Nach dem 1. Samuel ist folglich der 2. Samuel dran. Auch dieses Buch aus dem Alten Testament ist harte Kost. Da ich wusste, was darin passiert, zögerte ich diesmal mit dem Weiterlesen. Der angeborene Drang zum Durchlesen setzte sich aber durch.
"Beni-------i Avschalom, Beni-------i", weinte David seinen Schmerz hinaus (2. Samuel 18,33). Fassungslos standen die Boten vor ihm. Gerade hatten sie ihm die freudige Nachricht überbracht, dass sein Feind getötet worden war. Sein Feind, sein eigener Sohn: Absalom - wie die Vulgata den Namen in unsere Buchstaben fasst.
Mit qol gadol - einer großen Stimme - wiederholte David den Aufschrei in Kapitel 19 Vers 4. Sein Heerführer Joab war das Morden gewohnt und hatte nun auch den Sohn des Königs getötet, entgegen dem ursprünglichen Befehl. Ganze acht Verse brauchte David, um sich zu erheben und im Stadttor Platz zu nehmen. Das Volk war frustriert darüber, dass David offensichtlich seine Feinde liebt und seine Freunde hasst (19,6).
Wie das Unheil seinen Lauf nahm:
Als ich diesen Text vor ein paar Jahren erstmalig auf Hebräisch las, wurde mir die ganze Tragweite der Situation bewusst. Der tiefe Schmerz, der durch David ging. Absalom war nun schon der zweite Sohn, der gewaltsam ums Leben gekommen war. Ein dritter Sohn war sieben Tage nach der Geburt gestorben. Und damit hatte alles begonnen...
Eine Segenslinie zieht sich von 1. Samuel 16 bis ins 10. Kapitel des 2. Samuel-Buches. Kapitel 11 beginnt daher fast idyllisch mit der Jahreszeit, in der die Könige damals zum Krieg auszogen, David auf der Dachterrasse entspannte und eine Nachbarin ein Bad nahm. Kurz darauf war die Nachbarin schwanger und der treue Ehegatte der Nachbarin überbrachte dem oben erwähnten Joab sein eigenes Todesurteil - einen Brief, geschrieben von König David. Der Plan ging auf, der Ehemann starb und Nathan kam.
Weiterleben mit Auflagen
Nathan war der Prophet, der öfter mit David sprach und ihm auch unangenehme Dinge sagen konnte. In Abwägung der innigen Beziehung, die der König bisher zu Gott gehabt hatte, durfte David zumindest weiterleben (12,13).
Noch in Kapitel 12 starb das Kind und David atmete auf. Hatte er doch damit das erste Gericht Gottes überstanden. In Kapitel 13 nahm das Verhängnis seinen weiteren Lauf: Davids Sohn Amnon vergewaltigte die Schwester Absaloms - sie hatten unterschiedliche Mütter. David hörte zwar davon und war sehr traurig - unternahm aber nichts.
Absalom konnte sich bemerkenswert gut beherrschen. Zwei Jahre lang ließ er sich nichts anmerken und erschlug dann bei einer Party seinen Halbbruder Amnon. Damit war Absalom der neue Erstgeborene und musste fliehen. Drei Jahre lang lebte er im Exil. Dann holte ihn Joab zurück nach Jerusalem. Es dauerte weitere zwei Jahre bis Absalom endlich seinen Vater sehen durfte. Der Wortwahl nach muss die Begrüßung ähnlich emotional verlaufen sein, wie die des verlorenen Sohnes.
Absalom baute seinen Einfluss aus und fühlte sich irgendwann so stark, dass er gegen seinen Vater putschte. Er nahm sich die Nebenfrauen Davids und erfüllte damit einen Teil der Prophetie Nathans. Es kam zum Kampf zwischen Absaloms Heer und Davids Leuten unter Joab. Das Ende kennen wir bereits: "Mein So-------ohn Absalom, mein So-------ohn".
Ganze 11 Kapitel wird der Bibelleser zum Mitleiden angeregt. Erst in 2. Samuel 22 wird diese Linie der Konsequenzen durchbrochen.
Negativ-Beispiele
Beim gedanklichen Scan der Bibel fielen mir erschreckend viele Personen ein, bei denen die Biografie ins Negative gekippt war: Adam, Eva, Saul, Gideon, Hiskia, Salomo, Hannanias, Zafira, Judas, Bileam, Gehasi.
Ihre Fallstricke waren Habsucht, Eigenwille, Erfolg, Toleranz, Angst und Eitelkeit.
Im Leben von Herodes, Ahab, dem Gelähmten vom Teich Bethesda oder Kain gab es zwar göttliche Begegnungen, aber keine Änderung. Sie blieben bis zum teilweise unappetitlichen Tod in ihrer gottesfernen Biografie verhaftet.
Positiv geändert
Wer hatte sich im Alten Testament eigentlich positiv gewandelt? Jesaja? Naomi? Manasse? Nebukadnezar? Ja, Nebukadnezar ist ein gutes Beispiel aus dem Daniel-Buch.
Von Daniel wird so berichtet, als sei er immer schon ein Freund Gottes gewesen. Gleiches ist bei Henoch, Noah, Abraham, Melchisedek und Hiob der Fall.
Im Neuen Testament fallen mir ad hoc mehr Biografien ein, die sich radikal zum Positiven gewandelt hatten - mal abgesehen von der Metapher des verlorenen Sohnes. Da gibt es den Hauptmann Cornelius, den Zöllner Zachäus, den Zöllner Matthäus, Maria von Magdala, den Gefängnisleiter von Philippi, Paulus, die Korinther, die Epheser und Petrus - um nur einige zu nennen.
Wie kann ein Kippen der Biografie verhindert werden?
Schauen wir uns dazu noch einmal David ab 2. Samuel 12 an:
Zunächst hörte er sich aufmerksam an, was Nathan zu sagen hatte. Er beurteilte die Situation nach göttlichen Maßstäben. Diese waren tief in ihm verwurzelt. Final kommentierte er die Situation mit: "Ich habe gegen den Herrn gesündigt". David war also nicht beratungsresistent. Er hörte und bekannte.
David trug die Konsequenzen seines Handelns - mit Gottes Hilfe. Er übernahm die Verantwortung für sein Fehlverhalten und versuchte es nicht zu übertünchen oder anderen in die Schuhe zu scheiben. Letzteres hatten ja Adam und Eva gemacht und mussten in der Folge den Garten Eden verlassen.
David wusste, dass das Leben weitergeht. Deshalb stand er auf, suchte die Nähe Gottes und lebte weiter. Dieses Prinzip wird bereits in Kapitel 12,19-20 deutlich: David hatte sich nach der Vollendung der ungewollten Schwangerschaft auf den Erdboden geworfen - iacuit super terram - und gefastet. Nach sieben Tagen starb das Baby und die Diener wussten nicht, wie sie es David beibringen sollten, bis er selbst nachfragte. Dann lesen wir: "Als sie ihm antworteten, dass er tot ist, stand David vom Erdboden auf".
Davids Sohn Salomo, der Bruder des verstorbenen Babys, schrieb dazu in Sprüche 24, 16: "Denn der Gerechte fällt siebenmal und steht wieder auf; aber die Gottlosen stürzen nieder im Unglück."