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche


Innerhalb der nächsten halben Stunde füllte sich der Saal mit Leuten, die sich offensichtlich kannten und teilweise sehr herzlich begrüßten. Einige waren in Schwarz erschienen, um sich optisch mit ihren Kollegen und Kunden des Weihnachtsmarktes am Breitscheidplatz zu solidarisieren. Als die Orgel erklang, erhob sich die Gemeinde. Durch den Mittelgang schritten katholische und evangelische Pfarrer sowie Entscheidungsträger aus Regionalpolitik und Wirtschaft. Sie stellten zwölf weitere Kerzen auf den Altar.

Das gemeinsame Eingangslied "Von guten Mächten wunderbar geborgen" hatte heute eine ganz besondere Bedeutung. Dietrich Bonhoeffer hatte den Text 1944 geschrieben und erlebte den darauf folgenden Jahreswechsel nicht mehr. Beim Jahresschlussgottesdienst der Schausteller im letzten Jahr hätte wohl niemand damit gerechnet, dass wenige Meter neben der Gedächtniskirche zwölf Menschen aus dem Leben gerissen werden. Sie konnten den Heiligabend 2016 nicht mehr erleben.

Jahresschlussgottesdienst Schausteller Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Jahresschlussgottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche


Auch der Predigttext zur Jahreslosung 2016 "Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet" aus Jes 66,13 bekam angesichts der vorweihnachtlichen Ereignisse eine ganz neue Bedeutung. Gedächtniskirchen-Pfarrer Martin Germer nahm die Zuhörer emotional in den Text hinein und ermutigte auch die harten Männer des Schaustellergewerbes, Tränen zuzulassen und professionelle Hilfe bei der Bewältigung von Trauer, Schlaflosigkeit und Angst zu suchen. Martin Germer ging aber auch auf die Ursprünge des Textes und die damalige Situation des Volkes Israel ein.

Besonders beeindruckend war die Instrumentalbegleitung von Andreas Uhle, der bei einem der Orgelstücke mit einer Aida-Trompete vor dem Altar stand. Warum nur musste ich unentwegt an die sieben Engel mit den Posaunen aus Off 8,2 denken, die in den Offenbarungskapiteln acht bis elf zum Einsatz kommen?

Nach dem Abendmahl, übrigens mit Weißwein, kam Circus- und Schaustellerseelsorger Torsten Heinrich (EKD) zum Einsatz. Er gab einen Ausblick auf die Jahreslosung für 2017: "Gott spricht: Ich schenke euch ein neues Herz und lege einen neuen Geist in euch". Der Vers steht in Hesekiel 36,26 und wurde in einer Zeit verfasst, die die Israeliten in der babylonischen Verbannung zubrachten, die sie sich maßgeblich durch ihr Desinteresse an Gott eingebrockt hatten.

Jahresschlussgottesdienst Schausteller Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche
Jahresschlussgottesdienst der Schausteller in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche


Der Segen wurde gemeinschaftlich evangelisch und katholisch gesprochen. Die Kollekte war für die Konfirmanden der Circus- und Schaustellerseelsorge gedacht. Die Kinder und Jugendlichen von Eltern dieser Branche sind ja besonders durch ständige Wohnortwechsel herausgefordert. Mein Sohn flüsterte mir zu, dass das ja gar nicht so dramatisch sei, wie man an unserer guten geistlichen Versorgung durch divergente Gottesdienstbesuche sehe.

Am Ausgang gab es Kerzen mit der Jahreslosung. Einige dieser Kerzen fanden sich anschließend im Meer der Kerzen an der provisorischen Gedenkstätte zwischen den Weihnachtsmarkt-Buden wieder.

Sonntag, 20. November 2016

Mosaik Berlin und der Abgleich einer Webseite

Mosaik Berlin ist eine relativ neue multiethnisch geprägte Gemeinde in Berlin, die sich im Schatten des Axel-Springer-Hochhauses trifft. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist eine Sonntagspredigt auf Englisch, die konsekutiv auf Deutsch übersetzt wird.



"Wir müssen viertel nach halb vor fünfzig los", erklärte mein Sohn noch einmal die Uhrzeit, wann wir startklar sein sollten. Er wollte zusammen mit meiner Frau zu Saddleback fahren, während ich endlich einmal Mosaik Berlin auf dem Programm hatte. Da sich anhand der Webseite schon ein Bild zur Gemeinde geformt hatte, wollte ich unbedingt meine Tochter als Zweitstimme dabei haben und aus der üblichen Meinungspluralität eine sinnvolle Schnittmenge extrahieren. 10:35 Uhr war ein guter Zeitpunkt des Losfahrens, den wir wie üblich um fünf Minuten überzogen.

Kurz nach elf setzten wir Frau und Sohn bei der Kalkscheune ab und fuhren weiter zu Axel Springer. "BILD Dir deine Meinung", war auch unser heutiges Motto. Im Sommer hatte ich erstmalig vom Gründungsprojekt "Mosaik Berlin" gehört, als wir Christopher auf dem SOLA getroffen hatten. Darauf googelte ich die Gemeinde und stellte fest, dass sie sich in unmittelbarer Nähe zu anderen modernen Gemeinden wie Berlin Connect, Kulturwerkstatt Mitte, Berlinprojekt oder Saddleback befindet. Es kam die Frage auf, wer in dieser Region so viele coole Gemeinden brauche? Während in Marzahn die geistliche Flaute herrscht, trampeln sich Missionare und kreative Mittdreißiger in der City auf den Füßen herum.

Der Häuserblock um die Besselstraße 13 wirkte verlassen. Herbstlaub wehte über Freiflächen und Straßen. Es gab sehr viele ungenutzte Parkplätze. Wir liefen am Haus entlang und kamen an einem großen bunten Schild vorbei, das auf ein Game-Science-Event hinwies. Durch die Schaufenster war ein dicht mit jungen Leuten gefüllter Raum zu sehen. Wir liefen weiter und kamen schließlich fast am Ende des Häuserblocks an. Wo war der Eingang zu Mosaik? Als wir uns umsahen, bemerkten wir ein kleines schwarzes Schild mit einem eingekreisten "M". Dieses war völlig von dem massiven Gamer-Schild überdeckt worden. Ein Problem, das sich durch die üblichen Aufstellfähnchen in Segelform lösen ließe.

Proaktiv grüßend betraten wir die hellen Räumlichkeiten und legten unsere winterlichen Jacken ab. An einer Theke konnte man sich mit Tee oder Kaffee bedienen. Der oben erwähnte Christopher kam vorbei und begrüßte uns freundlich, blieb einige Momente bei uns stehen. Smalltalk. Dann musste er noch einige Dinge für den Gottesdienst erledigen. Durch väterlichen Druck gelang es mir, endlich mal wieder etwas weiter vorne zu sitzen: fünfte Reihe.

Pastor Neville Jones lief hin und her und traf letzte Abstimmungen vor dem Beginn. Der Gottesdienst startete mit Lobpreis und den Ansagen. Das Mikro der Moderatorin versagte seinen Dienst. Sie erwähnte auch einen Welcome Desk, den wir beim Betreten der Location gar nicht bemerkt hatten. Dann trat Neville Jones mit einer Übersetzerin auf die Bühne. Noch einmal stellte er sich als Pastor vor, der gemeinsam mit seiner Frau Sue diese Gemeinde leite. Dass man ihn bei Kaffee und Kuchen nach dem Gottesdienst in der zweiten Etage kennen lernen könne, erfuhren wir mehrfach an diesem Vormittag. Das war uns auch schon durch die Webseite bekannt.

Anhand der bisher veröffentlichten Predigtmitschnitte zur Themenreihe "Seeing Jesus" hätte ich heute einen Text aus Johannes 6 oder 7 erwartet. Statt dessen predigte er über mein Lieblingskapitel Johannes 9. Neville Jones hatte die Predigt in drei Blöcke eingeteilt und ging darin auf die Jünger, die Pharisäer als geistlich Blinde und den Blindgeborenen ein. Er las dazu die ersten und die letzten Verse des Kapitels und blieb während der gesamten Predigt am Text. Besonders angesprochen war ich wieder einmal von den Ausführungen zu den Versen 28 und 34.

Nach der Predigt gab es Abendmahl, welches wahlweise mit Saft oder Wein genommen werden konnte. Begleitet wurde es musikalisch von der aus vier Personen bestehenden Lobpreisband. Danach trat die Moderatorin für ein Abschlussgebet und die Verabschiedung auf. Wieder versagte ihr schnurloses Mikro. Ich vermisste die Kollekte.

Der Gottesdienst hatte fast zwei Stunden gedauert, so dass der Rest der Familie bereits vor der Kalkscheune stand und uns per WhatsApp zum Aufbruch drängte. Auf dem Weg tauschte ich mit meiner Tochter die Eindrücke aus.

Die Webseite hatte abgesehen von den ständigen Sicherheitswarnungen des Browsers ein Bild gezeichnet, das durch diesen Besuch vor Ort korrigiert werden konnte. Anhand der Webseite war ich davon ausgegangen, dass es sich um eine auf den Pastor zentrierte und schwach besuchte Gemeinde mit erheblichem Mangel an Mitarbeitern handelt. Das entspricht jedoch so nicht der Realität:

Der Pastor und seine Frau scheinen sich zwar als zentrale Bezugspersonen zu sehen, dennoch lässt sich einiges an Leitungspotenzial in den Reihen von Mosaik erkennen. Die Gemeinde und die Mitarbeiterschaft wirken sehr intakt. Schade, dass letzterer Umstand auf der Webseite so unterrepräsentiert ist. Neben der Webseite birgt auch das Thema Welcome ein gewisses Optimierungspotenzial. Obwohl Mosaik erst vor wenigen Wochen nach Kreuzberg umgezogen ist, kommt der Raum bei über siebzig Besuchern so langsam an seine Kapazitätsgrenzen.

Sonntag, 23. Oktober 2016

TSCNYC Times Square Church

Wer das urbane Gefühl von New York einatmen und einen Vorgeschmack auf Off 7,9-10 erleben möchte, sollte die Times Square Church besuchen. Beachtenswerte Professionalität von der Begrüßung bis zum Bekehrungsaufruf.




Beim Frühstück war noch unklar, ob wir in eine Tim-Keller-Gemeinde, Brooklyn Tabernacle, in die Bronx oder in die Times Square Church fahren. Während wir mit Unmengen von Kaffee den Jetleg kompensierten, entschieden wir uns für eine Teilung unseres Teams und fuhren zu dritt an den Times Square.

Die vielen Touristen des Vorabends schlummerten noch in ihren Hotelbetten, die üppige Leuchtwerbung flimmerte über die elektronischen Billboards und dann entdeckten wir über einem großen gelben "M" den Namen der angesteuerten Gemeinde. Vor dem Eingang standen zwei Schwarze im Dresscode "Black Tie" und Iuden die Passanten zum Gottesdienstbesuch ein. Wir passierten weitere Mitarbeiter des Welcome Teams und wurden nach einem "Yes!" auf die Frage "First time?" über mehrere weitere Herrschaften mit gelben Sakkos in einen Theatersaal durchgeroutet. Eine Dame mit asiatischen Wurzeln platzierte uns in einer der vorderen Reihen.

Der Screen über der Bühne wies darauf hin, dass man auf die Beter im Sanctuary Rücksicht nehmen und bitte in der Lobby Fellowship machen solle. Der Saal wurde in den nächsten Minuten komplett besetzt. Jede Lücke wurde von den Einweisern effektiv genutzt. Punkt zehn wurde der Vorhang nach oben gezogen.

TSCNYC Times Square Church
TSCNYC Times Square Church - Gottesdienst im Theatersaal
Ein spontanes "Wow" rutschte mir heraus, als ein Chor von mindestens einhundert Sängern sichtbar wurde. Davor waren mehrere Sessel aufgebaut, auf denen elf Älteste saßen. Lobpreis im besten Gospel-Style begann und brachte den ganzen Saal in Bewegung. Die Besucher waren ethnisch so durchmischt wie die Nutzer der New Yorker Untergrundbahn. Asiaten, Latinos und Schwarze waren in der deutlichen Überzahl. Die 7% europäischer Weltbevölkerung repräsentierten wir zusammen mit einigen weißen Amis.

In der Predigt ging es um Bad News and Good News im Zusammenhang mit Gebet. Interessanterweise wurde wieder einmal das biblische Buch genutzt, das mich gerade in meiner Looping-Lese beschäftigt: Epheser. Eph 3,20 wurde flankiert von Röm 8,26 und zunächst als schlechte Nachricht mitgeteilt, dass wir nicht wissen, wie wir beten sollen. Die gute Nachricht war dann, dass der Heilige Geist als Übersetzer eintritt. Als Eliah geflohen war, bat er im Gebet, dass Gott ihn killen solle. Der Heilige Geist habe dann "kill" in "kick" uminterpretiert und ihm dazu noch eine "cake" geliefert.

Pastor Tim Dilena präsentierte viele Beispiele aus seinem eigenen Leben. Besonders beeindruckend war eine Begebenheit an einem typischen Gebetsabend, an dem plötzlich ein Mann mit gebrochenen Rippen mitgebracht wurde. "Los Pastor, bete für Heilung", wurde er aufgefordert und bekam Panik. Und nachdem um den heißen Brei herum gebetet und das Nichteintreffen begründet wurde, meinte der Patient, er sei geheilt. "Das kann nicht sein", sagte Tim. Der Mann schlug sich an die Rippen und sagte: "Doch, ich bin geheilt".

"Oh my Goodness, it works!"

Die Predigt löste nachhaltige Erheiterung aus, hatte jedoch einen erheblichen Tiefgang. Am Ende wurde zur Entscheidung für Jesus aufgerufen. Es kamen etwa zwanzig Leute nach vorne und Pastor Tim Dilena ging sehr aufmerksam auf die Mutigen vor der Bühne ein. Sie wurden nicht einfach an ein Gebetsteam oder ähnliches delegiert, sondern von einem zweiten Pastor herzlich in die Gemeinde eingeladen.

Wie wir später erfuhren, hatten auch im Abengottesdienst viele Menschen eine Entscheidung für Jesus getroffen. Dass das zur Kultur der Times Square Church gehört, erlebten wir auch beim anschließenden Kaffee, wo wir von mehreren Mitarbeitern des Welcome Teams angesprochen wurden. Sie freuten sich, dass wir für eine Konferenz nach New York gekommen waren. Ansonsten hätten sie uns sicher direkt vor die Entscheidung für Jesus gestellt.

Der Gottesdienst bei der TSCNYC war eine gute Einstimmung auf den weiteren Tag, den wir mit einem typischen Touristenprogramm in Downtown verbrachten.

Sonntag, 16. Oktober 2016

SYM Saddleback Youth Ministry und die freundliche Übernahme in der Kalkscheune

Es gibt sie tatsächlich: Gemeinden mit Teenagern und Jugendlichen. @SaddlebackBLN veranstaltet seit einigen Wochen einen Jugendgottesdienst parallel zum englischen und deutschen Gottesdienst in der Kalkscheune. Unsere Kinder waren heute dabei.



Wir waren wieder einmal in der Kalkscheune zu Besuch, diesmal sogar für eine Kombination. Es gibt ja einen Gottesdienst auf Englisch, neuerdings einen auf Deutsch und auch noch einen Jugendgottesdienst - Saddleback Youth Ministry (SYM).
 
Dank des Akademische Viertels kamen wir wegen Unregelmäßigkeiten im S-Bahn-Verkehr zehn nach elf so pünktlich, dass wir uns sogar noch mit Tee bzw. Kaffee eindecken konnten. Dann ging es mit dem jeweiligen Gottesdienst los. Der Deutsche startete dreißig Sekunden später als der Englische, wie ich durchs Fenster über den Hinterhof beobachten konnte.
 
Wahrscheinlich sind englische Lieder einfach ausgeschmückter. Nach ein paar Liedern wurde per Beamer zum Youth Ministry aufgerufen. Das Timing war allerdings nicht so ganz ausgeklügelt, deshalb mussten wir, nach dem Durchqueren beider Gottesdiensträume, noch ein Lied abwarten, bis wir endlich mit ca. acht anderen Jugendlichen und zwei Leitern in einen mittelgroßen Raum mit ovalem Tisch gingen. Rund um den Tisch waren sehr bequeme Polsterstühle angeordnet und auf dem Tisch standen verschiedene Backwaren und Saft.
 
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ging es mit einem Quiz los, das so ähnlich wie Stadt-Land-Fluss konzipiert war. Obwohl die anderen Fragen nicht zum geografischen Thema passten, machte die Bonusfrage alles wieder wett (fürs geografische Thema und für uns): Welches Bundesland in Deutschland besteht aus zwei Städten? Naa? Diese Frage bescherte meinem Bruder und mir den Sieg und wir durften je einen coolen Preis, wie ein T-Shirt mit Logo (von SYM natürlich) oder eines diverser Bücher aussuchen.
 
Danach ging das Thema los. Doch nicht per Video, wie im großen Gottesdienst, sondern Live auf Englisch, mit Simultanübersetzung auf Deutsch, für das sprachlich gut durchmischte Publikum im Alter von zehn bis achtzehn. Dazu wurden englische Lückentexte zum Input ausgeteilt. Das finde ich voll super, man wird animiert mitzuschreiben und kann es, wenn man will, zu Hause zu jeder Zeit  rekapitulieren.
 
Heute ging es mit einer neuen Reihe los - „Flawed“. Heißt auf Deutsch „unperfekt“. Denn keine Person der Bibel (ausgenommen Jesus natürlich) war perfekt. Rahab zum Beispiel ist eine Prostituierte gewesen, Adam und Eva haben Gott nicht gehorcht und, und, und. Gott kann ganz normale Menschen benutzen, etwas Besonderes zu vollbringen. Würde er nur perfekte Menschen nehmen wollen, hätte er gar keine Leute zur Hand.
 
Nach zwei weiteren Spielen war auch der Gottesdienst der Erwachsenen zu Ende.
 
Alles in allem erinnerte SYM eher an einen Hauskreis. Man konnte Fragen stellen, es wurden Fragen gestellt, alles sehr interaktiv. Also nicht so, wie ich andere Jugendgottesdienste erlebt habe. Also wenn Ihr keine Lust auf 60 Minuten stilles rumsitzen habt, dann geht zu SYM.
 
Autorin: Tochter des Church Checkers

Sonntag, 9. Oktober 2016

Projekt:Kirche in Friedrichshain

Projekt:Kirche ist ein frisches Gemeindeprojekt in Friedrichshain, welches schon durch seine Webseite einen äußerst positiven Eindruck vermittelt. Der Name deutet bereits an, dass es sich um einen Ableger des Berlinprojektes handelt. Projekt:Kirche punktet durch einen zeitgemäßen Gottesdienst und eine gute Willkommenskultur.



Das Projekt:Kirche trifft sich normalerweise um 18:00 Uhr im Hoffmann-Saal des Plus Hostels in der Nähe der Oberbaumbrücke. Der Friedrichshainer zeichnet sich nicht nur durch ein eigenes Zeitmaß aus, sondern auch durch Kreativität, Flexibilität und Spontanität. Deshalb war der heutige Gottesdienst mit Kindersegnung auf 11:00 Uhr verlegt worden. Auch die Location hatte man geändert: Studiobühne in der Alten Feuerwache. Die Webseite hatte bereits eine sehr positive Ausstrahlung, die wir gerne mit der Praxis verifizieren wollten.

Wir trafen eine Viertelstunde vor Beginn ein und fanden direkt vor dem Eingang einen Parkplatz. Dieser für Friedrichshain absolut untypische Sachverhalt steigerte unsere Vorfreude. Neben dem Eingang zur Alten Feuerwache ging es zum Bezirksamt Friedrichshain. Unter dem Schild mit dem Berliner Bären war ein weiteres Hinweisschild angebracht: "Hier wird die Welt erschaffen". Dieser Anspruch erschien uns sehr sportlich. Sportlich war auch der Aufstieg in die zweite Etage zur Studiobühne. Für Kinderwagen gab es einen Fahrstuhl, der in jeder Etage von zwei Holztüren mit Mann- und Frau-Symbolen flankiert war.

Vor der Studiobühne wurden wir sehr freundlich von Sabrina begrüßt, die ich bereits von der Webseite kannte. Eine andere junge Frau drückte uns A5-Schreibunterlagen mit eingeklemmtem Gottesdienstablauf in die Hand. Sehr kreativ. Das erinnerte mich an die Speisekarten in einigen der Friedrichshainer Szene-Restaurants. Das fanden wir sehr clever, da keine Heftchen gefaltet werden müssen, sondern die Blätter einfach ausgedruckt und - klack - festgeklemmt werden.

Auf Nachfrage erfuhren wir, dass es auch hier eine Art akademisches Viertel gebe, welches jedoch auf zehn Minuten reduziert sei. Deshalb sei man noch mit dem Aufbau und den Proben beschäftigt und wir sollten uns ruhig einen Kaffee holen. Julia begrüßte uns an der "KaffeeBar" und erzählte uns einiges zur Gemeinde. In diesem Gespräch spielte meine Frau ihren Trumpf aus: "Das ist die Gemeinde mit den "Poetry Slams". "Aha", die Stimmung wurde immer besser. Wir fühlten uns hier richtig wohl. Weitere junge Leute kamen, stellten sich vor und wechselten einige Worte mit uns. Auf Druck der Familie mussten wir wieder in der letzten Reihe sitzen.

Als etwa fünfzig Besucher anwesend und die akademischen zehn Minuten verstrichen waren, begann der Gottesdienst. Er wurde umrahmt von einigen Vortragsstücken und dem Lobpreis eines dreiköpfigen Teams. Die Kindersegnung fand ganz am Anfang statt und wurde sehr ausführlich von Sabrina erklärt. Die Gemeinde segnete eines der kleinen Mädchen, deren Doppelname Lichtstrahl und Mutterschaf bedeutet. Überhaupt scheint Projekt:Kirche nur aus Singles und Paaren zwischen dreißig und vierzig sowie einigen Kleinstkindern zu bestehen. Wieder einmal fragten wir uns, in welcher Gemeinde die Erwachsenen und Teenager in unserem Altersbereich zu finden seien. Egal, wir fühlten uns hier sehr wohl und verfolgten das weitere Gottesdienst-Geschehen.

In der Predigt ging es um einen Text, den wir gerade im CVJM-Gebetskreis bewegen: 1. Joh 1,5 bis 1. Joh 2,2. Besonders intensiv hatten wir uns mit Vers 7 aus Kapitel 1 beschäftigt, der uns dazu auffordert im Licht zu leben, so wie Gott im Licht ist. Fabi, der kurzfristig eingesprungene Referent, bettete die Predigt in eine Episode aus seiner Schulzeit ein, wo er seinen Eltern gegenüber den guten Schüler mit Vorbildwirkung gespielt hatte, während die Realität ganz anders aussah. Dann kam der Elternsprechtag. Im Angesicht dieses Szenarios brachte er seine Defizite ans Licht und bekam mit viel Peinlichkeit letztlich doch noch die Kurve.

Es folgten einige Lobpreislieder, die Fürbitte und der Segen. Es gab keine Kollekte. Wer die Gemeinde unterstützen wolle, könne die Kontonummer im Begleitblatt nutzen oder etwas in die Kiste an der KaffeeBar legen. Unsere Freunde aus Marzahn kannten mal wieder mehrere Leute aus der Gemeinde. Wir sind immer wieder erstaunt, wie breit vernetzt sie doch sind.

Beim Hinausgehen schlug meine Frau das Il Ritrovo in der Wühlischstraße vor. Bei Pizza Tonno, Afri Cola, Espresso Americano und Pferdefleisch-Pizza unterhielten wir uns über Projekt:Kirche, den gestrigen Männertag in Oberkrämer und die jüngsten Entwicklungen in Marzahn. Wegen des nächsten Sonntages konnten wir uns nicht so recht entscheiden, da noch so viele interessante Gemeinden auf der Agenda stehen.

Sonntag, 2. Oktober 2016

Mavuno - EFG Lichterfelde

Mavuno ist Swaheli und bedeutet "Ernte". Da uns regelmäßig Leute aus der umbenannten EFG Lichterfelde begegnen, wollten wir uns dort einmal den Gottesdienst ansehen. Der Name lässt auf eine Gemeinde mit starker afrikanischer Prägung schließen. Dem ist nicht so, wie wir beim heutigen Besuch feststellen konnten.



So oft wie wir Gemeinden und Veranstaltungen in Steglitz, Lichterfelde, Lankwitz oder Lichtenrade besuchen, könnte man ja schon fast von einem BBB Berlin Bible Belt reden. Zumal noch weitere Gemeinden in dieser Region auf der Agenda stehen.

Wenigstens war der Gottesdienstbeginn bei Mavuno auf 11:00 Uhr terminiert, so dass die Anfahrt quer durch die Stadt zu einer familienfreundlichen Zeit gestartet werden konnte. Die Fahrt mit ihren unzähligen Ampeln erinnerte an das jüngste Wahlergebnis: Rot-Rot-Grün. Nach einer dreiviertel Stunde erreichten wir das ehemalige amerikanische Militärgelände mit der Kirche im Südstaaten-Stil.

Vor der Tür war ein blauer Tisch aufgebaut, an dem mehrere junge Leute standen und in freudiger Erwartung zu den eintreffenden Fahrzeugen blickten. Am Tisch wurden wir herzlich begrüßt und konnten uns einige Flyer aussuchen. "Ja, Blau ist unsere Farbe", bemerkte die junge Dame als ich sie auf die markante Farbe des Stehtisches ansprach. Die Kapelle selbst war eher in Weiß gehalten und erinnerte auf den ersten Blick an die FCJG Lüdenscheid, die in Platzaufteilung, Art der Stühle und den typischen Kirchenfenstern eine gewisse Ähnlichkeit aufwies.

Wir liefen über den flauschigen blauen Teppichboden und trafen zunächst unsere Bekannten aus Marzahn. Sie waren bereits in ein Gespräch vertieft. Willkommenskultur wird bei Mavuno groß geschrieben. Als unbekannter Gast fühlt man sich sofort mitten drin. Da ich vor dem Losfahren noch einen ganzen Liter Wasser getrunken hatte, war mein erstes Ziel das WC. Dort fiel mir fast die Kinnlade herunter, denn das war ein so auffällig sauberes und helles WC mit Haargel und Eau de Toilette auf der Ablage. Auch die Sprüche am Spiegel regten meine Denkprozesse an: "Wer etwas will, findet Wege. Wer etwas nicht will, findet Gründe".

Die Familie nahm in der dritten Reihe links außen Platz. Über die Leinwand flimmerten die letzten Sekunden des Countdowns. Dann begann die Band zu spielen. Diese bestand aus einem Gitarristen und einem E-Schlagzeuger. "Großer Gott, wir loben Dich" in einer gut abgemischten Fassung mit zwei harmonierenden Instrumenten.

Als Pastor Daniel Flechsig seine Einleitung zum heutigen Entedankfest machte, war mir sofort wieder die Bedeutung von Mavuno präsent: Ernte. Wenn der Bauer die Ernte einfahre, verzehre er nicht alles, sondern hebe einen gewissen Teil für die nächste Saat auf. Das sei das klassische Re-Investieren. Darauf folgte die Kollekte und nicht die Predigt zum Thema Mavuno, pardon Ernte.

Da mir einige Gesichter bekannt vorkamen, fragte ich meinen Sohn: "Kennst du hier welche vom SOLA"? Er nickte. Um "sola" ging es heute auch in der Predigt. Mavuno hat das Lutherjahr 2017 schon etwas vorverlegt und behandelt aktuell das Thema "Ich glaube".

sola gratia (allein aus Gnade)
sola fide (allein aus Vertrauen)
sola scriptura (allein die Schrift)
solus Christus (allein Christus)

Ergänzend dazu gibt es noch "Soli Deo Gloria" (allein Gott die Ehre), wobei heute die Gnade, also sola gratia, auf dem Plan stand. Die Predigt begann mit einem Text aus Matthäus 20, 1-16, wo es um die Arbeiter im Weinberg geht, die egal zu welcher Uhrzeit sie angefangen hatten, alle jeweils einen Denar bekamen. Daniel Flechsig stellte die Frage in den Raum, ob solch eine Entlohnung nicht ungerecht sei. Da ich die Auflösung des Textes kannte, erschütterte mich diese Frage nicht weiter. Egal in welchem Alter jemand die Beziehung zu Jesus aufbaut, am Ende bekommt er das ewige Leben. Hauptsache, er hat vor dem Feierabend noch eine Anstellung bekommen. Ist doch gut so!

Der zweite Teil der Predigt war in dreizehn Unterthemen gegliedert, die laut des Predigers alle für sich ganz wichtig seien. Beim achten Punkt waren bereits deutliche Aufmerksamkeitsdefizite bei den heimischen Gottesdienstbesuchern festzustellen. Auf so viel Lehre war auch ich nicht vorbereitet und versuchte mit progressiver Muskelentspannung nach Jacobson die Konzentrationsfähigkeit zu reaktivieren. Einige Frauen schrieben eifrig die genannten Bibelstellen mit. Eine Dame bemerkte anschließend, dass sie noch nie so eine gute Zusammenstellung der Grundlagen und Facetten von Gnade gehört habe. Der Predigt folgten ein Lied mit der Band, der Segen und eine kurze Ansage.

Dann begann der zweite Gemeinschaftsteil mit Kaffee und Gesprächen. Kaffee hatte es auch vorher schon gegeben. Jetzt waren zur besonderen Freude der Kinder auch Kekse dabei. Der Pastor erzählte uns von der jüngeren Geschichte der Gemeinde, dem Namenswechsel, dem Start bei fast Null und der Relevanz für den Kiez. Mit 150 Personen seien die räumlichen Kapazitätsgrenzen erreicht. Am Gottesdienst hatten heute etwa sechzig Besucher teilgenommen. Die Altersstruktur war sehr gut durchmischt. Das Durchschnittsalter muss so bei vierzig liegen.

Da wir noch einen Anschlusstermin in Teltow hatten, verabschiedeten wir uns und fuhren weiter gen Süden.

Sonntag, 25. September 2016

Saddleback auf Deutsch

Der Berlin-Zweig der Saddleback Church wurde erst vor drei Jahren gegründet. Seitdem wächst die Gemeinde und wächst und wächst und wächst. Seit September gibt es zwei neue Gottesdienstformen bei #SaddlebackBLN: einen Jugendgottesdienst und einen Gottesdienst auf Deutsch.



Die Kalkscheune, wo sich die Saddleback Church sonntags trifft, liegt im Inner Circle der Stadt. Das ist insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn wieder einer der unzähligen Marathoni veranstaltet wird. Der Besucher aus dem grünen Stadtrand fühlt sich dann wie die "Christliche Gemeinschaft" am Tag des Mauerbaus. Wir entschieden uns zu einer Anfahrt per S-Bahn.

Kurz vor dem Alexanderplatz überfuhr die Bahn eine Brücke, unter der hunderte bunt gekleideter Athleten den über vierzig Kilometer langen Lauf zelebrierten. Am Bahnhof Friedrichstraße stiegen wir aus und konnten bequem die weiträumig abgesperrte Straße überqueren. Am Friedrichstadtpalast war ein Turm für den RBB aufgebaut und die Lawine der Läufer wälzte sich gerade an Charité und FDP vorbei.

"Wäre doch witzig, wenn der Erste einfach über die Absperrung klettert und zu Saddleback läuft", meinte mein Sohn, während wir zur Kalkscheune abbogen. Gleich am Eingang wurden wir sehr freundlich begrüßt. Das setzte sich im gesamten Haus weiter fort. Letztlich hatten wir ein Programmheft, einen Kugelschreiber und einen Becher Kaffee in der Hand. Der Gottesdienst auf Deutsch war deutlich ausgeschildert und fand in einem Nebenraum gegenüber dem englischen Gottesdienst statt.

Deutsch wurde tatsächlich sehr genau genommen. Alle Lobpreislieder waren ins Deutsche übersetzt. Wir sangen Lieder, von denen ich bisher nur die englische Fassung kannte. Das setzte sich konsequent in den Ansagen fort, die mit einem sehr einladenden Video von Pastor Dave Schnitter eingespielt wurden. Vor zwei Wochen gab es im Hof der Kalkscheune mehrere Taufen, die über und unter Wasser gefilmt worden waren (Video Taufe Juni 2016). Den Rest des Rahmenprogramms erledigten Anna und das Lobpreisteam.

Wie gewohnt gab es eine sehr impulsreiche Predigt. Diesmal von Rick Warren. Natürlich per Video, aber mit deutscher Simultanübersetzung. Wir folgten dem vierten Teil der Predigtreihe "Unerschütterlich" unter dem Motto "Wenn man das Unmögliche von dir fordert".

"Pastor Rick" hangelte sich am Text aus Daniel 2, 10-18 entlang und arbeitete zunächst heraus, woran man echte von falschen Propheten unterscheiden könne. Nebukadnezar wollte ja in den Versen bis 11 sehr konsequent mit den vermeintlichen Propheten seines Beraterstabes umgehen und ihrer Kompetenz auf den Zahn fühlen. Ab Vers 14 tritt Daniel auf und beeindruckt durch sein "ruhiges und überlegenes" Auftreten, das letztlich ihn, seine drei Freunde und seine ganzen Beraterkollegen vor der Hinrichtung bewahrte. Da der Text solch eine Fülle an wichtigen Prinzipien beinhaltet, die der Referent selbst schon oft praktiziert habe, wurden heute nur fünf von acht Grundprinzipien erläutert.

Wir schrieben auf unserem Begleitzettel eigene Gedanken zum Thema auf oder ergänzten Worte in Lückentexten. Das steigerte nicht nur die allgemeine Aufmerksamkeit, sondern ließ das Gesagte sofort aktiv reflektieren. Im Vergleich zu Volkhard Spitzer fragte ich mich, wie das Begabungsprofil von Rick Warren aussehe. Es muss eine starke Kombination aus Predigen und Lehren sein. Zumindest redete er fast die ganze Zeit frei und blickte selten auf einen kleinen Notizzettel auf seinem Stehtisch. Er erklärte gut verständlich die Zusammenhänge und stellte immer wieder passende Bezüge zu unserem Alltagserleben her. Die weiteren drei Prinzipien sollen am nächsten Sonntag beschrieben werden. Ein cleveres Konzept der Kundenbindung. Die Predigten können auf Deutsch per Podcast nachgehört werden.

Im Anschluss redeten wir mit unseren Bekannten über die Prinzipien 4 und 5, wo es um das Einholen von Gebetsunterstützung (Verse 17-18) und ferner darum ging, dass wir beim Beten übernatürliche Hilfe von Gott erwarten sollen. Von dieser Erwartung hatte ich heute schon auf meinem liebevoll beschriebenen Kaffeebecher gelesen: "God answers when you least expect". Ich bin gespannt.

Sonntag, 18. September 2016

Dorfkirche Marzahn mit Taufe und Wahl

Die Dorfkirche Marzahn ist eine der bekanntesten Kirchen im Stadtbezirk. Zusammen mit der Marzahner Mühle dominiert sie den historischen Ortskern, welcher auch als Alt-Marzahn bekannt ist. Der Pfarrer der Dorfkirche war zu einer Zeit geboren, als die ersten Plattenbauten in Marzahn zusammen gesetzt wurden. Der Gottesdienst findet sonntags um 9:00 Uhr statt.



Aus Zeitgründen hatten wir heute einen frühen Gottesdienst in der Nähe gesucht und waren dabei auf einen Taufgottesdienst in der Dorfkirche Marzahn gestoßen. Taufe ist immer gut und stellt nach Römer 6,1-14 einen geistlichen Geburtstag dar.

Da wir die Effizienz von zwei möglichen Fußwegen testen wollten, teilte sich unsere Familie auf und eilte über Hauptverkehrs- und Kopfsteinpflasterstraßen. An den Laternen hingen Wahlplakate. Das Ergebnis war, dass beide Wege gleich schnell zum Ziel führten. So trafen wir etwa fünf Minuten vor Beginn an der Kirche ein und setzten uns in eine der vorderen Bankreihen.

Eine Minute vor Beginn strebte ein älteres Ehepaar auf unsere Bankreihe zu und durchbohrte Frau und Kinder mit einem nicht ganz bibelkonformen Blick: Hier gibt es Stammplätze! Das hatten wir zwar geahnt, aber nicht eindeutig erkennen können, da weder Namensschilder noch Badehandtücher ausgelegt waren. Badehandtücher mit gesticktem Gemeindelogo und Namenszug wären eine Marktlücke für christliche Versandhäuser und Büchertische.

Punkt neun dröhnte der erste Orgelton durch die Kirche. Wir zuckten zusammen. Die Frau neben mir justierte ihr Hörgerät nach. Der Gottesdienst hatte begonnen. Mit Orgelbegleitung wurden viele altbekannte Gemeindelieder gesungen. Im Wechsel dazu lief die übliche Liturgie mit Epistel, Predigttext und Gebeten ab.

In der Predigt ging es um Römer 10,9-15 mit dem Fokus auf Glauben und dem Reden darüber. Die Wahrnehmung der auf die Existenz Gottes hinweisenden Umwelt war einer der Punkte. Es ging um Glauben im Sinne von unrealistischer Vermutung versus Vertrauen und um Prediger, die einen kleinen geistlichen Samen ausstreuen, der Jahre später Frucht trägt.

Der Gottesdienst war nach weniger als einer Stunde zu Ende. Am Ende erfuhren wir auch, dass die Taufe abgesagt worden war. Schade!

Also spazierten wir durch Alt-Marzahn und liefen an den bunten Plakaten vorbei zum Wahllokal. Auf den Fußweg war "NO AFD" oder "SPD", "SPD", "SPD" gesprüht worden. Als ich an einen der Spitzenkandidaten dachte, den ich aus dem beruflichen Zusammenhang kannte, fiel mir ein neues Wort ein: Rudimentärkompetenz. Meinem Alter entsprechend wären jetzt eigentlich schon fast die "Grauen Panther" zu wählen. Aber nur fast, lieber wähle ich vorher noch einen schwarzen oder silbernen Jaguar.

Sonntag, 11. September 2016

Frauenkirche Dresden

Noch vor dem ersten Kreuzzug wurde am südlichen Elbufer eine Missionskirche erbaut, auf deren Platz heute die berühmte Dresdner Frauenkirche steht. Die im Zweiten Weltkrieg zerstörte Kirche diente für 48 Jahre als Mahnmal und wurde zwischen 1993 und 2005 wieder aufgebaut. Seitdem wird sie vorwiegend von Musikliebhabern und Touristen frequentiert. Es gibt aber auch jeden Sonntag um 11:00 Uhr einen Gottesdienst.



Ein Kochkurs mit dem BMW Excellence Club hatte uns an diesem Wochenende nach Dresden geführt. Acht Stunden Lebensmittelkunde, Kochen und Servieren mit Sternekoch Benjamin Biedlingmaier und der simultane Genuss des selbst gekochten 6-Gänge-Menüs zusammen mit den entsprechenden Weinen bis kurz vor Mitternacht hatten Einfluss auf die Planung des nächsten Morgens. Ein Gottesdienstbeginn um 11:00 Uhr in der Frauenkirche Dresden kam uns dabei sehr gelegen.

Gegen 9:00 Uhr waren wir im Frühstückssaal erschienen und trafen dort die Akteure des gestrigen Kochkurses wieder. Freundlich und frisch gingen sie ihrer Tätigkeit nach und wirbelten durch Saal und Küche. Wir regelten noch die letzten Formalitäten und liefen dann durch die sonnige Neustand vorbei am güldenen August und über die Elbbrücke zur Frauenkirche.

"Money follows Passion", fiel uns zum aktuellen Erscheinungsbild der Frauenkirche ein. Etwa zwanzig Menschen hatten 1989 den Stein zum Wiederaufbau ins Rollen gebracht und kurz darauf auch die Evangelisch-Lutherische Landeskirche und das Land Sachsen für das Projekt gewonnen.

An den zwei geöffneten Zugängen wurde explizit und mehrsprachig auf einen Gottesdienst hingewiesen. Das sollte Touristen und Musikliebhabern unmissverständlich mitteilen, dass es während der nächsten Stunde einen durch Predigt und Gebete durchbrochenen Musikgenuss geben werde. Ein Herr Rostig mit weißem Hemd drückte uns einen Ablaufplan in die Hand. Alle Lieder, liturgischen Texte und Bibelstellen waren dort abgedruckt. Sehr gut!

Da die Kinder nicht dabei waren, konnten wir endlich mal wieder weit vorne sitzen. Reihe 5 direkt hinter den Sitzplätzen, die Jutta Heidemann gesponsert hatte. Den Blicken der nach uns kommenden Gäste war zu entnehmen, dass es hier wohl Stammplätze gibt, die nun leider durch Reisende aus Berlin besetzt waren. Das Kirchenschiff wurde im Gegensatz zu den Emporen sehr voll. Dann wurden die Türen geschlossen.

Auf der Bühne tat sich einiges. Ein Chor marschierte durch zwei verzierte Barocktüren neben dem Altar ein. Ein Kirchenorchester nahm zwischen Kanzel und Chor Platz und der Dirigent übte sich während des Gottesdienstes im Multitasking. Die sportliche Statur hatte er sich wohl bei den mehrfachen Wanderungen zwischen Bühne und Orgel angeeignet. Die Orgel befand sich auf Höhe der zweiten Empore in der Wolkenlandschaft des Altarbildes. Der erste Teil des Gottesdienstes wurde auf sehr hohem Niveau klassischer Musik gestaltet.

Erst nach zweimaligem Umblättern des Begleitheftes erblickte der aufmerksame Leser unten rechts den Punkt "Predigt / Sermon" zu 2.Timotheus 1, 7-10. Auf genau diesen Moment hatten zahlreiche Besucher gewartet. Mit einem hörbaren Knarzen der Holzbänke entfernten sich Klassikfreunde und Touristen. Nachdem die Türen wieder geschlossen waren, redete Pfarrer Sebastian Feydt über den Timotheus-Text. Sein roter Faden ging am Text entlang und es wurden immer wieder Bezüge zum Alltag hergestellt. "Von Gott geht kein Geist der Furcht aus", formulierte er den Vers nach und gab uns einen Einblick in die Wortbedeutung des Urtextes. Ich betete unentwegt für den Mann auf der Kanzel und meine Frau war sehr angesprochen.

Es folgten weitere liturgische Elemente, bei denen auch die Musiker mit den Blasinstrumenten zum Einsatz kamen. Glaubensbekenntnis, Fürbitte, Vaterunser und Segen rundeten den Gottesdienst ab. Als wir vor die Kirche traten, hatte sich dort bereits eine sehr lange Schlange von Touristen gebildet, die leider die Information verpasst hatten, dass Gott uns einen Geist der Kraft, der Liebe und der Weisheit geschenkt hat.

Wir schlenderten durch die Dresdner Altstadt, über die Elbe und durch einige Hinterhöfe der Neustadt und erfuhren im Hotel, dass schon alle anderen Teilnehmer des Kochkurses abgereist waren. So holten wir unsere Koffer und reisten ebenfalls ab. Dresden ist immer mal wieder eine Reise wert.

Mittwoch, 24. August 2016

SOLA Camp David

Seit vielen Jahren findet im Umland Berlins das SOLA Sommerlager statt. Thematisch rankt es sich um Indianer, Rapper, Cowboys, biblische Personen und weitere mit der freien Natur zu verbindende Geschichten. Highlight ist die zweitägige Wanderung durch die brandenburgische Wildnis.



Trotz vorschriftsmäßiger Fahrweise waren wir überpünktlich auf dem Gelände des SOLA (Sommerlager) in Wünsdorf eingetroffen. Mir war schon mehrfach unterstellt worden, dass ich immer zu knapp losfahre. Recht hat sie ja, die Familie. Deshalb planten wir diesmal neunzig Minuten für die Anfahrt ein.

Nach dem Quick-Check-in beim Nafta-Lila-Team (wichtig: kräftiges Milka-Lila, kein Zartlila wie bei Perwoll) warteten wir auf den Start. Auch der verkleidete Saul, dessen Gemahlin und einige Bedienstete warteten und warteten und warteten, während gebratene Heuschrecken zum Verzehr angeboten und Büchsen per Schleuder umgeworfen wurden. Es gab Kaffee und Kuchen und wir trafen erstaunlich viele alte Bekannte, die zum ersten Mal ihre Kinder zum SOLA brachten.

Kurz vor halb fünf klingelte mein Handy und ein Autohaus wollte sich über die Kundenzufriedenheit informieren. Als wir fertig waren, war auch die Einstiegsgeschichte zu Ende. Klasse! Ich hatte verpasst, wie David nach der Erledigung von Goliath zu Saul gekommen war, dessen Tochter nicht heiraten durfte und zum Abschluss Saul auf den Fuß spuckte. An diesem historischen Punkt begann das diesjährige SOLA "Camp David". Unser Sohn hatte sich bereits in seine Milka-Gruppe integriert und wir traten den Heimweg an.

Eine Woche später:

Unser Kind trafen wir an der Wasserstelle. Braungebrannt und zerschrammt erklärte er mit heiserer Stimme: "Hier guckt mal, ich bin beim Fußball gegen einen Balken gerannt". Nach einem Tag seien Verband und Pflaster schon wieder ab gewesen und die Verletzungen konnten stolz zur Schau gestellt werden. Dann entschwand er auch schon wieder unseren Blicken. Am benachbarten Kuchenstand beschwerte sich ein Mädchen beim Küchenpersonal über ihren peinlichen Vater. Der wollte nach der Ankunft sofort Fotos machen. Wie uncool! Ich drückte einen Kaffee aus der Thermoskanne.

Wieder einmal waren wir viel zu früh eingetroffen. Fundbüro gesichtet, Gepäck gefunden, KV-Karte und Impfausweis abgeholt, Sohn gefunden, Sohn begrüßt und immer noch vierzig Minuten bis zum Start. Ab und zu hörte man den Urschrei einer der farblich gekennzeichneten Gruppen. Beim dritten Becher Kaffee kamen endlich ein paar Bekannte. Wir entschieden uns für Talk vor dem Zelt, da wir die Saunawirkung während des Programms schon aus den Vorjahren kannten.

Im Zelt wurde der letzte Teil der David-Geschichte gespielt: Volkszählung, Strafe, Findung des Bauplatzes für den ersten Tempel auf dem Berg Moria. Die Gelegenheit mal wieder eine Bibelstelle (1. Chronik 21, 26) zu zitieren: "Und als er den Herrn anrief, antwortete er mit Feuer vom Himmel". Die Predigt nach der gespielten Geschichte griff diesen Ort Moria auf, erzählte davon, dass Jakob dort seinen Sohn Isaak opfern sollte und dass Jesus dort gekreuzigt wurde. Letzteres hatten wir schon mehrfach in ICF-Predigten gehört. Eltern und Kinder von ICF, Baptisten, Brüdergemeinden und dem Mülheimer Verband hörten diese wichtigen Zusammenhänge nun gemeinsam.

Auf dem Rückweg erfuhren wir, dass das Zeitempfinden auf dem SOLA völlig verloren gegangen sei. Es gab die obligatorische Kanufahrt, riesige Käfer im Zelt und Schlafen unter freiem Himmel. Aber wann genau war das? Es hatte geregnet. Die Freiluftübernachtung fand diesmal an einer bisher unbekannten Stelle statt, schließlich sei man ja "vor Saul auf der Flucht" gewesen. Auch hatten "die Philister" eines Morgens das Frühstück geraubt.

Besonders erfreut waren wir, dass auch Freundschaften mit Leuten aus Gemeinden mit größeren Jugendgruppen geschlossen wurden. Diese werden wir uns in den nächsten Wochen einmal ansehen.