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Sonntag, 14. August 2016

Kirche am Südstern

Die Kirche am Südstern ist ein markantes Wahrzeichen christlicher Präsenz im Stadtbild Berlins. Die Sprüche zwischen den Doppeltürmen sind weithin sichtbar und auch das Leben in der Kirche ist vom Engagement für den Aufbau von Beziehungen zu Jesus geprägt.



Der letzte Besuch in der Kirche am Südstern muss wohl schon über zwanzig Jahre zurück liegen. Damals fand ein Gottesdienst mit Peter Dippl statt und ich erlebte eines der markantesten Abendmahle. Im akustisch ausgereiften Kirchenschiff wurden dünne Brotfladen, auch Mazzot genannt, verteilt und eine Analogie zwischen den Löchern und Brandmalen des ungesäuerten Brotes zum Leiden Jesu hergestellt. Anschließend wurden die Gottesdienstbesucher zum Essen der hellbeigen Brotstücke aufgefordert. Ein lautes vielstimmiges Knacken hallte durch den Saal und verstärkte die Wirkung der Erinnerung an das, was Jesus vor 2000 Jahren für uns getan hatte.

Heute klang Klaviermusik durch den Saal, als wir zwanzig Minuten vor Gottesdienstbeginn die Kirche betraten. Gegen den Druck der Familie konnte ich die Sitzreihe gerade noch von zehn auf neun verlegen. Dann nahmen wir auf den grünen Polsterstühlen Platz und waren gespannt auf das, was folgen werde. Bereits am Eingang waren wir freundlich begrüßt worden und auch jetzt kamen regelmäßig Leute aus der Gemeinde auf uns zu und schüttelten uns die Hand. "Seid ihr auf der Durchreise" oder "Oh, junge Leute", interessierte man sich für die Gäste.

Auf der rechten Seite des Altarbereiches hatte die Lobpreisband inklusive Schlagzeug ihren festen Platz. Davor stand ein Flügel und darüber hing die Leinwand für die Liedtexte. Der Gottesdienst begann mit einem alten Kirchenlied, das mit aktuellen Instrumenten begleitet wurde. Es folgten Ansagen, durch die wir erfuhren, dass es demnächst eine Gemeindefreizeit und den zweiten Taufgottesdienst in diesem Jahr geben werde. Die Kollekte wurde durch Maria am Klavier mit "What a Wonderful World" begleitet. "Und wer jetzt nichts geben kann, Herr, mache ihn bald zu einem fröhlichen Geber", war ein bisher noch nicht gehörter, aber durchaus sinnvoller Satz in einem Gebet für die Kollekte.

Und dann gab es noch den offiziellen Begrüßungsteil. Ein "Nein" trat über meine Lippen, als die Gemeinde aufgefordert wurde, den jeweiligen Nachbarn zu begrüßen. Allerdings nahm das hier im Südstern afrikanische Verhältnisse an. Die etwa siebzig Gottesdienstbesucher liefen quer durch den Saal und begrüßten sich wechselseitig und auch uns. Wären die weiteren 89% der Stühle im Mittelschiff besetzt gewesen, hätte sich dieser liturgische Teil wahrscheinlich nur auf die unmittelbare Umgebung konzentriert.

In der Predigt ging es um Römer 8 Vers 28 und dass uns trotz Hagel und Unwetter alle Dinge zum Besten dienen. Eberhard Sachse hatte bei den Überschwemmungen Ende Juli drei Pumpen bemühen müssen und dennoch einen feuchten Keller bekommen. Er schlug dann eine Brücke zu 1. Samuel 17, wo sich David auf den Kampf mit Goliath vorbereitet. David war dem Palästinenser körperlich und in der Ausrüstung unterlegen, wusste aber um die Größe und Möglichkeiten Gottes. Besonders interessant fand ich die Stelle mit Davids Schilderungen zum Erlegen von Löwen und Bären in Vers 35, wenn diese ein Schaf von seiner Herde wegtragen wollten. David hatte den Instinkt eines Hirten und war damit genau der richtige Leiter für das Volk Israel. Mit Gott ist also alles möglich, egal wie verfahren die Situation aussieht und egal wie groß die Blessuren sind. Gott holt das Optimum heraus.

Nach einem weiteren Lobpreislied und dem Segen gab es auf der Empore noch Gelegenheit für Kaffee und Gespräche. Da wir uns jedoch bereits auf den avisierten Italiener freuten, bedankten wir uns und verließen die liebevoll gepflegte Kirche. Bei Pizza und Lachsfilet tauschten wir uns am Marheinekeplatz über den Gottesdienst aus.

Donnerstag, 4. August 2016

Kirche Ihmert / Bredenbruch und das Blitzerfoto

Glaubensgrundsätze von Sünde und Buße sind auf dem Weg von Iserlohn nach Ihmert praktisch erlebbar. Dort steht ein evangelisch-lutherisches Gemeindehaus mit eigener Verkehrsüberwachung.



Versonnen blickte ich auf die großen roten Zahlen am linken Straßenrand: "Ein Euro drei für den Liter Diesel". Der Tank war noch etwa halb voll. Plötzlich riss mich die Stimme meiner Frau aus dem Wachtraum: "Blitzeeeeer". Vollbremsung. Das Display zeigte 52 km/h. Puh, das war knapp.

Der attraktive Literpreis hatte mich so abgelenkt, dass ich das kleine graugrüne Kästchen mit den zwei runden Fenstern nicht bemerkt hatte. Der Blitzer stand rechts auf einem Metallgestell direkt neben dem Eingang zum Gemeindezentrum der evangelisch-lutherischen Gemeinde von Ihmert / Bredenbruch. Im Gebäudekomplex ist eine Kita untergebracht, die die Installation des Kastens durchaus rechtfertigt.

Von diesem Moment an strahlte die Kirche in Bredenbruch eine gewisse Ehrfurcht aus. Fuhren wir doch drei Wochen lang ständig an ihr vorbei, wenn wir zwischen Gut Holmecke und Iserlohn unterwegs waren. Eines Tages hielten wir dort sogar an, um nach den Gottesdienstzeiten zu schauen. Wegen der Ferien waren diese jedoch recht dünn besetzt und auf andere Kirchen verlegt worden. Im Schaukasten hing eine Kinderzeichnung mit dem Titel "Biene". Was sollte uns das sagen?

Dieses ungewohnte Zusammenspiel von Blitzer und Kirche war sehr interessant. Gerade bei lutherischen Gemeinden spielen ja Sünde und Buße eine große Rolle. In Bredenbruch wird dieses Prinzip auch für Touristen und regionale Autofahrer zur Realität:

Der Verkehrssünder rollt beispielsweise mit 70 km/h durch das kurvenreiche Tal. Neben ihm plätschert der Ihmerter Bach. Ein genussvoller Blick schweift über den Mischwald. Er begutachtet gleichzeitig die jeweilige Ertragskraft der unzähligen Drahtfabriken am Wegesrand. Aus den Lautsprechern klingt radio NRW und dann plötzlich: Blitz!

Evangelisch-lutherische Gemeinde Ihmert / Bredenbruch
Blitzerkirche von Ihmert / Bredenbruch - Fahren am Limit
Der Sünder hinter dem Steuer weiß augenblicklich, dass das Folgen haben wird. Ist das hier innerorts? Gibt es einen Toleranzabzug? Geht mein Tacho richtig? Zwanzig km/h sind eine Schwelle, die das Blut in den Adern erstarren lassen. Wird es ein Fahrverbot geben? Wie lange wird das Fahrverbot dauern? Kostet es 75 Euro oder gar 250? An der Pforte zum Gemeindezentrum ist der Wagen bereits auf 65 heruntergebremst und mit einem laut schlagenden Herzen geht die Fahrt weiter.

Ist die Sünde offenbart und per Foto dokumentiert, verliert die romantische Umgebung ihren Reiz. Wie komme ich da wieder raus? Gibt es Milderung? Kann ich so tun, als sei meine Frau gefahren? Ist der Fahrer überhaupt ermittelbar?

Widersprüche verteuern die Sache erfahrungsgemäß nur unnötig. Die Fotos sind normalerweise eindeutig. Das beste ist: Ich stehe dazu!

So ähnlich muss sich auch David in Psalm 32, 1-5 gefühlt haben. Die Sünde, eine Distanzierung gegenüber Gott, war geschehen und nun galt es, die Verantwortung dafür zu übernehmen. Als er "es verschweigen wollte", wurde der innere Druck immer schlimmer. Im Vergleich zur Abfolge seines übereilten Handelns bezüglich Bathseba aus 2. Samuel 11 fällt auf, dass ungestoppte Sünde weitere Sünden nach sich zieht und irgendwann im kompletten Chaos endet. Ähnlich ist es auch mit mühsam gepflegten Lügengebäuden. Irgendwann sind die Differenzen zwischen Wort und Tat, Hülle und Innenleben so offensichtlich, dass das Kartenhaus in sich zusammenfällt.

Deshalb sind Foto und Bußgeldbescheid so wichtig. Fehlverhalten wird erkannt und Verantwortung dafür eingefordert. Lässt sich der Rüpel auf die Übernahme der Verantwortung ein, wird er beim nächsten Mal besser handeln. Der Erziehungseffekt bewirkt eine nachhaltige Selbstoptimierung.

Seltsam, warum kann ich mich nur so gut in diesen Verkehrssünder aus Bredenbruch hinein versetzen? Auf der Fahrt durch das benachbarte Hagen wurde ich mit 67 km/h auf einer 50er Strecke geblitzt. Verwarnungsgeld 35 Euro an die Stadtkasse.

Inzwischen fahre ich fast nur noch mit dem Fahrerlebnisschalter LIMIT, der mein Auto zwangsweise auf 30, 50 oder 60 abriegelt, egal wieviel Gas ich gebe. Das ist nachhaltige Selbstoptimierung. Interessanterweise kommt man auch mit diesen Geschwindigkeiten ans Ziel.

Samstag, 30. Juli 2016

FCJG Lüdenscheid

Die FCJG Lüdenscheid lässt sich am besten mit den Begriffen Charisma und Weltmission charakterisieren. Ihre Gottesdienste finden samstags statt und laufen unter dem Korintherbrief-Motto "Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder etwas...".



"Uups, sind wir zu alt", rutschte mir spontan heraus, als wir von drei jungen Damen herzlich am Eingang der FCJG Lüdenscheid begrüßt wurden.

Das Haus Wiedenhof befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des übersichtlichen Bahnhofs von Lüdenscheid. Die Freie christliche Jugendgemeinschaft (FCJG) in Lüdenscheid verbindet den Ruf von Charisma und Weltmission. FCJG-Präsident Walter Heidenreich ist über die Grenzen des Sauerlandes hinweg bekannt und eine befreundete Missionarin in Kambodscha wurde in Lüdenscheid maßgeblich auf ihren Dienst vorbereitet.

Heute wollten wir uns selbst ein Bild von dieser berühmten Gemeinde verschaffen.

OK, wir waren nicht zu alt. Die etwa einhundertfünfzig Besucher des Abendgottesdienstes waren zwischen zwanzig und fünfzig Jahre alt. Darüber hinaus sahen wir etwa zwei Kinder und eine ältere Dame mit amerikanischer Optik. Letztere wurde im Rahmen der Begrüßung als Huldah aus Kalkutta vorgestellt.

Nach dem recht kurzen Begrüßungs- und Ansagenteil ging es in eine Doxologie über, die an den Lobpreis in der Offenbarung erinnerte. Eines der beiden Lieder, die in der ersten Stunde gesungen wurden, sprach den Reiter auf dem weißen Pferd aus Offenbarung 19 ab Vers 11 an. Viele der Anwesenden flankierten den Gesang mit Melodien und Texten, die ihnen ad hoc eingegeben wurden.

Dann trat Huldah Buntain ans Pult. Die 90-jährige Kanadierin blickt auf über sechzig Jahre harter aber gesegneter Arbeit in Kalkutta zurück. Durch den frühen Tod ihres visionären Mannes war ihre besondere Organisationsbegabung gefordert, wodurch inzwischen viele Schulen, Krankenhäuser und Gemeinden in Indien entstanden sind. Huldah rollte ihre kraftvolle Stimme aus und zog die Zuhörer in der nächsten Stunde in den Bann ihrer persönlichen Gotteserfahrungen. Das Fazit war, dass Gott das Wort "impossible" (unmöglich) mag, um seine unbegrenzten Fähigkeiten zu demonstrieren. Die Seniorin machte deutlich, dass sie bis zum letzten Atemzug darauf achten werde, was Gott gerade tue und wo sie sich einklinken könne.

Dieser Bericht ermutigte uns sehr und bestärkte uns in der Bereitschaft, nach den konkreten nächsten Schritten zu fragen. Diese Frage muss wohl allgemein im Raum gestanden haben, da anschließend eine längere Gebetszeit eingeleitet wurde, wo sich die Besucher ganz neu für Gott zur Verfügung stellen konnten. Obwohl es bereits nach 22:00 Uhr war, wollte unser Sohn noch bleiben. Die Leute in der Mitte zeigten körperliche Reaktion wie Zittern, Lachen oder Umfallen. Kissen wurden herbeigetragen und die Zeit mit Musik untermalt.

Gegen 23:00 Uhr verließen wir die FCJG und fuhren durch das nächtliche Sauerland zurück nach Iserlohn. Unterwegs tauschten wir unsere Eindrücke aus. Für jeden von uns war etwas dabei gewesen. Das war der Umkehrschluss des FCJG-Slogans aus 1. Korinther 14 Vers 26 : "Wenn ihr zusammenkommt, hat jeder etwas zur Erbauung der Gemeinde".

Sonntag, 10. Juli 2016

Baptisten und Methodisten in Oberschöneweide

In Oberschöneweide liegen die Grundstücke der Baptisten und Methodisten direkt nebeneinander. Es gibt keinen Zaun, so dass gemeinsame Gartenfeste auf großer Fläche möglich sind. In den Ferien werden wechselseitig gemeinsame Gottesdienste gefeiert.



"Kennen Sie ein sächsisches Klebemittel", fragte ich Markus, den ich noch aus meiner Jugendzeit bei den Baptisten in Oberschöneweide kannte. Breites Grinsen über den Insider von Otto Waalkes. Er geht inzwischen in die EFG Steglitz, also Markus und seine Familie nicht Otto. Einige O'weider erkannte ich nicht sofort wieder. Andere hatten sich kaum verändert. Einige Namen fielen mir nicht mehr ein. Zu lange liegt der Wechsel in die Lukas-Gemeinde zurück.

Beim heutigen gemeinsamen Sommerfest der Friedenskirche und der EFG Deulstraße fiel das harmonische Miteinander der Angehörigen beider Gemeinden auf. In beiden Gebäuden fühlte man sich zu Hause. Die Küchen wurden wechselseitig genutzt. Stühle, Bänke und Schirme wurden getauscht. Am Grill und am Kuchenbuffet standen Mitarbeiter aus beiden Gemeinden und Senioren erzählten von gemeinsamen Geburtstagsfeiern.

Der Garten mit seiner üppigen Bepflanzung bot interessante Sichtachsen zu den einzelnen Stationen des Sommerfestes. Schatten spendende Bäume mit Bänken darunter und größere Rasenflächen für Gemeinschaftsaktivitäten rundeten die gute Nutzbarkeit der beiden Außengrundstücke ab.

Selbst die Pastoren waren im wahrsten Sinne des Wortes so gut auf einander abgestimmt, dass ungeübte Zuhörer die regelmäßigen Wechsel zwischen Joachim Georg und Thomas Bliese bei der gemeinsamen Predigt nicht erkennen konnten. Plötzlich hatte der jeweils andere Pastor das Mikrofon vor dem Mund.

Die Predigt und das Sommerfest standen unter dem Thema "Das isses mir wert".

Diese Frage stellten wir uns, wenn es darum ging, eine Bratwurst für 1,50 Euro, eine kleine Tasse Kaffee für 50 Cent, ein Stück Kuchen für einen Euro oder einen Becher Cola für einen halben Euro zu kaufen. Die Hitze forderte einen Flüssigkeitsnachschub, den einige Gäste per 50-Cent-Becher über das kostenlos angebotene Trinkwasser auf dem WC realisierten. Ein Pay-Per-Use als Bezahlkonzept auf Sommerfesten erleben wir selten. Eintrittspreise mit integrierter Flatrate oder eben eine Bewirtung auf Spendenbasis reduzieren normalerweise den organisatorischen Overhead bei Veranstaltern und Gästen.

Wegen der vielen Bekannten fühlten wir uns recht gut integriert. Der abschließende Gottesdienst war in Sprache und Durchführung auf christliche Besucher zugeschnitten. Neben vielen Senioren waren einige Jugendliche, Kinder und das mittlere Alter vertreten. Demnächst gebe es bei den Baptisten eine Evangelisation mit einem fitten sächsischen Redner. Die Methodisten werden davon sicher auch profitieren, obwohl ihr Taufverständnis von dem der Baptisten abweicht.

In den Sommerferien, ab dem 24.07.2016, werden sieben Gottesdienste wechselseitig in den Gemeindehäusern veranstaltet. Das ist gelebter Blick über den nicht vorhandenen Gartenzaun und eine Fokussierung auf den gemeinsamen Nenner: Jesus!

Sonntag, 26. Juni 2016

Berlinprojekt mit Ernst Lubitsch

Das Berlinprojekt ist eine wachsende Gemeinde im Herzen Berlins. Wer sich einklinken möchte, ist herzlich willkommen. Wer nur mal schnuppern möchte, kann das auch. Die evangelische Freikirche punktet mit professionellem Lobpreis, biblischer Predigt, Abendmahl und gut durchmischter Altersstruktur. Aber wer ist Lubitsch?



"Wer bitte ist Lubitsch?", fragte ich mich unmittelbar nach Betreten des Kinos Babylon. "Ist Lubitsch da?", wollte ich von einer der regelmäßigen Besucherinnen wissen. "Keine Ahnung", sie wisse nicht, wer das sei. Darauf fragte ich den freundlichen jungen Mann am Info-Tisch. Er kannte Lubitsch auch nicht. Und dabei sitzt Lubitsch jeden Sonntag im Gottesdienst des Berlinprojektes. Mit Ernst lauscht er dem Lobpreis, der Predigt und den Gebeten. Am Abendmahl nimmt er allerdings nur als Zuschauer teil. Er grüßt auch nicht. Zu konzentriert beschäftigt sich die lebensgroße Nachbildung des deutsch-amerikanischen Regisseurs in der Mitte der dritten Reihe mit der Handpuppe auf seinem rechten Arm.

Wir erlebten heute eine sehr angenehme Willkommenskultur. Am Nebeneingang wurden wir herzlich begrüßt und schauten uns kurz darauf an der Getränketheke um. Dort wurden reichlich Kaffee und verschiedene Teesorten angeboten. Der letzte Besuch lag schon etwa ein Jahr zurück, so dass uns entfallen war, dass das akademische Viertel integraler Bestandteil des Elf-Uhr-Gottesdienstes im Babylon ist. Ein wichtiges Detail angesichts der Parkraumbewirtschaftung um das Kino herum. In der nahe gelegenen Torstraße parke man sonntags kostenlos.

Proaktiv klinkten wir uns in den Begrüßungsdienst ein und empfingen die nach und nach eintreffenden Gottesdienstbesucher. Mit einigen kamen wir ins Gespräch. Auch alte Bekannte waren darunter. Auf dem Weg in den Kinosaal wurde uns ein 16-seitiges Programmheft in die Hand gedrückt. Wir stellten die Kaffeebecher in die dafür vorgesehene Halterung und warteten auf die Vollendung des akademischen Viertels.

Der Gottesdienst startete mit einem Gesangsstück von Sarah Kaiser. Es folgte eine Begrüßung mit kurzem Erfahrungsbericht über praktisches Christsein am Arbeitsplatz. Und dann wurde mit Bass- und Cajónbegleitung "Befiehl du deine Wege" von Paul Gerhardt gespielt. Überhaupt fiel das Lobpreis-Quartett durch eine bemerkenswerte musikalische Harmonie auf. Meine Frau bewunderte die Stimme der Sängerin Susi. Die Lieder sangen wir vom Blatt, also von den Seiten 3 bis 9 des Begleitheftes. Auch die Erklärung des Abendmahls, das Vaterunser und der Predigttext waren dort abgedruckt.

Die Predigt beschäftigte sich mit Genesis 15, 1-21. Abram wird darin zum Vertrauen auf Gott ermutigt. Gott schließt einen Bund mit Abram und seinen Nachkommen, die zu dem Zeitpunkt noch gar nicht sichtbar waren. Pastor Konstantin von Abendroth entfaltete die Spannung, in der sich Abram befand. Eine Spannung von Glauben, Vertrauen, Zweifel und sichtbarer Realität. Dass Gottes Realitäten größer sind, wurde deutlich, als Abram aus dem Zelt treten und die Sterne zählen sollte. Neuer Sichtbereich, neue Betrachtungsweise, neuer Horizont, neue Zukunftsperspektive, Weite und ein Bund mit Gott, wie er auch bei Menschen damals üblich war. Geteilte Tiere, durch die die Vertragspartner hindurchschritten und sich damit selbst das Urteil für eine Missachtung des Vertrages sprachen. In diesem Falle lief nur Gott durch die Mitte und erfüllte diesen Vertrag letztlich durch das stellvertretende Sterben von Jesus.

An das Sterben von Jesus und die Einheit seines Leibes als Bild für die Gemeinde erinnerte das anschließende Abendmahl. Der Gottesdienst endete mit dem Vaterunser, den Ansagen und einem Segensgebet. Bei den Ansagen fiel uns eine signifikante Gemeinsamkeit von Berlinprojekt, Saddleback und Kulturwerkstatt auf:

Taufen, Taufen, Taufen ...

Taufen - insbesondere von Erwachsenen - sind ein Indikator für gesundes Gemeindewachstum. Gemeindewachstum durch Menschen, die eine bewusste Entscheidung für Jesus getroffen haben und in den Lebensabschnitt "Jünger werden" einsteigen. Die Frage "Können Alte Jünger werden?" ist demzufolge mit einem klaren Ja zu beantworten.

Als wir in den Vorraum traten, war dort bereits emsiges Treiben. Die Snacktheke des Kinos hatte geöffnet und es gab bunt belegte Baguettes. Am Infotisch verkaufte Sarah Kaiser ihre neue CD mit Autogramm und Widmung. An der Wand hinter dem Tisch lasen wir wieder die Frage: "How would Lubitsch have done it?". Lubitsch saß immer noch im Saal und ließ sich von der Handpuppe anschauen. Vielleicht sollten wir die Frage neu besetzten: "WWJD - What would Jesus do?".

Sonntag, 19. Juni 2016

Kulturwerkstatt Berlin

Die Kulturwerkstatt Berlin trägt schon den Charakter dieser jungen Gemeinde im Namen. Herzliche Aufnahme von Gästen, interessante Menschen, guter Lobpreis, Familienfreundlichkeit, Angebote für den Kiez und eine inhaltsreiche Predigt zeichnen diese evangelische Freikirche aus.


Das akademische Viertel der benachbarten Saddleback Church wäre heute sehr praktisch gewesen. Trotz weiträumiger Umfahrung des Alexanderplatzes wären wir zehn vor elf bei der in die Altbauhäuser der Auguststraße eingepassten Kirche eingetroffen. Ein Sperrschild konnte noch ignoriert werden, die massive Bauabsperrung zum Überqueren der Torstraße jedoch nicht. Der Veranstalter des innerstädtischen Fahrradrennens musste gewusst haben, dass wir uns nur ungerne am Gottesdienstbesuch hindern lassen. 150 Meter vor dem Ziel mussten wir wieder umkehren und in den folgenden zehn Minuten einen Parkplatz außerhalb des Velothon-Ringes suchen. Diesen fanden wir in der Nähe der Christuskirche. Von dort aus benötigten wir weitere zehn Minuten für den Fußweg zur Kulturwerkstatt.

Den ehrwürdigen Backsteinbau betraten wir zusammen mit einer jungen Frau und ihrem Coffee To Go. Im Altarbereich spielte eine Band aus drei Personen. In der Mitte des sakralen Saales hingen drei große Schalltrichter aus Messing. Durch diese konnte man bis zum Altar durchschauen und in deren Spiegelung einen schnellen Blick auf den Sitz der Frisur werfen. Wir setzten uns in den Ostblock der Stuhlreihen und schauten uns die ausgelegten Programmheftchen an. Ein Early Bird zwitscherte uns von hinten aus zu, dass wir bisher nur die Begrüßung verpasst hätten.

Der Gottesdienst lief sehr klar strukturiert in kurzen und knackigen Einheiten ab. Zuerst wurde ein Kind mit Schwarzwälder Zuwanderungsgeschichte gesegnet. Ein Teil seiner Badener Verwandtschaft war angereist und gestaltete einige der damit verbundenen Elemente. Die Segnung durften sich die anwesenden Kinder noch anschauen und wurden dann unter besonderer Beachtung in ihren Kindergottesdienst verabschiedet. Damit waren die Anwesenden im Saal auf 2/3 reduziert, was etwa vierzig Personen entsprach. Vierzig interessante Menschen, die Kreativität und Intelligenz ausstrahlten, so wie Pastor Rainer Schacke, der seine berufliche Laufbahn als Journalist begonnen hatte.

Rainer griff den Segnungstext für den kleinen Neuberliner auf. Dieser stand in Hebräer 11 Vers 1 und leitete damit in eines meiner Lieblingskapitel des Neuen Testamentes ein. Er thematisierte das Kapitel bis Vers 12 und setzte damit eine Predigtreihe fort, in der es darum geht, Teil von Gottes Werk und Wundern zu werden. Immer wieder schlug er eine Brücke zwischen Glauben, Glaubenshelden und dem Vertrauen eines Kindes. Der Aufzählung und kurzen Vorstellung der Glaubenshelden aus Hebräer 11 stellte er abschließend eine Liste von deren Defiziten entgegen. Es waren eben auch nur Menschen wie du und ich.

Vor der Kollekte und dem Segen gab es heute das monatliche Abendmahl. Dieses nehmen wir immer wieder gerne mit Geschwistern unterschiedlicher Gemeinden ein und freuen uns dabei über das Bild des Leibes Christi, wo jedes "Körperteil" seinen speziellen Platz im Gesamtgebilde hat.

Nach dem Gottesdienst wurden wir freundlich begrüßt und sofort in die Unterhaltungen einbezogen. So erfuhren wir viel über die Geschichte der Kulturwerkstatt, aßen sehr leckeren Kuchen und schauten uns auch die gegenüber liegenden Kinderräume an.

Die Evangelische Kulturwerkstatt Berlin (EKW) ist eine Gemeinde für den Kiez. Sie trifft genau die in Mitte wohnende Kreativszene und junge Familien mit ihren speziellen Bedürfnissen. Sie bietet Menschen, die noch keine persönliche Beziehung zu Jesus haben, einen niederschwelligen Zugang und distanziert sich bewusst vom üblichen Transferwachstum. Am nächsten Sonntag finden im Weißen See mehrere Taufen statt. Sehr gut sei der regelmäßige LEGO/Brunch frequentiert, der uns an die LEGO-Bautage bei der EFG Weißensee erinnerte. Hier wären Synergien möglich. Überhaupt ist die Kulturwerkstatt sehr gut in der Stadt vernetzt und setzt gerne auf externen christlichen Angeboten auf. Warum auch das Rad neu erfinden, wenn es bereits die passende Veranstaltung gibt?

Gesättigt mit Kuchen und guten Gesprächen traten wir den sonnigen Fußweg zum Parkplatz an. Meine Tochter trank dabei ihren Tea To Go. Wir überquerten die Absperrungen des Velothons und fanden ein Auto ohne Ticket vor. Diese Parkzone wird nur bis Samstag bewirtschaftet.

Montag, 13. Juni 2016

Männerabend - Kampf auf der Dachterrasse

"Männer nach dem Herzen Gottes" ist eine Gesprächsreihe, die in Zusammenwirkung verschiedener Gemeinden und Werke im Südwesten Berlins stattfindet. Eingeladen sind Männer, die in der Beziehung zu Jesus weiter kommen möchten und den Austausch über gemeinsame Alltagsthemen wie Familie und Beruf suchen. Heute ging es um Kampf.



Die Männer von Eben Ezer hatten mal wieder auf die Dachterrasse eines Bürohauses in Lankwitz eingeladen. Laut E-Mail sollte es heute um Kampf gehen: Kampf zwischen Egoismus und Nächstenliebe, Kampf zwischen Bitterkeit und Vergebung und Kampf zwischen dem einfachen und dem richtigen Weg. Obwohl uns der Gottesdienst bei Eben Ezer damals recht friedlich vorgekommen war, sollte nun wohl eine Rückbesinnung auf die Basics aus 1. Samuel 7, 11-14 stattfinden. Damals hatte Israel nach intensivem Gebet mit Gottes Hilfe die angreifenden Palästinenser "gedemütigt" und einen Stein (Eben) der Hilfe (Ezer) als Denkmal aufgerichtet.

So viel Kampf war mir zu gefährlich. Deshalb nahm ich Rainer mit. Je nachdem, wie sich der Kampf entwickeln würde, konnte er einer flexiblen Verwendung zugeführt werden. Als Waffe hatte ich eine 1985er Schlachter dabei. Rainer trug seine 1972er Elberfelder griffbereit im Halfter. Noch von der letzten Einsatzübung war mir in Erinnerung, dass es sich bei den Männern von Eben Ezer um Präzisionsschützen handelt.

Zur Vorbereitung des Manövers der EEVJTF (Eben Ezer Very High Readiness Joint Task Force) wurden die Versorgungswege gesichert. Es gab Charitea und Lemonaid sowie Kekse und Kartoffelchips mit Fairtrade-Siegel. Die Truppe wurde im Verlauf der Übung auf zwölf Mann verstärkt.

Die erste Operation beschäftigte sich mit einem Umsturz. Dazu zeigte der Kommandeur drei Skizzen mit Kreisen, Punkten, einem Kreuz und dem Wort "ICH". Aufgabe war es, die Rebellenmiliz "ICH" aus der Mitte des Kreises zu entfernen und das Kreuz dort zu platzieren. Ein nicht sehr einfacher Auftrag, in dessen Durchführung interne Blockaden auszuräumen und an die Grenzen der eigenen Willenskraft zu gehen war. In der Grundausbildung waren dazu zwei Fronten aufgestellt worden:

"Was nützt mir das?" versus "Was möchte Gott?"

Nach erfolgreicher Absolvierung dieses Punktes gab es mehrere Gelegenheiten zum urbanen Einzelkampf. Die Männer wurden auf der Dachterrasse ausgesetzt. Sie sollten ihre Richtmikrofone auf hörendes Gebet einstellen und die Signale aus dem Headquarter auswerten. Jeder bekam eine Spezialaufgabe, die sehr unterschiedliche Bereiche betraf. Bei mehreren Beteiligten standen Herausforderungen im zivilen Beruf an, für die es nun auf entsprechende Anweisungen zu warten galt.

Immer wieder gab es Lagebesprechungen und Auswertungen, bei denen folgende Strategien als besonders wichtig angesehen wurden:

  • die bewusste Entscheidung
  • die Unterstützung der Truppe
  • die Authentizität
  • das gelebte Vorbild
  • die Vermeidung von "bad actions".

Der "scharfe Schuss" wurde mehrfach praktiziert, war aber nicht immer treffsicher. So suchten wir den ganzen Abend nach einer Stelle aus dem Hebräerbrief, die wir schließlich kurz vor Abschluss in Kapitel 10 Vers 25 fanden. Übrigens fünf Verse vor "die Rache ist mein, spricht der Herr".

Der Kommandeur entließ uns mit dem Befehl, weiter im Kontakt mit dem Headquarter zu bleiben und im Rahmen eines "überspringenden Dienstweges" die Frage zu stellen:

"Jesus, was willst du mit mir bereden?"

Die EEVJTF und die Trainingseinheit "Männer nach dem Herzen Gottes" ist ein Co-Branding von Campus für Christus, dem Gesprächsforum Leben + Glauben und der LKG Eben Ezer in Lichterfelde.

Sonntag, 12. Juni 2016

EFG Lichtenberg

Die EFG Lichtenberg ist eine helle freundliche Baptistengemeinde mit guter Verkehrsanbindung zum Bahnhof Lichtenberg. Gäste werden freundlich empfangen. Die Predigt ist modern und biblisch. Das Engagement für den Kiez ist vielseitig und kreativ. In den Sommermonaten ist das Altersniveau etwas gehoben.



Drei Straßenecken und nur etwa 250 Meter liegen zwischen der Stadtmission Lichtenberg und den Baptisten in der Heinrichstraße. Zwei Gemeinden im Kiez mit ähnlicher geistlicher Zielsetzung und derselben Anfangszeit des Gottesdienstes: zehn Uhr. Unser letzter Besuch bei den Lichtenberger Baptisten muss schon um die zehn Jahre zurück liegen. Die etwa zehn Kilometer in den Nachbarbezirk fuhren wir innerhalb von zehn Minuten und bekamen sogar einen Parkplatz direkt vor der Tür. Zehn Minuten vor der Zeit betraten wir das relativ neue Gemeindehaus, obwohl des Baptisten Pünktlichkeit bei sprichwörtlichen fünf Minuten liegt.

Wir wurden sehr freundlich von vielen der Anwesenden begrüßt und suchten uns im hellen Gemeindesaal einen Platz. Die Kinder gaben diesmal die Richtung vor, so dass wir in einer der hinteren Reihen am Rand landeten. Ich hätte lieber in der dritten Reihe vor der Kanzel gesessen. Die blau-weiße Inneneinrichtung vermittelte eine angenehme und freie Atmosphäre. Das Metallkreuz in der Nordostecke bildete ein architektonisches Ensemble mit der davor liegenden in Kreuzform durchbrochenen Wand. Immer mehr Gottesdienstbesucher strömten herein, so dass letztendlich etwa siebzig Personen gezählt wurden. Darunter waren wenige Kinder und Jugendliche.

Drei Hauptakteure traten auf: eine Moderatorin, eine Pianistin und ein Pastor, dessen Optik weniger den seelsorgerlichen Standard bediente und eher auf die Bühne einer Filmpreisvergabe als nominierter Regisseur passen würde. Nach dem pünktlichen Beginn wurde über der Moderatorin ein Teil des Programms eingeblendet. So erfuhren wir, dass nach der Lesung von Lukas 19 Vers 10 die Grüße vorgetragen werden, danach die Geburtstagskinder an der Reihe sind und dann die Kollekte folgen wird. Die Gedanken kreisten: "Nein, ich habe keine Grüße". Die traumatischen Erinnerungen an die Situation in einer Baptistengemeinde im Südosten Berlins waren noch zu präsent. Die Moderatorin war damals durch die Reihen gegangen und hatte sämtlichen Gästen das Mikrofon vor den Mund gehalten. "Und willst du nicht grüßen...", das Gefühl dieses Momentes muss mit dem Erleben der Jesusfernen aus Offenbarung 6 Vers 16 korrelieren. In Lichtenberg verlief dieser Teil heute jedoch wesentlich entspannter und wir lernten gleich einige Sparten des Gemeindejugendwerkes und der Bandaktivitäten kennen.

Die Lieder entstammten dem Gemeinde Liederbuch. Das Buch ist dunkelgrün und steht sogar bei uns im Schrank. Die Texte wurden an die Leinwand über der Kanzel geworfen. Der Wechsel der "Folien" erfolgte bemerkenswert präzise. Anschließend kam ein älteres Gemeindemitglied auf uns zu und entschuldigte sich für die betagten Gesangsstücke. Das sei sonst alles viel moderner. Egal. Unsere Kinder beschäftigte eher der Zeitpunkt der Kollekte, die vor der Predigt eingesammelt wurde.

In der Predigt wurde ein Bogen zwischen Matthäus 18, 21-35 zu Genesis 4, 13-24 gezogen. In beiden Texten geht es um sieben, siebzig und siebenundsiebzig und den Umgang mit Rache, Sünde und Vergebung. Der Text aus Mose stellt sozusagen die Initialzündung für den finalen Auflösungstext aus Matthäus dar. Thorsten Schacht ist der zweite uns bekannte pastorale Thorsten, der im Anzug und mit einem beachtlichen Alltagsbezug predigt. Auch im Kiez ist er unterwegs. Er verteilt Flyer für regionale Events und kommt mit seinen Nachbarn ins Gespräch. "Du bist schön", bestätigt er so manch einem verblüfften Lichtenberger.

Nach dem Gottesdienst kamen wir mit mehreren Besuchern ins Gespräch, die uns kompetente Antworten zur Entwicklung und Vernetzung der Gemeinde geben konnten. Auch hier erlebten wir Querverbindungen über die Evangelische Allianz oder einfach nur die urbanen Einzugsgebiete.

Beim Verlassen des Gemeindehauses in der Heinrichstraße stellten wir fest, dass unsere Marzahner Begleiter und ich komplett passend zum Haus in Blau/Weiß gekleidet waren.

Sonntag, 5. Juni 2016

FELG "Haus Gottes" auf der Verkehrsinsel

Die FELG "Haus Gottes" ist eine lutherisch geprägte Gemeinde, die einen besonderen Fokus auf Sünde, Vergebung und Optimierung des Lebensstils legt. Die Mitglieder verfügen weitestgehend über eine Zuwanderungsgeschichte aus den ehemaligen Staaten der Sowjetunion. Gelehrt und gesungen wird auf Deutsch und Russisch. Die Gemeinde ist altersmäßig sehr gut durchmischt und zeichnet sich durch viele junge Familien aus. Es gibt Angebote für den Kiez und Gäste werden sehr freundlich und umsichtig aufgenommen.



Nach SELK, EFG, ICF, CVJM, JKB, LKG und FEG war heute FELG angesagt. FELG steht für Freie Evangelisch-Lutherische Gemeinde. Die FELG "Haus Gottes" e.V. trifft sich in der Alten Pfarrkirche Lichtenberg. Die Kirche ist auf einer Verkehrsinsel in der Möllendorffstraße 33 erbaut. Im Mittelalter hätte an diesem strategischen Punkt Wegzoll erhoben werden können. Hier kreuzen sich die Tangenten von Ostkreuz nach Weißensee und von Friedrichshain nach Marzahn. Am Eingang der Kirche weist ein Schild auf den Denkmalschutz und das Baujahr 1250 hin. Also doch Mittelalter und noch 250 Jahre vor Martin Luther. Um 1230 wurden im Landkreis Barnim viele neue Ortschaften gegründet, die es auch heute noch gibt, so wie das 1300 erstmalig durch den Markgrafen Albrecht III urkundlich erwähnte Marzahn.

Apropos 1300: den Gottesdienst der FELG hatten wir nach der Uhrzeit ausgesucht. Er beginnt um 13:00 Uhr und kommt damit den Wochenendbedürfnissen junger Familien sehr entgegen.

FELG "Haus Gottes" Möllendorffstr. 33
 FELG "Haus Gottes" - Alte Pfarrkirche Lichtenberg
Als wir gegen 12:45 Uhr die Pforte aus dem Jahre 1250 durchschritten, war ich so überrascht, dass mir jegliche Worte für einen Smalltalk fehlten. Zu gravierend war der Unterschied zwischen altem Gebäude und jungen Erwachsenen mit Kindern im Innenraum. Der Saal begann bereits an der Eingangstür. Mit breitem Lächeln wurden wir von mehreren jüngeren und älteren Gemeindemitgliedern begrüßt. Gesangsbücher benötigten wir nicht, da die Texte per Beamer an eine Leinwand projiziert wurden.

Wir setzten uns in eine Bankreihe und beobachteten das Geschehen. Der Saal füllte sich mit etwa einhundert Personen. Darunter waren vierzehn Kinder, die zu Beginn des Gottesdienstes in ihr Programm verabschiedet wurden. Die Altersstruktur war bemerkenswert gut durchmischt. Vom Kleinkind bis zum Rentner war alles vertreten und auch die Jugendgruppe soll um die zwanzig Teilnehmer zählen. Frauen aller Altersgruppen hatten für den Gottesdienst ihre Kopftücher dabei. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Neunzig Prozent der Besucher hatten eine offensichtliche Zuwanderungsgeschichte aus Ländern, wo auch heute noch Russisch gesprochen wird.

Bereits vor dem Gottesdienst wurden Lieder gesungen. Teilweise waren diese neu für uns. Als Hintergrund für die sehr präzise eingeblendeten Liedertexte war eine graugrünliche Fläche mit einer Waage gewählt worden. Die gewählte Wort-Bild-Kombination drängte dem Besucher einige Fragen auf: "Wirst du auf der Waage emporschnellen? Werden deine Blätter verbrennen? Wo wirst du sein, wenn dein Leben zu Ende ist?". Sünde, Buße und das Mahnen um Persönlichkeitsoptimierung waren wichtige Elemente der Liturgie, wenn man überhaupt von Liturgie reden konnte. Thematisch und von der Durchführung erinnerte der Gottesdienst an eine Mischung aus SELK und Brüdergemeinde.

Letzterer Eindruck manifestierte sich darin, dass insgesamt drei Laien auf die Kanzel stiegen. Der erste Prediger redete über das Hochzeitsmahl aus Lukas 14, 15-24 und arbeitete insbesondere den Aspekt der Entschuldigungen heraus. Es erging die Mahnung, sich mehr Zeit für Gott zu nehmen. Flankierend setzte er das Gleichnis des Ackers (Weg, Felsen, Dornen, guter Boden) ein. Darauf folgte jemand, der auf Russisch über Epheser 2 predigte, wo es um die Einheit von Juden und Christen aus den Heiden geht. Uns wurden Kopfhörer gereicht, über die eine Simultanübersetzung erfolgte. Ein dritter Prediger trat auf die Kanzel und versuchte die beiden Texte auf Deutsch in Einklang zu bringen. Er redete sehr lebhaft und setzte sich authentisch mit seinen Bemühungen um die Umsetzung dessen auseinander, was er beim Lesen der Bibel entdeckt hatte. Dabei brachte er noch Offenbarung 3 Vers 15 ins Spiel, um die Gemeinde vor Lauheit zu warnen.

Nach eineinhalb Stunden trat ein Chor auf, der ohne Mikrofone mit gewaltigen Stimmen den Kirchensaal füllte. Danach gab es noch eine kurze Gebetsgemeinschaft, das Vaterunser und den Segen. Den nachgelagerten Ansagen war zu entnehmen, dass am 18. Juni ein Kinderfest um die Kirche herum stattfinden wird, und am 19.06.2016 um 13:00 Uhr ein Familiengottesdienst.

Unsere Begleiter ließen sich anschließend durch die benachbarten Gemeinderäume führen und genossen die herzliche Atmosphäre. Wir waren bereits unterwegs in unseren 1300 durch Albrecht III erwähnten Stadtteil, wo es für die Kinder Döner und türkische Pizza geben sollte.

Sonntag, 22. Mai 2016

Zukunft für Dich in Oberschöneweide

"Zukunft für Dich" ist eine evangelische Freikirche in Oberschöneweide mit einem starken Fokus auf soziales Engagement. Der Lobpreis ist flott und lädt zum Mitmachen ein. Die Predigt ist auf Jesus zentriert und wird in einer alltagsgerechten Sprache und Form vorgetragen. Nach dem Gottesdienst gibt es reichlich Essen. Gäste werden sehr herzlich empfangen und in das Geschehen integriert.



"Ja, die kenne ich", sagte meine Mutter und wollte gleich mitkommen. "Ja, Olli und Kathrin sind dort", erfuhr ich von ganz anderer Seite und sollte Grüße bestellen. "Zukunft für Dich" scheint eine gewisse Reichweite zu haben, die mir bisher nicht bewusst war. Immerhin hatte sich auch der NDR in seiner Dokumentation "Mission unter falscher Flagge" mit dem Verein aus Oberschöneweide beschäftigt. Die regionale Linke fand es verdächtig, dass Kinder auf dem Spielplatz mit Süßigkeiten zu Veranstaltungen eingeladen wurden und starteten damals eine Plakatkampagne gegen die vermeintliche Sekte.

Uns war deshalb nicht wirklich klar, was uns erwartet. Eines wussten wir jedoch: Anschließend gebe es ein gemeinsames Essen. Deshalb nahmen wir vorsorglich Rhabarberkuchen mit.

Oberschöneweide verkörpert zunehmend das, was Marzahn seit dreißig Jahren nachgesagt wird. Trotz renovierter Fassaden, vieler Grünanlagen und einem KWO-Gelände im Friedrichshain-Stil ist ein deutlicher sozialer Verfall zu bemerken. Das beginnt bei der äußerst aggressiven Stimmung auf dem Parkplatz vor REWE, erstreckt sich über die allgegenwärtigen Alkoholiker und endet bei der trostlosen Edisonstraße, deren Baumlosigkeit an die elend langen Straßenzüge Manhattans erinnert. Oberschöneweide dient als mehrspurig durchfahrbare Transitregion zur Stadtautobahn oder in den Südwesten Berlins.

Die Räume von "Zukunft für Dich" waren gut zu erkennen. Das Erdgeschoss des Eckhauses in Höhe der Klarastraße ist orange angestrichen und lädt den Passanten mit mehreren Schildern zum Besuch ein. So groß hatte ich mir das nicht vorgestellt. Vor der Tür hielten sich potenzielle Gottesdienstbesucher auf und begrüßten uns sehr herzlich. Wir betraten den Saal. Mit gleichbleibender Freundlichkeit begrüßten uns Frauen im Rollstuhl, Männer in Jogginghosen, Kinder in Deutschland-Trikots und junge Leute aus dem Mitarbeiterteam. Einer Mitarbeiterin drückten wir den Kuchen in die Hand und bekamen das Backblech kurz darauf abgewaschen zurück. Service!

Zukunft für Dich Oberschöneweide
Der Saal füllte sich, so dass die Zahl der Gottesdienstbesucher bei etwa fünfzig gelegen haben muss. Es begann mit einer flotten Anbetungszeit und präzise per Beamer eingeblendeten Texten. Dann wurden Geburtstagskinder und Gäste noch einmal offiziell und mit einem Willkommensgeschenk begrüßt.

Der gebürtige Hesse Jörg Kohlhepp predigte ausgehend von Römer 8 Vers 31 (Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein?) über Ängste und Zweifel sowie das aktive Eingreifen Gottes in unsere Herausforderungen. Unfälle, Depressionen, Krankheiten oder finanzielle Engpässe wurden aus dem Leben gegriffen und mit Beispielen für Gottes Hilfe beantwortet. Die Telefonnummer Gottes Fünfzig Fünfzehn oder Fünftausendfünfzehn oder Psalm Fünfzig Fünfzehn wurde uns vermittelt. Jörg hatte die gesamte Predigt über einen Draht zum Publikum, stellte Fragen und ging auf Bemerkungen der beiden Rollstuhl-Fahrerinnen aus der ersten Reihe ein.

Auch beim anschließenden Essen bemerkten wir einen liebevollen und empathischen Umgang miteinander. Menschen, die bisher selten mit den Sonnenseiten des Lebens in Berührung gekommen waren, werden bei "Zukunft für Dich" mit Respekt behandelt. Sie erhalten praktische Hilfe und ihr geleerter Selbstwerttank wird aufgefüllt. Besonders hilfreich ist dabei das ausgewogene Verhältnis von Mitarbeitern und Nutzern. Jörg ist einer von zwei hauptamtlich Angestellten. Darüber hinaus bringen sich etwa fünfzehn Ehrenamtliche ein.

Ich fragte mich die ganze Zeit, wie man dieses Projekt mit einem kurzen Satz beschreiben könne und blieb immer wieder bei einem Slogan der Bundeswehr hängen:

Wir. Dienen. Oberschöneweide.

Sonntag, 15. Mai 2016

Saddleback @Kalkscheune - experience #SaddlebackBLN

Die Saddleback Church ist eine wachsende evangelische Gemeinde in Mitte. Eine Predigt per Video ist ihr Alleinstellungsmerkmal. Gottesdienst und Predigt laufen auf Englisch und werden simultan übersetzt. Inhaltlich bieten die Predigten einen guten Alltagsbezug und sind wegen ihrer thematischen Nachhaltigkeit empfehlenswert. Die Zielgruppe sind Singles, junge Familien, Touristen, Studenten oder Berufs bedingte Wahlberliner, die sich über das sprachliche Entgegenkommen freuen. Der Gottesdienst eignet sich wegen der Professionalität und offenen Atmosphäre zum Mitbringen von Kollegen und Bekannten.



"Dann können wir ja zur Schönen Party gehen und gleich dort bleiben", freute sich meine Frau als sie die Location unseres nächsten Gottesdienstbesuches erfuhr. "11:00, Kalkscheune", hatte unsere Tochter in ihren WhatsApp-Chat getickert.

Ob wir noch die letzten Nachtschwärmer und Überreste der Schönen Party sehen werden? "Nein, die Leute sind so alt wie wir und halten nur von zweiundzwanzig bis zwei Uhr durch", zügelte sie die Dramatik meiner Vorstellungskraft. Wie wird es wohl mit der Parkplatzsituation aussehen?

Letztere war traumhaft. Hinter dem Friedrichstadtpalast waren unzählige Parkplätze frei. Es gab Parkraumbewirtschaftung zu zwei Euro pro Stunde und von der Schönen Party zeugten lediglich die Hinweisschilder an der Kalkscheune. Besucher von Saddleback wurden durch mehrere Schilder in die oberste Etage des Hauses geleitet. Ein interessantes Gebäude mit niedriger Zugangsschwelle.

Die Saddleback Church hatten wir bereits vor zweieinhalb Jahren besucht, als sie kurz nach der Gründung des Berlin-Zweiges in der Nähe des Potsdamer Platzes ihre Gottesdienste durchführte. Die Predigtreihe war damals so interessant, dass ich mit meinem Sohn noch ein weiteres Mal dort war.

Die Zielgruppe sind offensichtlich Touristen, Studenten, internationale Professionals und Deutsche mit erweiterten Englischkenntnissen. Wir hätten per Kopfhörer zwar eine Simultanübersetzung bekommen können, verzichteten aber darauf. Nach einer freundlichen aber nicht aufdringlichen Begrüßung kamen wir zunächst an einer Kaffeetheke vorbei. Es war noch recht leer im Saal. Der Saal erinnerte an einen der Nebenräume in der Time Square Church am Broadway. Videoscreens rechts und links neben der Bühne und fünf bis sechs Sitzreihen mit Blick auf die Längsseite des Raumes.

Die besondere Form der Sitzflächen führte dazu, dass mein abgestellter Kaffeebecher mit der liebevollen Aufschrift "Johannes 15, 5" langsam nach vorne rutschte, in Zeitlupe abkippte und den Saddleback-Saal großflächig in das Duftkonzept "Kaffee" tauchte. Es war inzwischen gar nicht mehr so einfach, zur Theke zu gelangen und einen Lappen zu bekommen. Der Saal hatte sich kurz nach Elf merklich mit Kaffee trinkenden Besuchern gefüllt. Ich beseitigte die farblich harmonierende Fußbodenveredelung, während die Familie die Gelegenheit nutzte und eine Bankreihe nach hinten umzog. Der Countdown lief. Akademisches Viertel.

Dann begann die Band zu spielen und Pastor David Schnitter leitete den Gottesdienst mit Grüßen und Ansagen ein. Alles auf Englisch. Das ist aber für den deutschen Gottesdienstbesucher noch recht harmlos. Der gewöhnungsbedürftige Teil kam nach der Anbetungszeit:

Public Viewing ohne Fußball.

Das Alleinstellungsmerkmal - Neudeutsch auch USP oder Unique Selling Proposition genannt - ist eine Predigt per Videoübertragung. Ich hatte mich bisher immer gefragt, wozu dann noch ein regionaler Pastor und der Aufwand einer Gemeindeorga notwendig sind. Heute erlebte ich die Antwort. Das einzige Video-Element ist die Predigt. Wenn man die Predigt als einen wichtigen Teil, aber nicht den einzig entscheidenden Teil von Gemeinde ansieht, lässt sich bei Saddleback erkennen, dass nachhaltige Professionalität in sämtlichen Bereichen wie Lobpreis, Kleingruppen, Kindergottesdienst, Evangelisation, sozialem Engagement usw. eine Gemeinde durchaus wachsen lassen kann. In den letzten zwei Jahren muss die Gemeinde offensichtlich um das Vierfache gewachsen sein.

Saddleback #SaddlebackBLN
In der heutigen Predigt ging es um Vergebung. Ausgangstext war Matthäus 6 Vers 12 aus dem Vaterunser. Anhand diverser weiterer Bibelstellen wurden die Facetten der Vergebung skizziert. Mein Sohn stieß mich an, ich solle auch mitschreiben und das Begleitblatt zur Predigt ausfüllen. Ab und zu notierte ich Zitate und festigte meine Ansichten zum Thema. Gut, wenn man das noch einmal so klar formuliert bekommt und weitere Zusammenhänge entdecken darf. Wir waren sehr berührt und nahmen gute Impulse auf, über die wir anschließend weiter redeten, wie beispielsweise, dass Vergeben nicht unbedingt etwas mit Vergessen zu tun hat und dass man nicht vergessen solle, dass einem vergeben wurde oder man selbst bereits vergeben habe. Ein wichtiger Fokus lag auf dem Vergeben im Sinne des Abgebens an Gott.

Die Beschriftung des Bechers meiner Frau musste etwas mehr Zeit in Anspruch genommen haben. Dort war zu lesen, dass Gott in diesem Jahr noch etwas Besonderes für sie geplant habe. Seltsam, dass bei den Ansagen, auf meinem Notizzettel und später auch in der Predigt das Wort "Ruanda" vorkam. Hatten wir doch am letzten Sonntag bereits etwas über Ruanda gehört. Nun klang die zarte Saite wie ein unüberhörbarer Gong. Wir füllten die Kontaktkarte aus und sind gespannt, wie es mit Saddleback, Ruanda und uns weitergeht.

"Das war cool! Hier können wir öfter hingehen", sagte unsere Tochter bei der Abfahrt. Solch ein deutliches Teenager-Statement gab es in den letzten zehn Monaten nur einmal: Heute.

Sonntag, 8. Mai 2016

ChristusKirche Berlin Mitte - Anklamer Straße

Der freundliche helle Gottesdienstsaal der ChristusKirche befindet sich auf einem Hinterhof in der Anklamer Straße. Der Lobpreis ist gut und die Predigt stellt einen hohen Alltagsbezug her. Es handelt sich um eine Pfingstgemeinde mit moderatem Fokus auf den Heiligen Geist. Die Altersstruktur ist gut durchmischt. Dem Kiezbesucher stehen nach dem Gottesdienst diverse Cafés und Restaurants zur Verfügung.



Die ChristusKirche in der Anklamer Straße ist eng mit der deutschen Geschichte verbunden. Heute vor einundsiebzig Jahren wurde in der Mitte Berlins der Zweite Weltkrieg beendet.

Der 13. August 1961 war ein Sonntag. An diesem Tag wollten die Mitglieder der Christlichen Gemeinschaft (heute Lukas-Gemeinde, Mülheimer Verband) zur Potsdamer Straße in den Gottesdienst gehen. Es ging nicht mehr. Der langjährige Lukas-Gemeindediakon Peter Hass ist immer fast zu Tränen gerührt, wenn er an den nur halb gefüllten Gemeindesaal am Tag des Mauerbaus denkt. Nach dem Mauerfall gab es vorsichtige Bemühungen der Annäherung zwischen den Hinterbliebenen aus dem Osten und den Leuten aus Schöneberg. Man hatte sich inzwischen deutlich auseinander gelebt. Die ChristusKirche gehört dem Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) an. Der Mülheimer Verband war wegen unglücklicher Passagen seiner Satzung in der DDR verboten.

Und noch mehr Geschichte: Heute vor zweiundzwanzig Jahren wütete in Ruanda ein Völkermord, dem innerhalb von dreieinhalb Monaten knapp eine Million Menschen zum Opfer fielen. Die Tutsi-Frau Denise überlebte und konnte im heutigen Gottesdienst berichten, wie sie durch das Eingreifen Gottes aus mehreren hoffnungslosen Todessituationen gerettet wurde. Sie war mir schon zu Beginn des Gottesdienstes durch ihr güldenes Kleid mit aufgedruckten Bibeln und christlichen Botschaften aufgefallen. Da sie seit den traumatisierenden Erfahrungen immer näher zu Gott gekommen war und ein intensives Gebetsleben pflegt, kann sie nun als Botschafterin der Vergebung fungieren. Das brachte ihr teilweise mehr Stress mit den eigenen Leuten ein als mit den Hutu-Tätern. Auch ihre Gemeinde habe damals kein nachahmenswertes Vorbild abgegeben. Über ihre Erfahrungen schrieb sie ein Buch.

"Du bist das Zentrum der Geschichte", hieß es dann auch über Jesus im ersten Anbetungslied. Die Anbetungszeit schloss sich einer ausführlichen Einleitung mit Verabschiedung in den Kindergottesdienst, den Grüßen zum Muttertag und dem Bericht von Denise an. Eine Anbetungszeit, in der wir alle Lieder ohne Textbedarf mitsingen konnten.

ChristusKirche Berlin Mitte - Anklamer Straße
Der erste Teil des Gottesdienstes war eine Steilvorlage für die Predigt von Erhart Zeiser. Es ging um die Größe Gottes, wie sie in Apostelgeschichte 5, 17-32 beschrieben wird. Die gerade erst entstandene Gemeinde redet öffentlich vom Leben und wird aus Eifersucht angegriffen und ins Gefängnis geworfen. Ein Engel befreit die Inhaftierten in der Nacht, diese gehen wieder in den Tempel und erzählen einfach weiter von Jesus, dem Leben. Wenn man sich den Text einmal auf der Zunge zergehen lässt, spürt man, dass hier keine menschliche Kraft am Werk ist und sich Gott sogar einen Spaß daraus macht, seine Leute durch einen Engel zu befreien, wo doch die Sadduzäer als initiale Neider (Vers 17) die Existenz von Engeln und auch die Auferstehung leugnen.

Erhart Zeiser thematisierte Widerstände als Trainingseinheit zur eigenen Stärkung und Weiterentwicklung. Immer wieder forderte er die Zuhörer zum Mit- und Umdenken heraus: "Wo Jesus ist, da ist das Leben". Man solle sich in diesem Zusammenhang fragen, warum in Gemeinden manchmal so wenig Leben sei. Er predigte lebendig und alltagsrelevant, so dass man gar nicht merkte, wie die zwei Stunden des Gottesdienstes vergingen. Damit war dann auch genau der richtige Zeitpunkt für ein Mittagessen im Kiez erreicht.

Nachdem wir einige Worte gewechselt und uns verabschiedet hatten, verließen wir den äußerst gepflegten Gemeindesaal im zweiten Hinterhof der Anklamer Straße 31 und stürzten uns in das bunte Treiben zwischen Bernauer Straße und Kastanienallee. Trödelmarkt, Mauerstreifen, Hipster-Bärte, Cafés, Radfahrer und internationale Restaurants wechselten sich ab. Nach gefühlten zwanzig Kilometern Spaziergang kehrten wir beim Inder ein.

Wir waren uns einig, dass man die ChristusKirche gerne ein weiteres Mal besuchen könnte.

Sonntag, 17. April 2016

Powerhouse Ministries of God in Steglitz

Powerhouse Ministries of God ist eine junge Gemeinde in Steglitz. Die Besucher sind vorwiegend Schwarze aus dem Süden Berlins, was entsprechend das Temperament von Lobpreis, Predigt und Gottesdienst beeinflusst. Der Gottesdienst beginnt pünktlich und läuft gut strukturiert ab. Es wird Deutsch und Englisch gesprochen. Da die Sprachen mehrfach wechseln, sind Englischkenntnisse von Vorteil. Die Altersstruktur ist durchmischt, geht aber in Richtung junge Familien. Singles fühlen sich dort ebenfalls wohl. Die herzliche und interessierte Aufnahme von Gästen ist ein weiteres Plus der Gemeinde.



"Bei Spring waren wir in einer Kneipe. Da wurden von einem Kirk Smith Gospels und Anbetungslieder gesunden. Das war eine Stimmung", war der Kommentar eines befreundeten Ehepaares im Seniorenalter. Kirk Smith rockt alle Generationen und hatte als schwarzer Pastor bereits bei The Voice of Germany mitgemacht.

Heute stand seine Gemeinde in Steglitz auf dem Programm: Power House Ministries of God. Trotz seiner Popularität geht es Kirk Smith um Ministries of God und nicht um Ministries of Kirk. Trotz seiner Begabungen ist er ein bescheidener Mann. Er ist verheiratet, hat fünf Kinder und kommt aus Chicago. Das Power House wurde vor vier Jahren gegründet und spricht insbesondere Menschen mit internationalen Wurzeln an. Gepredigt wird auf Englisch mit deutscher Übersetzung. Das hat den Vorteil, dass man den Inhalt gleich doppelt hört und sich deshalb besser merken kann.

Der heutige Input hatte mich emotional so bewegt, wie schon lange keine Predigt mehr.

Power House Ministries of God
Power House Ministries of God - Lichtspiel im Garten
Es begann damit, dass Bibeln ausgeteilt wurden und jeder seine Bibel hochhalten sollte. Auch Smartphone war möglich. Kirk wollte sicher gehen, dass jeder Gottesdienstbesucher mitlesen kann. Der behandelte Text stand in Johannes Neun. "Der Blindgeborene", sagte ich zu meiner Frau und merkte eine übermäßige Freude in mir aufsteigen. "Dein Lieblingstext", gab sie zurück und lächelte.

Es ging um die Verse Eins bis Elf, wo Jesus zunächst über die vermeintliche Sünde des Blindgeborenen befragt wird, dann erklärt, dass es um die Praktizierung eines weiteren Werkes Gottes gehe und er dann auf unkonventionelle Weise den Blinden per Spucke und Staub heilte. Jesus sandte den Blinden dann zum Teich Schiloach, der übersetzt "gesendet" heißt. Danach kam der Blinde als Sehender wieder und berichtete von dem Moment, wo Jesus ihm die Augen geöffnet hatte. Ein Text voller Parallelen zu unserer Begegnung mit Jesus und den Punkten, wo er uns unkonventionell eine neue Sicht gegeben hat.

Die etwa dreißig Gottesdienstbesucher waren sehr freundlich und interessierten sich für einander und für uns. Auch während des Gottesdienstes gab es mehrere Gelegenheiten zu überschwänglichen Begrüßungen und Segenswünschen. Einmal hatte sich dabei im hinteren Teil des Saales eine so herzliche Menschentraube gebildet, dass Kirk die Leute in die Realität des Programms zurückholen musste.

Kirk Smith predigte sich so intensiv in den Text hinein, dass immer mehr Knöpfe seines Hemdes geöffnet, die Hemdsärmel umgeschlagen und die Krawatte gelockert wurde. Teilweise kam die Übersetzerin kaum hinterher. Dennoch war der rote Faden zu erkennen und es wurden immer wieder aktuelle Beispiele aus seinem Alltag einbezogen.

Nach dem Gottesdienst wurden wir noch ins Nachbarhaus zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Ein Gottesdienstbeginn von 15:00 Uhr eignet sich dafür sehr gut. Kirk erzählte uns, dass er gerne früher beginnen würde. Das gehe aber momentan nicht, da sich die Power House Ministries of God die Räume mit zwei weiteren Gemeinden teilen. Überhaupt entdeckten wir heute ein sehr reichhaltiges christliches Leben im näheren Umkreis der Wrangelstraße in Steglitz. Die Gemeindehäuser sind den ganzen Sonntag über gut belegt mit verschiedenen deutschen und internationalen Gemeinden.

Inzwischen bin ich auch über die Internetmission Berlin mit Kirk verbandelt und freue mich schon auf seine ersten Videoproduktionen für den YouTube-Kanal von GOTTinBerlin.de.

Freitag, 25. März 2016

Karfreitag - Konzert in der Gemeinde auf dem Weg

Wer auf anspruchsvollen Lobpreis und professionelles Konferenzfeeling steht, ist bei der Gemeinde auf dem Weg in Tegel genau richtig. Am Karfreitag erlebten wir dort einen dem Anlass entsprechenden Gottesdienst mit Lobpreis, Bibeltexten und Abendmahl.



Das vorherige Abendessen im Restaurant mit dem großen gelben "M" lockte auch die Kinder. Der Karfreitag hatte recht entspannt begonnen und lief insgesamt sehr ruhig mit viel Schlaf, Kaffee und Unterhaltung ab. Die Auswahl im Burger-Restaurant fiel gar nicht so leicht, da wir der Karfreitags-Tradition folgend kein Fleisch essen wollten. Eis, Pommes und Chili-Cheese-Bällchen bedienten diese Vorgaben. Wir wurden satt. In strömendem Regen sammelten wir kurz darauf Björn ein und fuhren über den Berliner Ring nach Tegel.

Die Gemeinde auf dem Weg hatte ich Mitte der 1990er öfter zu Abendgottesdiensten besucht und sehr viel geistliche Energie dabei getankt. Danach hatte ich mich für einen Einstieg in die Lukas-Gemeinde entschieden, so dass es bisher nur ein oder zwei Besuche am neuen Standort der GadW in Tegel gab.

Erstmalig betrat ich das Gebäude über das Hauptportal und war beeindruckt. Das großzügige Foyer erinnerte an das bcc am Alexanderplatz. Die Treppen und einige im Raum verteilte Stehtische mit RollUp Displays unterstrichen diesen Eindruck. Durch eine geöffnete Holztür konnte ich in das Innere eines großen Saales blicken. Wie groß und professionell.

Wir waren gar nicht darauf vorbereitet, dass wir hier so viele alte Bekannte treffen würden. Eine weitere Delegation aus Marzahn war angereist. Cornelia aus meiner damaligen Kindergruppe bei den Baptisten kam mit ihrem Mann herein und erzählte, dass sie nach einer Bibelschule in der Gemeinde auf dem Weg geblieben sei. Schön, wenn jemand aktiv geistliche Heimat sucht und findet.

Da wir recht früh eingetroffen waren, konnten wir uns noch eine Stuhlreihe in der Nähe der Bühne sichern. Zehn Leute passten bequem neben einander. Fünf nach Acht war der Saal dann gut gefüllt und die Band begann zu spielen. Heute sollten nur Lieder, Bibeltexte und das Abendmahl auf die Besucher wirken. Passend zum architektonischen Ambiente war auch die Lobpreiszeit sehr professionell gestaltet.

Zwischendurch wurden die Textpassagen aus Matthäus und Lukas gelesen, die das Geschehen von Gethsemane bis Golgatha beschrieben. Das gipfelte in einem gemeinsamen Abendmahl mit Softbröd und Wein. Da unerwartet viele Gäste erschienen waren, sollten sich die Ehepaare möglichst einen der kleinen Weinbecher teilen. Brot und Wein nahmen rapide schnell ab. "Wasser zu Wein", war das Stichwort meiner Tochter. Noch während wir an die Hochzeit von Kana (Johannes 2) und die Brotvermehrung (Johannes 6) dachten, wurden weitere Tabletts mit Brot und Wein hereingetragen. So muss das sein!

Danach gingen die Anbetungslieder weiter. Zuerst standen Jesu Tod am Kreuz und die Bedeutung für uns im Fokus. Dann folgte ein Lied, wo seine Auferstehung besungen wurde. Bei dieser Passage ging ein ungezügelter Jubel durch den Saal. Sehr beeindruckend! In dieser Begeisterung klang dann auch der Abend aus.

Nachdem wir noch einige Worte gewechselt und uns über einige aktuelle Familiensituationen informiert hatten, verabschiedeten wir uns und machten uns auf den Weg - auf den Weg nach Hause.

Donnerstag, 24. März 2016

Dorfkirche Marzahn und das Tischabendmahl

Die Dorfkirche Marzahn ist umgeben von Hochhäusern und stellt einen architektonischen Kontrast zwischen Alt und Neu dar. So bedient auch der junge Pfarrer mit Gitarrenbegleitung eine betagte Gemeinde. Die Dorfkirche Marzahn betreibt einen Kindergarten und engagiert sich für den Kiez.



Gründonnerstag:

An diesem Tag traf sich Jesus vor der Kreuzigung ein letztes Mal mit seinen Freunden zum Abendessen. Er zerbrach ein Brot und gab die Teile an die Anwesenden weiter als Symbol, dass alle Menschen, die an ihn glauben, ein Teil seines Körpers sind. Auch einen Becher mit Wein gab er herum und setzte damit das Gedenken an sein vergossenes Blut ein (siehe 1. Korinther 11, 23-26).

Meine Schwiegermutter fragte uns, ob wir mit ihr zum Tischabendmahl in die Dorfkirche Marzahn gehen. Was für eine Gelegenheit, endlich mal wieder dort vorbei zu schauen und den neuen Pfarrer kennen zu lernen. Pfarrer Frederik Spiegelberg ist um die Dreißig und Hoffnungsträger für eine generelle Verjüngung der Gemeinde, zumindest was die Wahrnehmung der Programme betrifft.

Im Obergemach des Gemeindehauses war ein langer Tisch eingedeckt. Wir waren keinem Mann mit Krug gefolgt (Lukas 22, 10), dafür aber der Schwiegermutter, die uns einen bisher unbekannten Schleichpfad durch den Rudolf-Filter-Weg zeigte. Wir waren so pünktlich, dass wir uns weiträumig um die Tafel verteilen konnten. Bis 19:30 Uhr wurde der Saal jedoch so gut besucht, dass weitere Stühle herangeschafft werden mussten. Alle sechsundzwanzig Gäste sollten direkten Zugang zum Tisch haben.

Die gesamte Liturgie inklusive aller Lieder und Textlesungen war in einem achtseitigen Begleitheftchen abgedruckt, so dass wir gut folgen konnten. Frederik Spiegelberg begleitete den Gesang auf der Gitarre. Das Tischabendmahl stellte den Höhepunkt des Abends dar. Selbstgebackenes Brot wurde in Körben herumgereicht und sollte bis zur Sättigung in der Runde kreisen. Wohl dem, der noch kein Abendbrot gegessen hatte. Bei der Weitergabe wurden Segensworte gesprochen. Gleiches galt für den Becher mit dem Traubensaft.

Während des Herumreichens wurden wir aufgefordert, über die persönliche Beziehung zum Abendmahl zu reden. Neben der Wiederholung des symbolischen Charakters der Einheit als Gemeinde Jesu über alle sozialen und altersstrukturellen Unterschiede hinweg wurde mehrfach die besondere Art des Tischabendmahls gelobt. Das sei genau der Rahmen, den man sich für ein Abendmahl wünsche.

Anschließend war meine Schwiegermutter sofort von Leuten umringt. "Klar, Familie Lampe kennt man in Marzahn", erklärte sie uns und kehrte in ihr Gespräch über die Jugendstreiche ihrer Brüder und die Erlebnisse mit ihren Eltern zurück. Ich war beeindruckt.

Über den Rudolf-Filter-Weg gingen wir nach Hause - nicht nach Gethsemane. Dort war ja Jesus für uns hingegangen.

Sonntag, 20. März 2016

Eben Ezer in Lichterfelde

Eben Ezer ist eine frische Landeskirchliche Gemeinschaft im Süden Berlins. Die Altersstruktur ist gut durchmischt. Es gibt viele Kinder, Jugendliche, mittleres Alter und Senioren. Bei Eben Ezer trifft der Besucher angenehm niveauvolle Menschen. Die Predigt ist ansprechend und Gäste werden herzlich und mit Interesse aufgenommen.



Bei Eben Ezer denken unsere Kinder sofort an die Weihnachtsgeschichte der Muppets, aber auch nur dann, wenn "Eben Ezer" mehr oder weniger versehentlich in der englischen Form als "Äbbennieser" ausgesprochen wird. Ebenezer Scrooge ist Hauptakteur dieser Weihnachtsgeschichte und erlebt im Laufe des Films eine sehr interessante Veränderung seiner Persönlichkeit.

"Eben Ezer" kommt aus dem Hebräischen und bedeutet "Stein der Hilfe".

Da wir schon so einiges über diesen "Stein der Hilfe" gehört hatten, machten wir uns heute zur Landeskirchlichen Gemeinschaft Eben Ezer in Lichterfelde auf den Weg. Lichterfelde sollte nicht mit Lichtenberg, Lichtenrade oder Liechtenstein verwechselt werden, auch wenn es ganz weit weg erscheint. Bei der Anfahrt kamen wir an vielen Gemeinden vorbei:

Katholische Kirche "Von der Verklärung des Herrn", Christus Gemeinde, Berlin Projekt, Berlin Connect, Französischer Dom, Lukas-Gemeinde, Baptisten Schöneberg, Baptisten Tempelhof, Heilsarmee Friedenau und ICF Tempelhof, um nur einige zu nennen. "Ach, fahrt ihr zu den Methodisten?", fragte meine Mutter. "Nein, zu Eben Ezer", sagte ich und gönnte ihr den parallelen Gottesdienst in einer weiteren hier nicht aufgezählten Gemeinde. Überall Gottesdienste in der Stadt. Diese Fülle an christlichem Leben wird einem selten so bewusst.

Nach 94 Ampeln mit einer Grünquote von 83% erreichten wir innerhalb von 45 Minuten die Celsiusstraße und betraten Fünf vor Zehn die Hallen der Eben-Ezer-Gemeinde. Die Begrüßung war sehr herzlich aber keinesfalls aufdringlich. Wir fühlten uns in eine Willkommenskultur hinein genommen, die wir auch bei der Heilsarmee Friedenau, dem CVJM Kaulsdorf oder der Apostel Petrus Gemeinde im Märkischen Viertel erlebt hatten. Überhaupt erinnerte vieles an die APG: das kleine Gemeindehaus inmitten hoher Neubauten. Man könnte auch fast von einer geografisch optischen Dreierbeziehung zum Märkischen Viertel und Marzahn reden. Kurzum: Wir fühlten uns sofort sehr wohl!

In diesem ehemaligen katholischen Kirchengebäude haben rund 250 Besucher Platz. Wegen der Osterferien waren allerdings nur etwa 100 Gottesdienstbesucher anwesend und die Jugend, deren Stammplätze wir besetzten, war auf einer Freizeit. Eben Ezer ist eine der wenigen bisher besuchten Gemeinden mit einer ausgewogenen Altersstruktur. Als die Kinder in ihr Programm verabschiedet wurden, ging zunächst ein Rauschen durch den Saal. So muss sich Pfingsten angehört haben. Aus allen Ecken strömten Kinder herbei und stellten sich vor dem Altar auf. Ich zählte. "Das sind so viele Kinder wie rote Ampeln heute", sagte ich zu meinem Sohn. "Zufall?", fragte er. "Ja!"

Hinter dem Altar war ein großes hölzernes Kreuz mit einer Jesus-Figur angebracht. Unsere Nachbarin erklärte uns, dass dieses noch aus der katholischen Verwendung der Kirche stamme und nur in der Osterzeit hervorgeholt werde. Ansonsten hänge dort ein schlichtes Holzkreuz.

In der Predigt ging es um - Jesus! Anhand des oftmals dick gedruckten Textes aus Philipper 2, 5-11 wurde die Gesinnung Jesu erläutert und wir zur Nachahmung aufgefordert. Mehrere Besucher hatten Bibeln gezückt und schrieben eifrig in ihre Notizbücher. Mit Humor und Tiefgang wurde das Thema entfaltet und mithilfe des Victory-Zeichens der Abstieg durch Leid und Herausforderungen (Verse 6-8) sowie der anschließende Aufstieg (Verse 9-11) durch Auferstehung und Ehre bei Gott verdeutlicht.

Der Liturgie hätten wir mit einem Begleitzettel oder lückenlosen Hinweisen auf die Nummern im Gesangsbuch etwas besser folgen können. Da wir recht weit hinten saßen, fiel das aber nicht weiter auf. Es gab Ansagen, Kollekte und Abendmahl. Letzteres wurde aus logistischen Gründen auf vier Gruppen verteilt. Die Moderation war sehr angenehm und Zwanzig nach Elf war der Gottesdienst zu Ende.

Dann begann der Gemeinschaftsteil bei Kaffee und Kuchen. Wir tauchten wieder in eine herzliche Atmosphäre des gegenseitigen Interesses ein und waren erstaunt, wen wir hier so alles trafen, insbesondere aus uralten Zeiten bei Campus für Christus. Auch unsere Kinder wurden angesprochen und aktiv in die Unterhaltungen einbezogen. Gegen Eins verließen wir Eben Ezer.

"Das nächste Mal nehme ich einen Poller-Schlüssel mit", sagte meine Frau und zeigte auf die rot-weißen Pfähle, die uns die Durchfahrt aus der Fahrenheitstraße in die Celsiusstraße verwehrt hatten. Das Bemerkenswerte an diesem Satz war "das nächste Mal". Ein größeres Lob hätte kaum ausgesprochen werden können. Sie signalisierte sogar Interesse am bei Eben Ezer geplanten Eheseminar.

Auf dem Rückweg stoppten wir bei "Nouva Roma" (Großbeerenstraße, Ecke Körtingstraße) und erlebten dort gute und erstaunlich preiswerte italienische Kochkunst. Dabei zeigten sich auch unsere beiden Marzahner Begleiter beeindruckt über die angenehme Atmosphäre und die gute Predigt bei Eben Ezer. Das ging so weit, dass wir sogar einen weiteren Besuch beim Männerabend in Lankwitz planten.

Montag, 14. März 2016

Männertreffen mit viel Kritik

Die "Männertreffen 2016" finden in monatlichen Abständen im Süden Berlins statt. Heute ging es um die praktische Auseinandersetzung mit dem Thema Kritik und dem Buch "Kultiviert Kritisieren" von Ralf Juhre.



Beim Gesprächsform Leben + Glauben hatten etwa 50% der Teilnehmer die Möglichkeit, sich für das nächste "Männertreffen 2016" anzumelden. Es sollte im Rahmen einer nur männlich besetzten Gesprächsrunde um die Vertiefung des Themas "Kritisieren ohne zu verletzen" gehen. Obwohl Frauen das ja wohl auch nötig hätten, oder?

Jedenfalls meldete ich mich an und bekam prompt am Vortag eine Erinnerungs-SMS. Das signalisierte ein gewisses Maß an Professionalität. Dennoch war mir völlig unklar, wer der Veranstalter ist und wie die Zusammensetzung der Teilnehmer aussehen wird. Google-Maps zeigte mir eine nicht ganz so eindeutig einschätzbare Parkplatzsituation vor Ort, so dass ich sehr pünktlich losfuhr und eine Viertelstunde vor Beginn eintraf. Parkplätze standen reichlich zur Verfügung.

Das Bürogebäude in der Haynauer Straße in Lankwitz beherbergt diverse Firmen und Einzelbüros. Der Fahrstuhl hatte einen Geruch, den ich irgendwoher kannte, aber nicht zuordnen konnte. Er endete eine Etage vor Ziel. Super! So etwas kann in einem wilden Irrlauf durch einen dunklen Bürokomplex mit Übernachtung im Papierkeller enden. Ephraim Kishon hatte seinerzeit ein ähnliches Szenario über einen Hotellift beschrieben. Ein spärliches Licht zeigte jedoch, dass die oberste Etage über eine Treppe zu erreichen sei. Geschafft!

Wilfried stellte gerade Lemonaid+ und weiteren Chari Tea in verschiedenen Farben auf den Tisch. Knabberzeug mit undefinierbarer vegan wirkender Zusammensetzung und gemeine Kekse folgten. Lederstühle wurden um einen Konferenztisch gruppiert. Mehrere Stapel des Buches von Ralf Juhre wurden platziert. Dann trafen nach und nach die Männer ein. Rolf, Michael, Rolf, Helge, Rolf und weitere Männer aus dem Altersspektrum Dreißig bis Sechzig setzten sich an den Tisch. Vom Sehen her kamen mir einige von ihnen bekannt vor. Zielgruppe des Männerabends war also offensichtlich der berufstätige Mann ab Dreißig. Letztendlich hatten wir eine biblische Zahl erreicht: Vierzehn! Vierzehn ist der Zahlenwert des Namens David und wird in Matthäus 1, 17 aufgegriffen.

Helge - nicht der Schneider - stieg relativ schnell in das Thema ein. Jeder der Anwesenden konnte noch ein Kritik-Buch von Ralf Juhre zum Sonderpreis erwerben. Im Laufe des Abends stellte ich fest, dass das Lesen des Buches eine sehr gute Grundlage zum Mitreden war. Das Kritisieren ohne zu verletzen übe ich ja schon seit geraumer Zeit. Der Erfolg stellt sich jedoch ähnlich schwer ein, wie das Erreichen meines Idealgewichtes von unter achtzig Kilo. Das Buch von Ralf Juhre hatte mir aber noch einmal sehr gut geholfen, die Grundprinzipien eines kultivierten Kritisierens zu verinnerlichen.

Viele der anwesenden Männer hörten die wertvollen Impulse das erste Mal. Helge verstand es, die Diskussion anzuregen und ließ viele persönliche Erfahrungen und theoretische Inhalte einfließen. Und dann gab es da noch diese Saloon-Situation: Man stelle sich einen gut mit Cowboys gefüllten Saloon vor. In der Mitte sitzt John und sagt etwas, das alle anderen provoziert. Zeitgleich werden die Revolver gezogen. Zeitgleich klicken die Abzugssicherungen. Die Läufe sind auf John gerichtet. Unser John hieß Wilfried. Wilfried hatte angefangen. Er zitierte Lukas 19 Vers 10 mit "Denn der Sohn des Menschen ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren ist". Auch die bisher stillen Männer holten nun Bibelverse hervor und es entstand ein regelrechtes Bibelvers-Gefecht. Niemand wurde verletzt. Ich war beeindruckt über die versteckten Potenziale dieser Männer.

Das schärfte die Gruppendefinition des Abends etwas nach. Es ging also um berufstätige Männer ab Dreißig mit einem erheblichen Bibelwissen, welches zwar nicht öffentlich zur Schau getragen, aber im Ernstfall hervorgeholt wird. Dennoch sind die Themen so auf den Alltag bezogen, dass auch ein Mann ohne diesen biblischen Hintergrund von solch einem Treffen profitieren kann.

Vierzehn Männer um einen Konferenztisch, der eigentlich für acht Personen vorgesehen war, sind doch recht viel. Der Kreis hat Potenzial für eine Teilung oder einen größeren Tisch. Im April jedenfalls fahren die Männer gemeinsam nach Kassel zum Männertag von Team.F. In Kassel ist mehr Platz. Es werden über 300 Männer erwartet.

Eigentlich schade, dass es Montag Abend war. Nach einigen guten Gesprächen zwischen Fahrstuhl und Parkplatz wollten noch Einige in die nahe gelegene Pizzeria fahren. Das war mir dann doch zu spät. Ich begab mich auf den Heimweg.

Ach so, Veranstalter der "Männertreffen 2016" ist "Eben Ezer" in Lichterfelde.

Sonntag, 13. März 2016

CVJM Kaulsdorf in Zinnowitz

Wie viele Menschen sich dem CVJM zugehörig fühlen, sieht man erst bei einer Freizeit. In einer sehr entspannten Atmosphäre lief die Zinnowitz-Freizeit des CVJM Kaulsdorf ab. Es gab biblischen Input, gute Gemeinschaft, neue Freundschaften und viel Freizeit im wahrsten Sinne des Wortes. Das Wochenende war sehr erholsam.



"Zinnowitz - Zinnowitz - Zinnowitz" schallt es durch den Gemeinschaftsraum der Familienferien- und Begegnungsstätte St. Otto in Zinnowitz. Das katholische Ferienobjekt ist nur etwa zweihundert Meter durch Wald und Dünen von der Ostsee entfernt. Eine kühle Brise umweht die Nasen. Nur wenige Mutige wagen einen Schritt ins kalte Wasser. Eine Reitergruppe trabt am Strand entlang und hinterlässt markante Zeugnisse ihres Ausrittes.

"Zinnowitz - Zinnowitz - Zinnowitz" erschallt es auch nach der zweiten Strophe im Gemeinschaftsraum. Alle haben ihren Spaß an diesem selbst gedichteten Lied zur wiederholten CVJM-Freizeit in Zinnowitz.

Bereits die Einladung klang so entspannt und passte trotz differenzierter Zimmereinteilung auf eine A4-Seite. Etwa dreißig Personen hatten sich angemeldet und waren am Freitag angereist. Zinnowitz ist von Berlin aus in etwas mehr als zwei Stunden zu erreichen. Die Fastfood-Kette mit dem gelben Buchstaben gibt es erst wieder kurz vor dem Ziel, so dass ein zeitaufwendiger "Nothalt" für die lieben Kleinen nicht eingelegt werden muss. Das Essen bei St. Otto ist ohnehin reichlich und trifft jeden Geschmack.

Zinnowitz CVJM Kaulsdorf
CVJM Kaulsdorf in Zinnowitz - Gruppenfoto mit Teenagern
Nach dem Abendessen - freitags nur Fisch und Käse - sangen wir erstmalig den neuen Zinnowitz-Song. Alle stimmten in die eingängige Melodie ein und waren somit gut erwärmt für den Rest des Abends. Schauspieler Rolf-Dieter Degen leitete professionell und mit viel Witz durch die Kennenlernrunde. Danach gab es einen längeren guten Input über die Beziehung zu Jesus. Dass wir zu wenige Chips und zu viel Wein dabei hatten, merkten wir beim anschließenden Get-together. Mehrere lustige Runden saßen zusammen und spielten oder unterhielten sich. Neue Freundschaften wurden geknüpft.

Der Samstag begann mit einem schlaftrunken absolvierten Frühstück. Gegen 10:00 Uhr erschallten Lieder durch den Gemeinschaftssaal und ein weiterer Input von Sebastian Kapteina folgte. Er nutzte einen Text aus dem Kolosserbrief und sprach über Jesus, Jesus, Jesus. Christus und unsere Beziehung zu ihm standen im Mittelpunkt. Danach war frei: Mittagessen, Strandwanderung, Mittagschlaf, Volleyball, Gespräche, Off-Road-Fahrt durch die schlammige Umgebung von Zinnowitz. Es war also für jeden etwas dabei.

Am Abend war etwas mehr Knabberzeug aufgetaucht. Dafür öffneten wir weniger Wein und Sekt. Das wäre ohnehin ungünstig für die Spielefraktion gewesen, die sich nach wenigen Runden Brettspiel in einen Kreis setzte und kriminelle Phänomene in einem Dorf aufzuklären versuchte. Dem fielen wohl so einige harmlose Dorfbewohner zum Opfer. An der Bar hatten wir andere Themen. Es ging um theologischen Fragen zu Liedtexten, die geistliche und personelle Entwicklung in der EKBO, das 97-Prozent-Buch von Robert Fraser und YouTube-Filme mit besonderen Grenzsituationen des Autofahrens.

"Zinnowitz - Zinnowitz - Zinnowitz" sangen wir auch am Sonntagmorgen bevor Sebastian den dritten Input zur Gott-Mensch-Beziehung anhand des Hebräerbriefes entfaltete. Gastfreundschaft und das gesunde Zusammenspiel zwischen Mitmenschen, Gott und uns selbst prägten seine Ausführungen. Anschließend gab es eine Nachdenkzeit und das Abendmahl. Wir waren sehr bewegt und gingen mit diesen Gedanken zum Mittagessen: Braten, Klöße und Rotkohl.

An der langen Tafel saßen wir Sebastian gegenüber und erfuhren sehr viel über das Konzept von Vineyard. Hauskreise entstehen, wachsen und treffen sich einmal im Monat zum Gottesdienst. Es gibt auch Hauskreise, die wegen ihrer Größe inzwischen sogar eigene Gottesdienste durchführen. Die Leitung ist breit aufgestellt, so dass sich keine hierarchischen Herrschaftsstrukturen herausbilden können. Die monatlichen Gottesdienste werden im Rotationsprinzip von den Kiez-Gruppen gestaltet. Mitarbeiter werden nicht krampfhaft für vorhandene Dienstbereiche gesucht, sondern es wird nach förderungswürdigen Begabungen geschaut und die Leute zum Leben in ihrer Berufung ermutigt. Das ist ganz im Sinne des oben bereits thematisierten Buches von Robert Fraser.

Das macht auch die Gemeinschaft beim CVJM so entspannt. Jeder bringt sich gemäß seiner Begabungen ein. Notwendige Arbeiten werden gesehen und einfach erledigt. Leitung erfolgt durch ermutigende Anwesenheit und stilles Vorbild. So stellt man sich Leib Christi im biblischen Sinne vor.

Nachdem sich diese organische Gemeinschaft zu einem Gruppenfoto formiert hatte, gab es einen weiteren Spaziergang zum Strand. Immer wieder folgten herzliche Verabschiedungen und dann verließen auch wir St. Otto.

In unseren Gedanken klang ein Refrain: "Zinnowitz - Zinnowitz - Zinnowitz".

Sonntag, 6. März 2016

SELK - Alle Sünder willkommen!

Die SELK in Marzahn legt in ihrer Liturgie einen hohen Wert auf Sünde, Buße und Vergebung. Die Predigt war interessant und biblisch. Die Altersstruktur ist gut durchmischt und es gibt einen parallelen Kindergottesdienst. Gäste werden freundlich und interessiert aufgenommen. Die SELK Marzahn engagiert sich mit "Laib und Seele" für den Bezirk.



Noch bevor man die Bilder auf der Webseite der SELK Marzahn wahrnimmt, fällt dem Besucher der Slogan "Alle Sünder willkommen!" ins Auge. Die Selbständige Evangelisch-Lutherische Kirche erscheint mit ihren Projekten wie "Laib und Seele" öfter in der Tagespresse. Besonders dramatisch war vor einigen Jahren der abgebrannte LKW, der für den Transport von Lebensmittelspenden gebraucht wird. War das ein technischer Defekt oder willkommene Sünder?

Für heute war ein Predigtgottesdienst zum Kirchenjahres-Sonntag "Lätare" angekündigt. Das Wort "laetitia" kennt man von der spanischen Königin - Freude - also freut euch!

Obwohl wir zwei Minuten vor Elf durch die Eingangstür der ehemaligen Kita im Plattenbaustil traten, hatte der Gottesdienst bereits begonnen. Wir legten unsere Jacken ab und setzten uns in die letzte Reihe des erweiterungsfähigen Gemeindesaales. Ein Gesangsbuch mit Begleitzettel wurde uns in die Hand gedrückt. Mein Sohn suchte das erste Lied raus.

Die Wand neben dem massiven Altartisch war passend zum Kirchenjahr mit jeweils drei violetten Vorhängen verziert. Über dem Altar hing ein Kruzifix mit beeindruckender Jesus-Figur. Es wirkte alles sehr gepflegt und perfekt ausgeleuchtet. Orgelmusik erschallte aus dem Off, so dass wir zunächst vermuteten, dass diese wie bei den Baptisten in der Schönagelstraße per Smartphone eingespielt wurde. Später stellte sich jedoch heraus, dass Organist und Instrument hinter einer Schiebewand platziert waren. Die Lieder waren vor mehreren hundert Jahren geschrieben worden und gut bekannt, so dass wir lauthals einstimmen konnten.

Neben zwanzig Besuchern, von denen wir bereits fünf Personen stellten, waren drei bis fünf Kinder dabei, die im Laufe der Liturgie zum Kindergottesdienst entlassen wurden. Es waren alle Altersgruppen vertreten. Für uns als Gäste war es sehr praktisch, dass die Liturgie fast wörtlich auf den Begleitzetteln abgedruckt war. Es gab mehrere lateinische Überschriften. Um Lätare ging es jedoch nicht. Dafür stellten Sünde, Beichte und Buße einen wichtigen Bestandteil der Liturgie dar.

"Geh", war die zentrale Aufforderung in der Predigt. Ausgehend von Exodus Drei über Exodus Vier Vers Zwölf wurden in der Predigt sehr viele Bibelpassagen vorgelesen. Es waren auch das Buch Jona und Teile aus dem ersten Königebuch dabei, wo es um den Konflikt zwischen Ahab und Elia ging. Gefühlt bestanden 50% der Predigt aus Bibelzitaten. So etwas ist selten und trainiert das Bibelwissen. Immer wieder wurde dabei der Bogen zum "Geh" geschlossen. Trotz konzentrierten Minecraft-Spiels kann mein Sohn bis jetzt noch ohne zu Zögern den Hauptpunkt der Predigt wiederholen: "Geh".

Die Heftklammern im Predigtmanuskript erzeugten während des Weiterblätterns einige Pausen. Lose Blätter hätte man neben oder hinter den Stapel legen können. Wir haben auch schon Prediger mit Ringbüchern, Notizbüchern, losen Blättern, Tablets, MacBooks oder ganz ohne schriftliches Konzept gesehen.

Anschließend wurden wir freundlich angesprochen und nach gemeindlicher Zugehörigkeit, dem Wohnort sowie dem Zweck unseres Besuches gefragt. Wir wechselten einige Worte und erfuhren, dass nur wenige Gemeindemitglieder im Kiez wohnen. Dann verließen wir die ehemalige Kita. Es regnete immer noch in Strömen. Vor der SELK parkten zwei LKWs mit der Aufschrift "Laib und Seele".

Sonntag, 14. Februar 2016

Evangelische Kirchengemeinde Kaulsdorf

In der Kirchengemeinde Kaulsdorf treffen sich die angestammten Kaulsdorfer zum Gottesdienst. Gäste werden sehr freundlich begrüßt und interessiert nach ihrer Herkunft gefragt. Der Altersdurchschnitt ist sehr gehoben. Einige Konfirmanden sitzen in den Reihen.



"Heute fahren wir zur Frauenkirche", sagte ich und schnitt mein Brötchen auf. "Was, Dresden?" "Nein, die Kirche in Kaulsdorf neben dem CVJM". Fragende Gesichter verlangten nach einer Erklärung. Hatten wir doch einige Tage zuvor die Webseite der Evangelischen Kirchengemeinde Kaulsdorf besucht und waren mit einer überproportionalen Frauenquote überrascht worden.

Der Gottesdienst sollte um 10:00 Uhr beginnen. Frau und Tochter hatten die Zeit im Kopf, mein Sohn am Handgelenk und ich im Nacken. "Wo fährst du denn heute lang? Das schaffst du nie!" Doch, und sogar mit Parkplatz direkt vor dem Eingang.

Heute war Nörgeltag: "Wieso sitzen wir so weit vorne? Dann können wir gar nicht die Leute beobachten, um zu wissen, was wir wann machen müssen". Direkt neben uns entströmte wohlige Wärme. Während die übrigen Besucher in Mantel, Schal und Mütze auf den Holzbänken saßen, zog ich meine Jacke aus und empfand es immer noch als angenehm warm. Pfarrerin Steffi Jawer kam durch die enge Nordpforte in den Hauptraum der Kirche und begrüßte uns im Vorbeigehen sehr freundlich.

"Liebe Kaulsdorfer, liebe Gäste", drückte die gelebte Willkommenskultur in der liebevoll renovierten Dorfkirche aus. "Invocavit - er hat angerufen", übersetzte Frau Jawer den Namen des heutigen Sonntages im Kirchenjahr. Das kommt aus dem Wortstamm "invocare" und sollte nicht mit "invocatus" verwechselt werden, was "ungerufen" bedeutet. In ihrer Predigt widmete sich die Pfarrerin einem Text aus Hebräer Vier. In den Versen 14 bis 16 geht es dort um Jesus, der auch mit den uns bekannten Schwächen und Herausforderungen konfrontiert wurde und uns nun als verständnisvoller Hoher Priester vor Gott vertreten kann. "Mit Freimütigkeit herzutreten zum Thron der Gnade", heißt es im Text. Doch was ist, wenn man den Thron gar nicht sieht? Sie hangelte sich an einer Geschichte von Kafka entlang, in der ein Mann zu einem Schloss unterwegs war, dieses jedoch zuerst durch den Nebel nicht sah und dann keinen passenden Weg hinein fand. Kafka, Gedichte und Bibelzitate wechselten sich ab. Meine Frau war begeistert von der angenehmen Stimme der Pfarrerin und dem roten Faden in der Predigt. Umrahmt wurde der Gottesdienst mit professioneller Orgelmusik und Posaunenbegleitung. Wir sangen sogar "Ein feste Burg" von Martin Luther.

Heute gab es Abendmahl. Erst wochenlang nichts und nun schon das zweite Mal hintereinander. Sehr gut! In der ersten Runde wurde echter Wein und in der zweiten Runde Traubensaft gereicht. Meine Frau stand auf und ging nach vorne. "Du darfst nicht", meine Kinder versperrten mir den Weg. "Ich will aber", und drückte gegen ihre Beine. "Du fährst noch", ein Kampf entspann sich in der Bankreihe - zwei gegen vier (Beine). Mein unbändiger Wunsch nach Abendmahl brachte den Sieg! Fast fiel ich durch den Schwung einer älteren Dame in die Seite. Sie trat zurück, lächelte und ließ mich zu meiner Frau eilen.

Als zwischen Küster und uns nur noch ein Abstand von zwei Kaulsdorfern bestand, wurde die letzte Oblate vom silbernen Teller gehoben und gab den Blick auf das eingravierte Kreuz frei. Was wird er nun tun? Gibt es weitere Oblaten? Ich nutzte die Gelegenheit und zählte die Kaulsdorfer und Gäste in der Runde. In Abgleich mit den auf die zweite Runde Wartenden müssen es so um die siebzig Gottesdienstbesucher gewesen sein. Diese Zahl entsprach in etwa auch dem gefühlten Altersdurchschnitt. Dafür stellte ich aber im Gegensatz zum Eindruck der Webseite ein sehr ausgewogenes Verhältnis von Männern und Frauen fest. Wir bekamen noch einen Vers aus dem Matthäus-Evangelium (Kapitel 11 Vers 28) zugesprochen: "Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erfrischen".

Nach dem Gottesdienst wurde meine Frau angesprochen und nach unseren Namen gefragt. Sie erhielt einen Gemeindebrief und einige Veranstaltungshinweise und Gruppenempfehlungen. Der Küster meinte beim Rausgehen, dass er mich vom Sehen her kenne. Das passiert mir öfter. Ein Konfirmand reichte der Pfarrerin gerade seine Bonuskarte für besuchte Gottesdienste, als wir uns an der Schlange vorbei zu Steffi Jawer begaben und uns verabschiedeten.

War das noch früh am (Sonn-)Tag. Kaulsdorfer Union-Fans machten sich mit ihren Schals und Bierflaschen gerade auf den Weg zum Spiel. Gemütlich fuhren wir nach Hause und spazierten dann zum Bürgeramt - pardon - dem danebengelegenen Burger-Restaurant. Es gab frisch gegrillten Burger im Brötchen aus der eigenen Backstube.