Samstag, 14. April 2018

Facebook und die Dankbarkeit

Facebook ist ja zurzeit wieder in aller Munde. Es geht um vertrauliche Daten und deren Verbreitung. Ich selbst nutze Facebook sehr intensiv. Hier ein Artikel pro Facebook.



"Mein Facebook ist voll", verkündete ich der Familie am Frühstückstisch. Meine Frau schaute erschrocken. Mein Sohn grinste.

Am 3. September letzten Jahres hatten mir die Kinder ein Facebook auf die Intensivstation mitgebracht. Ein Buch im A5-Format mit blauem Einband und dem weißen Aufdruck facebook - zu Deutsch Gesichts-Buch. Nach mehr als sieben Monaten war das Gesichts-Buch zu einem Geschichtsbuch geworden. Beim Blättern stellte ich fest, dass ich seit dem 3. September jeden Tag 10 Gründe zum Danken in diesem Facebook festgehalten hatte.

Im Juni letzten Jahres hatte uns unsere Tochter vor die Herausforderung gestellt, jeden Tag zehn Gründe zum Danken aufzuschreiben. Eine Woche lang sollte das gehen. Das war ein guter Impuls für die morgendliche Zeit mit Gott. Zunächst wurden die 10 x Danke auf A5-Blätter mit Firmenlogo geschrieben. Eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen, zwei Monate. Der Stapel wuchs und wurde zwischenzeitlich dem Recyclingprozess zugeführt. Am 3. September kam die Lungenembolie und damit auch Facebook.

Facebook und Faith Book
Facebook und Faith Book
Facebook begleitete mich in der Klinik, zu Hause, bei der Reha, beim Vatikanbesuch und jeden Morgen bei der Zeit mit Gott. Dazu gesellte sich ein weiteres Faith Book - auch Fäjßbuck ausgesprochen und zu Deutsch Vertrauensbuch - die Bibel. Ein Kapitel Faith Book und eine Seite Facebook. Eine starke Kombination zur Konzentration auf den Dialog mit Gott.

Beim Blättern war ich fasziniert über die realen Eingriffe Gottes in meine Alltagssituationen. Endlich konnte ich ihm schriftlich vorhalten, was er getan hatte und wozu er auch zukünftig fähig wäre. Das Facebook wurde dadurch selbst zu einem Faith Book, einem Buch des Vertrauens in die Gegenwart und Kraft Gottes, der über Bitten und Verstehen hinaus in uns und um uns herum wirken kann.

Das sind Momente, in denen die Kinnlade herunterklappt und ich wortlos auf Jesus blicke. Parallel zum Facebook hatte ich ja das Faith Book gelesen. Manchmal mehr und manchmal weniger, aber mindestens ein Kapitel. In der Klinik hatte ich noch die Mose-Bücher vor mir und bin nun beim Prediger. "Vanitas vanitatum" - "Nichtigkeit der Nichtigkeiten", vermittelt uns dort Salomo. "Alles ist für den A...", übersetzt es die Volxbibel. Ausgerechnet dieses Buch zur letzten Seite meines Facebooks?

Nein, das Facebook ist nicht "für den A..."! Im Schrank habe ich noch weitere Facebooks zu liegen. Wenn das mit den Danksagungen so weitergeht, muss ich wohl mal wieder auf eine Messe gehen, wo auch Facebook vertreten ist. Vielleicht gibt es ja an deren Stand noch mehr solcher Bücher.

Donnerstag, 12. April 2018

Lunch mit dem Bischof

Schon mehrfach wurden hier die Parallelwelten in der christlichen Szene erwähnt. Oftmals existieren diese nur wenige Meter voneinander entfernt und kommen einfach nicht zusammen. Gestern gab es eine Begegnung mit der Parallelwelt Bundeswehr. In der City traf ich den evangelischen Militärbischof Dr. Sigurd Rink zum Lunch.



Während die Bundesregierung in Meseberg über Abgase von Diesel-Fahrzeugen und andere wichtige Dinge redete, genossen wir die Sonne in der City West. Am Tisch vor dem Savoy saßen der evangelische Militärbischof Dr. Sigurd Rink, sein persönlicher Referent Dr. Klaus Beckmann und der bischöfliche Pressereferent Dr. Roger Töpelmann.

Im Terminplan des Bischofs ist wenig Luft. Er ist viel unterwegs, bereist die Einsatzgebiete und Standorte der Bundeswehr, ist in seiner regionalen Kirchengemeinde aktiv und trifft sich regelmäßig mit Pastoren zum Austausch. So hatte es einige Wochen gedauert, bis ein passender Termin gefunden war: Mittwoch nach Quasimodogeniti 2018.

Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink
Evangelischer Militärbischof Dr. Sigurd Rink (links) und sein persönlicher Referent Dr. Klaus Beckmann (rechts) - in der Mitte eine Blume und ein unbekanntes Double von Alexander Garth
Bemerkenswert war, dass die drei Doktoren nicht selbst das Wort ergriffen, sondern ein unmittelbares Interesse an meiner Firma und der persönlichen geistlichen Entwicklung zeigten. War ich ungeplant in eine Seelsorge-Sitzung geraten? Der Bischof und seine Mitarbeiter hatten ein offenes Ohr und stellten Fragen über Fragen. Dabei wollte ich doch Sigurd Rink kennenlernen und erleben, wie er tickt und wie er bestimmte geistliche Themen sieht.

Christliche Parallelwelten

Die christliche Szene in Deutschland hat ja generell ein gespaltenes Verhältnis zur Bundeswehr. Um Militärseelsorger und Christen in der Bundeswehr macht der Otto Normalchrist einen großen Bogen. Pazifismus gehört zum guten Ton. Dabei fühlen sich 56% der Bundeswehrangehörigen einer der großen Volkskirchen verbunden - mit einem leichten Übergewicht zugunsten der Protestanten.

Sigurd Rink war durch den Völkermord in Ruanda (2014) nachdenklich geworden. Paulus und Petrus sprechen im Neuen Testament vom Sinn der obrigkeitlichen Gewalten als bewaffnete Ordnungshüter. Bestätigt wurde der Militärbischof durch die Kriegsleute-Schrift von Martin Luther (1526). Luther greift Bibelpassagen wie Römer 13 auf und entwickelt daraus die so genannte Zwei-Regimente-Lehre. Regiment ist hier im Sinne von Regierung zu verstehen. Das erste Regiment führt Gott und das zweite der Staat. Der Staat ordnet sich idealerweise den ethischen Grundsätzen der Bibel unter. Moral und Ethik sind Dreh- und Angelpunkt der Kriegsleute-Schrift. Am Ende der Ausführungen wünscht sich Luther noch viel mehr Christen in der Armee, die entsprechend positive Akzente setzen könnten.

Traditionserlass und christliche Wurzeln

Der neue Traditionserlass der Bundeswehr enthält viele dieser ethischen Grundlagen, obwohl Gott nicht ein einziges Mal darin erwähnt wird. Die Begleitung des Prozesses zur Erarbeitung der neuen Richtlinien offenbarte eine tiefe Verwurzelung von Offizieren und Generälen im christlichen Glauben. Ein Grund dafür ist die Herkunft aus den alten Bundesländern und die natürliche christliche Sozialisierung. Allerdings gehört auch Mut dazu, seinen Glauben offen zu bekennen. So sei den studierten Theologen aufgefallen, dass prozentual mehr Christen in der Bundeswehr zu finden seien als im wirtschaftlichen Kontext.

Hilfe bei PTBS und das Ohr an der Truppe

Der hohe ethische Standard bei Bundeswehrangehörigen wird auch bei der Behandlung Posttraumatischer Belastungsstörungen (PTBS) sichtbar. Innere Konflikte entstehen nicht nur durch eigenes Leid, sondern auch durch die Verletzung oder Tötung von Gegnern. Die Auslandseinsätze produzieren derzeit etwa vier neue PTBS-Fälle pro Tag. Das ist eine beachtliche Zahl, die durch Fachpersonal der Bundeswehr und eben auch die Seelsorger behandelt wird. Roger Töpelmann warf mit merklichem Stolz ein, dass die Militärseelsorge erhebliche Erfolge bei der Minderung und Überwindung von PTBS habe. Es gibt sogar eine Bundeswehr-App mit dem Namen Coach PTBS.

Die Militärseelsorge ist zwar eingebettet in die Truppe, steht aber administrativ daneben. Durch die Einbettung erleben die Seelsorger den Alltag der Soldaten und können sich ohne große Erklärungen in deren Umstände hineinversetzen. Sie sind an das Seelsorge-Geheimnis gebunden und dienen deshalb als Anlaufstelle für Themen, die sonst niemand erfährt. Auch Toxic Leadership (vergiftende Leitung) kann in der Seelsorge angesprochen werden. Es wird dann nach Lösungswegen gesucht.

Evangelischer Militärbischof Sigurd Rink
Evangelischer Militärbischof Dr. Sigurd Rink in seinem Büro
Gehen statt auf Kommende warten

Was Militärgeistliche an ihrer Arbeit reizt, ist die Gehen-Mentalität in der Bundeswehr. Die Ortsgemeinde lebt vom Kommen: Anwohner kommen in die Kirche. Bei der Bundeswehr geht der Pfarrer an die Standorte, in den Einsatz, zur Truppe. Rumsitzen und auf Zuhörer warten? Das funktioniert bei der Bundeswehr nicht. Es gilt, einen Draht zur Truppe aufzubauen. Auch wenn keine aktive Mission betrieben wird, so entscheiden sich doch immer wieder Soldaten für eine Taufe und eine Lebensausrichtung auf das Vorbild Jesus Christus.

Apropos Jesus Christus: Der immer stärker werdende Migrationsanteil unter den Soldaten bringt neue Herausforderungen für die Seelsorge mit sich. Die wenigen Juden werden zumeist von regionalen Synagogen betreut. Moslems kennen keine Seelsorge. Dennoch konsultieren sie christliche Seelsorger, die wiederum sehr positive Erfahrungen mit den Moslems machen. Auch wenn es im Militärseelsorgevertrag von 1957 anders steht, sind die Seelsorger offen für alle Soldaten, deren Seele eine Sorge hat. Das kann ein Katholik, ein Orthodoxer, ein Moslem, ein Freikirchler oder ein Humanist sein. Da der Seelsorger seiner Kirche untersteht, wird er sich jedoch nicht verbiegen und die Eigenheiten der anderen Denomination adaptieren.

Militärseelsorger ohne Uniform

Die Herren am Tisch waren froh darüber, dass die Militärgeistlichen in Deutschland nicht in die Armeestrukturen eingebunden sind. In anderen Ländern ist das anders geregelt und die Pfarrer tragen sogar Uniformen. Uniformen hebeln zudem die Seelsorgekompetenz aus, da die Geistlichen dem zweiten Regiment (Staat) unterstellt sind. Sigurd Rink führte in diesem Zusammenhang Predigten aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg an, die als Sahnehäubchen für die Kampfmoral gedient hatten und weit entfernt waren von verantwortungsvoller christlicher Lehre.

Die Authentizität und Kompetenz, mit der die drei Gesprächspartner von ihrer Arbeit und ihrem Glauben erzählten, überzeugten mich davon, dass Bischof Rink der richtige Mann am richtigen Platz ist. Ein enger Mitarbeiter der Ministerin hatte mir vorab schon mitgeteilt, dass Sigurd Rink "sehr sehr nett" sei. Das fand ich bestätigt.

Dienstag, 3. April 2018

Pastor Andrew Brunson und der Wert einer Geisel

Geiselnahmen zählen in Europa zu den seltenen Delikten. Deshalb ist kaum jemand darauf geschult oder versteht gar deren tieferen Zweck. Die Betrachtung der Situation von Andrew Brunson legt eine Geisel-Option nahe.



Geiseln haben einen Wert. Sie schützen Verbrecher vor einer zu schnellen Überwältigung. Geiseln können an andere Verbrecher weitergegeben oder eingetauscht werden. Sie können an die Familie, den Staat, die Firma oder die Organisation der Geisel verkauft werden. Geiseln können zum Austausch von Gefangenen genutzt werden oder als Verhandlungsmasse in eigentlich aussichtslosen Vertragsszenarien zum Einsatz kommen.

Wert einer Geisel

Eine Geisel hat einen Wert und muss diesen im eigenen Interesse so lange wie möglich erhalten. Bei einer Entführung im afrikanischen Busch oder nach einem Banküberfall in Deutschland spielt der Faktor Zeit eine große Rolle. Je mehr Zeit verstreicht, umso stärker sinkt der Wert der Geisel. Das kann für diese lebensbedrohlich werden. Will doch der Geiselnehmer weder entdeckt noch überwältigt werden.

Eine Geisel, die ihren Wert dadurch zu mindern sucht, dass sie sich selbst gesundheitlichen Schaden zufügt, spielt mit dem eigenen Leben. Dem gemeinen Geiselnehmer ist das Leben der Geisel grundsätzlich egal. Deshalb sollte sich eine Geisel bis zu einem bestimmten Grade kooperativ zeigen, auf ihre Gesundheit und ausreichende Ernährung achten und so die eigene Überlebenschance erhöhen. Der Verbrecher selbst hat Interesse am Werterhalt seiner Geisel. Er betrachtet sie als einen Besitz.

Pastor Andrew Brunson

Regelmäßig stolpern wir in Facebook über Gebetsaufrufe für Pastor Andrew Brunson. Nach dem vermeintlichen Putschversuch im Sommer 2016 war der Amerikaner in der Türkei verhaftet worden. Es erwartet ihn ein Prozess, der ihn bis zum Lebensende hinter Gittern bringen könnte. Alles deutet auf einen Schauprozess hin. Die Anklagepunkte Spionage und Terrorismus sind wohl eher Standardphrasen einer typischen Diktatur.

Auch Jesus wurde in der Nacht zu Karfreitag vor den Hohen Rat gezerrt, obwohl das Urteil längst feststand. Der Prozess war ein rechtsstaatliches Feigenblatt zur Beruhigung des Gewissens der Richter, hatte aber faktisch keine Auswirkung auf das Urteil. Deshalb schwieg Jesus und verschwendete keine Zeit mit letzten Rechtfertigungen.

Dass Andrew Brunson im Sinne der Anklage unschuldig ist, daran besteht außerhalb der Türkei kaum Zweifel. Es muss also einen anderen Grund geben, den 50-Jährigen in einem türkischen Gefängnis festzuhalten. Hier kommt wieder das Thema Geiselnahme ins Spiel. Geiseln kommen in der Regel unfreiwillig in diese Zwangssituation - außer vielleicht der französische Polizist Arnaud Beltrame, der sich kurz vor Ostern bewusst gegen eine zivile Geisel hatte eintauschen lassen. Vermutlich war er auf solche Situationen geschult, bezahlte am Ende aber trotzdem mit seinem Leben.

Verhandlungsmasse und Tauschobjekte

Da haben wir es wieder: eintauschen und bezahlen. Schauen wir uns dazu die Geschichte des Kalten Krieges an. Auf der Glienicker Brücke wurden mehrfach Gefangene aus Ost und West gegeneinander ausgetauscht. Israel tauscht regelmäßig verurteilte Terroristen der Hamas gegen eigene Soldaten aus. Die SS hatte zu Kriegsende eine dreistellige Zahl prominenter Geiseln wie Pfarrer Niemöller oder Stauffenberg-Angehörige als Verhandlungsmasse inhaftiert. Diese sollten zum Einsatz kommen, wenn man den Alliierten hätte entgegen kommen müssen.

Zur Erstellung von Zukunftsprognosen beobachten Nachrichtendienste die roten Linien in den Handlungsmustern der jeweiligen Akteure. Die rote Linie des türkischen Autokraten ist eher eine grüne, nämlich die des Islamismus. Pastor Andrew stellt in dieser Betrachtung einen klaren Gegner dar. Die ideale Voraussetzung für eine Nutzung als Geisel. Keine persönliche Beziehung zur Person, Ablehnung seines Glaubens und Amerikaner. Sollte also Amerika Embargos verhängen, türkische Spione enttarnen oder wichtige Diplomaten ausweisen: Pastor Andrew kann helfen, nämlich als Druckmittel, als Machtdemonstration oder - so sei es für Pastor Andrew zu hoffen - als Tauschobjekt.

Christ in der Geiselhaft

Würden wir uns hier nicht im christlichen Umfeld bewegen, könnte man über die Schaffung von Situationen nachdenken, die einen Austausch mit Andrew Brunson provozieren würden. Donald Trump hätte sicher auch einige Ideen. Wahrscheinlich wird die Türkei diese Situation aber selbst herbeiführen, so dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann Pastor Brunson eingetauscht wird.

Andrew Brunson sollte also auf seine Fitness und Gesundheit achten, die Zeit im Gefängnis zur Weitergabe seiner Hoffnung in Jesus Christus nutzen und allgemein seinen Wert als Geisel des türkischen Staates stabil halten. Welche Geisel hat schon die Kraft und Ausdauer, solch ein Drama durchzustehen, wenn nicht ein Mensch, der Jesus in sich hat.

Auch wir können etwas zur Erhöhung seines Wertes beitragen, indem wir diesen Fall nämlich beständig an die Öffentlichkeit zerren. Open Doors und einige Freunde von Andrew tun das bereits mit Erfolg.

Segnen wir Andrew, dass er gut durchhält und gestärkt und bald aus dieser Situation herauskommt!

Montag, 2. April 2018

Kosher, Kampf und Kommunion - Nahrungsaufnahme am Osterwochenende

Für das Osterwochenende gibt es diverse Bräuche, die auch vor unserer Familie keinen Halt machen. Unbeabsichtigt wurden einige Traditionen ergänzt.



Es begann am Morgen des Karfreitags. "Macht jemand mit beim Fleischverzicht?", fragte meine Frau am Frühstückstisch. Ach ja, das macht man ja so. Niemand rührte die Wurst und den Schinken an. Statt dessen Schokocreme und Marmelade. Zu Fisch, den man wohl zu Karfreitag immer isst, hatten wir keine einstimmige Meinung. Für Karfreitag hatten wir die letzte Etappe des Mauerradwegs geplant: Tegel bis Brandenburger Tor - 40 Kilometer.

Pizza und die 40 Kilometer zum Gottesdienst

Wider Erwarten und mit der Motivation der Ziel-Etappe erreichten wir tatsächlich kurz nach fünf das Brandenburger Tor. Zum Beweis machten wir dort Selfies. Zwischendurch hatten wir Obst, Gemüse und Pizza gegessen. In meiner Calzone waren sogar Salami und Schinken. Vor einem fiktiven Inquisitor würde ich das damit rechtfertigen, dass ich bei einer Calzone ja nicht vorher sehen kann, was drin ist. Mein Sohn hatte korrekterweise - aber wohl eher zufällig und wegen der Standardbestellung - Thunfisch-Pizza, meine Tochter Mozzarella-Pizza und meine Frau Spinat-Pizza auf dem Teller gehabt.

Das Timing war so perfekt, dass wir zehn Minuten vor Beginn der Karfreitagsandacht bei Saddleback in der Kalkscheune eintrafen. Es gab Kaffee und später die Kommunion - Abendmahl. Abweichend von der Normalität wurde kein Video abgespielt. Stattdessen gab es eine Life-Predigt von Dave Schnitter. Natürlich auf Englisch. Wir bedauerten den Übersetzer. Informierte Kreise konnten uns jedoch glaubhaft versichern, dass dem Übersetzer ein deutsches Predigtmanuskript vorlag. Ich hatte mich schon gewundert, dass Dave die ganze Zeit vom Zettel ablas.

Abendmahl mit rotem Saft

Das Abendmahl bestand aus zerbrochenen Weißbrotscheiben und kleinen Plastikbechern mit rotem Traubensaft. Die Farbe muss heute leider betont werden, da wir schon mehrfach orangen oder gelben Saft oder gar Weißwein zum Abendmahl gereicht bekommen hatten. Wo ist da bitte der Bezug zum Blut Jesu? Blut! Rot!

Das hebräische Wort für Blut ist übrigens Dam und wird nur mit den zwei Konsonanten DM geschrieben. DM kennen wir auch von Jakobs Bruder Esau, der im weiteren biblischen Verlauf Edom genannt wird. Edom enthält ebenfalls DM und bedeutet Rot. DM ist eine ehemalige deutsche Währungseinheit. Mit seinem DM hat uns Jesus von Sünde und Tod erkauft. Das hebräische DM ergibt übrigens den Zahlenwert 604. Das M wird hier als 600 gewertet, da es am Ende des Wortes steht und dort anders aussieht. Ein M am Anfang oder in der Mitte eines Wortes hat den Zahlenwert 40. Apropos 40: Am Rande des Gottesdienstes verbreitete ich noch per WhatsApp die heldenhafte Fahrradleistung von knapp 40 Kilometern von Tegel in die City.

Am Samstag ruhten wir - oder so. Was hatten wir da eigentlich gemacht? Hm.

Hummus und ungesäuertes Brot

Am Sonntag gab es wieder einen klassischen Gottesdienst bei Saddleback: Videopredigt mit Rick Warren und alles auf Englisch. Anschließend fragte uns eine Frau aus dem Übersetzer-Team, ob wir nicht irgendwo zusammen essen gehen wollten. Ich schlug ein Hummus-Restaurant in der Oranienburger Straße vor. Dort hatte ich einst den berühmten Schauspieler Rolf Dieter Degen reingehen gesehen. Wir hatten den Imbiss - wie ich vermutete - bisher aber nicht selbst getestet.

"Hummus & Friends" stellte sich als vollwertiges Restaurant heraus - kein Imbiss. Hatte ich bei Hummus zunächst an Araber gedacht, trug "Hummus & Friends" ein hebräisches Etikett. Das Essen dort ist kosher und vegetarisch. Hätte ich letzteres vorher gewusst, hätte ich das Restaurant wohl nicht empfohlen. Aber nun saßen wir hier und mussten uns zwischen mehreren Hummus-Gerichten, Beilagen und Salaten entscheiden. Hummus hat übrigens nichts mit der dunklen Erde im Garten zu tun, sondern ist ein hellbrauner Brei aus Kichererbsen. Mir jedenfalls schmeckt das. So war das Fehlen des kosheren Fleisches durchaus zu verkraften.

Auf diesem Wege waren wir zu Ostern - ohne es vorher geplant zu haben - in ein echtes Passah-Restaurant geraten. Die Brote waren wegen des jüdischen Passahfestes ohne Gärungsmittel gebacken worden und schmeckten trotzdem sehr gut. Bier wurde auch nicht ausgeschenkt wegen der Hefe. Auch ohne Fleisch wurden wir satt und fühlten uns gesund ernährt. Preislich war das auch vertretbar und lädt zu einem Folgebesuch nach dem Gottesdienst ein.

Schoko-Hasen

Zu Hause hatte meine Frau Osterhasen versteckt. Keine echten, sondern Schokoladenhohlkörper in Alufolie. Mein Osterhase war besonders gut getarnt. Ich fand ihn hinter den Kissen auf der Couch. Mit seiner Sonnenbrille, den Kopfhörern und dem Hipster-Outfit sah er aus wie der oben erwähnte Pastor Dave. Die Hasen wurden umgehend entkleidet und verzehrt. Die sättigende Wirkung des vegetarischen Mittagessens hatte wohl inzwischen nachgelassen.

Für Ostermontag war der Verzehr einer Ente zusammen mit den Omas geplant. Wo auch immer die Tradition mit der Ente herkommt? Während diese auf dem Balkon auftaute, aßen wir in der Küche Frühstück. Es gab gefärbte Eier.

Ente, Eier und der Preis des Siegens

Eine alte Tradition in unserer Familie ist der Eierkampf. Zur Zeit von Esra, Nehemia, Esther, Hesekiel und Daniel lebte ein Chinese namens Sun Tsu. Laut Sun Tsu sei die höchste Kunst des Krieges der Sieg ohne Kampf. Einmal war es mir gelungen, auf diese Weise den Sieg zu erringen. Während alle anderen ihre Eier aneinander zerschellen gelassen hatten, stand mein Ei unberührt im Eierbecher und hatte keine gebrochene Schale. Ich war der Sieger.

Das fand aber leider keine Akzeptanz und wird mir bis heute als unfair nachgetragen. Deshalb musste ich mich heute Morgen der aktiven Konfrontation stellen. Das Ei meiner Frau stand bereits eingedrückt im Becher. Mein Sohn schmollte, dass seine Schwester gegen ihn gewonnen hatte.

Über der Schokocreme entbrannte ein Luftkampf mit diversen Ausweichmanövern. Eine Schlacht in der dritten Dimension. Unerbittlich rammte meine Tochter die Spitze ihres Eis in mein grünes Flugobjekt. Hartgekocht gegen Mittel. Der Panzer brach und das gefärbte Wasser unter der Kalkschale entlud sich über den Gegner. Eine großflächig grün gepunktete Tochter entschädigte für den Verlust einer intakten Eierschale. Ihr rotes Ei war unversehrt. Sie eilte ins Bad. Dabei harmonieren doch Rot und Grün sonst immer so gut miteinander. Nach wenigen Minuten erschien sie ohne grüne Punkte. Auch ihre Brille war wieder sauber.

Das Osterwochenende als vielschichtig kulinarisches Erlebnis. Wir sind gespannt, was uns der gemeinsame Verzehr der Ente noch bringt.

Donnerstag, 29. März 2018

Gottesdienste in Berlin

Bei der Suche nach Gottesdiensten am Osterwochenende in Berlin führte uns Google auf eine der vielen Webseiten von Gemeinsam für Berlin: www.Gottesdienst-in-Berlin.de



Seit über einem Jahr besuchen wir als Familie wieder regelmäßig eine Gemeinde in Berlin. Dort haben wir auch einige Dienste übernommen. Das wirkt sich auf die Besuchsfrequenz des Church Checkers aus. Da unser Pastor in seiner internationalen Gemeinde Fluktuation gewohnt ist und ein großes Herz für den Church Checker hat, sind wir jedoch frei, diesen Blog weiter zu bedienen.

So schaute ich heute bei Google, welche Gottesdienste über das Osterwochenende stattfinden. Ohne den Zusatz "gottesdienst" hätte ich nur Webseiten zum Tanzverbot am Karfreitag, fragwürdige Umzüge oder anderen gottlosen Kram gefunden. Nachdem ich die Suche auf "karfreitag gottesdienst berlin" erweitert hatte, wurde mir eine Webseite von Gemeinsam für Berlin präsentiert:

www.Gottesdienst-in-Berlin.de

Ähnlich der Webseite für Migrationskirchen kann bei Gottesdienst-in-Berlin.de nach Stilrichtung, Sprache, Besucherzahl, Uhrzeit und Kinderfreundlichkeit gefiltert werden. Bei Klick auf "Modern" oder "Jugendorientiert" oder "Französisch" oder "So. Abends" reduzieren sich die roten Pins auf der Google-Karte.

Weitere Informationen werden sichtbar, wenn die Mouse über die Pins fährt. Es erscheint dann der Name der Gemeinde. Bei Klick auf den Pin öffnet sich ein Infofeld mit Adresse, Webseite und den gewünschten Uhrzeiten. Ein weiterer Klick leitet zur Routenplanung per Auto oder Bahn. Sehr gut gemacht und leicht zu bedienen. Leider eine etwas längere Ladezeit der Gesamtübersicht beim Erstbesuch dieser Gottesdienst-Webseite.

Der Vorstand von Gemeinsam für Berlin wies kürzlich auf den erheblichen Pflegeaufwand dieser Datenbanken hin. Man müsse Datenschutzrichtlinien beachten, die Gemeinden um Erlaubnis fragen und einen Mitarbeiter zur nachhaltigen Pflege einsetzen. Aus diesem Grunde kann die Aktualität nicht garantiert werden. Es lohnt sich also in jedem Fall, vor einem Offline-Besuch die Webseite der jeweiligen Gemeinde zu besuchen.

In diesem Sinne ein gesegnetes Osterwochenende!

Montag, 19. März 2018

Hätte Jesus Sushi gegessen?

Wenn der Kellner bei einem BMW-Treffen fragt, wer denn den Cappuccino bestellt habe, wandern alle Blicke zu den wenigen Frauen im Saal. Ähnliches wird wohl passieren, wenn das Wort Sushi fällt. Nachfolgend eine nicht ganz ernst gemeinte Auseinandersetzung mit Sushi und dessen biblischer Relevanz.



Entscheidungen spielen in der neuen Predigtreihe eine große Rolle. Laut Pastor Dave Schnitter gäbe es Entscheidungen mit Langzeitfolgen und unbedeutende Entscheidungen. Seiner Meinung nach gehöre die Entscheidung eines Paares, ob Sushi oder Döner gegessen werde, zu den weniger wichtigen Entscheidungen. Das sehe ich anders. Man stelle sich vor, der mitessende Mann erleidet durch Sushi eine Fischvergiftung. Er wird dadurch arbeitsunfähig oder lebt sogar vorzeitig ab.

Letzteres hätte den Vorteil, dass er die Versichertengemeinschaft nur kurzzeitig belastet und - so er Christ war - nun das ewige Leben in der Gegenwart Gottes beginnen kann. Hatte er noch keine Beziehung zu Jesus, wäre das ein trauriger Abstieg in die Hölle - und das nur wegen einer Fehlentscheidung: Sushi.

Was ist Sushi überhaupt?

Damit sich nicht alle Männer selbst damit auseinander setzen müssen, habe ich recherchiert. Sushi ist ein japanisches Gericht - da haben wir es wieder: Gericht. Dieses Gericht besteht aus kaltem gesäuerten Reis. Hinzu kommen roher oder geräucherter Fisch, rohe Meeresfrüchte, Seetang, Gemüse, Tofu und Ei. Fisch, Gemüse und Ei sind ja soweit OK. Aber Seetang und Tofu? Allerdings wurde ich bereits Zeuge davon, wie Männer aus Friedrichshain oder Prenzlauer Berg Tofu aßen.

Reis scheint ein elementarer Bestandteil von Sushi zu sein. Laut Wikipedia und anderer Quellen wurde der Reis etwa 2.000 Jahre vor der biblischen Weltschöpfung im heutigen China kultiviert. Die ältesten Funde stammen jedoch aus der Zeit der Sintflut. Als David mit König Saul zu tun hatte, war der Reis bereits im Anmarsch auf Persien. Indien war schon von Reis überschwemmt worden. Als Antiochus in Jerusalem sein Unwesen trieb und von den Makkabäern eins auf die Mütze bekam, schwappte der Reis ins Römische Reich hinüber. Die Römer kannten Reis als Heilpflanze.

Jesus und Reis?

So kann davon ausgegangen werden, dass auch Jesus mit Reis in Berührung gekommen war. Reis wird in der deutschen Bibel-Übersetzung nur in Hesekiel 17 Vers 22 erwähnt: "Von den obersten seiner Schoße will ich ein zartes Reis abbrechen und will es auf einen hohen und erhabenen Berg pflanzen". Das hebräische Wort für Reis im Sinne von Sushi lautet Orez (אורז). Vokalisiert man Orez auf Erez, ergibt sich das Wort für Zeder. Erez findet die Volltextsuche 25 Mal im hebräischen Urtext. Fast alle Stellen haben einen klaren Bezug zum Libanon mit seinen Zedern. Erez ist übrigens nicht mit Eretz zu verwechseln. Eretz heißt Land und hat am Ende ein anderes Z (ארץ).

Fisch: 4 + 3 = 7

Da das alles etwas kompliziert klingt, widmen wir uns nun einem weiteren wichtigen Bestandteil von Sushi: Fisch. Fisch heißt auf Hebräisch Dag und wird mit den zwei Konsonanten D und G geschrieben. D hat den Zahlenwert 4 und G den Zahlenwert 3, was eine Quersumme von 7 ergibt. Cool, gell? Der Fisch als christliches Symbol ergibt mit seinen 4 (irdische Dimensionen) plus 3 (göttliche Einheit) die Zahl 7 (Vollkommenheit). Eine in sich verschachtelte Zahlensymbolik, über die sich beim nächsten Besuch eines Asia Imbiss nachdenken ließe.
 
Ach ja, Sushi wird auf Hebräisch übrigens סושי geschrieben. Bitte falsch herum lesen. סושי hat den Zahlenwert 376 - ist aber eigentlich auch egal.

Hatte Jesus Sushi gegessen?

Was fangen wir nun mit diesem Wissen an? Erst einmal ist festzustellen, dass Jesus theoretisch Sushi hätte essen können, da Reis und Fisch im damaligen Israel bekannt waren. Fische werden in der Bibel jedoch vorwiegend mit Geld im Maul, mit Brot als Beilage oder mit Jona im Bauch erwähnt. Wenn Jesus also Sushi gegessen haben sollte, ist das zumindest nicht überliefert.

Gelegentlich bin ich optimierungsfähig. So gibt es in Potsdam ein Restaurant, wo selbst ich Sushi esse. Meine Frau hatte den Besuch dieses Restaurants vor drei Jahren als Kompromiss erzwungen. Vorab hatte sie eine gemeinsame Probefahrt im Jaguar XE über sich ergehen lassen müssen. Wenigstens kennt mich in Potsdam niemand und - Sushi schmeckt dort sogar.

Donnerstag, 15. März 2018

Deutsche Christen und Bekennende Kirche im Großraum Marzahn

Die Denkweisen und das Wirken der Deutschen Christen hat heute kaum noch jemand auf dem Radar. Bekannt ist vielleicht noch, dass die Bekennende Kirche einen Gegenakzent gesetzt hatte. Gestern Abend informierten wir uns über die damaligen Konstellationen in den Ortsteilen Biesdorf, Mahlsdorf und Kaulsdorf.



Nationalsozialismus ist eng mit Zahlensymbolik verbandelt. So steht 88 für HH, die Abkürzung von Heil Hitler. Die 18 steht für AH wie Adolf Hitler und die 43 für DC wie Deutsche Christen. Das war wohl auch ein Grund dafür, dass die Kirche43 in Marzahn ihre 43 nur im Branding tragen durfte. Der Verein musste sich alternativ Junge Kirche Marzahn e.V. nennen, obwohl ein Marketing-Experte aus Bielefeld die 43 lediglich aus der alten Postleitzahl extrahiert hatte. Ortsgemeinde eben.

Wie schon vor ein paar Tagen in Dahlem festgestellt, ist die Geschichte der Kirche zwischen 1933 und 1945 sehr spannend. Die Art und Weise der Machtübernahme mit vollendeten Tatsachen, kurzfristigen Terminen und Denunzierungen passt in das hier schon mehrfach thematisierte Schema des Machtmissbrauchs. Prinzipiell läuft so etwas immer gleich ab. Im national-sozialistischen Berlin hatte es allerdings größere Ausmaße, wurde offen praktiziert und war lebensgefährlich.

Deutsche Christen

Die Deutschen Christen traten schon 1932 offen zu Tage. Die Mitglieder der DC einte ein klares Bekenntnis zum Führer mit der Umschrift 18. 1933 besetzten die DC sämtliche Gemeinde-Kirchenräte und offiziellen Kirchenämter. Zunächst bestand die Hoffnung, dass Hitler die gottlosen Strömungen der 1920er Jahre auf ein christliches Fundament zurückhole. Das entpuppte sich einige Jahre später jedoch als Irrtum. Die 43er reklamierten immer wieder Einheit in der deutschen Christenheit. Einheit unter der 18.

Bekennende Kirche

Die Bekennende Kirche setzte mutig einen Gegenakzent und konnte erst einmal relativ frei agieren. Ihre Mitgliedskarte war knallrot. Es wurde auch ein Pfarrernotbund gegründet, der Pfarrer unterstützen sollte, die wegen ihrer Abstammung nicht mehr offiziell für ihren Beruf zugelassen waren. Durch die fingierten Gemeindewahlen hatten die DC sämtliche Posten der kirchlichen Upline besetzt und regierten ihre Ansichten bis in die Ortsgemeinden durch.

Fließende Übergänge

Bei der gestrigen Veranstaltung im Bezirksmuseum fielen jede Menge Namen: Bischöfe, Pfarrer, Einwohner des Großraums Marzahn. Einige waren straffe Anhänger von 18 und 43. Andere bezeichneten sich als neutral, waren aber Anhänger von 18. Weitere Christen schlossen sich der Bekennenden Kirche an und stellten Jesus über die 18. Einige wechselten die Seiten. Andere wurden wegen belangloser Äußerungen ins Konzentrationslager geschickt.

Es war eine turbulente Zeit, die jedoch die viel beschworene Einheit innerhalb der DC ins Bröckeln brachte. Wenn Jesus aus dem Fokus gerät, kann das im Raum der Kirche nicht auf Dauer funktionieren. Doppelmitglieder von SA und DC überwarfen sich mit heidnischen SA-Leuten, gerieten in die Strukturen der Macht und wurden letztlich fallen gelassen.

Heinrich Grüber aus Kaulsdorf

Eigentlich sollte es um den Pfarrer Heinrich Grüber aus Kaulsdorf gehen. Dieser stellte aber bei der Fülle der Informationen nur eine Randfigur dar. Heinrich Grüber hatte auch die Rote Karte der Bekennenden Kirche und war aktiv an der Rettung konvertierter Juden beteiligt. Er selbst musste einige Jahre in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Dachau verbringen. Schutzhaft nannte sich das.

Heinrich Grüber überlebte diese Zeit und wirkte nach dem Krieg als Bürgermeister von Kaulsdorf. Er versteckte viele Frauen und Mädchen vor den Massen-Vergewaltigungen durch russische Soldaten. Vom Regen in die Traufe. Beim Eichmann-Prozess sagte er 1961 als einziger Nicht-Jude aus. In einem guten Alter von 84 Jahren starb er in Berlin.

Sonntag, 11. März 2018

Transforum 2018 in der Josua Gemeinde Spandau

Das Transforum gibt es seit 2004. Es findet alle zwei Jahre statt. Es geht um den positiven Einfluss des Christseins auf die urbane Umgebung. Wer am Transforum 2018 teilnehmen wollte, musste nach Spandau fahren.



Ich war noch nie beim Transforum. Dabei hatte ich fast zehn Jahre lang die Webseite inklusive der Archiv- und Anmeldefunktionen betreut. So wusste ich immer, welche Referenten erwartet werden und um welche Themen es geht. Den Haupt-Initiator Gemeinsam für Berlin kenne ich ebenfalls von Anbeginn und gehe mit deren Zielen konform. Aber ich war noch nie beim Transforum.

Das Programm

Als vor ein paar Tagen der Rundbrief zum Transforum 2018 eintraf, suchte ich vergebens nach einem aussagekräftigen Programm. Wegen der Zeit-Effizienz besuche ich mehrtägige Veranstaltungen in der Regel nur gezielt zu bestimmten Programmteilen, verschaffe mir einen Überblick, sauge die Stimmung vor Ort auf, nehme ein paar Impulse mit und widme mich dann wieder anderen Tagesaufgaben. Manchmal habe ich den Artikel sogar schon in der Schublade, bevor ich losfahre. In seltenen Fällen werde ich dann vor Ort überrascht, so wie damals bei "Farm & Food 4.0".

Am Freitag Vormittag fiel mir plötzlich wieder das Transforum ein. Schnell rief ich die Webseite auf und versuchte dort ein konkretes Programm zu finden. Die Aufmachung moderner Webseiten ist ja sehr plakativ. So fand ich neben einem überdimensionierten Baumaschinen-Piktogramm einen kurzen Text mit der Überschrift "Antwortsuche". Darunter den Button "Workshops": Klick! Tatsächlich öffnete sich eine Liste mit Workshops.

Workshops

Einige Workshops erschienen mir interessant:
  • Lernen von den Start-ups - Tools für Gemeindeentwicklung
  • Christliches Netzwerk für die Stadt
  • Gemeindekonflikte erkennen und lösen
  • Altlasten Ost-West
  • Income Inequity - The growing Gap (Ungleiches Einkommen - die wachsende Kluft)
Dann schaute ich auf die Uhr und dachte an den Weg. Ja, der Weg: 30 Kilometer am Mittag quer durch die Stadt. Google avisierte eine Stunde Fahrzeit. Ein hartes Ringen begann. Per WhatsApp fragte ich einen Freund, ob er spontan mitkommen wolle. Nein, es war zu kurzfristig. Also widmete ich mich wieder dem Tagesgeschäft.

So lief auch in diesem Jahr das Transforum an mir vorbei.

3 Tage in Spandau

Das Transforum startete am Donnerstag und ging bis Samstag. Es fand diesmal in der Josua Gemeinde Spandau statt. Teilnehmer und Referenten kamen wie üblich aus verschiedenen Organisationen und Gemeinden. Das gemeinsame Thema ist seit dem ersten Transforum eine positive Klimaveränderung in der Stadt. Das Klima verändert sich, wenn sich Menschen für ein Leben mit Jesus entscheiden. Die spannende Entwicklung in New York City ist ein Beispiel dafür, dass es funktioniert. Erreicht werden kann es unter anderem durch Vernetzung der Christen, gemeinsames Gebet, Gemeindegründung, authentischen Lebensstil im Alltag, soziale Projekte oder Nachbarschaftshilfe.

Business-Transforum

Ich war übrigens auch noch nie beim Business-Transforum. Das Business-Transforum gibt es seit 2012. Es findet jährlich statt. Das aktuelle Business-Transforen vom 20. bis 21. April 2018 ist fast so gut erreichbar wie das normale Transforum 2018: Essen. Essen ist hier nicht der Imperativ zur Nahrungsaufnahme, sondern der Veranstaltungsort. Warum auch immer Essen? Teilnehmer und Protagonisten haben berichtet, dass das Business-Transforum intensiv und wertvoll sei. Es nehmen erfahrene Christen aus der Wirtschaft teil. Die Besetzung ist international.

Das Business-Transforum läuft ähnlich ab, wie das normale Transforum. Schwerpunkte sind allerdings Themen aus der Wirtschaft und Fragen nach den Bau des Reiches Gottes im Berufsumfeld.

Wer ein wenig in der Szene christlicher Unternehmer unterwegs ist, wird in Essen viele Bekannte treffen. Das bietet gute Kontaktmöglichkeiten am Rande der Workshops und Plenumszeiten. So manch ein spontaner Input erfrischt dann das Business. Weisheit und Erfahrung anderer Teilnehmer helfen zudem beim Treffen wichtiger Entscheidungen.

Aber  auch in diesem Jahr werde ich nicht am Business-Transforum teilnehmen. Ich habe einen anderen Termin.

Freitag, 2. März 2018

Requiem für Pater Alain-Florent Gandoulou

"Teuer ist in den Augen des HERRN der Tod seiner Frommen", heißt es in Psalm 116. Vor einer Woche ist der katholische Priester in seinem Berliner Büro ermordet worden. Heute hielt Erzbischof Heiner Koch das Requiem.



Vor einem Jahr lernte ich eine Frau kennen, die regelmäßig für die Caritas im Kongo unterwegs ist. Eines Tages geriet ihr Konvoi in einen illegalen Check-Point. Die Insassen des ersten Fahrzeuges wurden als Geiseln festgehalten. Ihr eigener Fahrer konnte wenden und fliehen. Die Splitter der Tür stecken immer noch in ihrem Fuß. Eine normale Karosserie hält bei Kalaschnikow-Beschuss gar nichts ab.

Kongo, Ost und West

Auch in Kongo gibt es eine Ost- und West-Trennung. Der Westen nennt sich Republik Kongo und war bis 1960 unter französischer Herrschaft. Der deutlich größere Osten nennt sich Demokratische Republik Kongo und war bis 1960 unter belgischer Hoheit. In beiden Teilen gilt Französisch als Amtssprache.

Kongo war auch das Geburtsland von Pater Alain-Florent Gandoulou, also die Republik Kongo im Westen. Er lebte schon viele Jahre in Deutschland. In den Kongo konnte er nicht mehr zurück, da er die dortige Politik kritisiert hatte. Bei seiner Gemeinde in Charlottenburg war er sehr beliebt. Nach den Gottesdiensten soll er immer wieder Leute zum Essen mit nach Hause genommen und sich sehr selbstlos um seine Gemeindemitglieder gekümmert haben. "Papa Alain" muss ein freundlicher und umgänglicher Mann gewesen sein.

Französisch in Berlin

Seine Gemeinde Paroisse Catholique Francophone wurde 1945 gegründet und bot zunächst den französischen Alliierten eine geistliche Heimat. Entsprechend nachhaltig waren auch seine Beziehungen zum Militär. So hatte er unter anderem an einem Pfingst-Gottesdienst beim Wachbataillon in Tegel teilgenommen. In Berlin leben weit über 18.000 Franzosen. Hinzu kommen Afrikaner, die Französisch aus ihren Heimatländern mitgebracht haben.

Pater Alain-Florent Gandoulou war am 11. August 1963 in Brazzaville geboren worden. 1991 wurde er zum Priester geweiht und arbeitete einige Jahre seiner Geburtsstadt. 1996 zog er nach Bonn (Bad Godesberg) und promovierte dort in Christlicher Gesellschaftslehre. Bis 2005 engagierte er sich in einer Bonner Gemeinde, ging dann nach Paris und startete 2009 seine Arbeit in Berlin. Ein intelligenter Mann also, der seine Chancen genutzt hatte und dabei ein nahbarer Ansprechpartner geblieben war. Ein Mann, der seinen Bezugspersonen ein Beispiel gelebten Glaubens vermitteln konnte.

Requiem

Requiem - Ruhe - für Pater Alain-Florent Gandoulou. Am 22. Februar 2018 wurde er im Streit von einem anderen Afrikaner ermordet. Der Tatort muss dem Szenario eines skandinavischen Krimis geglichen haben: Stichwunde im Kopf, beigefügt mit einem Regenschirm. Der mutmaßliche Täter wurde am Folgetag in Reinickendorf gefasst. Dieser war nur halb so alt wie der Papa Alain und kam aus Kamerun, dem nordwestlichen Nachbarland der Republik Kongo.

S-Bahn, Koch und neue Leute

Heute habe ich einen Fehler gemacht. Bei -8°C wollte ich mit der S-Bahn in die City fahren. Ich freute mich, dass sie schon im Bahnhof stand und auf mich wartete. "Der Zugverkehr ist unregelmäßig", tönte es regelmäßig durch den Lautsprecher. Schön warm war es in der Bahn. Nach einer halben Stunde stieg ich wieder aus. Die Bahn hatte sich keinen Zentimeter bewegt.

Pater Alain-Florent Gandoulou soll im Kongo beigesetzt werden - in seiner Geburtsstadt Brazzaville. Das heutige Requiem - die Gedenkmesse - mit Erzbischof Heiner Koch habe ich verpasst. Schade. Dennoch ist mir schon durch die Beschäftigung mit Papa Alain eine Person aus der christlichen Szene Berlins nahe gebracht worden, die ich bisher nicht kannte. Parallelwelten eben, die postmortal zu einer Welt - der neuen Welt Gottes - verschmelzen.

Sonntag, 25. Februar 2018

St. Annen und die mutigen Christen von Dahlem

Bei einer Veranstaltung der israelischen Botschaft hörte ich am Dienstag erstmalig den Namen Elisabeth Schiemann. Ihre Geschichte führte zu Pfarrer Niemöller und den Christen im Stadtteil Dahlem. Heute besuchten wir dort die evangelische Kirchgemeinde St. Annen.



Peinlich! Selbst regionale Ureinwohner kennen die Geschichte der mutigen Christen von Dahlem nicht.

Am Dienstag war ich 25 km quer durch die Stadt gefahren, um eine Veranstaltung der israelischen Botschaft in Dahlem zu besuchen. Eine gewisse Elisabeth Schiemann sollte den Titel einer "Gerechten unter den Völkern" erhalten. Die Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem hat diesen Titel bereits an 26.513 Menschen aus 51 Ländern vergeben - darunter 601 Deutsche. Den Titel bekommt, wer keine jüdische Abstammung hat und während des Holocaust (lateinisches Wort für Brandopfer) das Leben von Juden gerettet hatte.

Elisabeth Schiemann und die Genetik

Elisabeth Schiemann war eine bedeutende Wissenschaftlerin des 20. Jahrhunderts. Ihr Fachgebiet war die Genetik. Ein Thema, das mit den Rassengesetzen des Dritten Reiches kollidieren musste. Einmal saß sie in einem Vortrag, in dem der Referent ausführte, dass es drei Rassen gäbe: eine schlechte, eine gute und Juden. Das Publikum teilte sich darauf in drei Gruppen: Zustimmung, Ignoranz und Elisabeth Schiemann. Wie Sandra Witte von der israelischen Botschaft ausführte, wurde Elisabeth Schiemann 1940 entlassen, da "Zweifel an der politischen Zuverlässigkeit" bestanden. Ein Satz, der wohl bei vielen im Saal haften blieb und sogar im Tagesspiegel zitiert wurde.

In der Laudatio wurde mehrfach erwähnt, dass Elisabeth Schiemann Kraft, Mut und Ethik aus ihrem starken christlichen Glauben gezogen hatte. Viele ihrer Handlungsmuster waren ein selbstverständliches Abbild ihres Vorbildes Jesus. Sie war Mitglied der evangelischen Kirche in Berlin-Dahlem. Dahlem hatte sich beharrlich gegen eine Eingemeindung in die DC - Deutsche Christen - gewehrt und war sämtlichen Tricks zur Übernahme der Machtpositionen zuvor gekommen. Die Verantwortungsträger der Deutschen Christen hatten ihren Fokus von Jesus auf Hitler verschoben und bekannten ihren Glauben, indem sie beispielsweise in SA-Uniformen zur Synode erschienen.

Martin Niemöller und St. Annen

Pfarrer Niemöller? Schon mal von gehört. Martin Niemöller war Pfarrer der St.-Annen-Kirche in Berlin-Dahlem. Er war Ansprechpartner für Elisabeth Schiemann und wurde bereits 1937 inhaftiert. Zu forsch war er in seinen Predigten gegen die politische Lage vorgegangen, hatte maßgeblich an der Gründung der Bekennenden Kirche mitgewirkt, einen Fonds für verfolgte Pfarrer gegründet und Hitler buchstäblich die Meinung ins Gesicht gesagt. Hitler hatte ihn dafür zum persönlichen Feind erklärt. Martin Niemöller überlebte das Konzentrationslager Dachau nur knapp. Er galt als prominente Geisel der SS und sollte in den Verhandlungen mit den Alliierten als Pfand eingesetzt werden. Am 30. April 1945 war seine Geiselgruppe durch eine beherzte Aktion der Wehrmacht befreit worden. Fast so spannend wie bei Martin Luther am 4. Mai 1521.

Martin Luther, St. Annen und der Friedhof

Apropos Luther: Pfarrerin Kulawik trug heute einen schwarzen Talar und das lutherische Beffchen. Das lutherische Beffchen ist von oben bis unten geteilt. Aber der Reihe nach ...

St. Annen ist deutlich kleiner als die Fotos auf der Webseite suggerieren. So fuhren wir zunächst daran vorbei. Nur die Nummer 55 überzeugte uns, einen Parkplatz zu suchen. Das alte Gemäuer ist von einem Friedhof umgeben. Mehrere Ruhestätten sind als Ehrengräber des Landes Berlin gekennzeichnet.

In der Kirche wurden wir freundlich begrüßt und bekamen zwei Gesangsbücher. Vor dem Altar übten einige Konfirmanden das Fürbittgebet. Es war gut geheizt. Die Kirche wirkte alt, schlicht und freundlich. Die Pfarrerin mit dem lutherischen Beffchen ging durch die Reihen und begrüßte die Gäste. Ein älteres Paar schien sonst auf unseren Plätzen zu sitzen, aber wir waren vor ihnen hier angekommen.

Bonhoeffer und die Christen in Ägypten

Die Liturgie nahm ihren Lauf. Lieder mit einer Null vor der Zahl wurden aus einem violetten Buch gesungen und die anderen aus einem grünen Buch. Das lernten wir relativ schnell. Die musikalische Begleitung erfolgte ausschließlich per Orgel. Es waren etwa 70 Personen zum Gottesdienst erschienen, deren Altersmix von Pubertät bis Rentner reichte.

Den Predigttext aus Jesaja 5, 1-7 verknüpfte die Pfarrerin sehr treffend mit einem Zitat von Dietrich Bonhoeffer. Darin ging es um billige und teuer erkaufte Gnade sowie die Mahnung an die Kirche, die Gnade Gottes nicht billig zu verschleudern. Der flüssige Start mündete in detaillierte Ausführungen über die Situation der Christen in Ägypten. Diese seien zum Spielball von Regierung und Terroristen geworden. Thematisch passte das zum Gebetstag für bedrängte und verfolgte Christen: Reminiszere.

Kälte, Gräber und die Batterie

Nach der Predigt wurde in zwei Gruppen das Abendmahl gefeiert. Es gab weitere Lieder, eine Kollekte und den Segen. Danach ein Postludium. Dann war der Gottesdienst zu Ende und wir traten hinaus in die eisige Kälte. Wir schlenderten durch die Grabreihen und hielten nach bekannten Namen Ausschau. Martin Niemöller ist hier nicht begraben. Er hatte seine reservierte Grabstelle 1979 an Rudi Dutschke abgetreten. Niemöller wurde 1984 in der Nähe von Osnabrück beigesetzt. Die 1972 verstorbene Elisabeth Schiemann ist hier begraben. In Ermangelung eines aussagekräftigen Planes fanden wir ihr Grab jedoch nicht.

Meine Autobatterie hatte sich beim Einparken vor der Kirche gemeldet. Sie sei leer, hatte das Display verkündet. Der Motor startete jedoch sofort und es erfolgte auch keine weitere Meldung der Batterie. So konnten wir mit Sitzheizung und 21-Grad-Klimatisierung den Rückweg antreten.

Montag, 19. Februar 2018

Missbrauch ist kein Kavaliersdelikt

Sexueller und geistlicher Missbrauch unterscheiden sich höchstens durch Aspekte wie Körper und Alter. Täterprofile, Orte, Langzeitfolgen und Heilungsansätze sind vergleichbar.



Im gestrigen Gottesdienst wurde das Tabu-Thema "sexueller Missbrauch" angegangen. Dazu hatte Rick Warren seine Frau Kay und die Bestseller-Autorin Beth Moore eingeladen. Beide Frauen waren in der Kindheit davon betroffen und betreuen nun Menschen, die in ähnlichen Situationen stecken. Eine praktische Umsetzung von 2. Korinther 1, 3-4.

Vertrauenspersonen

Das Perfide an diesen Missbräuchen ist, dass sie oft in einer Umgebung geschehen, die per se als sicher gilt: zu Hause, bei der Verwandtschaft, bei familiären Freunden oder in Einrichtungen mit Vertrauensstatus.

Um Hilfe gebetene Vertrauenspersonen reagieren oft mit Schweigen, Bagatellisierung oder Vertuschung. Dadurch wird das Opfer isoliert und bisherige Vertrauenspersonen zu passiven Mittätern. Daraus erwächst ein Geflecht des Misstrauens.

Vertrauen zu Gott

Nicht selten schlägt das auf die Vertrauensbeziehung zu Gott durch. Jesus formuliert deshalb in Matthäus 18, 6 oder Markus 9, 42 oder Lukas 17, 1-2 (zusammengefasst): Solche Situationen werden zwar passieren, aber wehe den Personen, die bewirken, dass einer dieser Kleinen das Vertrauen verliert. Es wäre besser für den Täter, mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworfen zu werden.

Heilung nach Missbrauch?

Kay Warren und Beth Moore zeigten im Interview auf, dass Heilung möglich ist. Dazu gehörten unter anderem die Konsultation professioneller Seelsorger und eine Abgrenzung zu ehemaligen Vertrauenspersonen. Das Wort Nein sei ein wichtiger Schlüssel zur Heilung.

Hier das ins Deutsche übersetzte Video zur Interview-Predigt:

Dienstag, 13. Februar 2018

1. Korinther 11: Hauptsache, die Haare liegen.

Schön, wenn der Alltag mit den gerade gelesenen Bibeltexten harmoniert. Das war auch gestern wieder der Fall, als wir beim Gebetsabend im CVJM-Kaulsdorf bei 1. Korinther 11 angelangt waren.



"Endlich mal rangekommen", sagte meine Frau. Meine Tochter stand mit weit aufgerissenen Augen in der Tür. "Rechtsradikal", kommentierte mein Sohn. "Pflegeleichter Schnitt", war meine Antwort.

Irritierte Blicke trafen mich, als ich zum CVJM abgeholt wurde. "Warst du b..." - "Ja, endlich mal rangekommen", unterbrach ich die Frage. Als wir das Kellergemach in Kaulsdorf betraten, hielt Heinz meine Hand fest und starrte auf meine Stirn. Dann ein breites Grinsen. Seine Frau betrat den Raum: Reaktion identisch.

Ausgerechnet heute sollte es um 1. Korinther 11 gehen. Das elfte Kapitel bringe ich normalerweise mit den Einsetzungsworten zum Abendmahl in Verbindung: "Also habe ich es von dem Herrn empfangen ... ein jeder aber prüfe sich selbst". Doch weit gefehlt. Die Hälfte des Kapitels beschäftigt sich mit etwas ganz anderem: Haarschnitte.

Paulus telefoniert

Den ersten Korintherbrief sollte man wie ein Telefongespräch betrachten. Die Korinther sind am anderen Ende. Paulus redet. Wir stehen daneben und hören nur Paulus. Dem ersten Brief muss ein anderer Brief vorausgegangen sein. Die Empfänger hatten darauf mit weiteren Fragen geantwortet. Nun erfolgt der Rückruf von Paulus zu bekannten Themen. Bekannt allerdings nur den Korinthern am anderen Ende der Leitung. Deshalb sind Recherchen und Mutmaßungen notwendig, um die initialen Fragen der Gegenseite zu rekonstruieren.

Kopftuch, Turban, Gebetsmantel

Am heutigen Abend waren wir nur zu fünft. Die Praktikanten von Kapitel 11 waren krank, so dass wir uns dem Text ohne deren Traditionsverständnis nähern mussten. Dabei stellten wir fest, dass Frauen mit Kopftuch nur an dieser Stelle der Bibel vorkommen. Der Abschnitt erklärt sich also nicht durch Parallelstellen. Auch in den religiösen Kontext der Zeit passte die Kopftuch-Verordnung nicht. Die Griechen lehnten Kopfbedeckungen ab. Die Römer trugen nur dann welche, wenn sie sehr reich waren und bei den Juden gab es den priesterlichen Turban oder den Gebetsmantel für die Männer.

Warum also hält sich so hartnäckig die Tradition, dass Männer nur ohne Kopfbedeckung und Frauen nur mit Kopfbedeckung beten sollen? Auch lange Haare seien bei Männern unüblich. OK, gepflegt sollten sie sein. Die drei Männer im Raum erfüllten die biblische Norm der kurzen Haare. Bei mir lag eine Übererfüllung vor: 2 bis 10 mm. Aber die Frauen - kurze Haare! Selbst meine Frau trägt seit Jahren kurze Haare - und schon gar keine Kopfbedeckung beim Beten.

Was tun mit diesem Text? Beten die Juden im Beit Schomer Israel falsch, wenn sie ihre Kippa aufgesetzt haben? Kommen die Gebete unserer Frauen nicht bei Gott an, wenn sie mit kurzen Haaren und ohne Tuch beten? Die Erfahrung zeigt, dass Haarschnitt und Tuch offensichtlich nicht relevant für eine gesunde und aktive Beziehung zu Gott sind.

Meine Lehre

Vers 2 redet davon, dass Paulus den Korinthern in diesem Punkt seine Lehre übergeben hat. Er erwähnt ja öfter, dass er etwas "vom Herrn empfangen" hat oder "das sage ich, nicht der Herr". Damit stellt er klar, wer was gesagt hat und wie die Gewichtung einzuordnen ist. So scheint also die Kopftuch-Passage von Paulus zu kommen und eine Regel zu sein, die er selbst in den Gemeinden eingeführt hat. Warum auch immer.

Paulus, dem zuweilen Frauenfeindlichkeit unterstellt wird, baut ab Vers 3 eine klare Hierarchie auf: Christus, Mann, Frau. Ab Vers 11 relativiert er diese Hierarchie und setzt Mann und Frau gleichwertig nebeneinander. Dass Paulus kein Frauenfeind ist, sondern lediglich den Mann zur Verantwortung ruft, zeigen auch die einschlägigen Passagen im Epheserbrief. Die Gott-Mann-Frau-Hierarchie ist also eher als Fürsorge-Hierarchie zu betrachten und nicht als eine Struktur der Macht.

Es könnte tatsächlich so sein, dass Paulus in den Versen 4 bis 10 die Frage der Korinther zitiert und in Vers 16 weitere Diskussionen zu diesem Thema abkürzt - weil unwichtig.

Verborgene Schönheit

Bleibt da noch die Frage nach den Engeln in Vers 10. Bezieht sich das auf 1. Mose 6 Vers 2? Tatsächlich war dieser Vers als Parallelstelle in meiner Bibel abgedruckt. Außer in dieser Passage vor der Sintflut, wird darüber in der Bibel nichts mehr erwähnt. Folgt man Parallel-Stellen zum Erste-Mose-Text könnte eine Verhüllung der Schönheit impliziert werden. Das würde dann wohl mit islamischen Ansichten harmonieren.

Gebets-Realität und Struktur des Textes lassen auf eine Kann-Regel schließen. Das entspannt.

In der nächsten Woche geht es mit dem Abendmahl aus 1. Korinther 11 ab Vers 17 weiter. Kann der Wein überhaupt durch Traubensaft ersetzt werden? Was ist mit Weißwein? Welche Brotsorte muss verwendet werden? Darf der Baptist zusammen mit dem als Kind Getauften das Abendmahl nehmen? Was sagt der Text dazu?

Samstag, 10. Februar 2018

Orthodoxie: Vesper beim Griechen

Die griechisch-orthodoxe Kirchengemeinde Christi Himmelfahrt zu Berlin haben wir schon lange auf der Agenda. Heute Abend besuchten wir die Vesper in der Steglitzer Mittelstraße.



Orthodoxie setzt sich aus den griechischen Wörtern orthós und dóxa zusammen. Orthós bedeutet richtig und dóxa steht für Glaube oder Meinung. In der Zusammensetzung heißt das also rechtgläubig. Da es auch jüdische Orthodoxie und islamische Orthodoxie (Sunniten) gibt, kann der Begriff nicht exklusiv der Ostkirche zugeschrieben werden.

Die orthodoxe Kirche orientiert sich an den ökumenischen Konzilen bis 787. Sie distanzierte sich vor etwa 1.000 Jahren von der katholischen - übersetzt allgemeinen - Kirche. 1054 fand das sogenannte morgenländische Schisma statt. Schisma bedeutet Spaltung - auch wenn es für unsere Ohren etwas anders klingt. Die orthodoxe Kirche wird von einem Patriarchen geleitet und ist hauptsächlich in Südosteuropa anzutreffen.

Erste Berührungspunkte

Orthodoxe Sakralbauten hatte ich punktuell schon betreten, mich aber nie genauer damit beschäftigt. Es bestand ein latenter Kontakt zum Archimandriten des Ökumenischen Patriarchats. Wir waren uns bei der Internetmission, beim Besuch des Patriarchen und bei EINS begegnet.

Im Flyer der Kirchengemeinde Christi Himmelfahrt zu Berlin stand 18:00 Uhr und im Internet 19:30 Uhr mit Ausrufezeichen. Das passte gut in unsere Tagesplanung. Wir waren mal wieder sehr pünktlich vor Ort und quetschten uns durch die Breite Straße. Diese war sehr eng, da rechts und links geparkt werden durfte. Das wurde so rege genutzt, dass wir erst nach einigem Hin- und Herfahren einen freien Platz fanden.

Beim Griechen

Vor der Kirche in der Mittelstraße standen Griechen, so wie man sie von Taverna Rhodos oder ähnlichen Restaurants kennt. Sie sprachen Deutsch. Da parallel Fasching gefeiert wurde, waren sie erstaunt, dass wir die Vesper, den Abend-Gottesdienst, besuchen wollten. Wir öffneten die Haustür und standen in einem kleinen Vorraum, der mit Kerzenhaltern, Tischen und Leuten gefüllt war. Eine steile Treppe führte in den Abgrund. Rechts ging es in einen Saal. Auch dieser war voll mit Besuchern. Fast alle in Jacken - sitzend und stehend.

Der Blick fiel auf einen bemerkenswerten Altarbereich. Kunstvolle Schnitzereien, goldene Ikonen, freier Blick zum Altar hinter der Holzwand und Blick auf ein riesiges Gemälde hinter dem Altar. Soweit wir das erkennen konnten, waren das die überdimensionierte Maria mit dem kleinen Jesus auf dem Schoß. An der rechten Seite gab es ein Gemälde mit Stephanus (Apostelgeschichte 6-7) und darunter ein Kreuz mit INBI. Nicht INRI - das wäre R wie Rex in der lateinischen Westkirche gewesen - INBI mit B wie Basileus (König).

Zettel, Predigt, Sprachkompetenz

Der Archimandrit stand vor dem Eingang zum Allerheiligsten und las Zettel vor. Namen über Namen. Ich verstand ab und zu mal "Alexander" - ansonsten nur Bahnhof. Liturgie inklusive Ansagen und Predigt liefen auf Griechisch. Griechisch ist so gar nicht meine Sprache. Griechisch ist ähnlich ausschweifend wie Russisch oder Deutsch. Das griechische Neue Testament hat bei vergleichbarer Textgröße gut 100 Seiten mehr als in den Kompaktsprachen Latein und Hebräisch. Ein Geschenk an die Umwelt oder einfach nur Effizienz.

Es trat der unerwartete Moment ein, dass alle Zettel verlesen waren. Wie bei einem Nachrichtensprecher waren sie in einem Korb gelandet, den ein kleiner Junge hielt. Später erfuhren wir, dass an diesem Abend der Toten gedacht wurde. Dann stand die Gemeinde auf. Einige gingen. Da wir kein Wort - außer ab und zu Christós - verstanden, vermuteten wir, dass im Stehen der Predigt gelauscht wurde. Es müssen so um die zehn Minuten gewesen sein.

Im Saal standen etwa 200 Besucher. Die Sitzplätze reichten nicht aus und auch die Stehplätze waren knapp. Es gab noch eine Empore und den Vorraum. Es konnten also nur 1,5% der in Berlin lebenden Griechen (Statistik 12/2016) an diesem Gottesdienst teilnehmen.

Gebäck und Gemeinschaft

Dann muss es wohl Ansagen gegeben haben. Einige der Anwesenden bekreuzigten sich. Dann begann eine Massenbewegung in Richtung Altarbereich. Dort standen Schüsseln mit Gebäck und Kerzen. Gespannt folgten wir dem Geschehen, ohne uns vom Platz zu bewegen. Über die Schulter bekamen wir eingepackte Kuchenstücke gereicht. Es folgten Becher mit süßen Nüssen, weiteres Gebäck und eine Art Pfannkuchen. Die Frauen mit den Schüsseln waren sehr freundlich und jeder im Raum bekam etwas ab. Ich klebte meinen Kaugummi ins Taschentuch und verzehrte die herzugetragenen Leckereien.

Der Archimandrit kam auf uns zu und erklärte, dass die 19:30 Uhr kurzfristig vorverlegt worden waren. Wir sollten am besten mal an einem Sonntag kommen. Das können wir gerne machen. Wissen wir doch nun, dass pünktliches Erscheinen und das Bleiben bis Ultimo keine Pflicht sind. Bei einer sonntäglichen Gottesdienstzeit von 9:00 bis 11:45 Uhr lässt sich das sicher flexibel gestalten oder mit einem anderen Gottesdienst kombinieren, insbesondere wenn in der Kirchengemeinde Christi Himmelfahrt alles auf Griechisch abläuft - ohne Simultanübersetzung oder multilinguale Folien an der Wand.

Archimandrit heißt übersetzt: Klostervorsteher. Während der Unterhaltung mit ihm bekamen wir weitere Leckereien und den dringend benötigten Löffel gereicht. Sehr freundlich, die Griechen! Obwohl die sakralen Ausdrucksformen der rechtgläubigen Griechen so diametral von unserem Kulturverständnis abwichen, fühlten wir uns doch integriert. Schnittmenge: Χριστός - Christós.

Unsere Beobachtungen ergaben, dass jetzt der Gemeinschaftsteil lief, der mit dem Heimweg abzuschließen sei. So tauchten wir in die Menge ein, schwammen dem Ausgang entgegen und wanderten zum Parkplatz. Eine interessante Erfahrung, die es bei einem Folgebesuch zu ergänzen gilt.

Montag, 5. Februar 2018

Macht in der Gemeinde

Nachdem hier schon viel über geistlichen Missbrauch geschrieben wurde, nun eine nicht ganz ernst gemeinte Auseinandersetzung mit den wahren Machthabern in der Gemeinde. Das sind nämlich Menschen wie du und ich.



Mehr als zwei Jahre hatte unsere Distanz zu jeglichen Gemeinde-Aufgaben gedauert. Kein Kinder-Gottesdienst, kein Willkommens-Team, kein eigener Hauskreis, keine Moderation, kein Putzdienst, kein Kochen, kein Backen - einfach Abstand von jeglichen Dingen, die uns in das Hamsterrad eines Gemeinde-Systems gepresst hätten.

Dennoch war uns bewusst, dass wir Gemeinde wollen. Wir waren auf die Suche gegangen, hatten bei 100 Gemeinden mit Zählen aufgehört und über die Erfahrungen berichtet. Parallel wurde ein neuer Freundeskreis aufgebaut und tatsächlich eine Gemeinde gefunden, die auf uns als ganze Familie passte. Das war gar nicht so einfach.

Macht die Familie eigentlich was?

Die Gemeinde ist vier Jahre alt, hat 300 Gottesdienst-Besucher, setzt sich aus 50 Nationen zusammen und spricht primär Englisch. Demnächst startet ein dritter Sonntags-Gottesdienst. Das fordert Ressourcen. Unsere Tochter war bereits vor einigen Wochen mit polizeilichem Führungszeugnis und Empfehlungen beim Kinder-Programm eingestiegen.

Meine Frau und ich waren bis zum Jahreswechsel resistent. Dann folgten wir einem multimedialen Hilferuf und sahen uns mal die Wirkungsweise des Technik-Teams an. Alles ging dann sehr schnell. Gestern saßen wir zu zweit im schalldichten Kasten und hatten die Verantwortung für den Beamer und die Simultan-Übersetzung.

Schon im Vorfeld sandte ich Smileys mit ängstlichen Mienen herum und warb um Gebetsunterstützung. Meine Frau hatte nur kurz mal zugeschaut, wie die Folien gewechselt werden und wo das Video mit der Predigt zu klicken sei. Allein die Einweisung in das präzise Starten des Countdowns flößte uns Respekt ein. Gestern war die Technik-Familie im Urlaub und wir sprangen ins kalte Wasser - sinnbildlich - wobei unser Glaskasten schon an ein Aquarium erinnerte.

Potenzielle Macht im Aquarium

Durch aufmunternde Bemerkungen unserer Kinder wurde uns bewusst, welche Macht wir plötzlich besaßen. Zehn nach halb zwölf waren wir vor Ort. Würden wir sofort den Countdown starten, würde das den Gottesdienst-Beginn vorverlegen. Hektik würde ausbrechen bei der Band und beim Pastor. Die Leute hinter der Kaffee-Theke würden sich wundern, dass so wenige Cappuccino zubereitet werden müssten. Menschen, die sich auf das akademische Viertel verließen, würden plötzlich vor der geschlossenen Tür zum Saal stehen. Irritation, Panik. Vielleicht hätten sie Schweißausbrüche und würden um einige Tage altern. Der Kaffee im großen silbernen Behälter würde sogar für die Gespräche nach dem Gottesdienst reichen.

Auch in den Gesprächen vor dem Start des Countdowns kamen wir immer wieder auf die Macht der Technik zurück. Mein Sohn meinte noch, wenn der Pastor zu schnell rede oder ich die Worte nicht kenne, solle ich einfach etwas anderes erzählen. Beispielsweise könne ich Werbung für den Church-Checker machen. Auch malten wir uns aus, welche weiterführenden Texte ich als Lückenfüller einflechten könnte. Hinweise auf unsere Youtube-Kanäle oder ähnliches. Immerhin wären mir die Gottesdienst-Besucher ohne Englisch-Kenntnisse hilflos ausgeliefert.

Macht praktisch

Das wäre normalerweise der Moment für ein sonores "Ho, Ho" und ein breites, fieses Grinsen. Da es aber auf zwölf zuging, wurden wir eher nervös. Wie war das noch mit dem Countdown? Fünf nach und 36 Sekunden oder sowas? Dann kam das manuelle Signal und meine Frau startete den Film: "5:00, 4:59, 4:58". Ich kauerte mich zu ihr und richtete mich neben dem massiven Sennheiser-Mikrofon ein. Oben war ein großer ON-OFF-Schalter. Die Lust auf Macht war mir gänzlich vergangen. "0:02, 0:01: 0:00", zum Glück startete sofort die Band und ich musste nichts übersetzen.

Meine Frau kam mit den Folien nicht klar. Niemand sang mit. Der durchbohrende Blick meiner Tochter traf den Glaskasten. Auch der Pastor schaute zur Technik. Experten drängten sich in unseren Kasten. Zum Ende des ersten Liedes sahen die Besucher die passende Folie. Dann begann plötzlich der Lobpreisleiter zu sprechen. Das war ja Englisch. Ich verstand alles. Darüber war ich so erstaunt, dass ich stumm vor dem Mikro saß. Meine Frau schaute mich erschrocken an. Erst als der unhygienische Friedensgruß in die Praxis umgesetzt wurde, hatte ich mich gefangen und teilte den Übersetzungs-Bedürftigen mit, dass sie jetzt aufstehen könnten um die Leute in ihrer Umgebung zu begrüßen. Ich hörte sogar meine eigene Stimme. Wie peinlich!

Macht langsam Spaß

Bereits nach dem Gruß hatte meine Frau die Folien voll im Griff. Auch meine Tochter drehte sich nicht mehr um. Sie musste statt dessen den Platz wechseln, weil noch zwei Leute nach dem akademischen Viertel gekommen waren. Unfassbar! Ein Schwarzer zwängte sich neben mir in den Glaskasten und teilte mir mit, dass er aus Kuba sei. Ja, schön. Dann setzte ich den Kopfhörer wieder auf und konzentrierte mich auf den nächsten Einsatz. Der kam nach dem Lobpreis.

Zur besseren Erklärung breitete ich die Zettelwirtschaft aus dem Begleitheft vor mir aus und erklärte nun simultan und mit einigen Lücken, was der eingeborene Germane an welcher Stelle anzukreuzen und auszufüllen habe. Auch Class 301, das Seminar zur Entdeckung des Gabenprofils, war Thema der Ansagen. Die oben erwähnten Werbeblöcke konnte ich gar nicht mehr platzieren. Egal, ich freute mich, dass ich die Simultan-Übersetzung, das parallele Reinquatschen in den Text des Redners auf der Bühne, als ideale Form der Translation für mich entdeckt hatte. Währenddessen suchte meine Frau nach der Folie für das parallele Jugendprogramm. Den Stress merkte man ihr gar nicht an.

Macht mal Pause für 48 Minuten

"Jetzt hast du 48 Minuten Zeit", sagte sie zu mir und lehnte sich entspannt zurück. Sie hatte das Video mit der Predigt gestartet. Alles reibungslos. Ich legte den Kopfhörer ab und ordnete die Zettel vor mir. Wenn die Leute saßen, konnte man vom Aquarium aus sehr gut das Geschehen auf den beiden Leinwänden verfolgen. In der Predigt ging es um die Handlungsmuster von Jesus: Hören - Stoppen - Gucken - Fragen - Tun. Dafür gäbe es viele Beispiele. Im konkreten Fall ging es um die Blinden von Jericho.

Als die Timeline auf die Null und der Pastor auf die Bühne zuging, fasste ich Mut und Mikrofon. Klack - ON - das Gebet begann. Wieder übersetzte ich simultan. Dann noch ein Lied mit Kollekte. Meine Frau sang und wippte mit. Die Folien wurden präzise gewechselt und unsere Tochter drehte sich nicht um. Geschafft!

Für 14:00 Uhr hatten wir einen Tisch beim Mexikaner reserviert. Durch das späte Starten des Countdowns waren aber Lobpreis, Predigt und Ansagen so weit nach hinten verlagert, dass wir nur noch zehn Minuten Zeit hatten. Wir würgten den nachfolgenden Smalltalk ab, versorgten uns mit Teewasser und Mänteln und liefen schnell zum Restaurant. Obwohl wir unsere Macht nicht zur Verschiebung der Zeiten missbraucht hatten, kamen wir sogar pünktlich zum Essen.