Katholisch kommt vom griechischen "καθολικός" (katolikos) und heißt so viel wie "allumfassend". Auf die Kirche angewendet, wird es synonym für die allumfassende Gemeinschaft der Christen unter dem Dach einer von Rom aus geleiteten Kirche verwendet. Die katholischen Gottesdienste im protestantischen Berlin erfreuen sich einer regen Teilnahme.
Glockengeläut klingt durch das Schlafzimmerfenster. Es ist acht Uhr. Nur gut, dass ich erst in zweieinhalb Stunden in Prenzlberg sein muss. Das Frühstück um neun verläuft schon etwas gehetzter. Es ist immer noch unklar, wer mich zu "Herz Jesu" in der Nähe des Rosa-Luxemburg-Platzes begleiten wird. Gegen zehn fahre ich schließlich alleine in die City.
Drei Tage Prenzlberg
Schon der dritte Tag hintereinander Prenzlberg. Am Freitag Gemeinsam für Berlin, gestern ein hochkarätig mit Christen aus Bildung und Wirtschaft besetzter Think Tank im "C13" und heute "Herz Jesu" in der Fehrbelliner Straße. Und schon der dritte Tag hintereinander, an dem es Parkplätze in unmittelbarer Nähe der Location gibt.
Am Eingang zum katholischen Sakralbau sitzt ein Bettler und zweigt dort bereits einen Teil der geplanten Kollekte ab. Im Eingangsbereich lese ich den Hinweis, dass die Geldsammlung heute für die Gemeinde bestimmt sei. An einem Tisch mit Oblaten steht ein weiteres Hinweisschild: "Heute nur Gotteslob". Nur Gotteslob? Das ist doch schon mal etwas! Ich greife ein graues Gesangsbuch und setze mich in eine der Holzbankreihen. Platz 146.
Wann geht es los?
Zehn Minuten vor Beginn sind nur wenige Plätze besetzt. Fünf Minuten vorher etwa die Hälfte des Kirchenschiffes und halb elf ein großer Teil des Hauses. Es müssen um die dreihundert Männer, Frauen, Kinder, Jugendliche und Senioren im Saal sein. Eine ausgesprochen gute Generationsdurchmischung, die durch äußere Indikatoren wirtschaftlicher Unabhängigkeit flankiert wird. In meiner Reihe sitzen zwei junge Damen und ein Mann mit orientalischer Zuwanderungsgeschichte.
Multiethnisch ist auch der in Weiß und Grün gekleidete Pfarrer Serge Armand. Als Schwarzer spricht er Deutsch mit starkem französischem Akzent. Es werden viele Bibeltexte verlesen, darunter Jesaja, Matthäus und der erste Korintherbrief. So viele unkommentierte Bibelzitate hört man in evangelischen Gemeinden selten, es sei denn, Ekkehart Vetter von der Evangelischen Allianz (DEA) leitet einen Seminartag ein.
Einheit in Christus
Apropos Allianz: das Anliegen der Weltgebetswoche für die Einheit der Christen steht heute ganz im Mittelpunkt des Gottesdienstes. Eigentlich hätte es sogar eine Art Kanzeltausch mit einer evangelischen Pfarrerin gegeben. Diese ist jedoch kurzfristig erkrankt, so dass Serge Armand den Predigtpart übernehmen muss. Er liest einen längeren Text des Papstes vor und äußert sich in seinen begleitenden Ausführungen sehr positiv über die Annäherung der Christen unterschiedlicher Konfessionen.
Zentral ist auch Jesus Christus. In Liedern, Gebeten, liturgischen Texten und den Ausführungen des Pfarrers spielt Jesus eine große Rolle. Jesus steht als goldenes Mosaik auch über dem Altarbereich und breitet einladend seine Hände aus. Im gesamten Deckengewölbe sind Bibelzitate auf Latein zu lesen. "DIGNVS EST AGNVS, QUI OCCISVS EST", lese ich als erstes ein aus Off 5,12 stammendes Textfragment im Kuppelbereich. Mein Blick schweift umher und freut sich an den vielen weiteren guten Versen und der tiefen Symbolhaftigkeit der Gemälde und Mosaiken.
Glaubenskurs und Liturgie
Die Ansagen sind ebenfalls sehr interessant, vermitteln sie doch ein Spiegelbild des alltäglichen Gemeindelebens. Am Donnerstag findet im Rahmen eines Glaubenskurses ein Seminar zum Thema Gebet mit anschließendem Praxisteil statt. Bei "Herz Jesu" gibt es auch Alphakurse und Taufseminare. Die Gemeinde strahlt Relevanz für den Kiez aus. Diesem kommt sie ja letztlich auch durch den äußerst humanen Gottesdienstbeginn entgegen.
Im Verlauf des Gottesdienstes werden mindestens zehn Kirchenlieder mit Orgelbegleitung gesungen. Es gibt Abendmahl, eine Kollekte, mehrere Gebete inklusive des Vaterunsers und einen Segen zum Abschluss. Nach ziemlich genau einer Stunde ist der Gottesdienst zu Ende und die Besucher quellen hinaus auf die Fehrbelliner Straße oder die Schönhauser Allee. Draußen sitzt immer noch der Bettler.