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Samstag, 21. April 2018

Moskau Teil 4: Pastoren treffen sich in Selenograd

Gemeindegründung ist ein internationales Thema. Im 4. Teil ihres Reiseberichtes erzählt Gastautorin Martina über eine Pastoren- und Leiterkonferenz in Selenograd. Sie musste wohl erst nach Moskau reisen, um weitere Prinzipien guter Gemeindeleitung zu entdecken.



Als wir nach unserem Stadtausflug viel später als erwartet zur Baptistengemeinde von Selenograd zurückkehrten, hatte sich das Haus gut gefüllt. Wir versuchten, eine Aufgabe zu finden und halfen ein wenig bei der Registrierung. Dabei lernten wir weitere sehr freundliche Mitglieder aus der gastgebenden Gemeinde kennen.

Von den angereisten ca. 150 Pastoren und leitenden Mitarbeiter aus ganz verschiedenen Gemeinden und Gegenden Russlands konnten wir in den nächsten Tage einige kennenlernen. Es waren neben den Baptisten auch Christen aus Pfingstgemeinden und evangelischen Kirchen vertreten. Russisch-Orthodoxe waren nicht zu erkennen.

Moskauer Pastoren treffen sich einmal pro Monat

Als die Kommunisten in den 1920er und 1930er Jahren die Macht übernahmen, fassten sie die Freikirchen unter einem Dach zusammen. Sie hofften dadurch, dass die Christen sich wegen einiger unterschiedlicher Glaubensgrundsätze gegenseitig zerfleischen würden. Das Gegenteil war jedoch der Fall - und so sind heute vielleicht noch die Früchte daraus zu sehen. Für die Moskauer Region gibt es jedenfalls ein monatliches Pastorentreffen, zu dem Pastor Pavel alle Konferenzteilnehmer einlud.

Überhaupt scheint er ein Netzwerker zu sein. Er hatte es geschafft, so viele verschiedene Denominationen, Regionen und Ethnien nach Selenograd einzuladen und eine Atmosphäre der Gemeinschaft von Christen anzuregen. Hier können wir uns in Deutschland eine riesige Scheibe abschneiden.

Moskau Selenograd Baptisten Pastorenkonferenz
Pastorenkonferenz in der Selenograder Baptistengemeinde (Foto: Dave Schnitter)
Video à la Saddleback

Bei der ersten Live-Übertragung aus Amerika konnten wir nach dem Abendessen im Gemeindesaal dabei sein. Das Auditorium hörte gespannt zu, wie Tom Holladay seine Einleitung und einige Grußworte überbrachte. Er wurde live von der Bühne ins Russische übersetzt. Für Tom und Andrew aus Amerika, die eigentlich Hauptredner sein sollten, waren recht spontan zwei andere Pastoren namens Dave Holden und Dave Page, ebenfalls aus den USA angereist.

Es sollte um eine erneuerte Kirche und das Predigen mit Vision gehen. Dies ist Teil des Programms "Kirche mit Vision" der Saddleback Church aus Kalifornien. Nachdem in den 1990er Jahren das Buch "Leben mit Vision" von Rick Warren zu einem Weltbestseller in christlichen Kreisen geworden war, hat Pastor Rick weiter an Konzepten gearbeitet, wie einzelne Personen, Kirchen und Gemeinden und sogar ganze Länder von der Rückbesinnung auf Gottes Vision für uns Menschen verändert werden können. Dies ist alles unabhängig von nationalen Grenzen angelegt.

Handwerkszeug

In den nächsten Veranstaltungen im großen Saal ging es darum, als Gemeinde im Lobpreis, in Gemeinschaft, Jüngerschaft, Dienst und in der Weitergabe der Guten Nachricht zu wachsen. Insbesondere zum letzten Punkt gab es ganz konkrete Ideen und Anleitungen mit umfangreichem Material und vielen praktischen Beispielen der Redner. Alles wurde schließlich am Samstagmorgen zusammengefasst mit der Ermutigung für die Pastoren, ihre Gemeinden zu lieben.

Ich war beeindruckt von der Professionalität der Technik. Die Live-Übertragungen aus Kalifornien liefen ruckelfrei und waren gut zu verstehen. Das einzige, was zu der Zeit nicht funktionierte, war das W-LAN im Saal. Beeindruckt war ich auch von der guten Performance der beiden Übersetzer. Wobei überraschend viele Einheimische ihre Englischkenntnisse hervorholten, wenn wir uns mit ihnen unterhielten.

Moskau Selenograd Baptisten Pastorenkonferenz
Pastorenkonferenz in Selenograd - Casper, Martina, Ayanna (v.l.n.r. - Foto: Dave Schnitter)
Singen auf Russisch

Der Lobpreis - komplett auf Russisch - wurde zumeist von Andre aus Selenograd geleitet. Im Laufe der Konferenz zeigte sich, dass er zahlreiche Instrumente beherrschte. Bemerkenswert war außerdem die unterschiedliche Zusammensetzung des Teams bei gleichbleibend großer Begeisterung und Qualität. Manche Lieder kannten wir aus dem Englischen, andere waren völlig neu für uns. Alle Lieder wurden nur auf Russisch gesungen. Mein Vorteil war, dass ich alles mitsingen konnte, weil ich ja die russischen Texte vom Beamer lesen konnte. Die Lobpreiszeiten hätten für meinen Geschmack ruhig länger sein können.

Seminare über gesunden Gemeinde-Aufbau

Am Freitag und Samstag Nachmittag gab es je zwei Seminarblöcke, die entweder von den angereisten Amerikanern, von Dave Schnitter aus Berlin oder von Mitgliedern der Selenograder Gemeinde gehalten wurden. Es gab auch wieder Live-Übertragungen aus den USA. Inhalte waren der Aufbau von Gemeinden in Gegenden, in denen kaum noch jemand zur Kirche geht. Außerdem gab es Anregungen, wie man Nichtchristen mit dem Evangelium erreichen könnte. Oder auch Seminare darüber, wie man wertschätzend mit Mitarbeitern umgeht.

Ich entschied mich, mehr über die Gründungsgeschichte von Saddleback Berlin zu erfahren und ging zu Dave Schnitter. Da muss man erst nach Moskau reisen… Hätte ich bestimmt auch zu Hause erfragen können, bin aber nie auf die Idee gekommen.

Endlich putzen!

Schließlich konnten wir anderen drei nach etlichen Anläufen doch noch ein wenig helfen: Putzen. Dabei lernte Casper, wie man einen Staubsauger auf dem Rücken trägt. Ich lernte Olja kennen, die das komplette Gemeindehaus blitzblank hält. Mein Russisch war inzwischen auf 3-Wort-Sätze angewachsen. So konnten wir sogar eine Art Gespräch führen, denn Olja sprach gar kein Englisch.

Moskau Selenograd Baptisten Pastorenkonferenz
Putzen in Selenograd (Foto: Dave Schnitter)
Dann durfte ich sogar noch die Eingangstreppe sowie die Waschräume wischen. Wenn wir gerade nicht zur Stelle waren - also meistens - wird Olja bei solchen Veranstaltungen von den Jugendlichen aus der Baptistengemeinde unterstützt. Sie wienern das Haus, wenn alle Gäste die Lokalität verlassen haben und sorgen dafür, dass man sich am nächsten Morgen wohl und willkommen fühlt. Stolz erzählten einige junge Leute, dass sie im letzten Jahr sogar eine Urkunde für ihre Unterstützung erhalten hatten. Man merkte an dem Umgang miteinander, dass eine Atmosphäre der Wertschätzung und Anerkennung in diesem Haus nicht nur bloße Theorie ist, sondern gelebte Wirklichkeit.

Das ist wohl auch eins der Geheimnisse, warum Pastor Pavel Kolesnikov es geschafft hat, ein so junges, engagiertes Team zusammenzustellen, das wir am ersten Abend vorgestellt bekamen. Und bestimmt auch die Vision, eine gesunde, wachsende Kirche für sein Städtchen Selenograd zu etablieren.

Autorin: Martina Baumann (redaktionell bearbeitet von Matthias Baumann)

Freitag, 20. April 2018

Moskau Teil 3: Wanderung mit Karolina

Neben Kak, Da und Njet gibt es wohl nur noch ein Wort, das sich der per Pflicht-Unterricht gebildete Schüler aus dem Russischen gemerkt hat: Dostroprimeltschatjelnosti - Sehenswürdigkeiten. Der folgende Gastbeitrag meiner Frau Martina berichtet von einem Stadtrundgang mit Karolina.



Pünktlich um sieben trafen wir uns als Berliner mit zwei Amis und mit Karolina aus Selenograd. Karolina wollte uns Moskau zeigen. Auf das Frühstück hatten wir verzichtet, um den leeren Schnellzug in die City zu erwischen.

Der Zugverkehr zu den Vororten ist ähnlich wie in Paris organisiert. Es gibt Züge, die an drei Stationen halten und dann nur 35 Minuten brauchen. Und solche, die 50 Minuten unterwegs sind, weil sie jede Haltestelle ansteuern. Karolina hatte die richtigen Fahrkarten besorgt und kümmerte sich trotz ihres jugendlichen Alters auch im weiteren Tagesverlauf darum, dass wir die richtigen Züge und Metros benutzen konnten.

Moskau Metro
Moskau - Metrostation (Foto: Dave Schnitter)
Als wir in Moskau-Komsomolskaja ausstiegen, blitzte so langsam die Sonne durch die Wolken, auch wenn der Wind noch eisig war. Hier gibt es insgesamt drei Bahnhöfe, allesamt sehr imposante Gebäude. Komsomolkaja ist einer der berühmten U-Bahnhöfe aus den 1960er Jahren, mit Stuck und Kronleuchtern. Hier kreuzen sich zwei Metrolinien. Im Berufsverkehr waren wir offensichtlich die einzigen, die die Architektur dieses Bahnhofs bewundern, genießen und fotografieren wollten. Am Bahnhof Belarus passierten wir eine weitere sehenswerte Metrostation.

Endlich gab es Frühstück: Kaffee und Croissants. So gestärkt bejahten wir Karolinas Frage nach unserer Bereitschaft zu einem längeren Fußmarsch.

Moskau Roter Platz Basilius Kathedrale
Moskau - Roter Platz mit Basilius-Kathedrale (Foto: Martina Baumann)
Auf unserem Weg zum Roten Platz, dem wir uns in kleiner werdenden Umrundungen näherten, zeigte uns Karolina verschiedene versteckte Ecken. Gut, dass wir eine Einheimische dabei hatten. So sahen wir beispielsweise das Theaterviertel, in dem man rund ums Bolschoi-Theater in Cafés und Restaurants in einer Fußgängerzone draußen sitzen könnte. Ein richtiger Geheimtipp war das Kinderkaufhaus, das eine kostenlose Aussichtsterrasse mit wunderbarem Blick über den Roten Platz samt Kreml und große Teile Moskaus bietet.

Nach fünf Kilometern gelangten wir auf dem Roten Platz an. Er kam mir viel kleiner vor als im Fernsehen und ich wunderte mich, wie dort mit solcher Präzision Paraden abgehalten werden können. Natürlich mussten die obligatorischen Fotos vor der Basilius-Kathedrale geschossen werden. Die Kathedrale ist heute ein Museum, weshalb wir sie nur umrundeten. Der Wind war kalt und kräftig.

Moskau Christus Kirche
Moskau - orthodoxe Christus-Kirche (Foto: Martina Baumann)
Abschließend besuchten wir noch zwei Parks und die Russisch-Orthodoxe Christus-Kirche, in der zwei verschiedene Kirchenräume untergebracht sind. Nach 8 Stunden und 13 Kilometern Fußmarsch fuhren wir mit dem Schnellzug nach Selenograd zurück. Wir waren völlig fertig, hatten aber das Gefühl, alles Wichtige von Moskau gesehen zu haben.

Fazit 1: Moskau ist eine sehr schöne Stadt.
Fazit 2: Mit einer Einheimischen die Stadt zu erkunden ist sehr bereichernd.
Fazit 3: Die Einheimische sollte nicht sehr viel sportlicher sein als die Touristen.

Autorin: Martina Baumann (redaktionell bearbeitet von Matthias Baumann)

Donnerstag, 19. April 2018

Moskau Teil 2: Baptisten und Selenograd

Im Moskauer Vorort Selenograd gibt es eine Baptisten-Gemeinde und viele andere Dinge zu entdecken. Der 2. Teil des Reiseberichtes meiner Frau Martina beschäftigt sich mit der Anreise, der Baptistengemeinde und dem Alltagsleben in Selenograd.



Der Gruppenchat funktionierte, wie verschiedene Kaffee- und S-Bahn-Posts auf dem Weg zum Flughafen bestätigten. Ich wurde liebevoll von meinem Mann auf dem Parkplatz verabschiedet, sofern man das in fünf Minuten kostenfreier Parkzeit bewerkstelligen kann.

Alle inklusive der Aeroflot-Maschine (Flugzeug heißt übrigens auf Russisch samoljot) hatten sich pünktlich eingefunden und das Abenteuer konnte beginnen. Der Flug war ruhig und mit nur 2,5 Stunden sehr kurz. Abenteuerlich die Landung in Moskau-Scheremetjewo. Ich überlegte, ob die Absätze zwischen den Betonplatten extra abbremsen sollen, falls die Bremsen einmal versagen. Ist das nötig bei Aeroflot? Eine Frage, der man vor einem Flug vielleicht lieber nicht näher nachgehen sollte. Nach einer Busfahrt, die unsere Reisezeit fast verdoppelte, gelangten wir am Flughafengebäude an. Passkontrolle – falsche Schlange – hier guckte die Staatsbedienstete jedes Passbild achtmal an – Koffer holen, die letzten auf dem Band.

Draußen wurden wir von Nieselregen, zwei Frauen namens Nastja und einem Mann namens Daniel erwartet. Sie fuhren uns in zwei PKW über die leere Maut-Autobahn. Nastja erzählte Ayanna und mir über großes Verkehrschaos in Moskau – außer auf dieser Straße, weil man ja hier bezahlen müsse.

Moskau Selenograd
Moskau - Wohnen in Selenograd (Foto: Martina Baumann)
Unser Ziel war Selenograd, ein Außenbezirk Moskaus, 37 km vom Zentrum entfernt. Es ist der größte Außenbezirk Moskaus und wurde 1958 auf dem Reißbrett entworfen. Zuerst hatte die Regierung es als Textilstandort gewählt, relativ bald wurde das geändert und ein Elektronik-Zentrum wurde angepeilt, ähnlich dem Silicon-Valley in den USA. Bis 1989 war Selenograd dann auch eine "verbotene Stadt", jedenfalls für Ausländer. Es durften damals vom Zentrum und den Forschungseinrichtungen keine Fotos gemacht werden.

Baptisten und Backsteine

Die Selenograder Baptistengemeinde ist ein recht großer Backstein-Komplex mit Gemeindesaal in Kinoform, zahlreichen Seminar- und Kinderräumen, Küche mit Speisesaal für 50 Personen sowie einem Bereich mit einfachen Zimmern für eine günstige Übernachtung auf Spendenbasis.

Wir wurden herzlich begrüßt, bekamen unsere Zimmer – wir Frauen zu zweit. Die Männer wurden in Erwartung der anderen Konferenzteilnehmer zu fünft in einem Raum untergebracht. Die Räume waren zum großen Teil mit Doppelstockbetten, Schrank, Tisch und Stühlen eingerichtet. Wer auf ein weiches Bett angewiesen ist, sollte sich noch eine aufblasbare Isomatte als Zwischenschicht mitbringen. Bettwäsche und Handtücher waren vorhanden.

Pavel und die Putzkolonne

Pastor Pavel Kolesnikov erwartete uns mit einer Führung durch das Haus, das trotz des Wetters draußen einen sehr hellen und gastfreundlichen Eindruck machte. Alles war liebevoll eingerichtet und dekoriert. Man sah an allen Ecken und Enden noch Menschen aus der Gemeinde putzen und wienern, so dass es schließlich kein Staubkörnchen mehr irgendwo gab.

Wir bekamen ein leckeres, frisch zubereitetes Mittagessen vorgesetzt und lernten das Pastorenpaar Dave und Peggy McKee aus der Saddleback-Gemeinde Kalifornien kennen. Sie waren schon mehrmals in Selenograd und anderen Teilen Russlands gewesen. Außerdem waren noch Michael und Dean zur Konferenz angereist, zwei Ruheständler aus den USA, die ihre freie Zeit zur Unterstützung von Gemeindearbeit in allen ihren Facetten verwenden.

Hochhäuser und der Zahn der Zeit

Nach dem Essen blieben uns zwei Stunden und wir ließen uns von Dave und Peggy das nächstgelegene Einkaufszentrum zeigen. Wir gingen 15 Minuten an der Hauptstraße entlang, und diese sechsspurige Straße war extrem laut. Der Teil des Ortes, den wir sahen, bestand aus wenigen Einfamilienhäusern auf der anderen Seite der Hauptstraße, abgeschirmt durch eine Lärmschutzwand. Größtenteils gab es Hochhäuser älterer und neuerer Bauart mit mindestens 22 Etagen. Während die neueren Häuser in Architektur und Anlage modern und vielseitig, fast kreativ wirkten, betrachteten wir mit Sorge die älteren Gebäude: Fehlende Balkons mitten in der Front, unterschiedlichste Fensterrahmen oder zersplitterte Fenster, Verkabelungen von Sattelitenschüssel zu Sattelitenschüssel, die von Hochhaus zu Hochhaus führten.

Es machte den Eindruck dass seit ihrer Errichtung in den 1970er Jahren außer dem Zahn der Zeit keiner mehr an den Häusern eine Veränderung vorgenommen hat. Man kann nur hoffen, dass sie innen besser erhalten sind. Das trübe Wetter, wenigstens inzwischen trocken, ließ diese Häuser noch trostloser wirken.

Moskau Selenograd Markt
Moskau - Supermarkt in Selenograd (Foto: Martina Baumann)
Kontrastprogramm war das Einkaufszentrum, das gut mit jeder Berliner Shopping-Meile mithalten könnte. Mobiltelefon-Läden, Klamottenläden, Fressmeile. Sogar Burger King gab es hier. Wir steuerten den Geldautomaten an und ich hielt nach drei Versuchen meine ersten Rubel in der Hand. Ein Rubel ist die kleinste Einheit. Kopeken, wie in meiner Kindheit, gibt es nicht mehr.

Supermarkt auf Russisch

Der Supermarkt auf der anderen Straßenseite kam mir bekannt vor. Er entsprach mit Produkten und Einrichtung in etwa den russischen Supermärkten, die aktuell im Osten Berlins an verschiedenen Stellen zu finden sind. Die anderen Berliner kannten das offensichtlich noch nicht und es wirkte um so exotischer, da sie ja auch die Schrift nicht lesen konnten. Es gab viel Fisch (ruiba), Tee (tschai), Kerne zum Knabbern und extrem süße Süßigkeiten. Natürlich auch andere Waren wie Milch (moloko) und Zucker (sacher), die auch bei uns im Regal zu finden wären. Einzig die Gefriergemüse-Truhe, aus der man die gefrosteten Blumenkohl-Stücken lose entnehmen konnte, kannte ich so auch nicht.

See, Taufen und Orthodoxie

Zurück ging es zum Glück nicht mehr an der Hauptstraße entlang, sondern an einem See vorbei, der vom Fluss Skhodnya gespeist wird. Auch am Ufer des Sees gab es Hochhäuser, auf der anderen Seite befand sich eine Badestelle. Der See wurde in der Vergangenheit bereits durch die Baptistengemeinde zu Taufen genutzt, auch wenn es im Gemeindehaus ein Taufbecken gibt. Heute wäre das sehr unangenehm gewesen, es schwamm noch Eis auf dem See. Die Strecke durch den Park und am See entlang war nicht nur schöner, sondern auch kürzer, so dass wir bei späteren Ausflügen zum Bahnhof oder auf den Markt diesen Weg benutzten.

Gegenüber der Baptistengemeinde stand eine Russisch-Orthodoxe Holzkirche, die auch innen sehr schön sein soll, zu deren Besuch aber leider keine Zeit blieb.

Eingespielte Teams

Zurück in der Gemeinde gab es Abendbrot und anschließend eine Teamrunde. Hier trafen sich die drei Nationen Amerika, Deutschland (mit Erweiterungen) sowie Russland und wir teilten kurz unsere aktuelle Lebens- und Gemeindeposition. Von den Selenograder Baptisten waren ungefähr zehn Personen anwesend. Pastor Pavel Kolesnikov hatte ein junges engagiertes Team aus Mittzwanzigern bis -dreißigern. Viele von ihnen waren ehrenamtlich tätig und ansonsten Ingenieure oder Studenten. In der Gemeinde sind sie als Pastoren, Hauskreisleiter, Dekorateure, Übersetzer oder auch Mut-Macher aktiv.

Am Ende des Abends hatten wir viele freundliche Menschen kennengelernt, waren herzlich willkommen geheißen und hatten keine Aufgabe für die Konferenz bekommen. Aber wir verabredeten uns mit Karolina zu einer Führung durch Moskau.

Shopping in Selenograd

Am Freitagnachmittag nutzte ich eine letzte Möglichkeit, mich noch auf dem Markt gleich neben dem Bahnhof von Selenograd umzusehen. Mit seinen Nüssen, Trockenfrüchten und Gewürzständen mutete er etwas orientalisch an. Es gab außerdem Buden mit Schuhen, Schürzen und auch selbstgemachten eingelegten Früchten, die russische Mütterchen feilboten. Im Regen bekommt man hier bestimmt nasse Füße, denn die ausgelegten Bretter reichten gerade für den Matsch, der noch vom Vortag übrig war.

Es gab auch eine Markthalle, die sehr aufgeräumt wirkte. Trotz mehrerer Fischstände roch es nicht nach Fisch und Obst und Gemüse lagen hübsch aufgestapelt an den einzelnen Ständen. In einem Süßigkeitsladen entdeckte ich die Süßigkeiten, die mir in der Gemeinde am ersten Abend überraschend gut geschmeckt hatten. So war mein Mitbringsel für die Lieben daheim gerettet. Am Trockenfrüchte-Stand brachte ich eine Art Unterhaltung zustande, bei der ich den Preis erfragen (skolko stoit) und auf Nachfrage mitteilen konnte, dass wir aus Deutschland (ies germanii, ies berlina) kämen. Daraufhin holte mir der Händler einen 1-kg-Beutel Trockenfrüchte aus dem hinteren Bereich der Bude und meinte, diese seien besser als die ausgelegten. Ist doch schön, wenn die Sprachversuche sich in solchen messbaren Erfolgen niederschlagen.

Autorin: Martina Baumann (redaktionell bearbeitet von Matthias Baumann)

Mittwoch, 18. April 2018

Moskau Teil 1: Vorbereitung

Heute gegen acht brachte ich meine Frau zum Flughafen Schönefeld: Moskau-Reise mit drei weiteren Leuten von Saddleback Berlin. Nachfolgend Teil 1 des Reiseberichtes von Gastautorin Martina, in dem es um die Vorbereitungen geht.



Moskau, Moskau - diese Stadt hatte bereits Dschinghis Khan entdeckt: musikalisch und eventuell auch auf einem Feldzug. Nun wollte ich selbst einmal auf Entdeckungstour gehen.

Zu Russland hatte ich als gebürtiger Ossi schon aus geopolitischen Gründen einen Bezug. Hinzu kam der Besuch einer Schule mit erweitertem Russisch-Unterricht. Ich schlug mich mal mehr, mal weniger gut durch die russisch geprägte Schulzeit. Vor allem der Erdkunde-Unterricht auf Russisch über das damals noch Sowjetunion genannte Land erforderte mehr Sprachkenntnisse, als ich mir aneignen wollte. Später in West-Berlin spielte ich kurzzeitig mit dem Gedanken, Russisch als Abiturfach zu wählen. Mit den Muttersprachlern konnte ich jedoch nicht mithalten.

Theorie wird zur Praxis

Was mir nach zehn Jahren Schul-Russisch noch fehlte, war ein Besuch in Russland. Da die Schulzeit nun schon zwei bis drei Jahre zurückliegt, überraschte mich mein starkes Interesse selbst. Dave Schnitter, Pastor bei Saddleback Berlin, erwähnte in einem Gottesdienst Anfang März eine geplante Reise nach Moskau. Er wolle dort eine Gemeinde besuchen, die eine Pastorenkonferenz ausrichte. Dave würde sich freuen, wenn ihn jemand begleite, um die Gemeinde vor Ort zu unterstützen.

Nach kurzem Überlegen, Ermutigung durch die Familie - "Da wolltest Du doch schon immer mal hin“ - und einigen Details zur Reise, entschloss ich mich zur Fahrt gen Osten. Urlaub war schnell verlegt, Flug gebucht und Visum mit einer Unmenge an Papierkram beantragt. Es war erstaunlich, was der russische Staat für das Visum alles haben wollte: Passbild und Krankenversicherung leuchteten ja ein, aber bei Adresse und Lohnnachweis des Arbeitgebers und einem Einladungsschreiben, das man als Tourist auch für 15 Euro bei irgendeiner dubiosen Internet-Firma erwerben konnte, erschloss sich mir der Sinn nicht wirklich.

Schließlich musste der Reisepass für eine Woche beim Konsulat abgegeben werden. Wobei man beim Konsulat gar keinen Termin bekam, sondern in jedem Fall über das Russische Visa-Zentrum oder einen anderen kommerziellen Anbieter den Antrag stellen musste. Arbeitsbeschaffung auf Russisch.

Casper, Dave, Ayanna

Schnell gesellte sich Ayanna dazu. Sie kommt ursprünglich aus Trinidad und Tobago und macht in Berlin ihren Doktor in Energietechnik. Ihre Euphorie war ansteckend und ihre Organisationskünste stellten alle deutschen Bürokraten in den Schatten. Wenn ich etwas über Visa-Angelegenheiten oder Geldautomaten wissen wollte, antwortete Dave mit einem 1-Zeiler und Ayanna schickte fünf Minuten später eine wissenschaftliche, selbst recherchierte Abhandlung zum Thema. Der vierte im Bunde war Casper. Er ist gebürtiger Holländer, der inzwischen seit zehn Jahren in Berlin lebt. Er bekam kurzentschlossen noch Visum und Flugtickets.

Drei Tage vor der Abreise wurden wir im Gottesdienst bei Saddleback Berlin gesegnet. Ayanna und ich trafen Casper bei diesem Anlass zum ersten Mal. Welche Aufgaben wir erledigen sollten, ließ sich vor der Abreise nicht herausfinden. Überraschung!

Ich spreche Russisch.

Wenigstens fand ich das Buch "Ich spreche Russisch" im Bücherregal und begann, meine Sprachkenntnisse aufzutauen. Das ging besser als gedacht. Lesen fließend, verstehen Vieles. Aber beim Reden haperte es ganz schön - mir fehlte der passende Gesprächspartner. Meine Tochter ließ es mit viel Geduld über sich ergehen.

Apropos Sprache. Natürlich gab es eine Gruppe mit der Bezeichnung "We are going to Moscow" bei WhatsApp. Chatsprache war Englisch. Wie sich später herausstellte, hatten alle anderen Beteiligten bereits einen Teil ihres Lebens im englischsprachigen Ausland verbracht oder dies gar als Muttersprache. So musste ich also nicht nur Russisch wiederholen, sondern konnte auch noch mein Englisch-Wörterbuch zur Bildung von sinnvollen Sätzen nutzen.

Autorin: Martina Baumann (redaktionell bearbeitet von Matthias Baumann)