Freitag, 24. April 2020

#COVID19 - bald wieder Offline-Gottesdienste

Seit zwei Wochen wird in der Bundespressekonferenz regelmäßig gefragt, wann und unter welchen Auflagen wieder Gottesdienste stattfinden dürfen. Gemeint sind damit Gottesdienste vor Ort in den Gemeinderäumen.



Es habe "ausgesprochen hilfreiche Gespräche" gegeben. Am 17. April 2020 hatten sich Vertreter der Religionsgemeinschaften erstmalig mit Staatsekretär Kerber im Innenministerium getroffen. Schnell hatten sie sich auf die Einrichtung einer Arbeitsgruppe verständigt. Ziel war die Erarbeitung eines Konzeptes zum Wiederanlauf von Gottesdiensten und Veranstaltungen in den Gemeinderäumen.

Eine große Zeitung war von der Verschleppung des Vorgangs durch die muslimische Seite ausgegangen. Das konnte vom Ministerium nicht bestätigt werden. Alle Zuarbeiten seien fristgerecht eingegangen - eine zweistellige Anzahl von Vorschlägen. Daraus sei ein "gutes, tragfähiges Konzept" erarbeitet worden. Momentan werde es durch das Robert Koch-Institut geprüft. Auch die Bundesländer schauen noch einmal drüber.

Gerade Letztere überholen die Kanzlerin gerne mal bei der Lockerung der Corona-Regeln. In diplomatisch gefärbtem Deutsch bezeichnet man das als "unterschiedliche Entwicklung". Deshalb bleibt abzuwarten, ob sich die Länder und einzelnen Gemeinden an die Vorgaben des Konzeptes halten. Einige Gemeinden könnten im Überschwang der Harmonie für eine wundersame Infektionsvermehrung sorgen. Eine freikirchliche Konferenz mit über 2.000 Teilnehmern im Februar im Elsass hatte in diesem Zusammenhang für erhebliche mediale Aufregung gesorgt.

Die oben genannte Arbeitsgruppe bestand aus Vertretern der evangelischen, katholischen und orthodoxen Kirche sowie des Zentralrats der Juden und des Koordinierungsrates der Muslime. In der Sache "baldige Versammlungen nach Corona" waren sich alle einig und konnten deshalb konstruktive Ergebnisse erzielen. Eine ungewohnte Einheit wie derzeit in der Großen Koalition.

Allein die Freikirchen mit ihren 1,3 Millionen Mitgliedern waren nicht an der Ausarbeitung der Konzepte beteiligt. Den Freikirchen fehlt ein entsprechender Dachverband. Auch wenn sich die Deutsche Evangelische Allianz als solch ein Dachverband ansieht, scheint sie doch von der Politik nicht wirklich wahrgenommen zu werden. Auch bei ihrer Zielgruppe hat sie eher ein verstaubtes Image, das einmal im Jahr durch die Allianz-Gebetswoche in Erscheinung tritt.

Modernen Freikirchen kann Corona nahezu egal sein. Ihre zahlreichen Gottesdienstbesucher verfolgen die Predigten und den Lobpreis auch gerne von zu Hause aus. Kleingruppentreffen gestalten sie per Videokonferenz. Parallel dazu wird die leidende Gastronomiebranche durch Pizza-Bestellungen unterstützt. Auch wir haben uns inzwischen an internationale Gottesdienste per Livestream gewöhnt.

Sonntag, 19. April 2020

Gospelhouse Baden-Baden und die tierisch gute Predigt

Auf der Suche nach weiteren interessanten Online-Gottesdiensten schlug unsere Tochter das Gospelhouse Baden-Baden vor. Das Gospelhouse Baden-Baden hatte sie als Unterstützer ihres Schulprojektes in Madagaskar kennengelernt.



Neun Uhr war für uns so früh, dass wir den Livestream anhalten mussten. Mein Sohn quälte sich aus dem Bett und wir stopften noch hastig die letzten Bissen des Frühstücks rein. Neben dem angehaltenen Video aus dem Gospelhouse Baden-Baden wurden bereits herzliche Grüße aus Südafrika, Süddeutschland, Berlin und anderen Orten ausgetauscht. Es wurde auch ein gewisser Rainer gegrüßt. Eine weitere Beteiligung am Chat wurde mir untersagt, weil meine Frau eingeloggt war.

Die journalistische Regel "Hintergrund macht Bild gesund" hatte das Gospelhouse verinnerlicht und projizierte grüne Palmblätter auf die Wand hinter der Lobpreisband. Letztere bestand aus vier Personen, die sich bemühten, den vorgeschriebenen Corona-Abstand einzuhalten. Vielleicht wohnten sie aber auch im selben Haushalt. Es gab einige mitreißende Lieder, zu denen der Text eingeblendet wurde. Wir kannten diese und konnten mitsingen.

Nach der Kollekte mit Hinweis auf PayPal und andere Kontoverbindungen folgte ein weiteres Lied. Dann begann die Predigt. Diese war der vierte Teil einer Predigtreihe zu herrschaftlichen Tieren der Bibel mit dem Titel "tierisch gut". Adler, Lamm und Löwe waren bereits thematisiert worden als König der Lüfte, Lamm Gottes und Löwe von Juda. Heute war der Hirsch dran. Der Hirsch taucht in der Bibel recht selten auf und wurde uns als König des Waldes vorgestellt.

Die Gedanken schweiften ab zu einer Diskussion, die ich vor ein paar Tagen über das Erlegen von Wildschweinen geführt hatte. Man brauche dafür ein Jagdgewehr mit hoher Durchschlagskraft. Die Kugel müsse die richtige Stelle treffen und das Tier komplett durchbohren. Wegen der weiterfliegenden Kugel weist die Berufsgenossenschaft regelmäßig auf den Kugelfang hin. Vom Hochstand aus landet die Kugel normalerweise im Erdboden. Ein Horizontalschuss könnte dem erlegten Tier jedoch noch einen Pilzsucher oder Wanderer beigesellen.

In der Predigt ging es aber nicht um die Jagd. Ein Hirsch werde - so er nicht gejagt wird - etwa 20 Jahre alt. Seine Höhe entspricht dem Abstand, der aktuell für Corona vorgeschrieben ist: 1,5 Meter. Im Schwarzwald gebe es Rothirsche und Damhirsche. Vor Corona hatten sie sich immer weiter in den Wald zurückgezogen, weil doch zu viele Menschen Pilze suchend, wandernd oder jagend durch den Schwarzwald gestreift waren. Jetzt, wo sich die Menschen zurückgezogen haben, können sie sich wieder etwas weiter hinauswagen.

Zwei wesentliche Dinge werden in der Bibel über den Hirsch berichtet: Er lechzt nach frischem Wasser und er kann Hindernisse überspringen. Pastorin Nicole Oppermann baute ihre kurze und knackige Predigt um die Eigenschaften und Verhaltensweisen des Hirsches auf und schlug weitere Brücken zu unserer Beziehung mit Gott.

Verliert ein Hirsch beispielsweise sein Geweih, dauere es hundert Tage, bis dieses nachgewachsen ist. In dieser Zeit überziehe eine gut durchblutete Haut das Geweih. Wenn es ausgewachsen ist, streife der Hirsch diese Haut ab. Nicole Oppermann verglich das mit dem Wachstumsprozess eines Christen, der alte Gewohnheiten abstreife und als stärker gewordener Christ daraus hervorgehe.

Nach weniger als 40 Minuten war der Online-Gottesdienst zu Ende. Die Familie verkrümelte sich in sämtliche Bereiche der Wohnung. Nur ich blieb auf der Couch liegen: Soll ich aufstehen? Und dann? Erstmal duschen oder gleich den Artikel schreiben?

Freitag, 17. April 2020

Hope is Rising mit Campus für Christus

Campus für Christus ist eigentlich eine Studentenbewegung. Heute schauten wir uns den Livestream Hope is Rising an.



Ein guter Freund, der inzwischen seinen Vorruhestand auslebt, informierte uns nun schon zum zweiten Mal über Hope is Rising. Die Werbung war reißerisch aufgemacht und soll vermutlich die Zielgruppe von Campus für Christus ansprechen: Studenten. Da auch wir uns noch jung fühlen, verabredeten wir uns zu 20 Uhr im Wohnzimmer und schalteten den Beamer ein.

Meine Frau hatte schon den ganzen Tag verzweifelt ihre Hörgeräte gesucht. Den ganzen Tag über kam es zu akustischen Missverständnissen. Aber Dank Campus für Christus fanden wir die kleinen Hilfsgeräte - beim Aufklappen des Laptops.

Der Livestream war bewusst als Amateurvideo deklariert. Dennoch enthielt er professionelle Anteile. Das Programm war sehr abwechslungsreich. Wichtig, wenn man eine Online-Community für 90 Minuten bei der Stange halten will. Es gab eine Einleitung aus der Schweiz. Dann folgten Hip Hop von O Bros und ein kurzer Input aus dem Keller eines Campus-Leiters. Der Keller war in morbidem Grün gestrichen.

Es folgten mehrere rockige Musikstücke von Planet Shakers aus Australien. Wir fragten uns, wie die das mit den acht Stunden Zeitunterschied zwischen Melbourne und Deutschland machen? Vermutlich doch eine Aufzeichnung. Im Internet lässt sich sowas leicht kaschieren. Es folgte ein weiterer Input aus dem ICF München. Dabei lernten wir, dass die Quarantäne eine biblische Grundlage hat. Das Wort Quarantäne leitet sich vom lateinischen Wort quadraginta (vierzig) ab. Das ist die Zeit, die sich Kranke absondern sollen, bis sie genesen oder nicht mehr ansteckend sind.

Zum Abschluss von Hope is Rising wurden zwei weitere Lieder gespielt. Der Ton war leider völlig übersteuert. Aber das passiert eben bei einem Livestream. Danach verließen Frau und Tochter das Wohnzimmer. Die Nähmaschine im Schlafzimmer setzte ihr Werk fort: Gesichtsmasken.

Ein Reinschauen bei Hope is Rising lohnt sich durchaus. Man lernt neue Bands kennen und bekommt mehrere Inputs von fitten christlichen Leitern. Allein der Moderator mit seinem weißen Feinripphemd war heute etwas anstrengend.

Freitag, 10. April 2020

Karfreitag mit Lobpreis aus Nigeria

Corona hat den Charme, dass man Gottesdienste überregional erleben kann, ohne das Haus verlassen zu müssen. Am Karfreitag sangen wir bei einem Lobpreis mit, der aus Nigeria geliefert wurde.



Saddleback Berlin ist eine internationale Gemeinde, die bei 300 Mitgliedern und Freunden etwa 50 Nationen repräsentiert: Europäer, Asiaten, Australier, Nord- und Südamerikaner, echte Berliner und Afrikaner. Auch beim Lobpreisteam steht selten dieselbe Nation zweimal auf der Bühne.

Lobpreisleiter Diazno ist Nigerianer. Mitte März hatte er sich in seine Heimat aufgemacht. Dort wollte er heiraten - eine Nigerianerin. Zweimal dieselbe Nation bei Saddleback? OK, unsere Familie besteht auch zu 100% aus eingeborenen Berlinern. Ansonsten sind internationale Familien absolut üblich. Team.F bietet für regelmäßig auftretende Spannungen zwischen den Kulturkreisen Seminare an.

Kaum verheiratet, stand das Paar plötzlich vor geschlossenen Flughäfen und Grenzen. Egal, sie haben sich und das Internet. Dazu gibt es zwischen Deutschland und Nigeria nur eine Stunde Zeitunterschied.

Gelegentlich hört man das Wort Nigeria in den Nachrichten. Einige Deutsche wissen noch, dass Nigeria in Afrika liegt. Aber wo dort? Am besten erklärt sich das wohl mit der Sahel-Zone. Diese erstreckt sich über den Norden Afrikas von Westen bis Osten und umfasst die riesigen Wüstenflächen von Mali, Niger, Tschad und Sudan. Nigeria liegt direkt südlich von Niger und hat im Süden einen langen Küstenstreifen zum Atlantik.

Etwa 50% der Bevölkerung Nigerias sind Christen. Diese leben im südlichen Teil des Landes. Im Norden - also Richtung Sahelzone - leben die etwa 40% Moslems. Rebellengruppen gibt es im gesamten Land. Diese scharen sich um die vielen Goldvorkommen. Das Gold wird in der Regel nach Sudan oder Äthiopien transferiert und anschließend über Katar, Indien und die Schweiz gewaschen. Danach kommt es zur Terrorfinanzierung in die Region zurück. Erwähnt sei auch das Thema Fake-Rechnungen für Außenhandelsgeschäfte. Diese machen über 50% des Außenhandelsvolumens aus. Apropos Handel: Nigeria ist führend im Menschenhandel. Begünstigt wird das durch die regionalen Flüchtlingsbewegungen. 2019 gab es 2,2 Millionen Inlandsflüchtlinge. Für 2050 wird eine Verdreifachung der Bevölkerung erwartet.

Diazno und seine Frau setzten sich heute auf ihre Couch in Nigeria. Dahinter ein Bild, das Jesus als Löwe und König darstellt. Dann wurde die Kamera eingeschaltet und es ging los. Diazno und seine Frau rissen uns musikalisch mit. Teilweise waren sie in ihrem Gesang so gefangen, dass sie sich aus dem Fokus der Kamera bewegten. Dabei hatten sie nur eine Gitarre und zwei Stimmen. Das aber perfekt aufeinander zugeschnitten. Der Lobpreis ging etwa eine Stunde und wurde nur durch einen kurzen Input und Gebete unterbrochen.

Wir sind gespannt, wann wir Diazno und seine Frau live in Berlin auf der Bühne sehen werden.

Sonntag, 5. April 2020

Hillsong Australien im Livestream

Wenn schon Online-Gottesdienst, dann gerne auch mal richtig international. Deshalb entschieden wir uns heute für die ganz andere Seite der Erdkugel und waren gespannt auf den Gottesdienst von Hillsong Australien.



Niemand aus der Familie konnte auf Anhieb sagen, wie viele Stunden Zeitunterschied zwischen uns und Australien liegen. Die AEST (Australien Eastern Standard Time) gilt in Sidney und ist uns acht Stunden voraus. Klingt recht wenig. Hillsong ist sehr medienaffin und hat extra eine Domain für seine Livestreams eingerichtet: online.hillsong.com

Auf der Startseite gibt es jede Menge Kacheln, die zu den verschiedenen Standorten von Hillsong führen oder zu speziellen Themen. Irgendwann hatten wir uns zum aktuellen Gottesdienst durchgeklickt. Dieser wurde zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Sprachen angeboten: Mandarin klang gesund, wäre aber an der Sprachbarriere gescheitert. So entschieden wir uns für einen Gottesdienst auf Englisch, der um 11:30 Uhr unserer Zeit starten sollte.

Kaum war der Countdown auf null gezählt, saß die Familie vor der Leinwand und wartete gespannt auf das australische Programm. Zunächst trat meine Lieblingsbesetzung von Hillsong United auf. Vier Musiker plus einer unbekannten Anzahl von Kameraleuten waren in einem Studio zusammen. Abstand weniger als 1,5 Meter und kein Mundschutz. Oberhalb des Videos hatte Hillsong einen Text angebracht, dass die Aufnahmen nach den gesetzlichen Corona-Regelungen angefertigt worden seien. In Australien wird ja einiges lockerer gesehen als hier.

Nach drei Liedern, die meine Kinder sogar kannten, wurde auf eine Bühne umgeschaltet. Dort stand Brian Houston. Zusammen mit seiner Frau hatte er 1983 die Hillsong Bewegung angestoßen. Die damals gegründete Gemeinde in Sidney hieß "Hills Christian Life Centre". Das extrem schnelle Wachstum bis in den fünfstelligen Bereich hinein mündete in eine weltweite Gründung von Gemeinden. Der Name "Hillsong Church" wurde 1999 eingeführt. Wer eine Hillsong-Gemeinde in seinem Heimatort betreiben möchte, muss bestimmte Standards erfüllen und sich dem zentralen Franchise-Konzept unterordnen. So ist es kaum verwunderlich, wenn der Gottesdienst in Berlin rein liturgisch dem Vorbild in Sidney folgt.

Zurück zur Liturgie: Zunächst warb Brian Houston um Spenden. Dass das eine Weile dauern kann, war uns noch gut vom jüngsten Besuch bei Hillsong Berlin bekannt. Nur, dass die Australier die Ausführungen des Pastors mit einem Clip über die Einfachheit des Spendenvorgangs flankierten. Als rein fiktiver Betrag wurden 100 $ dargestellt. Als dann jedoch die Auswahl "weekly" (wöchentlich) gezeigt wurde, fielen unsere Kinnladen nach unten.

Nach der Kollekte folgte die Predigt. Diese war gut strukturiert und hatte einen klaren roten Faden. Es ging um Namen. Den eigenen Namen, die Namen Gottes, die Änderung von Namen und den Segen, der mit Namen verbunden ist. Brian Houston untermalte das mit sehr vielen Bibelstellen. Die Länge der Predigt wurde von den Kindern durch entsprechende Körperhaltungen quittiert: Meine Tochter lag von der Couch bis zum Sessel bäuchlings auf dem Wohnzimmertisch. Gleichzeitig diente der Wohnzimmertisch als Auflage für die Stirn meines Sohnes. Wir hatten ihm verboten, sein Handy aus der Hosentasche zu holen.

Zum Gebet positionierten sich alle wieder. Ich machte Dehnungsübungen mit der Wade. Als Abschluss wurden noch zwei Stücke von Hillsong United gespielt. Das zweite Stück war vermutlich eine ältere Aufzeichnung. Denn der Saal und die Bühne waren nachweislich voll mit Musikern und Gottesdienstbesuchern. Oben rechts flimmerte immer noch der Hinweis, dass alle Aufnahmen nach den aktuellen Corona-Regeln angefertigt worden waren.

Samstag, 4. April 2020

Johannes Hartl online aus dem Gebetshaus Augsburg

Links zu Videos von Johannes Hartl aus dem Gebetshaus Augsburg bekomme ich oft zugespielt. Heute habe ich mich erstmalig auf ein solches Video eingelassen.



Wenn mir liebe Freunde bisher einen Link zu Johannes Hartl übermittelt hatten, hatte ich relativ schnell draufgeklickt - insbesondere wenn per WhatsApp meine Antwortzeit evaluierbar war. Das Video selbst erlebte dann regelmäßig ein Absprungtiming, das unter einer Minute lag. Gründe waren das Erblicken der Laufzeit des Videos, die Einleitung mit Hebraismen gefüllten Sätzen und dieser an eine Badeanstalt erinnernde beige-graue Noppenhintergrund. Hebräisch finde ich zwar tendenziell ganz nett, aber doch bitte nicht mitten am Tag zwischen E-Mail-Check und dem Absprung zu McFit.

Nach drei Wochen ohne McFit und unzähligen E-Mail-Checks beschloss ich einen neuen Versuch mit Johannes Hartl. Schnell verzogen sich die Kinder in ihre Zimmer. Meine Frau war bereit zum Mitgucken. Gerade war wieder eine Einladung über Campus für Christus gekommen. Den Live-Stream hatten wir aber verpasst. Während Corona verliert man jegliches Zeitgefühl. Deshalb schauten wir auf dem YouTube-Kanal des Gebetshauses Augsburg nach. Der Kanal hat stattliche 43.500 Abonnenten und knapp 12 Millionen Videoaufrufe.

Zum Warmgucken schauten wir uns einen 90-Sekunden-Clip über professionelle Hilfe bei Psychosen an. Man brauchte schon strake Nerven für die Kombi aus gelbem Sessel und mittelalterlichem Schwarz-Weiß-Hintergrund mit großen roten Flecken. Ein leichter Touch von Tatortreiniger. Dann wagten wir uns an ein einstündiges Video mit dem Titel "Krisen bewältigen".

Das dunkel geblümte Sakko von Johannes Hartl kompensierte den beige-grauen Noppenhintergrund. Wir konzentrierten uns auf den katholischen Theologen und dessen Worte. Bald hatten sie das optische Ambiente überlagert. Was der Mann sagte, hatte Hand und Fuß, war gut strukturiert und wurde permanent per Flipchart illustriert. Die dargelegte Vorgehensweise im Umgang mit Krisen deckte sich mit unseren Erfahrungen. Er ging darauf ein, dass man an Krisen reifen oder zerbrechen könne.

Komfort, Kontrolle und Freiheit gehörten zwar zu unserem allgemeinen Erleben. Diese seien aber nicht selbstverständlich. Corona beispielsweise könne innerhalb weniger Momente alle drei Komponenten wegbrechen lassen. Und das sei auch gut so, weil Krisen die Persönlichkeit eines Menschen reifen lassen. Gott schaffe zwar selbst keine Krisen, aber er nutze diese zum Training von Menschen, die er anschließend für bestimmte Handlungen oder Positionen einsetzen möchte. Menschen, die Krisen erlebt haben und daran gereift seien, seien deutlich glücklicher als Menschen, die noch nie eine wirkliche Krise erlebt hätten.

Das Video war wirklich spannend und wurde deshalb wohl auch schon von 120.000 Leuten angesehen. Damit hat das Video Potenzial, als erstes die Schallmauer von einer Million zu durchbrechen. Es gibt auch ältere Videos mit sechsstelligen Zugriffszahlen, aber das Krisen-Video ist erst seit zwei Wochen online. Mal sehen, wann wir mal wieder den Kanal des Gebetshauses durchstöbern.

Sonntag, 29. März 2020

Gottesdienst im Schlafanzug: #icfathome wegen #COVID19

#COVID19 fördert neue Formen der Gottesdienstgestaltung und der christlichen Gemeinschaft. Videoaufzeichnungen und Livestreams von Predigten und Lobpreisungen sowie Kleingruppentreffen per WhatsApp, Skype und in anderen virtuellen Räumen.



Zwei Wochen selbst auferlegter Quarantäne sind nicht spurlos an uns vorbeigegangen: Mein Büro wurde mit Dampfreiniger gesäubert. Zwölf alte Projektordner wurden geschreddert. Teile des Gartenhauses und des Zaunes wurden gestrichen. Das Zimmer unserer Tochter wurde entrümpelt. Sie selbst musste auf ministerielle Anweisung ihr Freiwilligenjahr in Madagaskar abbrechen. Meine Frau sitzt auf Abruf zu Hause. Mein Sohn hat seit zwei Wochen keine Schule mehr und erledigt nun seine Hausaufgaben in Kombination mit Minecraft.

Wann er ins Bett gegangen war, konnte bisher nicht ermittelt werden. Jedenfalls hatte er unseren Auftrag zum Raussuchen eines Online-Gottesdienstes verpennt. Kurz vor elf regte sich etwas in seinem Zimmer, so dass er pünktlich zum Gottesdienst auf der Couch saß - im Schlafanzug.

Was Gemeindeversammlungen über Jahre hinweg nicht durchgesetzt bekommen, schafft Corona: Gottesdienstbeginn um elf. Elf Uhr ist eine geniale Zeit für Familien, Jugendliche und junge Erwachsene. In Gemeinden mit breiter demografischer Durchmischung scheitert die Verlegung des Gottesdienstes auf elf Uhr in der Regel am Widerstand der Senioren. "Aus Liebe zu den Geschwistern" quälen sich dann sämtliche Altersgruppen um zehn, um neun oder noch früher ins Gemeindehaus. In einigen Regionen Deutschlands wird der Gottesdienst auch nach der Zubereitungszeit der Klöße festgesetzt. In diesen Regionen kommt nun das zeitversetzte Ansehen von YouTube-Gottesdiensten ins Spiel.

Da wir um elf zu viert im Wohnzimmer saßen, konnten wir den Lobpreis und den Gottesdienst in Echtzeit miterleben. Kurz zuvor hatten wir uns noch die humoristischen Einlagen von Dave Schnitter (Mosaik Berlin) und Rob & Holly McGee (Saddleback Berlin) angeschaut. Mit Beamer und mehreren Browserfenstern muss man nichts verpassen.

Da wir wussten, dass ICF zu den fitten medialen Gemeinden gehört, war die Entscheidung heute für ICF gefallen. Die Muttergemeinde in der Schweiz bot ein Streaming über Facebook an. Ein Countdown zählte das akademische Viertel herunter. Währenddessen unterhielten sich zwei Schweizer über die Herausforderungen des Alltags während Corona. Wir verstanden kaum ein Wort und mussten uns den Zusammenhang aus den reichlich genutzten Anglizismen zusammenreimen. Denglisch ist gar nichts gegen Schwenglisch. Um die Absprungrate zu minimieren, wurde unentwegt der Hinweis eingeblendet, dass Viertel nach elf eine Predigt auf Hochdeutsch folge. Tatsächlich konnten dann auch die beiden Vorprogramm-Protagonisten auf unsere Hörgewohnheiten umschalten.

Leo Bigger, Gründer und Pastor des europaweiten ICF-Netzwerkes, redete über Corona. Allerdings mit dem Fokus, dass Gott viel größer ist. Anhand der zehn Plagen von Ägypten zeigte er auf, dass Gott mit Pandemien und Naturkatastrophen eine Botschaft vermitteln möchte. Nämlich die, dass ER alles im Griff hat und Menschen sucht, die IHN suchen. Die Predigt war klar und führte im Finale hin auf das Blut von Jesus und dessen Bedeutung für uns.

Der Lobpreis von ICF Schweiz war auch sehr mitreißend und wurde mit den bekannt professionellen Elementen wie Lichttechnik und Hintergrundvideos untermalt. Die wenigsten Lieder kannte ich. Ganz anders die Kinder, die bei SOLA und MOVE auf diese Titel getrimmt worden waren.

Nach dem Gottesdienst verteilte sich die Familie in der Wohnung. Zu Mittag gab es passend zur Predigt aus den Mosebüchern ein Linsengericht. Es wollte aber niemand sein Erstgeburtsrecht verkaufen. Dennoch wurden alle satt. Sättigung ist ein wichtiges Gefühl während der vielen Tage zu Hause. Kann es uns doch am Kühlschrank bei der Beantwortung folgender Frage helfen: Ist das jetzt Hunger oder Langeweile?

Sonntag, 1. März 2020

Hillsong Berlin im Westhafen

Als regelmäßige Hörer von Hillsong-Playlists wollten wir nach drei Jahren mal wieder einen Hillsong-Gottesdienst besuchen. Hillsong Berlin trifft sich seit heute in einer coolen Eventlocation am Westhafen.



Bei Hillsong Berlin gibt es wohl nur zwei Konstanten: das Pastorenehepaar Wilkinson und die permanente Veränderung. Hillsong Berlin hat seit 2015 mindestens vier neue Veranstaltungsorte gesehen: Alexanderplatz, Kulturbrauerei, ein Hotel an der Friedrichstraße und nun die Halle 1 im Sektor B des Westhafens. Der Name der Gemeinde wurde ebenfalls geändert - von Berlin Connect in Hillsong Berlin. Das ist als Aufwertung zu verstehen. Berlin Connect war zunächst nur ein Teil der Hillsong Family, aber noch keine echte Hillsong-Gemeinde. Wer den Namen Hillsong tragen darf, zeigt damit, dass auch Hillsong drin ist.

Beim heutigen ersten Gottesdienst im Westhafen wurde noch etwas geübt mit der Technik. Licht und Ton mussten noch auf die neuen Räume abgestimmt werden. Eine typische Lagerhalle, wie man sie auf innerstädtischen Häfen kennt und wie sie als Magnet für die Start-up-Szene fungiert. Entsprechend jung war das Publikum. Das Durchschnittsalter muss so zwischen 20 und 30 gelegen haben. Für unseren Sohn zu alt und für uns zu jung. Meine Frau entfernte ihre Hörgeräte.

Die Willkommenskultur war auch heute beispielhaft. So kannten wir das noch aus Berlin-Connect-Zeiten. Flyer, Kaffeestände, Kekse, Garderobe, Hinweisschilder und Einweiser. Alles sehr professionell organisiert. Professionell auch die Kollekte, die mit einer längeren Ansprache und einem Acht-Punkte-Programm eingeleitet wurde. Das ist in charismatischen Gemeinden nicht unüblich. Musik und Multimedia an der Großleinwand liefen ebenfalls sehr professionell. Wie in modernen Gemeinden üblich, wurde auch hier nur Englisch gesprochen.

Ich wunderte mich nur, dass ich die vielen alten Bekannten - Alter über 30 - nicht sah. Hatten sie doch früher von morgens bis abends aktiv das Geschehen begleitet und waren auch unter der Woche bei den vielen Veranstaltungen zu sehen. Die Gemeinde schien sich komplett verjüngt zu haben. Das merkte man dann auch während der Predigt von Mark Wilkinson. Vor drei Jahren hatte das Publikum noch proaktiv "Amen" oder "Ja" gesagt, zustimmend aufgestöhnt oder zum Glaubenskampf entschlossen die Faust nach oben gestreckt. In diesem ersten Gottesdienst im Westhafen musste Mark Wilkinson mehrfach fragen: "Bekomme ich ein Amen?" Die Predigt war leichte Kost und sehr jugendgerecht. Es wurden auch einige Leute aus der ersten Sitzreihe in die Darstellung einer Szene aus der Apostelgeschichte einbezogen.

Nach etwa zwei Stunden war der Gottesdienst zu Ende. Die jungen Leute fluteten ins Foyer, drängten sich um die Garderobe und den Kaffeestand, lasen sich die Flyer zu den nächsten Veranstaltungen durch oder nahmen im Untergeschoss das Abendmahl ein. Zwei weitere Gottesdienste sollten noch folgen. Die aktuellen Gottesdienstzeiten sind 11:15 Uhr, 13:30 Uhr und 16:00 Uhr.

Die neue Location ist hervorragend an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. Vom U-Bahnhof Westhafen sind es nur noch wenige Meter bis zur Halle 1. Wir mussten deutlich weiter laufen, da wir mit Auto gekommen waren. Vom Parkplatz aus konnten wir schon den Hauptbahnhof sehen.

Sonntag, 19. Januar 2020

Martin Luther in Steglitz

Steglitz - der Bible Belt von Berlin. Heute besuchten wir den Gottesdienst der Martin-Luther-Kirche in der Nähe des Botanischen Gartens.



Das Navi führte uns einen interessanten Weg. Wegen der Libyen-Konferenz war die Innenstadt gesperrt. Die Innenstadt ist das Nadelöhr, wenn man nach Steglitz fahren möchte. Meine Frau nutzte die Zeit, um das Bonusprogramm ihrer Hebräisch-App zu absolvieren: "Ani koneh Tick schechor" (Ich kaufe eine schwarze Tasche.), "Atta jodea lizlol?" (Kannst du tauchen?) - Wir kamen über die sprachlichen Unterschiede von Können und Befähigung ins Gespräch. Nach einer halben Stunde waren wir in Steglitz und bogen in ein blumiges Wohngebiet ein: Hyazinthenstraße, Tulpenstraße, Hortensienstraße.

Martin Luther war eingerüstet. Am Gerüst ein großes Schild der Lotto-Stiftung. "Aha, Oma finanziert den Bau der Kirche", bemerkte mein Sohn. Eine ältere Dame verschwand unter den Gerüsten. Wir folgten ihr und gelangten in einen hellen Vorraum. Dort wurden wir bereits vom Pfarrer begrüßt: schwarzer Talar und sehr freundlich. Ein anderes freundliches Gemeindemitglied drückte uns ausreichend Gesangsbücher in die Hand. Die Kirchenbänke waren mit Kissen belegt, so dass auch längere Gottesdienste möglich waren. Die Kirche war gut temperiert.

Bemerkenswert war die natürliche Freundlichkeit, die sämtliche Gottesdienstbesucher ausstrahlten. Man fühlte sich sofort willkommen. Es gab einige Familien und ältere Besucher, jedoch kaum Jugendliche. Die Kinder durften nach einem kurzen gemeinsamen Beginn in ihr eigenes Programm gehen. Die Anfangsliturgie nahm einige Zeit in Anspruch.

Dann folgte die Predigt. Dazu hatte sich der Pfarrer an eine Kanzel gestellt und seine Kollegin an die andere Kanzel. Beide zeigten uns, wie eine Dialogpredigt funktioniert. Das war recht interessant, weil sie sich einerseits die inhaltlichen Bälle zuwarfen und andererseits die Fragen und Bedenken des anderen auflösten. der Predigttext stand in Jeremia und war durch die Losungen vorgegeben worden. Während die Pfarrerin zunächst überlegt hatte, einen anderen Text zu nehmen, ging ihr Kollege darauf ein, dass Gott in all den herausfordernden Umständen immer noch alles im Griff habe.

Zum Abschluss des Gottesdienstes gab es noch ein gemeinsames Abendmahl, den Segen und ein Postludium von der Orgel. Meine Frau bemerkte, dass die Orgel endlich mal flott gespielt worden sei. So habe man die Lieder gut mitsingen können.

Die oben schon erwähnte Willkommenskultur setzte sich im Vorraum weiter fort. Kaffee und Kuchen wurden uns auf eine charmante Weise regelrecht aufgedrängt. Einige Gemeindemitglieder sprachen uns an und wollten wissen, ob mein Sohn Konfirmand ist. Unsere eigene Besuchergruppe war inzwischen auf sieben Personen angewachsen: Freunde aus Saddleback, Arbeitskollegen und wir. Die Kollegen wohnen in Steglitz und sehen im kurzen Fußweg einen erheblichen Mehrwert. Der Gottesdienstbeginn um 11 ist ebenfalls gut auf jüngere Besucher abgestimmt. Ganz abgesehen von dem angenehmen Klima in der Martin-Luther-Kirche.

Sonntag, 12. Januar 2020

Gemeinde auf dem Weg in Berlin-Tegel

Einen Sonntagsgottesdienst hatten wir bei der Gemeinde auf dem Weg in Tegel bisher noch nicht besucht. Deshalb waren wir gespannt, was uns erwartet. Diesmal waren meine Frau und mein Sohn dabei.



Die Gemeinde auf dem Weg liegt so gar nicht auf dem Weg. Dennoch haben wir uns auf den Weg gemacht, einen Gottesdienst der Gemeinde auf dem Weg zu besuchen. Zweimal 25 Kilometer quer durch die Stadt haben wir dabei zurückgelegt. Über den Berliner Ring hätten wir auch fahren können. Zeitlich wäre das wohl identisch gewesen. Allerdings hätten wir doppelt so viele Kilometer ins Fahrtenbuch eintragen müssen.

Zehn vor zehn rollten wir auf den Parkplatz. Wir wurden eingewiesen. Bemerkenswert viele Besucher strömten in den großen Flachbau. Die vielen Leute verteilten sich im Haus. Einige gaben im Untergeschoss ihre Kinder ab. Andere gingen direkt in den großen Saal. Der große Saal ist wirklich sehr groß. Er schluckte so viele Gäste, dass er letztlich nur zur Hälfte gefüllt war - wenn überhaupt. Man hatte in der Gemeinde auf dem Weg sicher schon bessere Zeiten erlebt.

Über eine riesige Leinwand flimmerte ein Countdown, der eine sportliche Anfangszeit vorgab. Kein Vergleich zum entspannten Gottesdienstbeginn in den Hipster-Gemeinden von Mitte und Prenzlauer Berg. Dafür waren wir hier in einer etablierten Gemeinde und - in Tegel. Die Altersstruktur war gut durchmischt und es gab sogar jede Menge Jugendliche.

Die erste Stunde war von Lobpreis und Ansagen geprägt. Gegen elf begann die Predigt. Diese dauerte nur 25 Minuten. Die finale Aussage war, dass die Herrlichkeit von Jesus in uns ist und lediglich aktiviert werden müsse. Zur Aktivierung konnte man nach vorne gehen und für sich beten lassen. Um das Aktivierungsgebet für die Entfaltung der Herrlichkeit Jesu zu untermalen, wurde der Keyboarder gebeten, salbungsvolle Klänge anzustimmen.

Die Kollekte wurde übrigens auch an der Bühne eingesammelt. Nach zwei Stunden war der Gottesdienst zu Ende. Kinder wurden aus dem Untergeschoss abgeholt und der Cafébereich füllte sich. Wir begaben uns zügig auf den Parkplatz und fuhren durch die City zurück. Dabei kamen wir an diversen Gemeinden vorbei, die zwar nicht auf dem Weg waren, dafür aber auf dem Weg lagen.

Freitag, 20. Dezember 2019

Jüdische Militärseelsorge in der Bundeswehr

Annegret Kramp-Karrenbauer unterzeichnet beim Gemeindetag 2019 einen Militärseelsorge-Staatsvertrag mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland.



Auf dem WC standen Eimer mit zwei Henkeln. Auf den Tischen lagen kleine Kreisel mit hebräischen Schriftzeichen. Auf den Servietten stand "100% koscher". Für drei Tage hat der Zentralrat der Juden in Deutschland das Hotel InterContinental gebucht und führte seinen Gemeindetag 2019 durch. Das Programm war vielfältig und ein Blick in die zahlreichen Broschüren verriet, dass auch das Judentum in zwei Bereiche gespalten ist - in orthodox und liberal.

Neben Bundespräsident Steinmeier trat auch Grünenchef Habeck auf. Mein Fokus lag jedoch auf der Unterzeichnung des Militärseelsorge-Staatsvertrages durch Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer. Im Foyer traf ich Sigurd Rink, den Evangelischen Militärbischof. Er sprach von 300 jüdischen Gläubigen in der Bundeswehr und freute sich über diesen historischen Moment.

Pause seit dem Ersten Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg hatte eine sechsstellige Anzahl jüdischer Soldaten an der Seite ihrer deutschen Kameraden gekämpft. Die Motivationsrede des Kaisers zum Einstieg in den Krieg hatte alle Bevölkerungsschichten, Parteien und Ethnien in Gleichheit vereint. Viele aus Russland geflohene Juden hofften auf ein Ende ihrer Diskriminierung und setzen umso mehr ihr Leben und die Gesundheit für das neue "Vaterland" ein. Sie entwickelten innerhalb der Truppe ein aktives jüdisches Leben mit Synagogen, Militärrabbinern und jüdischen Festen. Die Euphorie fand Anfang 1917 mit der sogenannten Judenzählung ihr jähes Ende. Frustriert mussten die Soldaten feststellen, dass sie doch nicht für kompatibel gehalten wurden.

Dann gab es eine etwa 100-jährige Unterbrechung der jüdischen Militärseelsorge. Während evangelische und katholische Seelsorge bereits mit Gründung der Bundeswehr vor über 60 Jahren etabliert wurden, schien es für andere Religionen keinen Bedarf zu geben. In der Zwischenzeit sind die steuerlich nachweisbaren Christen in der Bundeswehr auf die Hälfte abgeschmolzen. Die andere Hälfte wurde durch 3.000 Moslems, 300 Juden, Neuapostolen, Atheisten und Anhänger nordischer Religionen aufgefüllt.

Charme der Militärseelsorge

300 Juden in der Bundeswehr sind schon sehr wenige. Deshalb ist dieser Staatsvertrag eher symbolisch zu betrachten. In der Praxis werden zehn speziell ausgebildete Militärrabbiner durch Deutschland sowie in die Einsatzgebiete reisen und dort ihre jüdischen Gläubigen betreuen. Erklärtermaßen stehen sie aber auch den Christen und anderen Soldaten zur Verfügung. Immerhin hat Militärseelsorge - in Deutschland zumindest - den besonderen Charme der Schweigepflicht. Militärgeistliche laufen bei der Bundeswehr außerhalb der Dienstränge und sind ihrer geistlichen Organisation verpflichtet und nicht dem Militär. Militärpsychologen müssen Berichte anfertigen, die möglicherweise Konsequenzen für den beruflichen Werdegang des jeweiligen Soldaten haben. Die Militärseelsorge kann das etwas geschmeidiger gestalten und wird deshalb auch gerne von Soldaten mit anderen Glaubensansichten konsultiert.

In diesem Zusammenhang wird oft auch nach islamischer Militärseelsorge gefragt. Seelsorge ist im Islam nicht vorgesehen, da dort vieles dem Zufall überlassen wird. Zudem fehlt es auf islamischer Seite an allgemein anerkannten Ansprechpartnern und entsprechenden Studiengängen.

Anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrages ist auch ein interessantes Buch zum Thema "Militärrabbiner in der Bundeswehr" erschienen. Es stellt ein gutes Ergänzungswerk zu "Können Kriege gerecht sein" von Sigurd Rink dar.

Montag, 16. Dezember 2019

Saddleback Berlin - Nachruf auf Dave Schnitter

Dave Schnitter war ein wichtiger Teil des Gründungsteams von Saddleback Berlin. Mitte Dezember 2019 hat Dave Schnitter recht kurzfristig seine Gemeinde verlassen. Ein kurzer Nachruf:



Eigentlich heißt er David. Weil Englisch modern ist, hatte er sich in Dave umbenannt - gesprochen "dejff". Australier sprechen sogar von Daiff - ausgesprochen wie das Adjektiv "steif". Steif ist Daiff so gar nicht. Dave ist der gechillteste Pastor, der mir je begegnet ist. Ein Hipster vor dem Herrn. Er ist musikalisch begabt, hat Humor, ist integrativ und kommunikativ.

Dave war ein wichtiger Teil des Gesamtpaketes Saddleback Berlin. Das Gesamtpaket bestand aus drei Komponenten: dem Ruhepol Dave, dem professionellen Lobpreis und den alltagstauglichen Predigten von Rick Warren. Dieses Gesamtpaket hatte die Bedürfnisse unserer Familie bedient, nachdem wir uns zwei Jahre lang in der christlichen Szene Berlins umgeschaut hatten.

Und dann war Dave plötzlich weg. Ende November hatte die Gemeinde offiziell erfahren, dass Dave geht: Mitte Dezember - also noch vor Weihnachten. Bei Amerikanern werden solche Dinge wohl immer sehr schnell durchgezogen. Hire and Fire nennt man das. Saddleback Berlin ist eben doch nur ein Franchise-Projekt der amerikanischen Muttergemeinde. Dave war bei den Nazarenern als Predigtpastor ausgebildet worden, durfte aber bei Saddleback nur Lobpreis und das Drumherum machen. Er wollte endlich wieder predigen. Das hätte jedoch dem Schwergewicht Rick Warren den Sendeplatz streitig gemacht.

Dave ist nun bei Mosaik. Dort erhofft er sich ein Comeback als Prediger. Laut Webseite gibt es dort jedoch nur einen Akteur: Gründungspastor Neville Johnes. Mosaik ist ein Sammelbecken von Christen, die bei anderen coolen Gemeinden wie ICF, Hillsong, Berlin-Projekt oder Saddleback ausgestiegen waren.

Die Erfahrung zeigt, dass der Weggang einer so wichtigen Komponente wie Dave Schnitter eine Sogwirkung erzeugt. Bisher ist davon noch nicht so viel zu merken. Die ersten Bekannten sind ihm jedoch schon gefolgt. Andere liebäugeln mit einem Sondierungsbesuch bei Mosaik. Letzteres sollte in gut geplanten Etappen geschehen, da die Räume schon vor drei Jahren ihre Kapazitätsgrenze erreicht hatten.

In unserer Familienkonferenz haben wir entschieden, dass wir uns zukünftig wieder verschiedene Gemeinden der Stadt anschauen. Ob es für uns noch einmal so ein passendes Gesamtpaket wie  Saddleback Berlin geben wird, ist fraglich.

Mittwoch, 30. Oktober 2019

KCF 21 - Kongress Christlicher Führungskräfte findet 2021 in Berlin statt

Vom 11. bis 13. Februar 2021 soll in Berlin der Kongress Christlicher Führungskräfte (KCF) stattfinden. Gestern gab es ein Treffen für Multiplikatoren im Estrel an der Sonnenallee.



Das Treffen der Multiplikatoren lief auf einem unerwartet hohen professionellen Niveau.

Aus Erfahrung mit ähnlichen Veranstaltungen hatte ich erwartet, dass man sich in einem muffigen Nebengelass des Hotels zusammensetzt: dicker Teppich, schwere und ermüdende Luft, große Teeauswahl, eine stets leere Kaffeemaschine und vier Stunden zähes Ringen um Inhalte des zukünftigen Kongresses. Am Ende noch die Verteilung sämtlicher Aufgaben an Personen, die im Neinsagen nicht geübt sind.

Ganz anders der gestrige Abend: Es stand ein heller großer Saal zur Verfügung mit bequemen Stühlen und einer ausgesprochen guten Klimatisierung. Es gab Kaltgetränke und zwischendurch sogar ein hotelgerechtes Buffet. Die musikalische Begleitung wurde durch Martin Pepper höchst persönlich gestellt.

Anwesend waren etwa 70 Personen aus der christlichen Szene Berlins: Unternehmer, Leiter von Werken, Pastoren und sonstige Führungskräfte. Es war ein bunter Mix aus Personen, die einem regelmäßig begegnen, wenn es um ein Reich Gottes geht, das über den Tellerrand der eigenen Gemeinde hinaus gedacht ist.

Da ich selbst noch nie an einem KCF teilgenommen hatte, interessierten mich die Statements ehemaliger Kongressbesucher und die Vorschau auf die Themen des KCF 21. Ziele sind Vernetzung, Ermutigung und Coaching von Christen in Führungspositionen sowie ein Marktplatz zum Knüpfen neuer Geschäfts- und Beschäftigungsbeziehungen. Auch Pastoren zeigten sich gestern interessiert an der Gewinnung kompetenter Gemeindemitglieder.

In den vergangenen Jahren sei das Angebot von Privatcoaching sehr gut angekommen. Das wolle man 2021 in verstärktem Maße anbieten. Verantwortungsträger können dann endlich mal in einem geschützten und professionellen Rahmen ihr Herz ausschütten. Für Familienunternehmer wird es ebenfalls einen exklusiven Rahmen ohne externe Ohren geben, in dem sie sich über ihre Höhen und Tiefen austauschen können.

Für Young Professionals wird es einen Sonderpreis von 98 Euro geben. Alle anderen zahlen Preise oberhalb 300 Euro. Da sich der Mythos Fachkräftemangel nachhaltig in den Köpfen festgesetzt hat, sind Young Professionals gern gesehene Teilnehmer, die jedoch oftmals eines Sponsorings bedürfen. Es kann pauschal gesponsert werden. Die Tickets werden dann vom Kongressbüro an die ambitionierten Berufseinsteiger zugewiesen.

Inklusive der Referenten der Hauptvorträge klang alles sehr interessant. Am Ende des Meetings kamen jedoch Ambitionen auf, es allen Berlinern irgendwie recht machen zu wollen. Bleibt zu hoffen, dass sich diese Ambitionen auf die geplante "Berlin-Insel" im Ausstellungsbereich beschränken. Der Ausstellungsbereich bietet übrigens Platz für 200 Stände.

Konzept, Kongressteam und Location lassen schon jetzt auf eine Veranstaltung schließen, die ihren Eintrittspreis wert sein wird.

Freitag, 4. Oktober 2019

Madi in Madagaskar

Nun ist sie weg. Kurz vorher hatte sie noch ihren Pass unter der Glasscheibe durchgeschoben. Dann ein kurzer Blick zu uns und den Omas und dann weg - verschwunden hinter der Milchglasscheibe der Sicherheitskontrolle. Das war ein Tag nach ihrem 18. Geburtstag.

Seit der Geburt hatten wir uns vorgenommen, unsere Kinder so zu erziehen, dass sie "fit für die freie Wildbahn" sind und wir sie mit 18 entspannt in selbige entlassen können. Nun war es so weit. Die 18 Jahre waren schnell vergangen: Kindergarten, Grundschule, Gymnasium, begleitetes Fahren mit 17. Die 18 Jahre waren keineswegs langweilig. Sie waren voll von Erlebnissen und wichtigen Wegmarken, die uns und die Kinder geprägt haben.

Bei einem Papa-Tochter-Seminar war mir einst aufgefallen, wie wenig ich meine Tochter kannte. Das scheint auch in anderen Familien vorzukommen, wie eine Szene im Film "Der Pianist" zeigt. Da wir wussten, dass Madita nach Afrika geht, hatten wir ihr noch ein Nahkampftraining verpasst. An diesem nahm auch ich teil. Unsere Tochter hasste das Training, wusste aber um dessen möglichen Nutzen.

Neben Büchern zum Verhalten in Krisenregionen informierte sie sich auf Seminaren über die Trägerorganisation und ihre eigenen Aufgaben: Mitarbeit in einer Schule, Vervollkommnung der Sprachkenntnisse - Französisch. Zusammen schauten wir den Film "Madagaskar", der uns so mehr oder weniger einen Eindruck zu den Bewohnern und der Kultur des Landes gab. Die Weltreise trainierte ich mit meiner Tochter vorab bei der Beschaffung des Visums. Die Botschaft von Madagaskar liegt nämlich im idyllischen Falkensee östlich von Spandau.

Wer nun wissen möchte, wie es Madita in Madagaskar ergeht, kann in ihrem Blog weiterlesen: madi-in-mada.blogspot.com oder ihren Rundbrief abonnieren.