Sonntag, 20. August 2017

2 Opfer-Typen: Victima und Sacrificium

Zurzeit lese ich die Leviten, also das 3. Buch Mose. Darin geht es seitenweise um Opfer. Passend dazu fielen in einem Workshop die Worte "sacrificium" und "victima" - zwei sehr unterschiedliche Typen von Opfer.



Der Workshop am letzten Donnerstag war hochkarätig besetzt. Silberne und goldene Sterne auf den Schultern. Dazu silbernes oder goldenes Eichenlaub. Es ging auch um Vorbilder und ob diese immer erst sterben müssten, um ihren Namen für Brücken, Schiffe, Schulen oder Sonstiges geben zu können. Das tote Vorbild sei ein Vorbild, das durch einen anschließenden Fehler nichts mehr kaputt machen könne. Ein passendes Beispiel aus der Bibel ist wohl Hiskia mit seinen angehängten 15 Lebensjahren (2. Könige 20).

Vorbilder und Beispiele

Eine Frau warf ein, dass das einzige fehlerfreie Vorbild Jesus von Nazareth sei. Alle anderen hätten ihre Schattenseiten gehabt. Sie zählte dann gleich mehrere Feldherren der letzten 2.000 Jahre auf und nannte deren Schwachpunkte.

Ein erfahrener Seemann warb um eine Änderung der Begriffswahl: Beispiel statt Vorbild. Auf diesem Wege könne die bemerkenswerte Tat von der unvollkommenen Person abgekoppelt werden. Dieser Vorschlag fand allgemeine Zustimmung.

Noch 10 Minuten bis zum Helden

Es sei ohnehin zu beobachten, dass Helden zehn Minuten vor ihrer Heldentat gar nicht wüssten, dass gleich eine Heldentat zu vollbringen sei. Sie treffen in der kommenden Situation die richtige Entscheidung und handeln danach. So sei der Geburtshelfer von Sophia auf der Fregatte Schleswig-Holstein kurz aus dem Maschinenraum gekommen, habe bei der Geburt geholfen und sei dann wieder in die 50°C seines Arbeitsumfeldes abgetaucht. Helden und Beispielgeber des Alltags.

Manch ein Held wird sein Leben lang in der Persönlichkeit geformt, um dann für wenige Augenblicke eine außergewöhnliche Tat zu vollbringen. Wenn er dabei stirbt, stirbt er als vorbildhaftes Opfer: Sacrificium. Jesus ist ein klassisches Beispiel für ein Sacrificium. Er ging bewusst nach Jerusalem, ließ sich bewusst gefangen nehmen, ließ sich bewusst wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilen und starb bewusst am Kreuz. Er opferte sich bewusst, damit wir einen Zugang zur lebendigen Beziehung mit Gott haben können.

Victima

Es gibt aber auch Menschen, die sich nicht als Sacrificium sondern als Victima opfern. Im Ehrenmal der Bundeswehr werden etwa 3.000 Namen genannt, deren Träger während des Dienstes ums Leben gekommen waren. Nicht jeder von ihnen ist bei einem heldenhaften Einsatz gestorben. Vielleicht wurde im Flugzeug der falsche Knopf gedrückt. Vielleicht wurde die Fahrbahn bei Rot überquert oder es fiel der Steiger um, als am Dach der Kaserne hantiert wurde. Unfälle, die wohl in jedem beruflichen Kontext passieren können und anschließend zur Illustration von Seminaren der Berufsgenossenschaft dienen.

Victima ist ein relativ sinnfreies und deshalb bedauernswertes Opfer.

Wir haben Menschen erlebt, die sich als Victima fühlten, obwohl sie keines waren. Ja, sie definierten sich sogar darüber. Ein biblisches Beispiel für solch ein Victima ist der Mann vom Teich Bethesda aus Johannes 5. Diese Stelle regt mich immer wieder auf. Jesus stellt proaktiv die Frage, ob er gesund werden wolle. Der seit 38 Jahren Gelähmte antwortet ausführlich, warum er nicht geheilt werden könne. Jesus sagt darauf in Vers 8, er solle aufstehen, seine Matte nehmen und herumlaufen. Das macht der Mann. Als er darauf gefragt wird, warum er am Sabbat eine Matte trägt, geht er hin und verpetzt Jesus als Sabbatschänder (Vers 15).

Heiliges Tun

Das Wort Sacrificium setzt sich aus sacra und facere zusammen, also heilig und tun. Das trifft auch den Sinn von Römer 12, 1. Dort wird von "hostiam viventem, sanctam" geredet. Einem Opfer, das lebendig und heilig ist. Hostia ist ursächlich nicht die kleine Oblate beim Abendmahl, sondern das fehlerlose Tier, das für Gott geopfert wird. Ein Sacrificium muss also nicht zwangsläufig mit Todesfolge einhergehen. Sacrificium kann und sollte ein lebenslanger Prozess sein.