Samstag, 2. Juni 2018

Geduld: Savlanuth und die defekte Hupe

Savlanuth ist Hebräisch und wird mit Geduld übersetzt. Geschwindigkeit kann ein wichtiger Motivator sein, der mit Savlanuth kollidiert. In den letzten Tagen gab es Situationen, die mich der Savlanuth näher brachten.


Es begann mal wieder kurz vor Ablauf der Garantiezeit. Bei einem beherzten Linkseinschlag fing meine Hupe an zu hupen. Wahrscheinlich der Schalter verklemmt. In den folgenden Tagen geschah das immer öfter - bei Linkskurven, bei Bodenwellen und im Stand. Da die Erwartung des Werkstatt-Termins einige Geduld erforderte, ließ ich die Sicherung 62 ziehen. Das war eine Sofort-Lösung, die keine Geduld erforderte.

Mit gezogener Sicherung 62 nahm ich dann einige Wochen am Straßenverkehr teil. Das ist in Deutschland unkritisch, da für den normalen Fahrbetrieb keine Hupe gebraucht wird. Zumindest widerspricht eine Hupe der verkehrstechnischen Lebenserfahrung. In Ländern des südlichen und westlichen Europas mag das anders sein. Es gab allerdings einen Haken: Ich konnte die vor mir wartenden Verkehrsteilnehmer nicht mehr darauf hinweisen, dass es soeben Grün geworden war.

Was ist dein Antrieb?

Ein Hammerschlag gegen meine Psyche. Hatte ich doch vor zwei Jahren einen Test mitgemacht, bei dem es um unsere Antriebskräfte ging. Es gab fünf Antriebe zur Auswahl:

- Perfektionismus: Sei perfekt!
- Geschwindigkeit: Mach schnell!
- Anstrengung: Streng dich an!
- People Pleaser: Mach es allen recht!
- Stärke: Sei stark!

Nach der Beantwortung von 50 Fragen stand fest, was mir auch vorher schon klar war: Geschwindigkeit ist mit deutlichem Abstand mein Antrieb Nummer Eins. Dann eine Weile nichts. Dann auf etwa gleicher Höhe die Antriebe Perfektion, Anstrengung und Stärke. Es allen recht zu machen, treibt mich so gar nicht an.

Ungeplante Lektion in Geduld

Und dann fiel die Hupe aus. Eine willkommene Gelegenheit, mal über Savlanuth (סבלנות) in der Alltagspraxis nachzudenken. Wann immer ich an einer Grün gewordenen Ampel von anderen Verkehrsteilnehmern blockiert wurde, dachte ich an meinen Antrieb und an Savlanuth. Savlanuth und die gezogene Sicherung 62 halfen mir, eine gewisse Entspanntheit in die Ampelsituation hineinzubekommen.

Nachdem die Hupe dann wieder repariert war, gab es eine nächste Lehreinheit zur Geduld. Zu Fuß war ich unterwegs zum S-Bahnhof. Ich wollte mit der Bahn zu einer der vielen Veranstaltungen zum 70. Geburtstag von Israel fahren. Das Timing war super. Schnellen Schrittes betrat ich die Drehtür des Einkaufszentrums vor dem S-Bahnhof. Genau in der Mitte stellte die Tür ihre Bewegung ein. Ich blickte auf die Uhr. Und was dachte ich in diesem Moment? "Israel - Savlanuth - Passt ja!"

Das nahm den Stress aus der Situation. Nach zwei Minuten oder so lief die Drehtür wieder an und ich schaffte tatsächlich noch die begehrte S-Bahn.

Viele Betroffene

Geduld alias Savlanuth ist eine große Herausforderung für viele Zeitgenossen. Bei einem Test in der Männergruppe der LKG Eben Ezer stellte sich heraus, dass viele von ihnen ähnlich ticken wie ich. Einer davon ist nun im Ruhestand und hetzt so durch die Gegend, dass Einladungen zur Grillparty oder zum Gebetsabend nicht mehr in den Kalender passen.

Geduld ist erlernbar!

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Savlanuth erlernbar ist. Etwa 2014 hatte ich damit begonnen, auf Urlaubsreisen konsequent E-Mails und Handy zu ignorieren. Allein SMS bezüglich von Server-Abstürzen oder Anrufe von der Alarmanlage meines zu Hause gebliebenen Autos wurden behandelt.

Zunächst praktizierte ich das bei einwöchigen Trips. Das steigerte sich dann auf drei Wochen Kommunikations-Pause während anschließender Reisen. Das klappt tatsächlich gut, auch wenn gelegentlich nach drei Wochen eine vierstellige Anzahl von Mails sortiert werden muss. Aber egal: Die bewusste Entschleunigung schafft eine Tiefenentspannung, aus der heraus die aufgelaufenen Themen bearbeitet werden können. Vieles hat sich dann zwischenzeitlich ohnehin von selbst geklärt.

26 Stunden ohne Internet

In dieser Woche waren bei uns für 26 Stunden Telefon und Internet ausgefallen. Die Kinder putzten die Wohnung, der Abwasch wurde erledigt, die Wäsche wurde gewaschen, Sport getrieben, Datensicherungen gefahren, die Mikrowelle repariert und Kapitel über Kapitel in der Bibel gelesen. Die besondere Kunst der Geduld besteht ja darin, sich in der Zwischenzeit anderweitig zu beschäftigen.

Als das Internet dann wieder da war, hatte die Sucht nachgelassen. Mein Sohn spielte weiter Ukulele, meine Tochter machte Hausaufgaben und ich schaltete den Rechner einfach aus, nachdem ich das Tagesgeschäft erledigt hatte. Geht alles!

"Geduld tut Not", lesen wir in Hebräer 10 Vers 36. Geduld und Entschleunigung können unserem Leben auch einen guten Antrieb liefern.