Montag, 10. September 2018

Evangelische Allianz in Berlin

Die Evangelische Allianz kennt Otto Normalchrist eigentlich nur durch die Einladungen zur Gebetswoche Anfang des Jahres. In der letzten Woche besuchte ich ein Meeting von Verantwortlichen der Region Berlin und war überrascht.



Die Allianz-Gebetswoche gilt als das Flaggschiff der Deutschen Evangelischen Allianz. Grau-weißes Haar, muffige Gemeinderäume, uralte Lieder und Absitzen einer Pflichtveranstaltung sind die Assoziationen, die sich bezüglich der Gebetswoche eingebrannt haben. Die Allianz-Gebetswoche findet immer im Januar statt - oft begleitet von Kälte, Nässe, Schnee.

Entsprechend war auch meine Erwartungshaltung, als ich am Freitag die EFG Tempelhof ansteuerte. Einmal im Jahr trifft sich dort die Evangelische Allianz der Region und beredet die nächsten Aktivitäten. Als ich den Raum betrat, war ich jedoch überrascht:

Überraschung beim Alter

Etwa die Hälfte der Anwesenden war jünger als ich. Dynamische Pastoren aus Pankow, Prenzlberg oder Westend saßen an den Tischen und interessierten sich für eine Durchdringung der Stadt mit christlichen Inhalten. Eine Frau aus Tegel berichtete über das interkonfessionelle Gebet und Gebetskreise am Gymnasium ihrer Tochter. In Berlin gebe es sogar ein Gebetshaus, das 24/7 ausgelastet sei.

Es tut sich also etwas in Berlin. Insbesondere ist eine gravierende Verjüngung der Beter selbst festzustellen. Die jungen Aktivisten interessieren sich nicht mehr für konservierte Formen einer Januar-Gebetswoche, sondern beten, wo und wann es gerade passt. Eine ältere Teilnehmerin hatte sich das Frühgebet von Berufstätigen angeschaut und war beeindruckt über das Aufstehen zu nachtschlafender Zeit und die Intensität der Gebete.

Klimaveränderung in der Großstadt

Wie das Beispiel New York City zeigt, kann gemeinschaftliches Gebet und überkonfessionelles Handeln das Klima einer ganzen Stadt verändern. In New York City wurde klar definiert, dass eine große Stadt viele verschiedene Gemeinden braucht, um viele verschiedene Menschen erreichen zu können. Dort wird Diversität in Einheit gelebt - mit geistlichem Erfolg. Die Evangelische Allianz in Berlin hat auch solch ein Potenzial. Flankiert durch die drastische Verjüngung kann dieses Potenzial zur Entfaltung gebracht werden.

Von einmal pro Woche zu einer Woche pro Jahr

Als die Evangelische Allianz 1846 gegründet wurde, gab es eine Aufbruchsstimmung unter den evangelischen Christen. Die drei wichtigsten Ergebnisse der Gründungskonferenz in London waren das gemeinsame Gebet einmal pro Woche, die aktive Vernetzung von Gemeinden und ein Lebensstil, der Christen in der Gesellschaft sichtbar macht.

Das Gebet pro Woche wurde inzwischen auf eine Woche pro Jahr reduziert. Die anderen beiden Werte werden durch neue Gemeinden in der Stadt disruptiert. Das heißt, neue Gemeinden leben das einfach, während etablierte Gemeinden lieber im eigenen Saft schmoren und mal eben zur Allianz-Gebetswoche auf regionale Einheit machen.

Bei unseren Wanderungen durch die Stadt haben wir mehrere Parallelwelten erlebt, die oft nur wenige Meter voneinander entfernt existieren. Trotz sehr ähnlicher theologischer Prägung, gibt es keine Verzahnung. Dabei könnten Synergien entstehen, die sich positiv auf sämtliche Bereiche auswirken würden.

Gemeinsam

Die Evangelische Allianz in Berlin arbeitet sehr eng mit dem Gemeinsam für Berlin e.V. zusammen. Dieser verfolgt als Nebenschauplatz die gleichen Ziele wie die Allianz und bringt sogar Katholiken, Kopten und Orthodoxe an einen Tisch. Bei EINS sitzen die Christen unterschiedlicher Denominationen nicht nur an einem Tisch. Sie beten auch gemeinsam, haben gemeinsame Andachten und informieren sich gegenseitig über ihre Freuden und Herausforderungen. Daraus kann eine Bewegung entstehen, die tatsächlich die Stadt verändert - positiv wie New York City.

Das Treffen in der EFG Tempelhof war also eine positive Erfahrung mit einer Bewegung, die ich bisher als verstaubt und wenig relevant wahrgenommen hatte. Deshalb nahm ich mir eines der Informationshefte zur "Verantwortung der Christen in Staat und Gesellschaft" mit. Die Evangelische Allianz setzt sich nämlich auch im politischen Umfeld für biblische Werte ein und hat in Uwe Heimowski einen kompetenten Vertreter bei der Bundesregierung.

Die Evangelische Allianz bildet die Schnittmenge aus Christen, die ihre Basis in Jesus und der Bibel sehen und theologische Unterschiede wie das Tauf-Alter, die Form des Abendmahls, die Leitungsstrukturen und andere Sekundärthemen um der Einheit willen außen vor lassen können.