Freitag, 1. Dezember 2017

Christ erscheint vor dem 1. Advent

Die Ereignisse des heutigen Tages bieten eine Steilvorlage für Predigten zum ersten Advent. Während vier Sonntage lang symbolisch auf die Ankunft (Adventus) von Jesus gewartet wird, ist heute in Berlin der Christ erschienen.



Eine bunte Schar einfacher Menschen blickte auf den großen Stern - Herrnhut. Dieser wird in wenigen Tagen das Innere des Präsidialamtes erhellen. Die rauen Männer und wenigen Frauen waren in ihrer Arbeitskleidung gekommen und warteten auf das Signal. Als ihre Hirtin kam, folgten sie ihr über das holperige Pflaster des Gartens in ein festlich erleuchtetes Haus.

"Lasset uns hinaufgehen", heißt es in Lukas 2 Vers 15. So stieg die bunte Schar erst eine Treppe, dann noch eine Treppe und schließlich auf ein hölzernes Podest hinauf. Dort positionierten sie die Kameras.

Christ, weise Männer und Geschenke

Kurz nach elf erschien der Christ - sein Vorname: Josef. Ort: kein Stall mit Krippe, sondern ein Schloss - das Schloss Bellevue am Großen Stern.

Statt Caspar, Melchior und Balthasar waren Männer eines vergleichbaren Ranges zugegen: Frank-Walter Steinmeier, Thomas de Maizière und Andreas Voßkuhle. Wie die Weisen aus dem Orient hatten auch sie eine Schatulle mit wertvollem Inhalt dabei: Das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland.

Abweichend von den Berichten aus Matthäus 2 wurde diese Schatulle nicht dem Josef Christ überreicht, sondern seinem Vorgänger Wilhelm Schluckebier. Schluckebier und Christ stehen der Christ-Demokratie sehr nahe.

12 Jahre

12 Stämme Israel, 12 Apostel, 12 Jahre Amtszeit eines Verfassungsrichters. Obwohl seine 12 Jahre noch nicht vollendet waren, wurde Wilhelm Schluckebier vorzeitig entlassen. Er bekam heute sogar eine Entlassungs-Urkunde. Entlassung ist ein Wort, bei dem wohl jeder Arbeitnehmer zusammenzuckt. Wilhelm Schluckebier trug es mit Fassung und Freude. Die etwa 30 Gäste applaudierten sogar. Vor wenigen Tagen hatte er seinen 68. Geburtstag gefeiert und war damit dem Dämpfungsfaktor Alter erlegen. Das ist ein durchaus biblisches Prinzip für die Karriere eines Leviten - pardon Verfassungsrichters.

Wilhelm Schluckebier war im Strafrecht zu Hause und musste sich mit einigen neuen Themen wie Kopftüchern, Flüchtlingen und der elektronischen Fußfessel beschäftigen. Er galt als besonnen und fachkompetent. Auf mich machte er einen sehr bescheidenen, freundlichen und insgesamt sympathischen Eindruck.

Christ, Big Data und Familie

Sein Nachfolger, Josef Christ, kennt sich mit Big Data, Wirtschaft und Vermögen aus. Er kommt aus dem südlichsten Süden Süddeutschlands. Mit dem neuen Arbeitsort Karlsruhe kommt er seiner Familie sehr entgegen. Diese hatte dem schwäbischen Umzugs-Hype nach Berlin erfolgreich widerstanden. Der Bundespräsident ging darauf sogar in seiner Rede ein.

Auch Josef Christ darf nur eine biblische Zahl von 7 Jahren im Amt bleiben, da er bereits 61 ist. Das sieht man ihm nicht an. Dennoch eine weise Regelung, die auch auf Gemeinden und parakirchliche Organisationen adaptiert werden könnte.

Nach einer halben Stunde verschwanden Christ und Gäste im großen Saal. Die Männer und Frauen auf dem hölzernen Podest packten ihre Habe zusammen und verließen freudig den Ort. Hatten sie doch heute viel erlebt und den Schwur von Josef Christ gehört, der mit den Worten endete: "So wahr mir Gott helfe."

Video: Wechsel beim Bundesverfassungsgericht