Samstag, 29. Oktober 2016

Book of Mormon

Seit über fünf Jahren zieht das Musical "The Book of Mormon" glaubensdistanzierte Zuschauer an. Christen, die eine kritische Selbstreflexion und derben Humor scheuen, sollten sich das Musical nicht ansehen.



Nur zwei Blocks südlich von der Times Square Church befindet sich das Eugene O'Neill Theatre. Mündlicher Empfehlung und einer Kritik der Süddeutschen Zeitung folgend besuchten Wilfried und ich die Nachmittagsvorstellung des Musicals "The Book of Mormon". Mormonen sind eine äußerlich sehr auffällige Missionarsklientel, die sich für die Macher des Musicals hervorragend als Zielscheibe anbieten.

Dennoch ist zwischen den Zeilen eine harte Auseinandersetzung mit Glauben, Hingabe, Heuchelei, Ämterliebe und den Lücken bei den eigenen Basics zu erkennen. Der bissige Humor in Text und Gestik wird bemerkenswert professionell choreografiert. Religionsstifter Smith und auch Jesus treten auf. Besonders bitteres Gelächter erschallt, wenn der goldlockige Jesus-Darsteller sein weißes Kleidchen ausbreitet, dabei die Lichterketten im Gewand aufleuchten und er sagt: "I am Jesus".

Es entsteht der Eindruck, dass beim Schreiber und den Besuchern des Musicals sehr viel Verletzung mitschwingt. Verletzung durch aufdringliche Missionare, durch Christen, die gar nicht wissen, was sie eigentlich glauben und von Menschen, die sich lediglich innerhalb einer Struktur profilieren möchten und dabei über die Leiche ihres Glaubensbruders gehen.

Einer der Missionare hatte das Buch Mormon nie gelesen. Warum? "Es ist so langweilig". Und genau er sorgt für die erste Taufe in Uganda. Eine Taufe, die eine Kettenreaktion auslöst. Dabei beruht die Überzeugung der Afrikaner auf mehreren Missverständnissen, welche sich später auf dramatische Weise auflösen sollen.

In diesem Moment kommt die Führungsriege im fernen Amerika ins Spiel. Die Zahlen in Uganda stimmen nun endlich. Der erfolgreiche Missionar soll besonders geehrt werden und der Präsident der Missionsgesellschaft erscheint mit Anzug, Krawatte und zwei optisch auf ihn abgestimmten Sekretären im Busch. Das nennt man Helikopter-Management: einschweben, Staub aufwirbeln, verschwinden. Ein Prinzip, das wir auch aus der Berliner Gemeindeszene kennen.

Freudig demonstrieren die Afrikaner, was sie von den Weißen gelernt haben und eskalieren die Situation bis fast zur Ohnmacht des angereisten Präsidenten. Während die "Golden Plates" im ursprünglichen Sinne goldener Schrifttafeln auf goldene Teller uminterpretiert und dargestellt werden, gehen die sonstigen Missverständnisse in eine sexistische Richtung, die auch uns langsam zu viel wird. Dennoch sehr wirkungsvoll inszeniert und von der Aussage her klar.

Letztlich kommt es zum Bruch mit der Dachorganisation, es entscheiden sich weitere Personen inklusive eines Warlords für die Konvertierung und bieten am Ende kein blaues "Buch Mormon" mehr an sondern das rote "Buch Arnold". Die Art der Missionierung erfolgt aber wieder nach dem gleichen Schema.

Zu diesem Musical bewegt mich Röm 2,24: "Um euretwillen wird der Name Gottes unter den Heiden gelästert".