Sonntag, 17. September 2017

Geht's gut?

Wenn Worte und Sätze zu oft genutzt werden, können sie schnell zur Floskel werden. In den letzten Wochen wurde ich vermehrt mit Fragen nach dem Wohlbefinden konfrontiert.



"Hallo Herr Wieker!" - kräftiger Händedruck - "Geht's gut?" - "Ja", entgegnete ich dem Generalinspekteur. Dabei war ich schon den halben Tag mit schmerzendem Bein die Treppen der Akademie hoch- und runtergehumpelt. Hätte ich ihm das erzählen sollen? Ansonsten ging es mir gut. Der Workshop in Hamburg war sehr interessant. Das ließ die körperlichen Schwächen vergessen.

Wie geht es dir?

Am Sonntag darauf fragten mich gleich drei Leute bei Saddleback, wie es mir gehe. Das kam mir so langsam unheimlich vor. Alle Fragesteller wirkten so, als hätten sie tatsächlich ein Ohr für mein Wohlergehen. Ich war verunsichert. Sehe ich so schlecht aus?

Irgendetwas schien meinen Gesprächspartnern zu zeigen, dass ich eine Last trage. Nur welche? Natürlich gab es einen bunten Strauß an Herausforderungen, die parallel liefen und gemeistert werden mussten. Aber dazu hätte ich zu weit ausholen müssen. Und nach Römer 8 Vers 28 fühlte ich mich dennoch gut. Jesus wird schon wissen und das Richtige zur richtigen Zeit veranlassen.

So antwortete ich mit "Ja" oder "Gut" und ging weiter. Die Frage wurde mir auch an den folgenden Tagen gestellt, was mich verwunderte. Bei der Akkreditierung des israelischen Botschafters, also drei Tage vor dem Zusammenbruch, fragte eine Pressekollegin nach. Dem "Gut" fügte ich einen Hinweis auf die zwei Wochen Urlaub Anfang August hinzu. Kurz darauf rührte sich eine Lungenentzündung mit starken Stichen in der linken Seite. Ein Vorbote für noch Schlimmeres.

Hi, how are you?

Eine amerikanische Missionarin beschwerte sich einmal, dass der Hausmeister ihres Berliner Mietshauses auf die Hi-How-Are-You-Floskel (Hallo, wie geht es dir?) tatsächlich geantwortet hatte. Dabei sollte es nur im Vorbeigehen nett klingen - und dann erzählt doch der Mann allen Ernstes eine halbe Stunde lang, wie es ihm geht. Unfassbar!

Die Frage nach dem Wohlergehen kann also auch nach hinten losgehen und sollte nur gestellt werden, wenn Zeit zum Zuhören eingeplant wurde. Deshalb stelle ich solche Fragen fast nie. Es sei denn, es interessiert mich wirklich. Neuerdings wickle ich das per WhatsApp ab und verbinde das gleich mit einer entsprechenden Gebetsunterstützung.

Ehrliches Interesse

Nach der Lungenembolie war ich bei meiner Hausbank. "Geht's gut?", wollte die Kassendame wissen. "Nein", sagte ich und schilderte kurz die gesundheitliche Situation. Betroffenheit und beste Wünsche. Die Frau hatte sich ehrlich dafür interessiert. Auch aus der Leserschaft dieses Blogs, der Kundschaft und dem Bendlerblock kamen Anfragen und Genesungswünsche. Ernsthaftes Interesse. Das gab mir Kraft und Motivation.

Rückblickend und mit einem gesunden Abstand kann ich Römer 8 Vers 28 immer wieder bestätigen. Gott hat einen Plan und alle Herausforderungen und schweren Zeiten haben einen Sinn.