Donnerstag, 10. August 2017

Münster und die Sache mit der Taufe

Dass Münster etwa die gleiche Einwohnerzahl wie Berlin-Marzahn hat, war einem Dialog der Kanzlerin mit Kulturstaatsministerin Grütters zu entnehmen. Münster lag in der Nähe unserer Urlaubsroute und bot Potenzial für weitere Entdeckungen.



Über den Sinn eines Kulturstaatsministers ließe sich an geeigneter Stelle philosophieren. Immerhin dient Berlin-Marzahn als Wahlkreis für Monika Grütters. Monika Grütters wurde 1962 in Münster geboren. Das ist die erste Brücke. Die zweite Brücke besteht in der Einwohnerzahl von knapp 260.000. Weitere Brücken wären die hervorragende Infrastruktur und das viele Grün. Das war es dann aber wohl schon.

Zwei Fahrräder

Münster gilt als Studentenstadt und die Stadt mit dem höchsten Fahrradaufkommen pro Kopf in Deutschland. Nämlich zwei. Das ergibt ein Gesamtaufkommen von einer halben Million Drahtesel. Eine Horrorvorstellung für den Autofahrer aus Berlin, der die rücksichtslose Militanz des gemeinen Radfahrers aus der Innenstadt kennt.

Münster
Münster - City ohne Autos
Deshalb erstaunte uns sehr, wie gesittet die Radler in Münster unterwegs waren. Die Autofahrer wurden ersatzweise mit sinnfreien Regeln gegängelt. Parkplätze für Anwohner oder per Prepaid-Ticket mit einer maximalen Parkdauer von ein oder zwei Stunden. In die Tiefgaragen konnten wir mit dem gemieteten VW Caddy nicht einfahren. Die Decken waren zu niedrig. Deshalb stellten wir den 7-Sitzer auf einem Platz mit zwei Stunden Maximalzeit ab und liefen Richtung Altstadt.

In der autofreien City steuerten wir die Kirche St. Lamberti an. In einer dekorativen Anordnung hingen drei große Metallkäfige oberhalb der Turmuhr: Zeugnisse der Reformationszeit.

Reformation und Baptismus

Mit Luther erschienen auch die Wiedertäufer auf der Bildfläche. Das waren Theologen, die die Passagen über die Taufe und deren Bedeutung als bewusste Entscheidung für Tod und Leben mit Jesus im Römerbrief und weiteren Stellen des Neuen Testamentes praktisch umsetzen wollten. Wiedertäufer deshalb, weil fast alle ihre Zeitgenossen als Kind getauft worden waren. Eben nach den gesellschaftlichen Gepflogenheiten und nicht aus freier eigener Entscheidung.

Das Dogma der Baptisten gruppiert sich ebenfalls um eine Taufe als mündiger Christ. Ich hatte erlebt, dass Abendmahl, Mitgliedschaft oder Singen im Chor nur nach erfolgter Glaubenstaufe gestattet war. Bei den Methodisten, dem Mülheimer Verband oder anderen Denominationen sieht man das etwas lockerer: Kindestaufe wird praktiziert und anerkannt, auf Wunsch noch einmal getauft oder nach der bewussten Entscheidung erstmalig getauft.

Ein Historiker wurde im Radio gefragt, ob es für ihn nicht interessant wäre, Luther und andere Reformatoren im Bekanntenkreis zu haben. Ohne Denkpause verneinte er das und bemerkte, dass wohl keiner von uns längere Zeit mit diesen Personen der Zeitgeschichte auskommen würde. Es waren Extremisten in religiöser Hinsicht, die durch ihre extremen Ansichten und Handlungsweisen Vieles bewegt hatten.

Münster
Münster - St. Lamberti und die drei Käfige
Auch die drei Käfige zeugen von Extremismus während der Reformationszeit. Im Frühjahr 1534 hatten die Wiedertäufer unter Bernhard Krechting, Bernd Knipperdolling und Johann Bockelson - auch als Jan van Leiden bekannt - die Herrschaft in Münster übernommen. Zur Durchsetzung der neuen Erkenntnisse wurden auch Todesurteile gefällt und andere seltsame Dinge praktiziert. Knipperdolling fungierte dabei zunächst als Bürgermeister und dann als Scharfrichter.

Käfige

Münster schien damals gut befestigt gewesen zu sein. Die katholischen Gegner unter Bischof Franz von Waldeck mussten die Geburtsstadt der Kulturstaatsministerin ganze 16 Monate lang belagern und eroberten sie am 25. Juni 1535 zurück. Es wurde eine Kostenrechnung aufgemacht und Scharfrichter Knipperdolling machte den Vorschlag, die führenden Täufer in Käfigen zur Schau zu stellen. Dafür sollte Eintritt verlangt werden. Knipperdolling hatte wohl nicht damit gerechnet, das die Käfige tatsächlich für ihn und seine Mitstreiter gebaut werden.

Am 6. Januar 1536 wurden Knipperdolling, Krechting und Bockelson von einem Inquisitionsgericht in Wolbeck zum Tode verurteilt. Die Details der Hinrichtung ersparen wir uns an dieser Stelle. Erwähnt sei jedoch, dass die sterblichen Überreste - hier in ihrer ursächlichen Wortbedeutung - in die Käfige gepackt und am Kirchturm zur Schau gestellt wurden. Noch 50 Jahre später sollen Überreste zu sehen gewesen sein. Das war wohl Abschreckung genug für die Bevölkerung und mögliche Reformatoren.

St. Lamberti

Die Kirche St. Lamberti ist ansonsten ein normales großes Kirchengebäude mit einer angenehmen Atmosphäre im Inneren. Kein Hauch der blutigen Vergangenheit. Hier ein großer Leuchter, dort ein gemalter Kreuzweg und im Deckengewölbe das Lamm Gottes.

Heute gibt es eine Baptistengemeinde, Mennoniten (Brüdergemeinde), ein Christus Zentrum eine FEG und weitere evangelische Gemeinden in Münster. Diese sind weitläufig um den Domplatz mit den drei Körben angeordnet. Man kann dort sicher auch besser parken. Unsere Kulturstaatsministerin ist übrigens katholisch.