Montag, 5. Februar 2018

Macht in der Gemeinde

Nachdem hier schon viel über geistlichen Missbrauch geschrieben wurde, nun eine nicht ganz ernst gemeinte Auseinandersetzung mit den wahren Machthabern in der Gemeinde. Das sind nämlich Menschen wie du und ich.



Mehr als zwei Jahre hatte unsere Distanz zu jeglichen Gemeinde-Aufgaben gedauert. Kein Kinder-Gottesdienst, kein Willkommens-Team, kein eigener Hauskreis, keine Moderation, kein Putzdienst, kein Kochen, kein Backen - einfach Abstand von jeglichen Dingen, die uns in das Hamsterrad eines Gemeinde-Systems gepresst hätten.

Dennoch war uns bewusst, dass wir Gemeinde wollen. Wir waren auf die Suche gegangen, hatten bei 100 Gemeinden mit Zählen aufgehört und über die Erfahrungen berichtet. Parallel wurde ein neuer Freundeskreis aufgebaut und tatsächlich eine Gemeinde gefunden, die auf uns als ganze Familie passte. Das war gar nicht so einfach.

Macht die Familie eigentlich was?

Die Gemeinde ist vier Jahre alt, hat 300 Gottesdienst-Besucher, setzt sich aus 50 Nationen zusammen und spricht primär Englisch. Demnächst startet ein dritter Sonntags-Gottesdienst. Das fordert Ressourcen. Unsere Tochter war bereits vor einigen Wochen mit polizeilichem Führungszeugnis und Empfehlungen beim Kinder-Programm eingestiegen.

Meine Frau und ich waren bis zum Jahreswechsel resistent. Dann folgten wir einem multimedialen Hilferuf und sahen uns mal die Wirkungsweise des Technik-Teams an. Alles ging dann sehr schnell. Gestern saßen wir zu zweit im schalldichten Kasten und hatten die Verantwortung für den Beamer und die Simultan-Übersetzung.

Schon im Vorfeld sandte ich Smileys mit ängstlichen Mienen herum und warb um Gebetsunterstützung. Meine Frau hatte nur kurz mal zugeschaut, wie die Folien gewechselt werden und wo das Video mit der Predigt zu klicken sei. Allein die Einweisung in das präzise Starten des Countdowns flößte uns Respekt ein. Gestern war die Technik-Familie im Urlaub und wir sprangen ins kalte Wasser - sinnbildlich - wobei unser Glaskasten schon an ein Aquarium erinnerte.

Potenzielle Macht im Aquarium

Durch aufmunternde Bemerkungen unserer Kinder wurde uns bewusst, welche Macht wir plötzlich besaßen. Zehn nach halb zwölf waren wir vor Ort. Würden wir sofort den Countdown starten, würde das den Gottesdienst-Beginn vorverlegen. Hektik würde ausbrechen bei der Band und beim Pastor. Die Leute hinter der Kaffee-Theke würden sich wundern, dass so wenige Cappuccino zubereitet werden müssten. Menschen, die sich auf das akademische Viertel verließen, würden plötzlich vor der geschlossenen Tür zum Saal stehen. Irritation, Panik. Vielleicht hätten sie Schweißausbrüche und würden um einige Tage altern. Der Kaffee im großen silbernen Behälter würde sogar für die Gespräche nach dem Gottesdienst reichen.

Auch in den Gesprächen vor dem Start des Countdowns kamen wir immer wieder auf die Macht der Technik zurück. Mein Sohn meinte noch, wenn der Pastor zu schnell rede oder ich die Worte nicht kenne, solle ich einfach etwas anderes erzählen. Beispielsweise könne ich Werbung für den Church-Checker machen. Auch malten wir uns aus, welche weiterführenden Texte ich als Lückenfüller einflechten könnte. Hinweise auf unsere Youtube-Kanäle oder ähnliches. Immerhin wären mir die Gottesdienst-Besucher ohne Englisch-Kenntnisse hilflos ausgeliefert.

Macht praktisch

Das wäre normalerweise der Moment für ein sonores "Ho, Ho" und ein breites, fieses Grinsen. Da es aber auf zwölf zuging, wurden wir eher nervös. Wie war das noch mit dem Countdown? Fünf nach und 36 Sekunden oder sowas? Dann kam das manuelle Signal und meine Frau startete den Film: "5:00, 4:59, 4:58". Ich kauerte mich zu ihr und richtete mich neben dem massiven Sennheiser-Mikrofon ein. Oben war ein großer ON-OFF-Schalter. Die Lust auf Macht war mir gänzlich vergangen. "0:02, 0:01: 0:00", zum Glück startete sofort die Band und ich musste nichts übersetzen.

Meine Frau kam mit den Folien nicht klar. Niemand sang mit. Der durchbohrende Blick meiner Tochter traf den Glaskasten. Auch der Pastor schaute zur Technik. Experten drängten sich in unseren Kasten. Zum Ende des ersten Liedes sahen die Besucher die passende Folie. Dann begann plötzlich der Lobpreisleiter zu sprechen. Das war ja Englisch. Ich verstand alles. Darüber war ich so erstaunt, dass ich stumm vor dem Mikro saß. Meine Frau schaute mich erschrocken an. Erst als der unhygienische Friedensgruß in die Praxis umgesetzt wurde, hatte ich mich gefangen und teilte den Übersetzungs-Bedürftigen mit, dass sie jetzt aufstehen könnten um die Leute in ihrer Umgebung zu begrüßen. Ich hörte sogar meine eigene Stimme. Wie peinlich!

Macht langsam Spaß

Bereits nach dem Gruß hatte meine Frau die Folien voll im Griff. Auch meine Tochter drehte sich nicht mehr um. Sie musste statt dessen den Platz wechseln, weil noch zwei Leute nach dem akademischen Viertel gekommen waren. Unfassbar! Ein Schwarzer zwängte sich neben mir in den Glaskasten und teilte mir mit, dass er aus Kuba sei. Ja, schön. Dann setzte ich den Kopfhörer wieder auf und konzentrierte mich auf den nächsten Einsatz. Der kam nach dem Lobpreis.

Zur besseren Erklärung breitete ich die Zettelwirtschaft aus dem Begleitheft vor mir aus und erklärte nun simultan und mit einigen Lücken, was der eingeborene Germane an welcher Stelle anzukreuzen und auszufüllen habe. Auch Class 301, das Seminar zur Entdeckung des Gabenprofils, war Thema der Ansagen. Die oben erwähnten Werbeblöcke konnte ich gar nicht mehr platzieren. Egal, ich freute mich, dass ich die Simultan-Übersetzung, das parallele Reinquatschen in den Text des Redners auf der Bühne, als ideale Form der Translation für mich entdeckt hatte. Währenddessen suchte meine Frau nach der Folie für das parallele Jugendprogramm. Den Stress merkte man ihr gar nicht an.

Macht mal Pause für 48 Minuten

"Jetzt hast du 48 Minuten Zeit", sagte sie zu mir und lehnte sich entspannt zurück. Sie hatte das Video mit der Predigt gestartet. Alles reibungslos. Ich legte den Kopfhörer ab und ordnete die Zettel vor mir. Wenn die Leute saßen, konnte man vom Aquarium aus sehr gut das Geschehen auf den beiden Leinwänden verfolgen. In der Predigt ging es um die Handlungsmuster von Jesus: Hören - Stoppen - Gucken - Fragen - Tun. Dafür gäbe es viele Beispiele. Im konkreten Fall ging es um die Blinden von Jericho.

Als die Timeline auf die Null und der Pastor auf die Bühne zuging, fasste ich Mut und Mikrofon. Klack - ON - das Gebet begann. Wieder übersetzte ich simultan. Dann noch ein Lied mit Kollekte. Meine Frau sang und wippte mit. Die Folien wurden präzise gewechselt und unsere Tochter drehte sich nicht um. Geschafft!

Für 14:00 Uhr hatten wir einen Tisch beim Mexikaner reserviert. Durch das späte Starten des Countdowns waren aber Lobpreis, Predigt und Ansagen so weit nach hinten verlagert, dass wir nur noch zehn Minuten Zeit hatten. Wir würgten den nachfolgenden Smalltalk ab, versorgten uns mit Teewasser und Mänteln und liefen schnell zum Restaurant. Obwohl wir unsere Macht nicht zur Verschiebung der Zeiten missbraucht hatten, kamen wir sogar pünktlich zum Essen.

Samstag, 3. Februar 2018

Beit Schomer Israel in Steglitz

Die Gemeinde "Beit Schomer Israel" versteht sich als jüdisch-messianische Gemeinde. Vielen ist sie als "Beit Sar Shalom" bekannt. Die Anfänge lassen sich auf das Jahr 1995 datieren. Heute besuchten wir die Gemeinde an ihrem Standort in Steglitz.



"Shabbat Shalom", wurden wir bereits auf dem Hof des Gardeschützenwegs 96A begrüßt. Ein Mann mit weißem Hemd und Kippa stand auf dem Parkplatz. Kinder turnten um ihn herum. Eine Mutter räumte ihren Kleinbus leer. Herzliches Willkommen und Smalltalk auf dem Weg zum Eingang. Große hebräische Buchstaben wiesen auf Beit Sar Shalom und Beit Schomer Israel hin. Ersteres ist ein übergeordnetes Missionswerk und Letzteres der eigentliche Name der Gemeinde.

Shabbat Shalom

Durch eine Glastür betraten wir die Räume. Sie waren von Licht durchflutet und die wenigen Anwesenden kamen mit herzlichen Shabbat-Shalom-Grüßen auf uns zu. Eine bemerkenswert gute Willkommenskultur. Ich hatte die Kippa vergessen und bekam eine angeboten. Sie war leider nicht kompatibel mit meiner Frisur. Deshalb setzte ich sie wieder ab.

Ein A5-Blatt mit dem Programm verriet uns, dass von elf bis zwölf Liturgie und Thora-Lesung stattfinden werden und bis halb zwei der Gottesdienst mit Lobpreis und Predigt folgen sollen. "Wie lange willst du bleiben?", fragte mein Begleiter. Ich zeigte auf 13:30 Uhr. Für danach waren noch eine Gebetszeit und ein Nachmittagsseminar zur Kindererziehung avisiert.

Bedenke, vor wem du stehst!

Bis elf Uhr hatte sich der Raum tatsächlich gefüllt. Etwa 100 Besucher schauten Richtung Südost auf einen schlichten Thora-Schrank. Darüber auf Hebräisch der Spruch: "Bedenke, vor wem du stehst!"

Das Lobpreis-Team flankierte den Altarbereich auf der Südwest-Seite. Sie stimmten die Lieder auf Hebräisch, Deutsch und Russisch an. Die Folien wurden präzise gewechselt. Teilweise waren fünf Sprachen abgebildet: Hebräisch im Original, Hebräisch in lateinischer Umschrift, Deutsch, Russisch, Englisch. Es gab auch Folien, auf denen das Hebräische in Kyrillisch umgeschrieben war. Auf alle Fälle konnte jeder mitsingen. Ich entschied mich für die hebräischen Buchstaben. Endlich mal Praxis in der Urtext-Sprache.

Auch Aufstehen und Hinsetzen wurden gut geleitet. Unbedarfte Besucher konnten allen Elementen folgen. Die Liturgie-Abschnitte wurden zudem per Beamer in sämtlichen Sprachen an die Wand neben dem Thora-Schrank projiziert.

Anziehungskraft der Thora

Einige Männer mit Gebetsmänteln nahmen die Rolle aus dem Schrank, trugen sie durch den Saal, legten sie nach einem bestimmten Ritual auf den Tisch, rollten sie auf, lasen etwas vor, verpackten sie wieder und stellten sie in den Schrank zurück. Das Herumtragen der Thora löste eine emotionale Reaktion bei den Besuchern aus. Mit Armen, Handys und Bibeln wurde die samtige Hülle der Schriftrolle berührt und anschließend das Handy geküsst: Ehrfurcht vor der Bibel und die Erwartung eines besonderen Segens.

Im ersten Teil, dem sogenannten Shacharith, gab es einen kurzen Kommentar zum Text der Lesung. Dabei wurde Jithro als Respektsperson im Leben Moses vorgestellt. Jithro sei kein Name, sondern ein Titel: Vornehmer, Exzellenz. J-T-R bildet den Wortstamm für jater und bedeutet soviel wie überschüssig, mehr, groß, viel, übermäßig. Der Kommentator zitierte auch den wichtigen Vers "Lo-tov Hadavar asher atha osse" - "Nicht gut die Sache, die du tust" aus Schmot - pardon Exodus 18 Vers 17. Damit wies Jithro seinen Schwiegersohn Mose darauf hin, dass er seine Aufgaben verteilen solle. Ein Prinzip, mit dem sich auch heutige Pastoren noch schwer tun. Gegen Vers 18 ist Vers 17 sogar noch moderat formuliert.

Wer ist die Zielgruppe?

Zwischen traditioneller Liturgie und Gottesdienst gab es eine kurze Pause und einige personelle Veränderungen. Es strömten erstaunlich viele Menschen herein, die offensichtlich früher in Russland gelebt hatten. Die russische Fraktion machte gefühlt 60% der Anwesenden aus. Nur wenige hätte man auf der Straße als Menschen mit jüdischer Abstammung erkannt. Die weiteren Besucher überdeckten ihre deutsche Herkunft mit Gebetsmänteln, Kippas und auffälligen Chai-Ketten (Chai = Leben).

Es war auf den ersten Blick nicht festzustellen, wer eigentlich die Zielgruppe von Beit Shomer Israel wäre. Zunächst vermutete ich, dass die Gemeinde ein Sammelbecken für Spätaussiedler und christliche Israelfreunde aus den Gojim (Heidenvölker) sei. Auf Nachfrage wurde uns erklärt, dass sogar 40% der Gemeinde aus messianischen Juden bestehe. Israelfreunde seien zwar gerne gesehen, die Zielgruppe seien jedoch ganz klar Juden mit einer Beziehung zu Jeshua Hamashiach (Jesus dem Christus). Letzteres ist übrigens auch der definierte Fokus der weltweit aktiven Organisation Beit Sar Shalom.

Abba und der Rabbi

In der Predigt von Rabbi Wladimir Pikman ging es um Abba: Gott als Papa und seine damit verbundenen Eigenschaften. Wladimir Pikman sprach Russisch und wurde sehr professionell ins Deutsche übersetzt. Er bezog auch das Publikum ein, indem er immer wieder Fragen stellte. Zum Abschluss des Gottesdienstes wurde die Kollekte eingesammelt und ein hebräischer Segen gesprochen.

Gelebte Gastfreundschaft

Vor dem Altar wurde ein Tisch mit zwei Broten aufgestellt. Die beiden Brote sollten die doppelte Ration Manna am Vortag des Shabbats symbolisieren. Viele der Anwesenden bedienten sich daran. Wir wurden zum Mittagessen eingeladen. Allerdings waren wir nach zweieinhalb Stunden Liturgie und Gottesdienst etwas unter Zeitdruck geraten. Wir bedankten uns und verließen das gastliche Haus.

Auf dem Heimweg tauschten wir unsere Eindrücke aus und schafften es gerade noch rechtzeitig zum Kaffee mit den Omas. Apropos Heimweg:

Rabbi Wladimir Pikman war 1995 - so wie wir damals - zwecks Gemeindegründung nach Marzahn gekommen. Während wir unseren Fokus auf Einheimische legten, konzentrierten sich Wladimir und Inna Pikman im Ortsteil Ahrensfelde auf Aussiedler mit jüdischen Wurzeln. Durch eine gute Vernetzung innerhalb Berlins, konnten sie für die schnell wachsende messianische Gemeinde Räume der EFG Bethel und der LKG Eben Ezer nutzen. Die Standorte Steglitz und Lichterfelde sind allerdings knapp 30 Kilometer quer durch die Stadt vom ursprünglichen Wirkungsort Ahrensfelde entfernt.

Sonntag, 28. Januar 2018

Alt-Katholiken in Wilmersdorf

Angeregt durch eine Begegnung bei EINS besuchten wir heute den Gottesdienst der Alt-Katholiken in Wilmersdorf. Die katholische Freikirche ist zentral gelegen und hat am Innsbrucker Platz einen eigenen Autobahnanschluss.



Heute fuhren wir zu viert nach Wilmersdorf. 10:30 Uhr war ein guter Kompromiss zwischen Mittagessen und familiärer Morgen-Hektik. Überpünktliches Erscheinen sicherte uns einen guten Parkplatz. Neben dem Matchbox-Laden Cars & Boxes führte eine kleine Treppe in die Räume der Berliner Alt-Katholiken. Die Tür sah verschlossen aus, war sie aber nicht.

Wir betraten eine helle Stube mit Bildern in freundlichen Pastelltönen. An den Wänden klebten goldene Kreuze. Durch einen Vorhang schauten wir in einen weiteren Raum. Dort stand ein Tisch und darüber hing ein Gemälde von Josef-Hubert Reinkens.

Freikirche auf Katholisch

Reinkens wurde 1873 als erster Bischof der Alt-Katholiken geweiht und noch im selben Jahr von der preußischen Regierung als gleichberechtigt zu römisch-katholischen Bischöfen anerkannt. Damit hatte die katholische Kirche wieder eine Trennung erlebt. 1054 hatte sie sich schon von der orthodoxen Ostkirche verabschieden müssen, 1517 von den Protestanten und diesmal von den Alt-Katholiken. Während alt intuitiv mit konservativ gleichgesetzt wird, bedeutet es bei den Alt-Katholiken eher uralt, also Katholizismus aus einer Zeit, als es noch keine Unfehlbarkeit des Papstes und andere nachgelagerte Dogmen gab.

Mit ihren 145 Jahren sind die Alt-Katholiken eine recht junge Freikirche. Fast so jung wie der Mülheimer Verband, nur eben mit dreimal so vielen Mitgliedern. Während evangelische Freikirchen gerne die alten Liturgien über den Jordan werfen, praktizieren die Alt-Katholiken einen moderaten Übergang vom üblichen Stil der Landeskirche zum familiären Stil der Freikirche. So stand im Saal ein modernes Taufbecken, Kerzen, ein Altar, eine Kanzel und zwei Kruzifixe. Es gab Messdiener, Glöckchen, die Eucharistie - Abendmahl - und Gewänder in den Farben des Kirchenjahres.

Abendmahl, Weihnachten und Familien-Gottesdienst

Das Abendmahl durfte von allen genommen werden, die getauft waren und eine irgendwie geartete Kommunion absolviert hatten. So stellten auch wir uns in den Kreis und machten uns mit den Alt-Katholiken EINS.

Die Tatsache, dass hier immer noch Weihnachten zelebriert wurde, erstaunte uns. Der Vikar erklärte, dass die Weihnachtszeit erst am 2. Februar mit Mariä Lichtmess ende. Kein Wunder also, dass wir neben unzähligen weiteren Liedern auch "O, du Fröhliche" sangen und vor dem Altar Stall und Krippe bewundern konnten.

Heute war Familien-Gottesdienst und die Kinder durften den Hauptteil der Predigt übernehmen. Das heißt, sie wurden zum herbeigetragenen Gemälde von Josef-Hubert Reinkens befragt. Dabei lernten wir, dass der Mann auf dem Bild der erste Bischof gewesen sei und Bischöfe immer ein Kreuz auf der Brust tragen. "Außer vielleicht, wenn sie in Jerusalem den Tempelberg besuchen", dachte ich. Ein weiteres Bild zeigte eine Nonne - Computerausdruck. Zusammen mit den Kindern wurde festgestellt, dass Nonnen beten, putzen und kochen. Es wurde Kirchengeschichte vermittelt und die Wichtigkeit von Namen herausgestellt. Die Kinder wurden namentlich aufgerufen und jeweils eine Kerze für sie angezündet.

Eine Gemeinde weit und breit

Insgesamt nahmen etwa 50 Personen am Gottesdienst teil. Davon 20% Kinder. Da es in Berlin nur eine alt-katholische Gemeinde gibt, kamen die Besucher auch aus der weiteren Umgebung. Mit 23 Kilometern Anfahrt bewegten wir uns im Nahbereich. Die Alt-Katholiken in Berlin-Wilmersdorf sind im Radius von 200 Kilometern so ziemlich die einzigen ihrer Denomination. Dennoch haben die Räume ihre Wachstumskapazitäten ausgeschöpft. 20 Personen mehr würden einen Umzug erforderlich machen. Hier übrigens eine interessante Studie zu den Wachstumsschwellen von Gemeinden (bereitgestellt von https://der-leiterblog.de/).

Fast allen Anwesenden konnten wir während eines Friedensgrußes die Hände schütteln. Nach den jüngsten Klinik-Aufenthalten betrachte ich dieses liturgische Element sehr ambivalent. Es wird jedoch in vielen Gemeinden praktiziert. Laut Ansage sollte es heute wieder das traditionelle Familien-Gottesdienst-Mittagessen geben. Den Köchen winkt am Jahresende ein selbst gebasteltes Geschenk.

Da wir außer während des Friedensgrußes in unserer Anonymität belassen wurden, entfernten wir uns relativ zeitnah aus der umgebauten Wohnung im Hochparterre. Auf dem Rückweg entschlossen wir uns zum Test eines Inders am Winterfeldtplatz. Das war eine sehr gute Entscheidung, die zur Nachahmung anregt.

Donnerstag, 25. Januar 2018

Lebende bei den Toten

Eine Grabstein-Odyssee veranlasste mich heute, die tägliche Walking-Runde zu erweitern. Die Strecke wurde damit etwa doppelt so lang und führte mich über den Parkfriedhof Marzahn.



Die Lebenserfahrung lehrt, dass Versicherungen und Grabsteine nie bei Bekannten in Auftrag gegeben werden sollten. Mein Schwiegervater war Ende 2016 gestorben. Der Grabstein wurde über die Familie eines Mitschülers meines Sohnes bestellt. Ein Kunstprojekt sollte der Stein werden mit rötlicher Marmorierung, aufgesetzten Buchstaben und zwei Stäben zwischen den beiden Teilen des Steins. Im Katalog erinnerte er ein wenig an die Darstellung der Gesetzestafeln Moses.

Dunkler Fleck und Baufortschritt

Ein halbes Jahr später stand der Stein am Grab. Die Stäbe fehlten. Ein dunkler Fleck bildete sich hinter dem Bibelspruch. Meine Schwiegermutter war frustriert. Sie legte das Schwarz nicht ab und ging immer wieder zum Grab, um nach dem Baufortschritt zu schauen. Nach einem Jahr wurden die Stäbe montiert. Der Stein sah nun aus, als hätte er Anschlüsse für warmes und kaltes Wasser. Er befand sich außerdem im gleichen Zustand, wie die Badegäste in unserem tunesischen Hotel, nachdem die Betonspritze an der benachbarten Baustelle undicht geworden war.

Gestern erhielten wir die Info, dass alles in Ordnung sei. Sogar ein Bild war dabei. Das wollte ich mir gleich in natura ansehen. So verlegte ich meine Walking-Runde über den Friedhof.

Orientierungsvermögen

Wie schon im Zusammenhang mit meinem Hörtest erwähnt, bin ich geübt in der selektiven Wahrnehmung. Dinge, die mich nicht interessieren, fallen einfach raus und bieten damit Kapazität für interessante Dinge. Das kann gelegentlich unpraktisch sein, insbesondere wenn ich mich an Orten orientieren muss, zu denen ich keine wirkliche Beziehung habe. Dazu gehören Friedhöfe. Besonders fatal kann das enden, wenn diese Friedhöfe die Grundfläche eines Quadratkilometers haben und ich ein bestimmtes Grab finden muss.

Ich kam heute von der anderen Seite. Beim letzten Mal hatte ich mir gemerkt, dass der Weg von dieser Seite aus sehr lang ist, länger als gewünscht. Zusätzlich hatte ich mir eine Steinfläche gemerkt, auf der eine knallrote Blume lag. Eine knallrote, dahinwelkende Blume ist sicher keine geeignete Erinnerungsmarke für einen Ort, der auf Zeitlosigkeit ausgerichtet ist. Leben, Vergänglichkeit und Ewigkeit treffen hier aufeinander. Gleichmäßigen Schrittes stapfte ich den Weg entlang. Friedhofsarbeiter pflegten die Grünanlagen. Ein kleiner Kipper stand hinten auf dem Weg. Hier abbiegen? Nein, weiter!

Leben, Tod und Ewigkeit

Und tatsächlich, erspähte ich dort rechts die knallrote Blume auf dem flachen Stein: Urnen-Begräbnis. Der Blick haftete auf der Blume und der Schritt ging nach rechts. Hier war der Weg. Leben und Tod so nah beieinander. Ich lebe, die Blume welkt und was ist jetzt mit meinem Schwiegervater, der schon in die Ewigkeit übergegangen ist? Ist er hier? Ist er woanders? Diese Frage konnte ich nicht beantworten und ging weiter zu seinem Grab.

Der Stein sah diesmal sauber bearbeitet aus. Auch die Pflanzen waren bei der Montage nicht niedergetrampelt worden. OK, wir hatten 350 Euro als Reklamationssumme veranschlagt. Ich machte Fotos und sendete diese per WhatsApp an Frau und Schwiegermutter. Die Erfahrung zeigt, dass der Grabstein gelegentlich auch als Meilenstein der Trauerbewältigung dienen kann.

Dann ging ich weiter. Der Rest des Weges war unkritisch. Den kannte ich besser. Einmal links und einmal rechts. Dann verließ ich den Friedhof.

Ziel und Segen

Auf der Zielgeraden hatte ich den starken Impuls, den kleinen Schlenker an der Senioren-Residenz meiner Mutter vorbei zu gehen. Das Walking nutze ich gerne zum Gebet. So betete ich auf diesem Abschnitt für meine Mutter.

Als ich kurz vor dem Eingang angelangt war, kam meine Mutter heraus. Perfektes Timing. Sie hatte einen Blumenstrauß in der Hand. Wir umarmten uns. Sie sagte mir, dass sie nach Karlshorst zu einer Beerdigung fahre. Soundso sei gestorben, den ich aber nicht kannte. "Tschüss und ..", die übliche Floskel "viel Spaß" blieb mir im Halse stecken. Meine Mutter durchbohrte mich mit ihren Blicken. Sie ahnte, was mir auf der Zunge lag. "... einen gesegneten Tag!", wünschte ich ihr und wir gingen unserer Wege.

Mittwoch, 24. Januar 2018

Berliner Kneipengespräche: Erklär-Videos aus dem Kiez

Die Kneipenkultur gehört zu Berlin wie das Gell zum Schwaben. Der ungehemmte Zuzug verschiebt jedoch die kulturellen Eigenheiten und drängt die Eingeborenen zusehends in den Status einer Minderheit. Dem begegnet die Internetmission Berlin mit regionalen Erklär-Videos zum christlichen Glauben.



Eine Lokalität in Berlin-Lankwitz bildet die Kulisse für die Erklär-Videos der Internetmission Berlin. Paule und Kasulske unterhalten sich bei einem Bierchen über die elementaren Fragen des Ljobens - ähm zu Deutsch Glaubens.

Die thematische Bandbreite ist enorm. Kasulske fragt nach Luther, erzählt von seiner Gänsehaut in der Kirche, redet mit Paule über das Beten vor dem Essen, trauert zusammen mit seinem Kneipenkumpel und quetscht ihn über das Leben nach dem Tod aus. Es gibt eine kleine Rahmenhandlung, zwei Bier und gelegentlich auch eine Zigarette. Die Frisur von Paule variiert je nach Jahreszeit. Beide Darsteller wirken authentisch. Kameraführung und Schnitt sind professionell.

Was sonst nur Seminare, Webinare und Bücher vermitteln, wird in den Kurz-Filmen auf flapsige Weise diskutiert. Die Länge der Videos liegt zwischen vier und acht Minuten. Dadurch sind sie auch gut geeignet als Gottesdienst-Intro. Die Wissensvermittlung erfolgt kurzweilig und auf Berlinerisch. Neubürger und Berliner können inhaltlich und sprachlich etwas dazulernen.

Aus den Dreharbeiten ist eine kleine Bewegung von Kneipen-Gottesdiensten hervorgegangen, die sich von Lankwitz aus über Berlin verbreitet.

Bei der Neugestaltung der Webseite von Gott-in-Berlin hat auch der YouTube-Kanal ein Facelifting erfahren. Dort gibt es seit Neuestem eine Playlist mit allen Kneipen-Videos. Das Reinschauen lohnt sich. Viel Freude dabei!

Samstag, 20. Januar 2018

Katholisch + Evangelisch + Orthodox + Koptisch = EINS

EINS war eines der ersten Gebets-Events für Berlin, an dem mehrere Hundert Christen unterschiedlicher - überaus unterschiedlicher - Prägung teilnahmen. Wir besuchten EINS heute in der EFG Schöneberg.



"Was bitte sind Alt-Katholiken?", fragte ich den jungen Mann an unserem Tisch. Die römisch-katholische Kirche hatte wohl nach Luther eine weitere Reformation erlebt, aus der die Alt-Katholiken hervorgegangen waren. Alt ist hier im Sinne von Fundament zu verstehen. Die Alt-Katholiken haben sich auf die allgemeine = katholische Kirche besonnen und lehnen die Unfehlbarkeit des Papstes ab.

Es entwickelte sich ein gutes Gespräch mit Menschen, deren Augen leuchteten, wenn es um EINS ging, nämlich Jesus als gemeinsame Grundlage. Weitere Bekannte gesellten sich dazu. Bald waren vier Gemeinden am Tisch vertreten. Wir trafen insgesamt sehr viele Alt-Bekannte quer durch die christliche Szene Berlins. Durchweg fitte Leute, denen die positive Entwicklung der Stadt wichtig ist.

Von EINS bis Erweckung

Auch die Erweckung um 1900 hatte mit gemeinsamen Gebetstreffen begonnen. Damals hatten sich die Christen gegenseitig um Vergebung gebeten, weil so viele trennende Dogmen und Praktiken den Blick auf EINS versperrt hatten, nämlich auf Jesus. Danach war es wie in der Apostelgeschichte abgegangen. EINS in Schöneberg bot dasselbe Potenzial. Mit dem Unterschied, dass noch Kopten, Orthodoxe und Katholiken dabei waren.

Multi-Kulti

An den Kopten waren wir bereits auf dem Weg zur EFG Schöneberg vorbeigeeilt und hatten noch überlegt, welcher Ethnie sie zuzuordnen seien. "Inder", meinte meine Frau. Ich verortete sie in Afrika. Dass man sich in der Herkunft täuschen kann, zeigten uns später der griechisch-orthodoxe Archimandrit und die südkoreanische Moderatorin. Beide kamen aus Duisburg.

Der hohe Anteil an Afrikanern, Asiaten, Syrern, Iranern und anderen Nicht-Muttersprachlern sorgte dafür, dass etwa die Hälfte der Gebetsstationen bei EINS mehrsprachig durchgeführt wurde. Fürbitte, Tanz, Singen und weitere Ausdrucksformen kamen zum Einsatz. Manch ein Teilnehmer betete erstmalig in einem neuen Stil und fühlte sich dadurch bereichert. Überhaupt herrschte den ganzen Nachmittag und Abend eine bemerkenswerte Harmonie.

Ökumene und Buffet

Musikalisch wurden wir von Afrikanern und Kopten begleitet. Die Predigt hielt Tobias Schöll vom Christus-Treff in Treptow. Der Vorsitzende des Ökumenischen Rates Berlin-Brandenburg hielt ein Grußwort. Der ÖRBB wird von Emanuel Sfiatkos von der griechisch-orthodoxen Kirche geleitet. Sehr bunt also das Event und gut aufeinander abgestimmt.

Griechen und Afrikaner waren für das Catering zuständig. Sie hatten zwei lange Buffets aufgebaut und einige Mitarbeiter zum Verteilen der spannenden Nationalgerichte dahinter gestellt. Wie üblich ging ich antizyklisch vor und hatte relativ schnell einen Zwischen-Snack, Besteck und Teller für unsere 5er-Gruppe besorgt. Die Befüllung der Teller musste in Eigenregie erfolgen. Das klappte auch ganz gut - schließlich ist Lebenszeit zu kostbar, um sie mit langem Warten zu verplempern. Während bekannte Pastoren noch in der Schlange standen, brachte ich unsere Teller zur Geschirrablage und versorgte die Wartenden mit einem Zwischen-Snack vom Buffet. Sie hatten aber gute Gespräche in der Reihe - wir am Tisch.

Gebetskonzert

Nach dem Essen sollte es ein Gebetskonzert mit BerlinUniteD geben. Da wir ständig alte Bekannte und neue Leute trafen, kamen wir kaum aus dem Untergeschoss heraus. Der Saal oben war inzwischen restlos mit Jugendlichen besetzt. "Wo gehen die eigentlich alle zur Gemeinde?", wollte meine Frau wissen. Bei unseren Streifzügen durch die Stadt hatten wir fast nur Gemeinden angetroffen, bei denen die Generation zwischen 10 und 20 fehlte.

Wir begaben uns auf die Empore und fanden sogar noch zwei Sitzplätze. Die Band rockte das Haus. Drei unbekannte Lieder. Der Pastor neben uns kannte die auch nicht. Trotzdem eine mitreißende Stimmung. Dann trat wieder Tobias Schöll auf. Am Flipchart entfaltete er eine kraftvolle Predigt zu Adam, Eva, dem System des Todes und der Überwindung dieses Systems durch Jesus mit dem System des Lebens.

Die Predigt war so kraftvoll, dass Jugendliche in Scharen nach vorne kamen und sich ein XP auf die Hand schrieben. Ein Zeichen, dass sie Jesus als Chef über ihr Leben anerkannten und Teil der Überwindung sein wollten. XP (Chi Ro) sind die griechischen Initialen für Christus - Χριστός - Christós.

Abgang

Da wir nun schon fünf Stunden bei EINS waren und auch nicht mehr so ganz mit der Altersstruktur harmonierten, entschlossen wir uns zur Heimreise. Zusammen mit dem Pastor neben uns verließen wir die Empore. Luftballons wurden durch den Saal geworfen. Diese sollten knallen, damit die Zettel mit den entsprechenden Gebetsthemen freigesetzt werden konnten. Jugend eben. Schade, dass unsere Kinder nicht dabei waren.

Wir holten die Winterjacken und wurden Zeugen einer ernst gemeinten Forderung an die EINS-Initiatoren: "Sowas müsste es jeden Monat geben!"

Montag, 8. Januar 2018

Souveräner Malteser Ritterorden

Die Malteser tragen das Kreuz im Wappen. Die Malteser kennt man von karitativen Einrichtungen und die Malteser haben sogar einen Botschafter, der Teil des Diplomatischen Korps ist. Heute wurde ein Ordensritter im Schloss Bellevue akkreditiert.



Der Bundespräsident ist als Protestant bekannt. Dennoch schaut er gerne über den ökumenischen Tellerrand. Im Juni letzten Jahres hatte er sich mit dem Patriarchen von Konstantinopel getroffen und war im Oktober zu einer Privataudienz beim Papst geflogen. Am Samstag hatte er die katholischen Sternsinger im Schloss Bellevue empfangen und heute stand die Akkreditierung des neuen Botschafters des Souveränen Malteser Ritterordens auf dem Plan.

Baron Maciej Heydel heißt Seine Exzellenz und stammt aus Polen. Er ist 56 und Unternehmensberater. In der polnischen Politik hatte er auch schon mitgewirkt. Die Google-Ergebnisse zum Ritterorden sind nicht so repräsentativ, dass man hier weiter drauf eingehen sollte. Hier verweise ich auf meine Erfahrungen bei der Suchmaschinen-Optimierung, auch SEO genannt.

Malteser Ritterorden Botschafter akkreditiert
Souveräner Malteser Ritterorden - Baron Maciej Heydel als Botschafter akkreditiert
Der Orden des Heiligen Johannes - gemeint ist Johannes der Täufer - wurde 1048 gegründet. Das war die Epoche der Kreuzzüge. Die ersten Immobilien waren eine Kirche, ein Hospital und ein Konvent. Der Orden hatte einen stark diakonischen Fokus und drei Hauptregeln: Armut, Enthaltsamkeit und Gehorsam. Bedingt durch die interreligiösen Konflikte im Nahen Osten kam noch die Komponente der Verteidigung hinzu. Dabei wurde eine weitere Regel aufgestellt: Waffen dürfen nicht gegen Christen erhoben werden.

1113 wurden dem Ritterorden seitens der Kirche gewisse Freiheiten eingeräumt, so dass vielfach theologische Laien zum Einsatz kamen. Während in Deutschland die Reformation im Gange war, nahmen die Ritter die Mittelmeerinsel Malta in Besitz. Das war 1530. Der heutige Name war demnach erst 500 Jahre nach der Gründung entstanden. Mit Malta stand dem Orden erstmals eigenes Land zur Verfügung.

Die geografische Lage und der Wunsch, das eigene Land zu behalten, ließen die Malteser zu einem effektiven Grenzposten gegenüber dem Osmanischen Reich werden. Ihre Stärken lagen im Kampf zur See. Neben den Osmanen hielten sie auch die Piraten aus Nordafrika fern. 1571 gelang ihnen bei der Seeschlacht von Lepanto ein entscheidender Schlag gegen die Osmanen. Dabei verloren die islamischen Gegner mindestens 100 Schiffe und etwa 30.000 Soldaten ihr Leben.

1798 übernahm der clevere Napoleon die Insel Malta. Die ritterliche Regel, nicht gegen Christen zu kämpfen, verhinderte den Widerstand gegen die Franzosen. Stattdessen zog sich der Orden auf das europäische Festland zurück. Im 20. Jahrhundert verschob sich der Schwerpunkt wieder zugunsten karitativer Aufgaben. Während der beiden Weltkriege gab es in dieser Hinsicht viel zu tun. So sind die Malteser heute eher als Hilfsdienst bekannt und weniger als Souveräner Malteser Ritterorden.

Samstag, 6. Januar 2018

20*C+M+B+18 Sternsinger aus der Diözese Eichstätt im Schloss Bellevue

Die Sternsinger kamen in diesem Jahr aus der Diözese Eichstätt. Gegen elf klopften sie im Schloss Bellevue an. Ihnen wurde geöffnet und sie durften den Segensspruch 20*C+M+B+18 an die Tür schreiben.



Als ich kurz nach halb elf eintraf, war das Atrium des Präsidialamtes mit Kleinen und Großen gefüllt. Die Kleinen hatten stabile goldene Kronen auf den Köpfen und waren in lange bunte Umhänge gehüllt. Ich bahnte mir den Weg zum WC und machte dabei noch ein Gruppenfoto vor dem Weihnachtsbaum. Anschließend waren die gut 20 Presseleute verschwunden. Ich eilte ihnen nach und fand noch eine gute Bildposition vor dem Schloss.

20*C+M+B+18 Sternsinger Diözese Eichstätt Schloss Bellevue
20*C+M+B+18 Sternsinger der Diözese Eichstätt im Schloss Bellevue
20*C+M+B+18

Vor wenigen Tagen war mir eher zufällig aufgefallen, dass die Buchstaben des CMB-Segens im letzten Jahr falsch herum an die Schloss-Tür geschrieben worden waren: 20*C+B+M+17. Ein Pressekollege stellte den lateinischen Segen "Christus mansionem benedicat" um und bemerkte, dass der Sinn auch mit CBM gegeben wäre. Beim Winterurlaub am Fuß von Schloss Neuschwanstein hatten wir gesehen, dass auch in katholischen Regionen kaum jemand die korrekte Schreibweise des CMB beherrscht. Eine besondere Vielfalt war bei der Setzung von Stern und Kreuzen zu entdecken.

20*C+M+B+18 Sternsinger Diözese Eichstätt Schloss Bellevue
Eva schreibt 20*C+M+B+18 an die Eingangstür von Schloss Bellevue
Die korrekte Schreibweise zeigten uns heute die Kinder aus der Diözese Eichstätt. Eine Diözese ist ein kirchlicher Verwaltungsbezirk und wird auch Bistum genannt, da diesem Bezirk ein Bischof vorsteht. Im evangelischen Sprachgebrauch nennt man solch einen Bezirk auch Sprengel.

Klopft an und es wird euch aufgetan!

Zunächst liefen die Kinder um den großen Weihnachtsbaum vor dem Schloss, bogen dann auf den Weg ein, den die Staatsgäste befahren und nahmen schließlich auf der Treppe ihre Positionen ein. Die Kronen glänzten in der Wintersonne. Es war kühl, aber nicht windig. Sterne aus Holz wurden justiert. Eva, Elisabeth und Jonas machten sich bereit für den großen Auftritt. Kurzes Zögern - Klopfen!

20*C+M+B+18 Sternsinger Diözese Eichstätt Schloss Bellevue
Sternsinger betreten das Schloss Bellevue
Frank-Walter Steinmeier und Elke Büdenbender öffneten die Tür und wurden von den Kindern begrüßt. Nach einem Lied wurde die Tür ein weiteres Mal geöffnet und eine Leiter kam zum Vorschein. Eva durfte den Segensspruch an die Tür schreiben. Diesmal auf den linken Flügel. Zufall oder politische Korrektheit?

Es folgten zwei weitere Strophen von "Seht ihr unsern Stern dort stehen". Dann durften die kleinen Gäste mit den goldenen Kronen das Schloss betreten. Wir nahmen einen anderen Weg und trafen die Sternsinger im großen Saal wieder. Zur plüschigen Bundesfahne hatten sich zwei Königsgruppen gesellt. Die Kinder mit den Blasinstrumenten standen am Fenster zum Garten. Als auch die begleitenden Eltern und Prälaten im Saal waren, kamen der Präsident und seine Gattin.

Gottes Segen ist das Wichtigste!

Neben mehreren Liedern gab es eine kurze Rede des Präsidenten, in der er sagte, dass der Segen Gottes das Wichtigste ist. Segen gab es viel an diesem Vormittag. Draußen an der Tür und im großen Saal. Den Abschluss bildete ein Segenslied zum gestrigen 62. Geburtstag von Frank-Walter Steinmeier.

60 Jahre, Indien und Kakao

Die Sternsinger besuchen den jeweils amtierenden Bundespräsidenten seit 1983 - damals noch Karl Carstens in der Villa Hammerschmidt (Bonn). Das "Dreikönigssingen" ist fast so alt wie Herr Steinmeier und dient der Sammlung von Spenden für Not leidende Kinder.

20*C+M+B+18 Sternsinger Diözese Eichstätt Schloss Bellevue
Sternsinger nehmen die Spende des Bundespräsidenten und seiner Gattin entgegen
Heute bekamen die Sternsinger eine Spende für Minderjährige in Indien, die durch Bildung und alternative Erwerbsmöglichkeiten aus diskriminierenden Situationen herausgeholt werden können. Zur Untermalung stellten die kleinen Könige eine Szene aus dem indischen Arbeitsalltag dar. Als der gesundheitsschädliche Staub aus dem bunten Material geklopft wurde und das Präsidentenpaar umnebelte, klackerten die Kameras.

Kein Kinderbesuch ohne Kakao. Die Kleinen strömten in den Salon Luise und die Schlossdiener eilten ihnen mit den Kakao-Tabletts hinterher. Ich verließ den goldigen Schauplatz und machte noch ein Foto von der Schrift an der Tür.

Video:
Sternsinger aus der Diözese Eichstätt im Schloss Bellevue

Montag, 1. Januar 2018

Silvester bei der Verklärung des Herrn in Marzahn

Gestern besuchten wir die katholische Kirche "Von der Verklärung des Herrn" in Marzahn. Die Kirche steht an der Landsberger Allee und ist nur wenige Minuten von der evangelischen Dorfkirche Marzahn entfernt.



Gegen halb vier schrillte unsere Klingel. Fragend schaute ich mich um.Alle zuckten mit den Schultern. Durch die Wechselsprechanlage klang die Stimme meiner Schwiegermutter. Un-geplant!

Schwiegermutter und Pfannkuchen

Kurz darauf der nächste Schreck: Die am Vormittag gekauften Pfannkuchen wurden für den sofortigen Verzehr freigegeben. Das war zwar tendenziell gut - aber - nur fünf Stück? Gab es eine zweite Lage? Nein - meine Frau sagte, sie wolle uns "beim Abnehmen helfen" und hatte tatsächlich nur fünf Pfannkuchen bestellt. Pro Person einen Pfannkuchen! Alle hatten die gleiche Marmeladenfüllung und befanden sich in der Metamorphose von luftig zu fest. Von daher hatte der spontane Besuch meiner Schwiegermutter den Alterungsprozess der Pfannkuchen rechtzeitig abgebrochen.

Die Oma hatte uns als Zwischenstation zur katholischen Kirche aufgesucht. Dort sollte um 17:00 Uhr eine ökumenische Andacht stattfinden. Das passte uns gar nicht, da wir am Vormittag bereits beim Gottesdienst waren und jetzt eigentlich unseren Jahresrückblick basteln wollten.

Jahresrückblick und Krippe

Wir änderten den Plan, ließen die Kinder mit dem Jahresrückblick zu Hause und begleiteten die Mutter durch die Nacht. Zumindest sah es aus wie Nacht. Nach Gebet war auch der Weg sicher und die Knaller trafen immer nur die Anderen.

15 Minuten zu früh erreichten wir die Kirche und konnten uns noch Plätze in der dritten Reihe aussuchen. Langsam füllte sich der Saal und alte Bekannte begrüßten uns. Vor dem Altar war eine Weihnachtsszene mit Jesus, Eltern und Hirten aufgebaut. Erwachsene und Tiere fokussierten das Baby in der Mitte. Die Szenerie strahlte einen tiefen Frieden aus.

Der Kantor übte noch schnell ein neues Lied mit den Anwesenden ein. Neu für die Gemeinde, ansonsten schon 80 Jahre alt: Jochen Klepper. Viele der Andachtsbesucher waren etwa 20 Jahre nach dieser Komposition geboren.

Jahreslosung und Jahresrückblick

Pünktlich um fünf klingelte ein Glöckchen und vier Herren schritten durch den Hauptgang nach vorne: Einer in weißem Kleid, zwei in schwarzem Kleid und einer in Jeans und Sakko. Die Herren in Schwarz unterschieden sich durch die Beffchen in reformiert und uniert. Ein Lutherischer mit komplett geteiltem Beffchen war nicht dabei. Dennoch ökumenisch genug für die Altjahresandacht.

Die Elemente des Gottesdienstes rotierten zwischen Weiß, Schwarz und Sakko. Die Predigt hielt der Unierte. Sein Thema war die 2017er Jahreslosung aus Hesekiel 36, 26. Dass jemand von den Anwesend tatsächlich "ein neues Herz" in 2017 bekommen habe, sah er für unwahrscheinlich an. Ich wollte das in dem Moment nicht relativieren, da ihn das wohl aus dem niedergeschriebenen Konzept gebracht hätte. bei der Reha in Teltow hatte ich Menschen mit einem buchstäblich neuen fleischernen Herzen erlebt. Ganz abgesehen von den Themen, die Jesus in mir nachjustiert hatte.

Den monatsweise vorgetragenen Jahresrückblick teilten sich die anderen drei Herren. Es wurde auf politische und gemeindliche Ereignisse eingegangen. So konnten die G20-Kravalle in einem Zuge mit der Seniorenfreizeit aufgezählt werden. Besondere Freude hatte ich bei der Liste des katholischen Paters und beschloss einen Folgebesuch bei einer seiner nächsten Predigten.

Lieder und Kollekte

Zwischendurch sangen wir Lieder aus einem grauen Gesangsbuch. Der Kantor trat dabei mehrfach mit Solo-Einlagen in Erscheinung. Die ökumenische Altjahresandacht endete mit einem Lied aus 1944: Bonhoeffer - Von guten Mächten. Es folgten der Segen von Pater Josef Kahmann und das Postludium.

Danach waren die vier Protagonisten verschwunden. Auch die avisierte Kollekte war nicht gesammelt worden. Ohne pyrotechnische Zwischenfälle gelangten wir nach Hause. Im Fahrstuhl packte meine Schwiegermutter ihre Kollekte ins Portemonnaie zurück. Der familiäre Teil des Abends konnte beginnen.

Sonntag, 31. Dezember 2017

Jahresrückblick: Kinnlade wird mit zwei N geschrieben

Der Jahresrückblick zu Silvester hat bereits Tradition in unserer Familie. Dabei kann das vergangene Jahr auch unterschiedlich bewertet werden. Als Werkzeuge dienen Scheren, buntes Papier, Kleber und Stifte.



Buntes Papier, Fotos, Scheren, Kleber und Stifte werden aus den unterschiedlichen Ecken der Wohnung zusammengetragen. Der Tisch im Wohnzimmer wird vom Weihnachtsgesteck befreit und bietet somit Platz für die Collage. Auch die Präsentation der Collage hat Tradition. Sie wird an die Eingangstür geklebt. Nach einem Jahr wird sie ersetzt und kommt ins Jahresrückblick-Archiv.

2015 und 2016 mussten wir mit schwarzem Edding mehrere Querlinien über Bilder ziehen: zwei Opas, eine Gemeinde und ein Kaninchen. In diesem Jahr blieben uns die schwarzen Linien gerade noch so erspart.

11 Punkte für 2017

11 Punkte hatte ich für 2017 auf einem kleinen Zettel notiert. Das Jahr war interessant und aufregend für mich verlaufen. Stolz präsentierte ich den Zettel am Vormittag von Heilig Abend meiner Familie. "Kinnlade wird mit zwei N geschrieben", kommentierte meine Frau ziemlich ungerührt die 11 Punkte. Sie hatte das Jahr eher als dahinplätschernd empfunden.

Das konnte gut sein: 7 Punkte betrafen tatsächlich nur mich und 4 Punkte unsere ganze Familie. Wobei ein Dahinplätschern nach turbulenten Zeiten auch mal ganz angenehm sein konnte. Ich überlegte und fand tatsächlich kaum Highlights, die meine Frau in diesem Jahr besonders geprägt, vorangebracht oder beeindruckt hätten.

Schwer-Punkte

Mein erster Punkt war die professionelle Aufarbeitung des schwarzen Strichs Gemeinde aus 2015. Nicht ganz billig aber wirkungsvoll - inklusive Loslassen und Vergebung. Ein weiterer Punkt war die wertvolle Journalisten-Ausbildung in Hammelburg. Dort waren wir auf das unbewaffnete Überleben in Krisengebieten trainiert worden.

Es folgten die Erfahrungen im Europapark, die regelmäßigen Besuche bei Saddleback, neue Freunde und Bekannte sowie die Taufe meiner Tochter.

Gesundheit und Ver-Sorgung

Besonders dankbar war ich jedoch für meine Lungenembolie. Sie hatte mich an Orte geführt, die ich sonst nicht betreten hätte. Ich durfte erleben, dass mein Leben endlich ist und dass letztlich nur die Beziehung zu Jesus zählt. Die Zeit in der Klinik und der Reha in Teltow hat mich sehr bereichert. Den würdigen Abschluss der Reha bildete eine Reise mit dem Bundespräsidenten zum Vatikan.

Und dann noch das Thema Geld: Kinladenversorgung hatte ich auf dem Zettel zu stehen. Allerdings nur mit einem N. "Kinnlade wird mit zwei N geschrieben", bemerkte meine Frau dazu und übersah dabei die inhaltlichen Details. Diese standen ebenfalls auf dem Zettel. Das Fremdkapital war deutlich abgebaut worden. Eine Marken-Uhr war mit Gewinn verkauft worden und das Finanzamt hatte sein Füllhorn über uns ausgeschüttet. Ganz abgesehen von Kunden, die plötzlich ohne jede Akquise aufgetaucht waren.

Warum Kinnlade? 2017 war mir mehrfach die Kinnlade heruntergeklappt, als ich mal wieder die Versorgung durch Gott erlebte - über alle naturwissenschaftlich erklärbaren Zusammenhänge hinweg. Versorgung hat wohl etwas mit Ver-Sorgen zu tun, dem Entsorgen von Sorgen.

Lehrgeld

Apropos Entsorgen: Einen schwarzen Strich musste ich für 2017 doch noch ziehen. Eine meiner Firmen wurde zum 31. Dezember aus dem Handelsregister gelöscht. Damit endete das unrentabelste Kapitel meiner Berufsgeschichte. Mit der Löschung wurde eine stattliche Venture-Kapital-Summe ausgebucht. Aber egal - Lehrgeld ist eine kostbare Zukunftsinvestition.

Mittwoch, 27. Dezember 2017

Renate Bergmann und das Krippenspiel

Renate Bergmann ist eine 82-jährige Omi, die das Internet nutzt und dieses aktiv in ihren Alltag einbindet. Alle zwei bis drei Wochen besucht sie den Gottesdienst und will nun auch ein Krippenspiel organisieren, an dem alle Generationen beteiligt sind.



Achtung! Gebürtige Sachsen oder Schwaben sollten das Buch nicht lesen. Erfahrungsgemäß fühlen sie sich durch den Humor des Berliners überfordert. Wir fanden das Buch jedenfalls sehr lustig und mussten mehrfach innehalten, um Luft zu holen und die Tränen abzuwischen.

Renate Bergmann liebt ihren Kiez: Spandau. Spandauer sind zwar der Meinung, dass sie nicht zu Berlin gehören. Das sieht der Stadtplan jedoch anders. Der Stadtteil Spandau befindet so weit im Westen, dass er schon fast wieder im Osten liegt: Brandenburg. Soweit die Insider-Informationen zum Kiez der Rentnerin.

Renate Bergmann - Wir brauchen viel mehr Schafe
Renate Bergmann - Wir brauchen viel mehr Schafe
Renate Bergmann hat mehrere Bekannte in ihrem Alter und erlebt mit diesen sehr alltägliche Dinge. Am liebsten geht sie zu Beerdigungen, da es dort immer kostenloses Essen gibt und die Tupper-Dosen für die Kühltruhe nachgefüllt werden können.

"Wir brauchen viel mehr Schafe" ist nicht das erste Buch, das wir von Renate Bergmann lasen. Es gibt bereits sechs Bände von der Online-Omi. Ich war zunächst skeptisch, ob die humoristische Linie wirkungsvoll fortgesetzt werde. Doch schon zu Beginn gab es so köstliche Pointen, dass ich die ersten 50 Seiten in einem Zuge durchlas.

Als meine Frau dann von ihrem Offline-Oma-Besuch eintraf, las ich ihr das noch einmal vor und gelangte in einem Rutsch bis Seite 102. Zwischendurch mussten wir mehrfach zum Taschentuch greifen, die Tränen abwischen und die normale Atmung zurückgewinnen. Selbst mein Sohn musste an verschiedenen Stellen lachen. In seinem Alter gilt das normalerweise als uncool. Er verfolgte die Vorlesung von seinem Zimmer aus.

Ach so, in diesem Band geht es um eine gewisse Frau Schlode, die das Adventsprogramm organisieren soll. Sehr zum Unbehagen von Renate Bergmann, die singende Kinder so gar nicht mag. Also nichts gegen Kinder, aber singen, musizieren oder tanzen sollten sie auf keinen Fall. Frau Schlode ist Kindergärtnerin und leitet sämtliche Chöre im Kiez.

Das Buch schildert auf seinen 169 Seiten, wie Renate Bergmann bei der Lösung des Problems vorgeht. Zwischendurch erfährt der Leser einige Episoden aus dem langen Leben der Seniorin und erhält Tipps für Weihnachtsgeschenke: Topflappen beispielsweise.

Immer wieder taucht auch Pfarrer Kampfert auf, der je nach Situation als einfühlsamer Charmeur, Herr Pfarrer oder als Pfaffe dargestellt wird. Die Vermengung von evangelischen und katholischen Eigenheiten offenbart, dass Renate Bergmann wohl doch zu selten im kirchlichen Umfeld unterwegs ist. Für die Story ist das unerheblich.

Viel Spaß beim Lesen!

Sonntag, 24. Dezember 2017

Stallweihnacht in Bad Reichenhall

Die Stallweihnacht in Bad Reichenhall hat Tradition und zieht Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet an. Ein Pressekollege war vor Ort und animierte mich zu diesem Artikel.



An der Mütze von General Pfeffer scheiden sich die Geschmäcker. General Pfeffer leitet das Einsatzführungskommando und ist damit für die Auslandseinsätze zuständig. Seine Mütze ist hellgrau, leicht zerknautscht und mit einem Blümchen versehen: Edelweiß. Er trägt die Mütze mit Stolz. Zeichnet sie ihn doch als Angehörigen der Gebirgsjäger aus.

Gebirgsjäger Stallweihnacht Bad Reichenhall
Edelweiß - Zeichen der Gebirgsjäger
Tragtiere und Gebirgsjäger

Gebirgsjäger haben nichts mit Wildschweinen, Wölfen, Bären oder Rehen zu tun.

Gebirgsjäger jagen durch unwegsames Bergland und gelten als eine der agilsten Truppen der Bundeswehr. Dort, wo Hubschrauber und Fahrzeuge versagen, klettern die Gebirgsjäger durch das Gelände. Logistische Hilfe bekommen sie durch Tragtiere. Diese tragen die Jäger oder deren Lasten. Fast so wie damals, als sich Maria und Joseph auf den Weg nach Bethlehem machten.

Schon Esra räumte den Tragtieren eine besondere Bedeutung ein. Er zählte diese zusammen mit den Priestern und Leviten auf: 736 Pferde, 245 Maultiere, 435 Kamele und 6.720 Esel (Esra 2, 66-67).

Die Tragtier-Kompanie der Gebirgsjäger ist in Bad Reichenhall stationiert. Bad Reichenhall liegt so tief im Südosten Bayerns, dass es nicht mehr weit bis zur Adria ist.

Tradition seit 1962

Fern von der Heimat wollten es sich die jungen Soldaten 1962 etwas gemütlich machen. Sie beschenkten die Tiere mit Äpfeln und improvisierten eine kleine Weihnachtsfeier mit Liedern und Lukas-Evangelium. In den folgenden Jahren kamen auch Verwandte dazu, so dass die Location bald gewechselt werden musste. Den Verwandten folgten Gäste aus Deutschland und der ganzen Welt. Mitte Dezember fand in Bad Reichenhall die 56. Stallweihnacht statt. Es gab eine Aufführung für Kinder und drei Aufführungen für Erwachsene.

Der Bischof

Erstmalig war auch der Evangelische Militärbischof Dr. Sigurd Rink dabei. Er zeigte sich sehr beeindruckt und sprach die Empfehlung aus, diese Tradition an sämtlichen Standorten im In- und Ausland zu etablieren: Weihnachtslieder und Weihnachtsgeschichten nach Matthäus und Lukas.

Die Gebirgsjäger sind dabei noch nah bei ihren Verwandten. Anders sieht es bei den Soldaten in Mali, Afghanistan und den weiteren 13 Einsatzgebieten aus. Sigurd Rink besucht regelmäßig diese Standorte und kümmert sich um die seelsorgerliche Betreuung.

Stallweihnacht 2017 Bad Reichenhall - Foto Militärseelsorge Roger Töpelmann
Stallweihnacht 2017 in Bad Reichenhall - Foto Militärseelsorge / Töpelmann
Tragtierwesen 230

Die Stallweihnacht wurde in diesem Jahr von 18 Darstellern der 23. Gebirgsjäger-Brigade und des Einsatz- und Ausbildungszentrums für Tragtierwesen 230 gestaltet. Es traten zudem Maultiere, Schafe, Gämsen, Hirtengruppen, regionale Musiker und der Volksliederchor Inzell auf. Jedes Jahr gibt es einen Wettbewerb um den Zuschlag für die musikalische Mitarbeit.

An die Musiker werden bestimmte Anforderungen gestellt. Sie müssen nämlich auch Alphörner, Hackbretter, Saitenbläser, Tuba, Bassflügelhörner, Kontrabässe, Zithern oder Klarinetten bedienen können.

Vielen Dank übrigens an Dr. Roger Töpelmann aus dem Pressestab des Militärbischofs. Er war vor Ort und hatte mir den finalen Anstoß zu diesem Artikel gegeben.

Montag, 18. Dezember 2017

Bahnhofsmission am Zoo: Schwester Inge und andere wichtige Leute

Die Bahnhofsmission der Stadtmission ist eine prominente Einrichtung, die das soziale Engagement von Christen, Wirtschaft und Politik widerspiegelt. Heute war ich dabei, als Bundespräsident Steinmeier die Bahnhofsmission am Zoo besuchte.



"Hat sie der Bazillus auch schon erwischt?", wollte Schwester Inge wissen. Die pensionierte Schwester mit dem schlichten grauen Gewand und dem weißen Häubchen blickte mich mit ihren gütigen Augen an. Sie meinte den Bazillus ansteckenden Glaubens an Jesus. Als ich das bestätigte und hinzufügte, dass das wohl der einzige Bazillus sei, der keinen Heilungsprozess benötige, freute sie sich noch viel mehr.

Schwester Inge hatte ich bereits vor einem Jahr erlebt, als Joachim Gauck die Bahnhofsmission besucht hatte. Fünf Tage später fand der Anschlag auf den Breitscheidplatz statt. Letzterer jährt sich morgen - eine tragische Terminverknüpfung. Ich fragte Schwester Inge, ob der damalige Bundespräsident sein Versprechen eingelöst habe. Er wollte zum Abwaschen kommen. Ja, das habe er wenige Wochen nach Ende seiner Amtszeit in die Tat umgesetzt.

Bundespräsident Steinmeier Bahnhofsmission Stadtmission
Frank-Walter Steinmeier im Gespräch bei der Bahnhofsmission der Stadtmission
Als wir auf Christen in der Bundespolitik zu sprechen kamen, erfuhr ich vom Engagement Steinmeiers für die Bahnhofsmission. Er habe eine Fahrt mit dem Kälte-Bus absolviert, habe Essen ausgeteilt, sei maßgeblich an der Finanzierung der Hygienestation beteiligt und habe seine Doktorarbeit sogar über das Thema "Bürger ohne Obdach" geschrieben. Wieder leuchteten die Augen von Schwester Inge.

Einige der Punkte wiederholte der Bundespräsident in seiner Begrüßungsrede. Zudem sei er das vierte Mal innerhalb der letzten zwei Jahre bei der Stadtmission. An diesem Ort zeige sich, was "in der Gesellschaft noch zu erledigen ist". Er dankte "denen, die sich kümmern". Die Gäste erfuhren ferner, dass die Deutsche Bahn um die 500 Mitarbeiter für "Servicetage" in der Bahnhofsmission freistellt. Die Obdachlosen am Bahnhof Zoo kommen aus 80 Nationen. Das ist mehr als in den bekannten multi-ethnischen Gemeinden der Stadt.

Bundespräsident Steinmeier Bahnhofsmission Stadtmission
Elke Büdenbender im Gespräch bei der Bahnhofsmission der Stadtmission
"RBB", schallten Kinderstimmen durch den Raum, als eine weitere Kamera hereingetragen wurde. Eine Gruppe von Schülern hatte sich mit Obdachlosigkeit beschäftigt und ein Theaterstück dazu gestaltet: "Das andere Einmaleins". Sie führten den Akt "8x8 - gestohlen in der Nacht" auf. Wir wurden zudem Zeugen des neuen Kino-Spots der Stadtmission. Nur das ZDF hatte ihn vorab sehen dürfen. Darin redet ein Obdachloser mit vorbeihetzenden Passanten, fühlt sich in diese hinein und stellt dann fest: "Nur wie sich ein Zuhause anfühlt, weiß ich nicht mehr so genau."

Dann wechselten wir den Raum. Kameraleute drängten sich hinter die Absperrung im Speisesaal. Zwei Stühle am zentralen Tisch waren frei. Weihnachtsgebäck, Kaffeetassen mit Löffel und rote Servietten. Am präsidialen Geschirr-Spülbecken hatte ich ein wenig Bewegungsfreiheit - direkt hinter der ARD und deren Plüschmikrofon.

Einer der Mitarbeiter mit den markanten blauen Jacken bot der Presse seelsorgerliche Gespräche an. Es sei noch nicht zu spät für eine Bekehrung. Mission wird hier also wörtlich genommen.

Bundespräsident Steinmeier Bahnhofsmission Stadtmission
Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit Mitarbeitern der Bahnhofsmission
Dann kamen auch der Bundespräsident und seine Gattin. Er bat sie, an einen anderen Tisch zu gehen und setzte sich selbst auf einen der beiden freien Plätze vor mir. "Wo übernachten Sie?", fragte er den hageren Mann gegenüber. Zerzaustes Haar, langer Bart. Die First Lady, Elke Büdenbender, unterhielt sich angeregt am Nachbartisch. Durch die Aufteilung des Präsidentenpaares konnte jeder Tisch bedient werden. Beide wechselten die Plätze und unterhielten sich mit den Mitarbeitern und Stammgästen der Bahnhofsmission.

Über der Szenerie fiel der Blick immer wieder auf das Kreuz an der Wand. Jesus - in unsichtbarer Anwesenheit - hat sich bestimmt gefreut.

Sonntag, 17. Dezember 2017

Life Berlin in Moabit

Life Berlin versteht sich als Gemeinde für den Kiez: Berlin-Moabit. Life Berlin ist noch ganz frisch im Bezirk. Heute besuchten wir den "Pop Up Weihnachtsgottesdienst" in der Zunftwirtschaft.



Die Kekse hatten eine stilechte Prägung: Life Berlin. Ergänzend dazu trugen die etwa 12 Mitglieder des Kern-Teams gelbe Buttons mit ihren Namen. Alle hießen "Hello" oder so. Kaum hatten wir die Außentür der Zunftwirtschaft in der Markthalle Moabit passiert, waren wir von freundlichen Hellos umringt. Wir stellten uns kurz vor, hängten unsere Jacken weg und wurden dann zu den einprägsamen Keksen geleitet.

Kekse, Mittdreißiger und Kleinkinder

In der Tat mussten wir uns den Schriftzug Life Berlin einprägen, da die Kekse sehr schnell ihrem eigentlichen Zweck zugeführt wurden und dann eben nicht mehr sichtbar waren. Meine Frau kostete einen anderen Keks, der wie Brownie schmeckte. Sehr lecker.

An den Tischen tummelten sich jede Menge Moabiter, also die aus Berlin, nicht die Erben von Lot aus der Bibel. Es war die übliche Altersstruktur, die in Berlin wohl zum Standard gehört: Erwachsene um die dreißig und Kleinkinder. Kaum Jugendliche oder Senioren. Aber das kann wachsen. Immerhin feierte die Gemeinde heute erst ihr zweites Pop-Up-Treffen.

Leiterschulung und Team-Aufbau

Lotte Telzer und ihr Team gehen die Sache professionell und ohne Hektik an. Zwei Pop Ups, dann eine intensive Leiterschulung, Team-Aufbau und dann immer kürzere Intervalle der Meetings. Für das zweite Mal war der Gottesdienst schon sehr gut besucht. Etwa die Hälfte der Gäste kannte Lotte noch nicht. Der Kiez hat wohl das neue Angebot wahrgenommen.

Nach einer halben Stunde mit Smalltalk, Keksen und Kaffee ging der offizielle Teil los. Dazu verlegten wir unseren Standort in einen anderen Raum, der bereits für die übliche Frontal-Unterhaltung vorbereitet war. Es müssen um die 50 Personen Platz genommen haben. Wir setzten uns ans Fenster. Gegenüber leuchtete ein Gründerzeithaus - helles Pink. Sehr mutig, aber Geschmacksache.

Predigt aus dem Publikum

Der Gottesdienst selbst war alles andere als frontal. Lotte stand mitten aus dem Publikum auf und begann ihr Thema. Unterstützt wurde sie von ihrem Mann und einer größeren Gruppe von Sängern und Musikern. Im Verlauf des Nachmittags sangen wir viele Weihnachtslieder. Geschenke wurden verteilt und die Kinder durften in ihr eigenes Programm gehen.

Der Input rankte sich um den Namen Immanuel - Gott mit uns - und zielte auf die Pointe, dass Jesus auch in Moabit präsent ist. Neben Jesus rückte auch der Kiez immer wieder in den Fokus. Das Gründungsprojekt Life Berlin wurde vor 14 Monaten gestartet und richtet sich an Moabiter, die wohl keine Schwelle einer etablierten Kirche überschreiten würden. Bei der Zunftwirtschaft in der Markthalle gibt es gar keine Schwelle.

Social Network

Die Kommunikation von Life Berlin erfolgt über Facebook. Facebook weiß auch zu berichten, dass drei bekannte Pastoren der Stadt zur Gründungsmannschaft gehören. Das erscheint mir sehr clever, da sich die Moabiter damit Know-how und weitreichende Vernetzung in die Szene hinein sichern.

Wir können gespannt sein, wie sich dieses ambitionierte Projekt weiter entwickelt und wünschen Gottes Segen für die nächsten Schritte!