Freitag, 18. November 2016

Zwei Schiffe begegnen sich in der Nacht

Es muss mindestens sieben Jahre zurück liegen, wo wir das Sprichwort "zwei Schiffe begegnen sich in der Nacht" zum ersten Mal gehört hatten. Es wird gebraucht, wenn Menschen eine völlig unterschiedliche Denkweise und Wahrnehmung haben.



Eine Falle der Egozentrik ist es, davon auszugehen, dass alle anderen Menschen so denken und wahrnehmen wie ich selbst. Ich betrachte mich als Normativ für Denkweise und Wahrnehmung und setze vergleichbare Parameter bei den Menschen in meiner Umgebung voraus.

Doch weit gefehlt!

Ein Mann mit Burnout denkt in Angstszenarien, ein echter Beamter denkt in Amtsdeutsch, ein Offizier denkt in Strategien, ein Grüner denkt ökologisch, ein Rechtsanwalt denkt in Paragraphen, ein Journalist denkt in Stories und ein Softwareentwickler in If-Then-Else-Schleifen. Letzteres kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Nur wenn es Schnittmengen gibt, vermengt sich das Denken und macht die Handlungsweisen des Anderen nachvollziehbar oder gar berechenbar.

Solch eine Schnittmenge kann der gemeinsame Glauben an Jesus Christus sein. Wie wir kürzlich bei einer internationalen Konferenz feststellen konnten, verbinden sich ethnische, soziale, sprachliche und kulturelle Unterschiede zu einer bemerkenswerten Harmonie, wenn sich Menschen um den Mittelpunkt Jesus versammeln. Das entspricht der praktischen Umsetzung von Joh 13,35. In Städten wie New York oder Boston war irgendwann die Not so groß, dass sich Gemeinden unterschiedlichster Prägung aufeinander zu bewegten und gemeinsam für die Stadt eintraten. Die Ergebnisse lassen sich in beachtenswerten Zahlen dokumentieren.

Luxus in Berlin

In Berlin hingegen leistet man sich den Luxus von Divergenz, Abgrenzung und Parallelwelten. Während steuerfinanzierte Berufschristen Papiere mit durchaus wohlklingenden Absichtserklärungen für die Ablagesysteme ihrer Gremien produzieren, disruptieren neue Gemeinden die Stadt mit geistlichem und quantitativem Wachstum sowie regelmäßigen Taufen. Vernetzung findet jedoch nur weitestgehend auf der Basisebene statt.

Das entspricht in etwa dem, was Executuve Vice President Christoph Keese von Axel Springer SE im Rahmen eines Vortrages über Disruption auf einer Landwirtschafts-Konferenz im Januar 2016 gesagt hatte. Demnach sei die allgemeine Arroganz des "Establishments" bemerkenswert, das sich als "Halbtoter auf dem Weg zum Friedhof" lange über die Bemühungen des Disruptors amüsiere und dann plötzlich vor dem Aus stehe. Christoph Keese prognostizierte eine Sterblichkeit durch alle Branchen von 95%.

Schauen wir in die christliche Szene, so gibt es reichlich Unverständnis zwischen Evangelikalen und Landeskirchlern, zwischen Katholiken und Protestanten oder Charismatikern und Bibelkennern. Gerne wird in diesen Zusammenhängen das Christsein des Anderen in Frage gestellt, wenn er anders tauft, zu alte Lieder singt, sich zu wenig in der Bibel auskennt oder gar betet und mit dem aktiven Eingreifen Gottes in Lebenssituation rechnet.

Wenn Joh 13,35 nicht mehr in der Praxis sichtbar wird, kommen auch die Moslems zum Zuge. Im Koran können sie mehrfach lesen, dass sich die "Menschen der Schrift" nicht einig waren und deshalb der Koran als letzte Offenbarung herabgesendet wurde. Aber auch Islamisten sind sich nicht einig. Die Sunniten betrachten die Welt anders als Schiiten. Die daraus folgenden und für unsere Wahrnehmung abstrusen Handlungsmuster können nur nachvollzogen werden, wenn man sich mit den Denkmustern dieser Personen beschäftigt.

Es beginnt ja generell schon damit, dass ein Theoretiker anders als ein Praktiker denkt und handelt. Der Visionär denkt selten in den Strukturen des Managers. Ein Handwerker denkt oftmals nicht kaufmännisch, was gelegentlich suboptimale Folgen hat. Dabei ergibt sich aus diesen Unterschieden auch ein erhebliches Potenzial an Ergänzung, wie es beispielsweise in 1. Kor 12 beschrieben wird.

Was beim Miteinander hilft ist Empathie.

Empathie schlägt eine Brücke zwischen unterschiedlichen Menschen. Insbesondere Verkäufer haben diese Gabe und nutzen sie zum Vermarkten ihrer Produkte. Wenn der Verkäufer merkt, wo beim Kunden der Schuh drückt, muss er nur das passende Argument finden, das das Produkt als Lösung für genau dieses Problem darstellt. Selbst einem Eskimo kann ein Kühlschrank verkauft werden. Dazu fallen mir ad hoc zwei Vertriebsargumente ein. Zuerst könnte beim winterlichen Bedarf an Licht angesetzt werden. Licht erstrahlt, sobald der Eskimo den Kühlschrank öffnet. Ein zusätzlicher Vorteil wäre die geschlossene Tür. Diese hält Eisbären vom Verzehr des Inhaltes ab. Ob also die Tür des Kühlschrankes offen oder geschlossen ist, der Eskimo hat in jedem Fall einen Vorteil und braucht deshalb? Klar, einen Kühlschrank!

An Empathie und dem Bewusstsein für divergente Denkstrukturen mangelt es aber auch in der großen Politik. So kann der humanistisch geprägte Europapolitiker mit seinem juristisch-soziologischen Hintergrund nicht nachvollziehen, wie ein Präsident Putin oder ein Donald Trump seine Entscheidungen findet. Hillary Clinton wäre die europäische Wunschpräsidentin gewesen, da sie ein gewisses Maß an Kontinuität in der Außen- und Sicherheitspolitik suggerierte. Mit Donald Trump hingegen kann man in Europa nichts anfangen. Die Verunsicherung wird insbesondere dadurch manifestiert, dass sich zur Zeit sämtliche europäische Staatschefs  in Berlin mit dem scheidenden Präsidenten Obama treffen und mit ihm über Donald Trump reden. Aber schon Hiob 42 zeigt, dass man lieber "mit" als "über" jemanden reden sollte.

Personen des Zeitgeschehens

Dabei muss man sich lediglich Persönlichkeit, Herkunft und Umgebung der jeweiligen Akteure ansehen:

Putin ist ein Geheimdienstmann, der sich mit ehemaligen Kollegen umgeben hat. Er denkt und handelt wie ein Mann aus dem Nachrichtendienst. Das macht ihn berechenbar für Menschen, die die Denkweise von Geheimdienstlern kennen. Agenten denken in langfristigen Schachzügen, beobachten die rote Linie des Gegners und wenn es mal schnell gehen muss, wird ein Bauer geopfert. Dabei kann der Bauer oder die gegnerische Dame auch einmal unsanft vom Tisch fallen, was nicht immer mit den rechtsstaatlichen Auffassungen des Europäers harmoniert. Das Bewusstsein dessen ist jedoch hilfreich für die Bewertung von Gegenwartsszenarien und zur Erstellung von Zukunftsprognosen.

Donald Trump ist Unternehmer. Ein sehr erfolgreicher Unternehmer sogar. Wer weiß, wie Unternehmer ticken, wird auch Trump berechnen können. Dass in Europa so eine große Verunsicherung herrscht liegt daran, dass unsere Politiker eben wie Bürokraten denken und nicht wie Unternehmer. Den Unternehmer zeichnen im wesentlichen drei Grundprinzipien aus:

1) Aus jeder Situation - egal wie herausfordernd - den höchst möglichen Profit ziehen (Röm 8,28)
2) Nicht reden, sondern machen! (Mt 7,21)
3) Entscheidungsfreudigkeit (Lk 19,5-6)

Punkt 2) und 3) bringen natürlich eine ganz andere Dynamik ins politische Geschehen und können bei weniger durchdachten Entscheidungen unangenehme Folgen haben. Aber es lässt sich berechnen, so man sich auf die Handlungsprinzipien eines Unternehmers einstelt.

Vergleicht man nun die Denkmuster Putins mit denen des Unternehmers Trump, wird deutlich, dass beide gut harmonieren. Allerdings wird dann auch deutlich, dass für europäische Harmoniepolitik kein Platz bleibt, außer es wird ein Punching Ball benötigt.

Vielleicht entwickelt sich dadurch ja letztlich ein Szenario, das die Christen in Berlin auch über Grenzen von Charisma, Taufverständnis und steuerlicher Komfortzone zusammen bringt.

Donnerstag, 17. November 2016

Robert Saunders und der Dreibeinhocker

Zurzeit hält sich Robert Saunders in Berlin auf und hat einen prall gefüllten Kalender mit Coaching-Terminen für Geschäftsleute aus ganz Deutschland. Wenn ein Präsenztreffen für Süddeutsche oder Rheinländer zu aufwendig ist, wird flexibel auf Telefonkonferenz umgeschaltet.



Bis vor eineinhalb Jahren war mir der Zugang zu christlichen Unternehmern weitestgehend verschlossen. So nutzte ich die geschäftlichen Vorbilder des säkularen Umfeldes und extrahierte christliche Handlungsweisen aus dem eigenen Bibelstudium. Dennoch hätte ich gerne Vorbilder aus dem christlichen Umfeld gehabt, die sich in Krisen bewährt, bei Null angefangen und allgemein einen guten Ruf als ehrbare Kaufleute erworben haben.

Erst bei der intensiveren Begegnung mit Unternehmern aus dem Umfeld der FBG erschlossen sich ganz neue Horizonte in Bezug auf "Kingdom Companies" und den Austausch innerhalb einer homogenen Gruppe aus dem Berufsleben. Ähnliche Herausforderungen und Erfahrungen ermöglichten einen Dialog, der auf der gleichen Verständnisebene abläuft, die übliche Neidkultur weitestgehend ausklammert und Hilfe bis in Beschaffungs- und Finanzbereiche anbietet.

Die FBG ist es auch, die regelmäßig kostenlose Coachings mit Robert Saunders anbietet. Robert Saunders hat in seinen siebzig Lebensjahren mehrere Firmen geleitet, Unternehmen aufgebaut, Weihnachtsanhänger verkauft und viel Zeit in sämtlichen Teilen der Welt verbracht. Er war und ist Investmentbanker und ein Christ, der Freude daran hat, anderen Geschäftsleuten mit Rat und Seelsorge zur Seite zu stehen.

Die Gespräche laufen sehr unterschiedlich ab. Man trifft sich beim Lunch, beim Dinner, nach dem Frühstück, beim Tee, bei Mineralwasser, in Hausschuhen, am Telefon oder im Massagesessel. Robert Saunders ist sehr flexibel und stellt sich auf jeden der Gesprächspartner individuell ein. Es gibt normale Unterhaltungen, klare Frage-Antwort-Szenarien und gemeinsame Gebete. Je nachdem, wie sich das Gespräch entwickelt und was der Banker empfindet, dass von Jesus her gerade dran ist.

Viele dieser Meetings enden in klassischer Seelsorge, thematisieren die vielen Facetten von Misserfolg und familiärem Background oder hinterfragen die aktuelle Geschäftsstrategie.

Heute saß ich mit ihm auf einer Couch in Nikolassee und ließ ihn auf meine aktuellen Fragen zur unternehmerischen Ausrichtung schauen. Ich hatte eine Prophetie dabei, die uns als Familie vor eineinhalb Jahren zugesprochen wurde und in vielen Punkten bereits eingetroffen war. Von kompetenter Stelle ließ ich bestimmte geschäftliche Entscheidungswege validieren und war erleichtert, dass die gemachten Fehler letztlich in einen Optimierungsprozess eingemündet waren.

Vieles war für Robert Saunders nachvollziehbar. Betriebswirtschaftliche Zusammenhänge oder Mitarbeiterprofile mussten nicht weiter erläutert werden. Kurze Schlagworte reichten aus, um auf der gleichen Verständnisebene effektiv das Gespräch fortzusetzen. Er stellte herausfordernde Fragen und gab mit eindringlichem Blick Handlungsempfehlungen. Wenn er nicht sicher war, ob ich den finalen Punkt verstanden hatte, ließ er es noch einmal von Joe Hartung (FBG) erklären. Wenn wir beide falsch lagen, erklärte er seine Gedanken noch einmal mit anderen Worten. Wir kommunizierten auf Englisch.

Am Ende zeigte er sich zuversichtlich, dass die neue Richtung Erfolg versprechend sei. Ich solle lediglich nicht zu viel Zeit mit Nachdenken verbringen, da mir das wertvolle Lebenszeit raube, die ich besser in die Entwicklung des Unternehmens stecken könne.

Nach zwei Stunden meldete sich der Kalender. Es stand ein Telefontermin an und danach Lunch mit einem Hamburger. Mit Hamburger ist in diesem Fall ein Norddeutscher gemeint und nicht das mögliche Angebot auf der Speisekarte.

Greift man das Bild des Dreibeinhockers von #MDGC16 auf, stellen die Coachings mit Robert Saunders eine praktische Umsetzung dar. Christen im Beruf brauchen geistliche und seelsorgerliche Unterstützung, um das Reich Gottes außerhalb der Gemeinde bauen zu können.

Sonntag, 13. November 2016

Familienkonferenz

Auf unserer Eltern-Kind-Kur im Sauerland hatten wir viele gute Anregungen für den Familien-Alltag bekommen. Eine davon war die Etablierung einer Familienkonferenz.



Schon während unserer Kur im Juli kauften wir in der nächst größeren Stadt ein dickeres Notizbuch im A4-Format. Damit wurde der greifbare Grundstein für die Einführung der Familienkonferenz gelegt. In einem der Erziehungsseminare hatte die Referentin von ihren guten Erfahrungen mit der Familienkonferenz berichtet. Sie hatte deutlich mehr Kinder im Haushalt und konnte mit diesem Instrument ein geeignetes Podium schaffen, bei dem alle Akteure der Familie gleichberechtigt zu Wort kommen und Entscheidungen gemeinsam getroffen werden.

Wir legten einen wöchentlichen Turnus fest, den wir seit dem sechsten August mehr oder weniger konsequent eingehalten haben. Bei vier Personen lassen sich die Aufgaben sehr gut verteilen. Im Rotationsprinzip bedienen wir folgende Arbeitsbereiche:

1) Agenda und Leitung
2) Protokoll
3) Catering (Tisch decken und für Essen, Trinken, Knabbereien sorgen)
4) Aufräumen (Tisch abräumen und Ausgangszustand des Zimmers wieder herstellen)

Der nächste Termin und die Aufgabenverteilung werden am Ende jeder Konferenz festgelegt und in das Buch geschrieben. So kann man im Zweifelsfall immer wieder nachschlagen und auch der Papa kann sich nicht vor dem Catering drücken.

Am sechsten November, also drei Monate nach Start, fand die elfte Familienkonferenz statt. Das spricht schon einmal für die Regelmäßigkeit. Meine Frau war für Agenda und Leitung zuständig, die Kinder für Catering und Aufräumen und ich für das Protokoll. Nach einer Gebetsrunde mit aktuellen Themen kamen wir zu TOP2: "Gottesdienste". Es wurde der Vorschlag unterbreitet, dass wir jetzt ein bis dreimal im Monat zu Saddleback fahren, da der SYM Saddleback Youth Ministry wohl gut zu unseren Teenagern passe. Auch die Predigten hatten bisher immer einen wertvollen und im Alltag umsetzbaren Inhalt. Deshalb stimmte ich zu, obwohl sich noch diverse weitere Gemeinden auf der Church-Checker-Agenda befinden.

Es ging dann noch um eine E-Ukulele, die Handbrems-Reparatur bei unserem Volvo, die vielen Termine der bevorstehenden Woche, den Lehrersprechtag und das Taschengeld. Wenn die Diskussion hitziger wurde oder in humoristische Exkurse abglitt, nutzen wir eine Art Erzählstein, so dass immer nur ein Familienmitglied zur gleichen Zeit reden durfte. Auf diese Weise wurde jeder gehört und wir entwickelten gemeinsam einen Konsens.

Nach über einer Stunde war die Agenda mit insgesamt acht Punkten durchthematisiert. Sonstige Tagesordnungspunkte gab es diesmal nicht. Abschließend konnten wir den Termin und die Aufgaben für die nächste Familienkonferenz festlegen.

Heute jedenfalls besuchen wir, wie in der elften Konferenz festgelegt, wieder die Saddleback Church in der Kalkscheune.

Dienstag, 8. November 2016

Pick a Communion Set

Formen und Bedeutung des Abendmahls unterscheiden sich in den christlichen Denominationen und Konfessionen teilweise deutlich voneinander. Es geht sogar so weit, dass Christen ausgeschlossen werden, wenn sie einer anderen Gemeinde angehören oder nicht im passenden Alter getauft wurden.



Schon als Kind steckte mir meine Mutter heimlich etwas Weißbrot zu, das zusammen mit einem Metallkelch durch die Reihen unserer damaligen Baptistengemeinde ging. Ich ließ es auf der Zunge zergehen, war mir dessen Bedeutung jedoch nur theoretisch bewusst. Immerhin wurden ja dazu die sogenannten Einsetzungsworte aus dem elften Kapitel des ersten Korintherbriefes gelesen.

Erst viele Jahre später las ich Römer 5 und 6 sowie Kol 2,12 und verstand die Bedeutung des stellvertretenden Sterbens und Auferstehens von Jesus und was das mit mir zu tun hat.

Gemäß der Passage aus dem Vaterunser "vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern" wurde beim Abendmahl immer ein starker Fokus auf die Reflexion und das Vergeben von Schuld gelegt, die andere verursacht hatten oder wo ich selbst Fehler gemacht hatte. Das ist zwar durchaus sinnvoll, allerdings geht der Text aus 1. Kor 11,17-34 in eine andere Richtung.

1. Korinther 11, 17 - 34

Die Verse 17 bis 22 beschäftigen sich zunächst mit der fehlenden Einheit in der Gemeinde. Einige füllen sich beizeiten mit leckerem Essen und ordentlich Wein ab, während andere erschöpft von der Arbeit kommen und dann kaum noch etwas zum Essen vorfinden. Ähnliche Tendenzen sind bisweilen auch heute noch in Gemeinden mit kulinarischem Gemeinschaftsteil zu beobachten. Das kann jedoch in der Regel mit einem symbolischen Kostenbeitrag kanalisiert werden.

Ab Vers 23 stellt Paulus noch einmal den Sinn des Abendmahls dar, geht ab Vers 27 auf die Folgen der "unwürdigen" Teilnahme ein und schließt in den Versen 33 und 34 den Bogen zur gemeindlichen Einheit.

Schuldig und unwürdig

In Gemeinden, die einen latenten Wert auf die Nachhaltigkeit der Schuldgefühle ihrer Mitglieder legen, wird die Unwürdigkeit immer auf das mehr oder weniger beladene Gewissen der Teilnehmer abzielen. In solchen Konstrukten könnte theoretisch niemand das Abendmahl einnehmen, da alle Anwesenden ja irgendwie ständig unwürdig sind.

Einheit, Vertragsabschluss und das Reden darüber

Vers 24 beinhaltet drei Stichworte: Bruch, Körper, Erinnerung. Wenn also die Gemeinde das zerteilte Brot isst, verschmilzt sie wieder zu dieser Einheit des Körpers Jesu. Kein Wunder also, dass es in Kapitel 12 gleich mit den unterschiedlichen Begabungen weitergeht, die sich zu einem funktionierenden Ganzen zusammen fügen (siehe insbesondere 1. Kor 12,12).

Vers 25 spricht vom Kelch als Symbol für den neuen Vertrag (Neues Testament), den Jesus mit seinem Blut unterschrieben hat. Wann immer die Gemeinde davon trinkt, erinnert sie an diesen Vertragsabschluss.

Das Abendmahl ist demnach eine Aktion, die mit mehreren Personen und auf gleichberechtigter Ebene stattfindet. Ein klarer Erinnerungsfokus liegt auf Jesus und was er für die Menschheit getan hat. Vers 26 redet davon, dass mit dem "Mahl des Herrn" dessen Tod und Wiederkunft verkündet wird.

Fauxpas

Bei einer unserer Besuche in der katholischen Kirche war uns nicht bewusst, dass wir dort nicht zum Abendmahl zugelassen sind und stellten uns brav in die Reihe. Wir bekamen auch die Oblate, da wir formal unsere Vorgänger kopierten. Wein oder Traubensaft gab es nicht. In einer der nächsten katholischen Gemeinden wurde uns vorab seitens des Priesters mitgeteilt, dass wir besser nicht am Abendmahl teilnehmen sollten. So blieben wir während dieses liturgischen Elementes sitzen.

Pick a Communion Set

Beim Abschlussabend der New Yorker Movement Day Conference war ich schon eine Stunde vor Beginn im Saal, da wir eine Einweisung als Fahnenträger bekommen sollten. Als ich an einem prall gefüllten Korb vorbeieilte, rief eine schwarze Mitarbeiterin hinter mir her: "Pick a Communion Set"! Was bitte? "Pick a Communion Set", wiederholte sie freundlich, als ich scharf abbremste und zurück kam.

Pick a Communion Set #MDGC16
Pick a Communion Set - Abendmahl beim Movement Day Global Cities #MDGC16

Vorsichtig beäugte ich den Inhalt des Korbes. Es waren viele kleine Plastikbecher mit roter Flüssigkeit, wie man sie aus unseren Gemeinden kennt. An der Oberseite waren die Becher zugeschweißt. Im Deckel konnte man eine kleine gelbe Oblate erkennen, die durch die äußere Folie sichtbar war. Ich nahm solch ein Communion Set und steckte es in die Jackentasche.

Etwas schwierig wurde es jedoch, als der Zeitpunkt des Abendmahls gekommen war und die wissenden Amis ihre Sets öffneten. Ich zog vorsichtig an der Lasche. Der Lobpreis hallte durch den Saal. Die Österreicher neben mir hatten bereits die Oblate freigelegt. Der Deckel gab nach und ich konnte die rote Flüssigkeit ausbalancieren. Die Oblate steckte im Plastikdeckel. Was tun? Entgegen der Reihenfolge des Korinthertextes trank ich zuerst den Saft, betete darüber und widmete mich dann der Freilegung der Hostie. Die Österreicher neben mir gaben Tipps und halfen letztlich bei der Entnahme. Endlich konnte auch ich Teil des internationalen Leibes aus etwa 3.000 anwesenden Bestandteilen werden.

Wein oder Saft

Seit etwa dreißig Jahren wird in vielen Gemeinden Saft statt Wein verwendet und mit der Anwesenheit eventuell trockener Alkoholiker begründet. Auch der Kelch wird nur noch selten durch die Reihen gegeben. Das hat wohl hygienische Gründe, wobei Metallbecher immer noch hygienischer sind als kunstgewerbliche Steingutkelche.

In einigen jüngeren Gemeinden erlebten wir, dass neben Saft auch wieder Wein gereicht wurde, so dass bei Bedarf entsprechend der biblischen Grundlagen getrunken werden kann. Nur einmal nahmen wir an einem Abendmahl teil, wo oranger Fruchtsaft in den großen Kelch gefüllt worden war. Jemand hatte den roten Traubensaft vergessen.

Montag, 7. November 2016

Was machst du morgen um diese Zeit?

Beim Movement Day #MDGC16 wurde in einer Plenumsrunde ein Hocker mit drei Beinen zusammen geschraubt. Ein Bein symbolisierte übergemeindliche Organisationen und Werke, ein weiteres Bein stand für Christen im Berufsalltag und das dritte Bein für die lokale Gemeinde. Die Sitzfläche Verband die Teile zu einer stabilen Einheit.



Vor einigen Jahren hatte ich im Dünenhof die Predigt eines international bekannten Evangelisten gehört. Die Rede hatte einen roten Faden und war mit ordentlich viel Humor gewürzt. Ein brillanter Rhetoriker! Er hatte diverse Beispiele parat, die die Zuhörer bei der Stange hielten. Als wir das in unserer Gruppe reflektierten, fiel mir auf, dass ich die ganzen Beispiele schon kannte. Glyn Norman, unser erster Missionsleiter in der Jugendkirche Marzahn, hatte schon Mitte der 1990er von diesem Mann geschwärmt und genau dieselben Beispiele aus dessen Leben erzählt. Darauf stellte ich mir ernsthaft die Frage:

Erlebt der Mann inzwischen nichts mehr mit Gott?

Beim Movement Day Global Cities #MDGC16 gab es einige Panels und Seminare, die am Großteil der Teilnehmer vorbei gerauscht waren. Auf Nachfrage konnten sie sich nicht mehr daran erinnern.

So verpuffte die wertvolle Information, dass Social Media und Suchmaschinenoptimierung ein wichtiges Werkzeug moderner Gemeinden sind und von Google sogar mit einem AdGrants-Werbebudget über 10.000 Dollar pro Monat unterstützt werden können.

Ebenso wenig Beachtung fand die Sektoren übergreifende (cross sectoral) Diskussionsrunde mit dem dreibeinigen Hocker, einem Symbol für das Zusammenspiel von parakirchlichen Organisationen, Christen im säkularen Beruf und der lokalen Gemeinde.

Doppelleben in Gemeinde und Beruf

Genau an diesem Tag fanden auch zwei Seminare für Unternehmer und Christen im außergemeindlichen Berufsleben statt. Diese waren ebenfalls recht überschaubar besucht.

Es wurde deutlich, dass Christen oft ein Doppelleben von Gemeinde versus Alltag führen. Dieser Zustand werde dadurch gefördert, dass in der Gemeinde gelehrt werde, wie man der Gemeinde selbst diene, bete, Lobpreis mache oder andere geistliche Übungen verrichte. Die Ganzheit des christlichen Lebensstils, auch Jüngerschaft genannt, werde jedoch weitestgehend vernachlässigt. Pastoren verlieren je nach Programmhäufung den Kontakt zur Außenwelt und seien dann gar nicht mehr in der Lage, ihre Gemeindeleute für den Alltag fit zu machen.

Plötzlich tauchte der Pastor auf

Einer der wenigen anwesenden Pastoren verblüffte einmal sein Gemeindemitglied, als er auf einer säkularen Konferenz erschien und auch mal schauen wollte, was seine Leute so die Woche über beschäftigt. Das brachte Punkte und intensivierte die Relevanz des pastoralen Standings.

In einer Abschlussrunde mit den deutschen Teilnehmern der Konferenz setzte ich mich in die Gruppe der "Cross-Sectoralen", da ich ja zwei der Beine bediene. Ein Mann aus Stuttgart erzählte, dass in seiner Gemeinde jeden Sonntag jemand auf die Bühne geholt und gefragt werde:

"Was machst du morgen um diese Zeit? Wofür können wir beten?"

Teamleiter Axel Nehlsen fragte mich darauf, in welcher der achtundfünfzig bis Oktober besuchten Gemeinden mir solch eine konkrete Aussendung in die Arbeitswoche bereits begegnet sei. Irritiert stellte ich fest, dass mir ad hoc keine dazu einfiel.

Bei ICF Tempelhof, EFG Weißensee, Saddleback, Christus Kirche Mitte, Berlin Connect und einigen weiteren Gemeinden hatten die Predigten zwar einen starken Alltagsbezug, aber an eine konkrete Aussendung in die Arbeitswoche konnte ich mich nicht erinnern. Beim Christus Treff, der Kirche43 oder in der FCJG Lüdenscheid wurde zu Beginn des Gottesdienstes von den Erlebnissen der Woche erzählt, was schon der richtige Ansatz ist.

Ein gut funktionierendes Netz an Kleingruppen oder Zweierbeziehungen mit Fokus auf Jüngerschaft kann sicher sehr förderlich sein. Dennoch sollte diese große Sicht auf das Reich Gottes außerhalb der eigenen Räume ein Teil des gelebten Selbstverständnisses einer lokalen Gemeinde sein. Uns ist in den letzten fünfzehn Monaten immer wieder aufgefallen, dass viele wertvolle Kräfte innerhalb des Gemeindesystems gebunden sind und dann gar keine Kapazitäten mehr für den außergemeindlichen Bau des Reiches Gottes inklusive Kontakt zu nichtchristlichen Freunden zur Verfügung stehen.

Beim Gebetsabend des CVJM Kaulsdorf geht es regelmäßig um offene Türen bei befreundeten Nachbarn und Kollegen. Verblüfft stellen wir dann fest, wie diese Gebete erhört werden und sich Menschen sogar zwei Wochen vor dem Ableben nachweislich für Jesus entscheiden oder sehr komplexe Alltagssituationen von Gott gelöst werden.

Noch viel zu oft spreche ich das Wort "Gemeinde" aus, obwohl ich den "Leib Christi" als wesentlich größere Einheit erlebe. Nach vielen Gesprächen mit Pastoren und geistlichen Leitern in den letzten Wochen gewöhne ich mir so langsam den Begriff "Reich Gottes" an.

In diesem Zusammenhang sei auf das Buch "97 Prozent" von Roger Fraser verwiesen, worin es um die Berufung zum Bau des Reiches Gottes außerhalb der Gemeinde geht.

Erhart Zeiser von der ChristusKirche Mitte brachte das cross-sectorale Umdenken als Pastor und ehemaliger Manager sehr gut auf den Punkt:

"Ich sehe mich als Unterstützer der Profis."

Sonntag, 6. November 2016

Psalm 23 @SaddlebackBLN

Während meine Tochter und ich krank zu Hause blieben, fuhren die übrigen Familienmitglieder in die City zu Saddleback. Wegen der starken Präsenz an Bekannten aus Marzahn, besuchten sie die Predigt mit Simultanübersetzung. Diese bediente ein Thema, dass sie bereits eine Woche vorher in der EFG Cantianstraße gehört hatten.



Auch diesen Sonntag ging es um Schafe und Hirten, allerdings nicht mit der Suche des Schafes sondern ganz klassisch mit Psalm 23.

Kann man noch Neues über Psalm 23 predigen? So, dass man bis zum Ende zuhören kann? Der Psalm den ich in Luther-Version schon in der Jungschar auswendig gelernt habe?

Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf grüner Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquickt meine Seele
und führet mich auf rechter Straße um Seines Namens Willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück.
Denn Du bist bei mir,
Dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feine.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Ja man kann, denn in dieser hektischen Zeit ist es immer wieder gut erinnert zu werden an Urlaub für die Seele. "Wie Deine Seele zur Ruhe kommt" war die Überschrift von Tom Holladays Predigt.

Bemerkenswert an dieser Predigt war das Tempo, mit dem sie vorgetragen wurde. Es war so enorm, dass sich Pastor Dave Schnitter von Saddleback Berlin hinterher für die extrem schnell gesprochene deutsche Übersetzung entschuldigte.

Bemerkenswert war aber auch die Berlin-getreue Übertragung der Beispiele. Ich nehme nicht an, dass der Pastor aus der Hauptgemeinde in Kalifornien um die Neckereien von Berlinern und Spandauern weiß. Nichtsdestotrotz kam in der Predigt vor, dass manche Berliner annehmen, dass es in Spandau nur einen Ikea gibt. Ich weiß es inzwischen besser, es gibt auch eine sehr sehenswerte Zitadelle, aber das nur am Rande.

Nicht zuletzt war auch der Inhalt (be)merkenswert. Du bist nur ein (manchmal dummes) Schaf, also verlass dich auf Gott, deinen Hirten. Das Gras ist auf der anderen Wiese nur von weitem grüner. Vertraue auf Gottes Erfrischung. Genieße es, wenn du Überfluss hast und freue dich daran. Folge Gottes Weg. Erinnere dich daran, dass Gott bei dir ist. Er wird durch Schutz und Zurechtweisung trösten. Sei dankbar für alles, was Gott gibt. Es gibt Feinde und dunkle Täler, aber Gott deckt uns den Tisch. Schau auf das, was ewig bleibt.

Ja, innehalten fällt mir oft schwer. Ich renne rum und mache dies und das. Aber die Rückbesinnung auf meinen guten Hirten, Jesus Christus, wird meine Seele nachhaltig für die nächsten Herausforderungen erfrischen. Danke, Tom Holladay, für diese Erinnerung an den guten alten Psalm.

Autorin: Frau des Church Checkers

Samstag, 5. November 2016

Frauentag in der EFG Tempelhof mit Werten und Wahrheit

Als meine Frau die Einladung für den Frauentag bekam, war nicht die Frage, ob sie dort hinfahre. Vielmehr überlegte sie, wem sie mit den stets guten Impulsen solcher Frauentage in diesem Jahr etwas Gutes tun könne, indem sie sie dazu mitnehme. Hier der Bericht meiner Frau zu Werten, Wahrheit und einem Frauentag in der EFG Tempelhof:


 
Zum diesjährigen Frauentag, der wie jedes Jahr durch ein Organisationsteam, unter anderem mit Moderatorin Birgit Lutter, einberufen wurde, fuhr ich nun also mit Mutter und Schwiegermutter. Veranstaltungsort war baulich bedingt dieses Jahr nicht in der FEG Schöneberg, sondern in der EFG Tempelhof. Vernetzung praktisch zwischen Brüdern und Baptisten, und die Gastfreundschaft war großartig.

Pünktlich um 10 ging es nach einem Aufwärmkaffee mit einigen Liedern des Dankens und Lobens los. Das war ein kräftiger Gesang, aber ganz ungewohnt nur mit Sopran- und Altstimmen. Klar, wir befanden uns auf einem Frauentag.

Unsere Referentin, Esther Schneider aus der EFG Wiedenest machte ganz plastisch deutlich, wie sich das Thema "Lebenswert" ganz praktisch auf den Alltag auswirkt. Beispielsweise, welche Werte wir im Umgang miteinander haben, wenn wir in der Schlange an der Kasse einen Vordrängler erleben. Wird der Vordrängler übel beschimpft oder nur dumm angeguckt? Sind wir es gar selbst, die vordrängeln? Und so ziehen sich unsere "Lebenswerte" in alle Alltagsbereiche, nicht nur bei riesigen Entscheidungsbergen.

Frei nach dem Motto ihres Gemeindekollegen "Stellt die Stangen auf, heute ist Frauentag", durften wir ganz offiziell unser eigenes Wertealphabet nicht nur für uns selbst durchbuchstabieren, sondern auch unseren Nachbarinnen zugackern, ähm mitteilen. Bei mir stand der Wert der Ehrlichkeit ganz weit oben und passte somit auch sehr gut zum Nachmittagsreferat mit dem Titel "Wahrheit".

Referentin Esther entfaltete noch so manchen guten Gedanken. Was macht ein Leben lebenswert? Wie wird man würdevoll alt? Wie können wir für gute Werte aufstehen? Mit solchen Fragen und deren teilweise ambivalenten Antworten gingen wir in die Mittagspause, wo wir uns ein wertvolles Essen mit Puffern, Nudelauflauf und Joghurt einverleiben durften.

Danach gab es vier Seminare und wir bekamen Anregungen zum Thema Bibellesen, Loslassen, Engel basteln oder konnten das Referatsthema vom Vormittag weiter vertiefen.

Der Nachmittag brachte mit Referentin Esther Schneider noch einige Stichworte zu "Gottes Wahrheit in meinem Leben". Dabei stellte Esther anhand eines Suchbildes heraus, dass die Wahrnehmung sehr unterschiedlich sein kann (jeder kennt bestimmt das Bild mit der alten Frau und dem jungen Mädchen in einer Zeichnung). Anhand von Johannes 8,31 wurde festgestellt, dass Jesu Jünger sein, an Seinem Wort der Wahrheit festhalten letztlich dazu führen wird, dass die Wahrheit frei machen wird. Nun stellt sich die Frage, was die Wahrheit in der jeweiligen Situation ist. Wie ist Gottes Perspektive dabei? Wie können wir wahrhaftig miteinander umgehen?

Und was hilft? "Oh komm du Geist der Wahrheit und kehre bei uns ein!" Na denn!

Mit diesem schönen Ohrwurm schließe ich den diesjährigen Bericht vom Frauentag. Nächstes Jahr bin ich bestimmt wieder dabei und kann mir ja jetzt schon überlegen, wem ich damit Gutes tun kann.
 
Autorin: Frau des Church Checkers

Freitag, 4. November 2016

Gemeinde ohne Gebet und 10 typische Folgen

Es soll Pastoren geben, die eine Gemeinde anhand von Bibelstellen davon zu überzeugen suchen, dass Gebet gerade nicht(!) dran ist. Ein Grund könnte die Angst vor dem Reden Gottes sein, das nicht immer mit den individuellen Vorstellungen harmoniert. Beim internationalen Gebetsabend in der Brooklin Tabernacle Church wurde uns das "Prayer Global Magazine" übergeben, worin sich ein interessanter Artikel zu diesem Thema befand.



Der nachfolgende Text ist eine freie Übersetzung des Originalartikels von Bishop Joseph Mattera, welcher bei Mattera Missions International nachzulesen ist. Der Text in der Printausgabe des "Prayer Global Magazine" (1st edition, October 2016, Seiten 42/43) weicht ohnehin in einigen Formulierungen von der Internetversion ab. Deshalb wurde hier auf eine sinngemäße Wiedergabe geachtet.

Joseph Mattera schreibt:

Als Pastor war ich über 34 Jahre in viele lokale, regionale oder nationale Gebetsinitiativen involviert. Gott hatte mir sehr deutlich gezeigt, dass es die erste Priorität eines Leiters ist, Zeit vor und mit Ihm im Gebet zu verbringen, bevor wir zum eigentlichen Dienst starten können (Mk 3,14). Der Apostel Paulus wirbt mit Nachdruck dafür, dass alle Gläubigen beständig im Gebet bleiben (1.Thes 5,17). Trotz alledem gibt es jede Menge Gemeinden, in denen kein regelmäßiges Gebet stattfindet. In letzter Konsequenz ergibt sich trotz vieler durchaus umfangreicher Programme eine gefährliche Lücke.

Folgende 10 Probleme ergeben sich, wenn das Gebet in der Gemeinde vernachlässigt wird:

1) Es zeigt, dass die Leiter nicht beten

Gemeinden reflektieren die Prioritäten und den Lebensstil ihrer Gründer bzw. ihrer Leiter. Wenn die Hauptpriorität des Pastors das Suchen von Gottes Angesicht ist, wird sich das auf das Gebetsleben der ganzen Gemeinde durchschleifen. Wenn der Pastor selbst wenig oder gar nicht betet, wird die Gemeinde mit Strategien arbeiten, die nicht vom Heiligen Geist geleitet sind. Als sich Petrus in Apg 6,4-6 zwischen der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse und Gebet entscheiden musste, entschied er sich für Gebet. Auch Mose wusste, dass die vertikale Sicht besser ist als die horizontale (Ex 18,19 oder Ex 33,13+18). Die grundsätzliche Frage ist doch, wie wir Gott bekannt machen wollen, wenn wir Ihn gar nicht persönlich kennen?

2) Unfähigkeit zu hören, was der Heilige Geist sagt

Wenn eine Gemeinde nicht betet, verpasst sie den Moment, in dem sie von Jesus aufgesucht wird (Kairos in Lk 19,44). Gemeinden und Leiter, die nicht regelmäßig im Gebet auf Gott warten, bekommen nicht mit, was Er ihnen zu sagen hat. Paulus und Barnabas wären gemäß Apg 13,1-2 niemals ausgesendet worden, wenn es kein Gebetstreffen gegeben hätte.

3) Wahre Einheit fehlt

Die Kraft der ersten Gemeinde bestand in der besonderen Einheit der Kerngruppe (Apg 2,44 und Apg 4,32-33). Wie funktionierte das? Im ersten Kapitel der Apg lesen wir, dass einhundertzwanzig Jünger für zehn Tage in einem Raum zusammensaßen und im Gebet auf Gott warteten. Das Pfingstereignis hätte gar nicht in dieser Form stattfinden können, wenn dem nicht diese besondere Zeit des Gebetes und der Einheit vorausgegangen wäre. Gemäß Joh 17,20-23 ist die Einheit der Gemeinde ein Indikator für ihre Echtheit und damit eine wichtige Voraussetzung, dass Menschen zum Glauben an Jesus finden.

4) Kaum göttliches Eingreifen in schwierige Situationen

Die Bibel ist voll von Berichten über Gottes Eingreifen in schwierige Situationen. Der Prophet Hesekiel bemerkte, dass das Land zerstört werde, weil niemand in die Lücke getreten sei (Ez 20,30-31). Aaron stand zwischen den Lebenden und den Toten mit Weihrauch, was eine Metapher für das Gebet ist, und konnte damit die Plage in der Wüste abwenden. Es gibt so viele Beispiele von Gottes Eingreifen in der Bibel, dass man diese hier gar nicht alle aufzählen kann. Gerade in der Apg lesen wir oft von Gottes Eingreifen als direkte Folge von Gebet. In Apg 4,31 wird die Gemeinde mit Mut zum Reden über Jesus ausgestattet, in Apg 10,4-5 sendet Gott während der Gebetszeit einen Engel zum Centurio und in Apg 13,1-2 werden Paulus und Barnabas im Rahmen einer Gebetsversammlung ausgesendet. Das heißt, dass eine Gemeinde ohne regelmäßiges Gebet einen erheblichen Mangel an Gottes Eingreifen in das Alltagsgeschehen erlebt.

5) Arbeitsbereiche dümpeln dahin

Die Bibel lehrt uns, dass wir stark im Herrn und in der Kraft Seiner Stärke sein sollen (Eph 6,10-13). In Jes 40,31 lesen wir, dass wir auf den Herrn warten sollen, damit Er unsere Kraft erneuert. Ohne Gebet im Kämmerlein und in der Gruppe können Gemeindemitglieder schnell ausbrennen und sind dann nicht mehr fähig, das Reich Gottes zu bauen.

6) Oberflächliches Wissen über Gott

Hosea lehrt uns, dass wir Gott unbedingt kennen lernen sollen (Hos 6,3) und dass ein Volk dadurch zugrunde geht, dass es Gott nicht oder nur oberflächlich kennt (Hos 4,6). Ohne regelmäßiges Bibellesen und Kommunikation mit Gott wird die Erkenntnis von Gottes Wegen oberflächlich und man handelt sich so einige vermeidbare Probleme ein. Während die ständig wankenden Israeliten nur die Taten Gottes kannten, waren Mose Gottes Wege und Ziele bekannt (Ps 103,7).

7) Gemeindemitglieder werden nicht zu Jüngern

Ich habe bisher keinen Menschen erlebt, der begeistert von Jesus war und dabei kein robustes Gebetsleben hatte. Deshalb können in einer Gemeinde nur dann reife Jünger entstehen, wenn regelmäßig und gemeinsam gebetet wird. Auch habe ich noch nie einen Menschen vom Glauben abfallen gesehen, der ein intensives Gebetsleben pflegt. Wer jung ist im Glauben kann Beten nicht aus der Theorie lernen, sondern muss in die Praxis hineingenommen werden. Am besten geht das beim gemeinsamen Gebet.

8) Handlungsmuster des Feindes werden nicht erkannt

In Mt 26,41 sagt Jesus: "Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung fallt. Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach". Dummerweise schlief Petrus ein, während Jesus im Garten betete. Dadurch lief er völlig unvorbereitet in das Verhör Jesu hinein und verleugnete letztlich sogar seinen Herrn. Ich habe es mehrfach erlebt, dass im Gebet Handlungsmuster und direkte Angriffe des Feindes offenbart wurden, die wiederum durch Gebet gestoppt werden konnten. Eine Gemeinde ohne Gebet ist ein gefundenes Fressen für Täuschungen und Versuchungen des Feindes.

9) Arbeit ist umsonst

Jesus sagt, dass Er die Gemeinde baut (Mt 16). Wenn also nicht gebetet wird, wird Jesus die Möglichkeit entzogen, die Gemeinde selbst zu leiten. Stattdessen muss sich die Gemeinde auf ihre begrenzte Sichtweise und menschliche Fähigkeiten verlassen. Wie auch immer, wenn Gott das Haus nicht baut, bauen die Arbeiter umsonst (Ps 127,1).

10) Gefährliche Lücke im Verteidigungssystem

Letztlich sagt der Apostel Paulus, dass die Schlüsselkomponente der Waffenrüstung Gottes das kontinuierliche Gebet füreinander ist (Eph 6,18). Eine nicht betende Gemeinde hat damit eine riesige ungeschützte Stelle in ihrem Verteidigungssystem, eine Lücke durch die sie leicht angreifbar wird.


Quellenangabe mit Verlinkung siehe oben

Montag, 31. Oktober 2016

EFG Zoar Cantianstraße - Familiengottesdienst mit Rasseln und vier Gitarren

Während meiner Abwesenheit besuchte die Familie gestern die EFG Zoar in der Cantianstraße. In dieser Gemeinde war ich durch den Kindergottesdienst und den biblischen Unterricht gegangen und später mit meinen Eltern in die Wohnnähe nach Oberschöneweide gewechselt. Es könnten hier sicher einige mehr oder weniger lustige Kindheitserinnerungen zum besten gegeben werden, aber ich überlasse den Bericht meiner Tochter:



Nach einer dreiviertel stündigen Fahrt per S-Bahn erreichten wir die EFG Zoar in der Cantianstraße, deren Gemeindehaus perfekt in die Häuserfront eingegliedert war, denn schon seit über hundert Jahren gehört der Gemeinde dieses Grundstück.

Der gestrige Gottesdienst startete um 10 Uhr, was ohne Zeitumstellung wahrscheinlich ganz schön krass gewesen wäre. Aber wir (hauptsächlich ich) hatten Glück.

Wir wurden freundlich von verschiedenen Gemeindemitgliedern und dem Pastor begrüßt, der passend zum Thema eine niedliche Krawatte mit Schafen  trug. Es ging nämlich um das verlorene Schaf aus Lukas 15,4-7.

Der Gottesdienst wurde musikalisch von einem Gitarrenquartett begleitet. Da die Zielgruppe offensichtlich die Kleineren waren, wurden viele Kinderlieder gesungen, bei denen die Kinder zum Teil mit Rasseln einstimmen durften.

Die Predigt war kurz gehalten. Dafür gab es tolle Aktionen für die kleinen Gäste, wie zum Beispiel das Schaf im Saal zu suchen, welches übrigens - falls es jemanden interessiert - im Taufbecken versteckt war. Und das bei Baptisten…

Der Gottesdienst dauerte genau eine Stunde. Danach gab es die Möglichkeit, noch ein wenig im Gemeindecafé bei Kaffee, Tee und Keksen zu reden.

Ach so, fast hätte ich es vergessen: das Alter war überraschend gut durchmischt. Etwa die Hälfte war im Rentenalter und es gab jede Menge Familien mit vielen kleinen Kindern. Außerdem entdeckte ich sechs oder sieben Jugendliche.

Autorin: Tochter des Church Checkers

Sonntag, 30. Oktober 2016

B.B.King Gospel Brunch mit dem Harlem Gospel Choir

Direkt gegenüber von Madame Tussauds in der 42nd Street befindet sich die legendäre Blues Location B.B.King Blues & Grill. Sonntags gegen 13:30 Uhr findet dort ein gut frequentierter Gospel Brunch statt.



Es war gar nicht so einfach, rechtzeitig für den Gottesdienst um zehn in der Times Square Church aus dem Bett zu kommen. Muss man doch schon kurz nach halb zehn vor Ort sein, um noch einen Platz im Parkett zu bekommen. Den Coffee to Go trank ich unterwegs und so bekamen wir tatsächlich noch zwei Plätze kurz vor dem Mischpult. Heute war ein französischer Pastor zu Gast, dessen Gemeinde in unmittelbarer Nähe einer der Orte der Pariser Anschläge vom 13.11.2015 liegt. Die Gemeinde habe sich seitdem verdoppelt.

Um Multiplikation ging es auch in der Predigt, die durchgängig an noch Unentschlossene gerichtet zu sein schien. "Heute, wenn ihr meine Worte hört", aus Hebräer wurde mehrfach eindringlich wiederholt und mit weiteren Bibelstellen ergänzt. Der Haupttext der Predigt stand in Sprüche 1. Am Ende des Gottesdienstes gab es wieder sehr viele Entscheidungen für Jesus.

Wir hatten noch etwa eineinhalb Stunden Zeit und stürzten uns in das Gewimmel auf dem Times Square, machten Fotos, gingen hier und da in einen Laden und schlenderten bei bestem Frühlingswetter an den neun Blocks entlang bis zum B.B.King in der 42. Straße.

B.B.King Gospel Brunch Harlem Gospel Choir
B.B.King Gospel Brunch mit dem Harlem Gospel Choir
Für Brunch und Gospel waren 50 Dollar pro Person zu zahlen. Dann konnten wir den abgedunkelten Saal betreten. Am Buffet hatte sich bereits eine sehr lange Schlange gebildet. Überhaupt zelebrieren die Amis ihr Anstehen bis zur Perfektion. Selbst auf dem WC eines Broadway-Theaters wurde die Schlange in mehreren Windungen durch Absperrbänder kanalisiert und somit ein perfektes Entleeren des vorherigen Buffetinhaltes organisiert.

Wilfried stellte sich zuerst an, während ich die Plätze sicherte. Kaffeebecher, Jacken, Taschen und sogar echte Menschen konnten als Platzhalter dienen. Und mit genau diesen Utensilien reservierten wir einen Vierpersonentisch mit direktem Blick auf die Bühne. Hätten wir gewusst, was uns erwartet, hätten wir uns vielleicht in eine andere Ecke des Saales verkrümelt.

In die Stuhllehnen waren Noten gefräst und der Teppichboden zeigte ein Muster aus ineinander verschlungenen Instrumenten.  Auf einer der Boxen lag ein halbes Gerippe mit riesigem Totenkopf, dessen Augenhöhlen ständig die Farben wechselten. Ein Relikt des nordamerikanischen Kürbisfestes. Die Teller der vorbeieilenden Eingeborenen und Touristen waren so gefüllt, als hätte es seit dem letzten Wochenende nichts mehr zu essen gegeben. Wie wird das Buffet aussehen, wenn ich an der Reihe bin? Ich holte mir einen Kaffee.

Aus einem völlig unerklärlichen Grund hatte sich plötzlich die Schlange aufgelöst, so dass wir uns bei der Tischverteidigung abwechseln konnten. Es war alles reichlich vorhanden, so dass mein Teller nachher ähnlich aussah wie oben beschrieben.

Dann ging das Licht aus und es wurden kurze Teaser-Videos abgespielt. Kurz darauf traten mehrere Schwarze auf die Bühne und starteten den Gospel zum Brunch. Der Harlem Gospel Choir at its best. Das Essen war vergessen, die Getränke wurden in die Mitte der Tische gerückt und das Klatschen, Schunkeln und Amen rufen begann. Eine der Sängerinnen übernahm den Part der Ansagen:

"The rule is: You don't have to be quiet!"

"Amen" und "Halleluja" wurde immer wieder zwischen die Ansagen gepackt und von einigen Leuten im Publikum erwidert. Der Harlem Gospel Choir entfaltete eine sagenhafte Performance bei Gesang und Tanz. Die Interaktion mit dem Publikum erinnerte an einen Familiengottesdienst. Fast so wie in der Cantianstraße, wo meine Familie heute mit vier Gitarren und Kinderrasseln gerockt wurde. Aber auch nur fast.

B.B.King Gospel Brunch Harlem Gospel Choir
B.B.King Gospel Brunch mit dem Harlem Gospel Choir
Wahllos wurde ein Junge aus dem Publikum auf die Bühne gebeten und sollte sich kurz vorstellen. Der zwölfjährige Martin aus Europa sprach gut Englisch. Dann wurde Tasha "gegriffen". Sie kam aus Chicago, war aber komplett als wandelnde New-York-Werbung bekleidet. Bei "Oh Happy Day" musste sich die eigentliche Sängerin das Mikrofon zurück kämpfen, da ihr Tasha die ganze Show stahl. Dann holten sie die schüchtern wirkende Christine aus Brooklyn auf die Bühne. Zunächst rannte sie vor dem Mikrofon davon, legte dann aber eine ebenso ausgereifte Tanz- und Gesangsperformance auf.

Wenn der suchende Blick durch den Saal schweifte, neigten wir uns etwas zur Seite und konnten letztlich einem Aufruf entgehen. Dafür mussten alle Geburtstagskinder aus Oktober und November auf die Bühne, sich mit Name und Alter vorstellen und "Happy Birthday" mitsingen. Das klappte gut. Stehen, sitzen, wippen, klatschen, schunkeln, mitsingen, ein "Huuu" in den Raum brüllen waren die Ausdrucksformen unserer aktiven Teilnahme an diesem Gospel Brunch.

"Don't forget to tip your waiter", waren die Worte eines der Sänger als wir kurz vor Ende das B.B.King verließen. "Tax & Tip" waren "not included". Man tut also gut daran, noch reichlich monetären Puffer dabei zu haben, wenn man nach dem Gottesdienst in der Times Square Church noch zum B.B.King Gospel Brunch erscheint.

Samstag, 29. Oktober 2016

Book of Mormon

Seit über fünf Jahren zieht das Musical "The Book of Mormon" glaubensdistanzierte Zuschauer an. Christen, die eine kritische Selbstreflexion und derben Humor scheuen, sollten sich das Musical nicht ansehen.



Nur zwei Blocks südlich von der Times Square Church befindet sich das Eugene O'Neill Theatre. Mündlicher Empfehlung und einer Kritik der Süddeutschen Zeitung folgend besuchten Wilfried und ich die Nachmittagsvorstellung des Musicals "The Book of Mormon". Mormonen sind eine äußerlich sehr auffällige Missionarsklientel, die sich für die Macher des Musicals hervorragend als Zielscheibe anbieten.

Dennoch ist zwischen den Zeilen eine harte Auseinandersetzung mit Glauben, Hingabe, Heuchelei, Ämterliebe und den Lücken bei den eigenen Basics zu erkennen. Der bissige Humor in Text und Gestik wird bemerkenswert professionell choreografiert. Religionsstifter Smith und auch Jesus treten auf. Besonders bitteres Gelächter erschallt, wenn der goldlockige Jesus-Darsteller sein weißes Kleidchen ausbreitet, dabei die Lichterketten im Gewand aufleuchten und er sagt: "I am Jesus".

Es entsteht der Eindruck, dass beim Schreiber und den Besuchern des Musicals sehr viel Verletzung mitschwingt. Verletzung durch aufdringliche Missionare, durch Christen, die gar nicht wissen, was sie eigentlich glauben und von Menschen, die sich lediglich innerhalb einer Struktur profilieren möchten und dabei über die Leiche ihres Glaubensbruders gehen.

Einer der Missionare hatte das Buch Mormon nie gelesen. Warum? "Es ist so langweilig". Und genau er sorgt für die erste Taufe in Uganda. Eine Taufe, die eine Kettenreaktion auslöst. Dabei beruht die Überzeugung der Afrikaner auf mehreren Missverständnissen, welche sich später auf dramatische Weise auflösen sollen.

In diesem Moment kommt die Führungsriege im fernen Amerika ins Spiel. Die Zahlen in Uganda stimmen nun endlich. Der erfolgreiche Missionar soll besonders geehrt werden und der Präsident der Missionsgesellschaft erscheint mit Anzug, Krawatte und zwei optisch auf ihn abgestimmten Sekretären im Busch. Das nennt man Helikopter-Management: einschweben, Staub aufwirbeln, verschwinden. Ein Prinzip, das wir auch aus der Berliner Gemeindeszene kennen.

Freudig demonstrieren die Afrikaner, was sie von den Weißen gelernt haben und eskalieren die Situation bis fast zur Ohnmacht des angereisten Präsidenten. Während die "Golden Plates" im ursprünglichen Sinne goldener Schrifttafeln auf goldene Teller uminterpretiert und dargestellt werden, gehen die sonstigen Missverständnisse in eine sexistische Richtung, die auch uns langsam zu viel wird. Dennoch sehr wirkungsvoll inszeniert und von der Aussage her klar.

Letztlich kommt es zum Bruch mit der Dachorganisation, es entscheiden sich weitere Personen inklusive eines Warlords für die Konvertierung und bieten am Ende kein blaues "Buch Mormon" mehr an sondern das rote "Buch Arnold". Die Art der Missionierung erfolgt aber wieder nach dem gleichen Schema.

Zu diesem Musical bewegt mich Röm 2,24: "Um euretwillen wird der Name Gottes unter den Heiden gelästert".

Freitag, 28. Oktober 2016

#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 in New York City

Die internationale Konferenz Movement Day Global Cities kann inhaltlich mit dem in Deutschland bekannten Transforum verglichen werden. Es geht um die Vernetzung von Gemeinden, Werken, Organisationen und Leitungspersönlichkeiten, denen eine disruptive Beeinflussung der urbanen Gesellschaft durch das Evangelium wichtig ist.



Schon im März wurden die ersten Reisevorbereitungen getroffen. Dann fand ein Meeting des deutschen Teams statt, welches von Axel Nehlsen geleitet wurde. Axel Nehlsen war lange Jahre Geschäftsführer von Gemeinsam für Berlin und damit für diese Rolle prädestiniert. Unsere Delegation reiste individuell an und war auch an sehr unterschiedlichen Stellen der Stadt untergebracht.

#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016
#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 - Teilnehmer aus Deutschland und Österreich
Gebet in Brooklyn

Auftakt war ein internationaler Gebetsabend in der Brooklyn Tabernacle Church. Bereits dort bekamen wir einen Vorgeschmack auf die Konferenz. Insgesamt wurden 3.000 Leiter erwartet, von denen etwa 1/3 aus den verschiedensten Teilen der Welt angereist war. 95 Nationen waren vertreten.

#MDGC16 in Manhattan

Die eigentliche Movement Day Global Cities Conference begann am Dienstag und beschäftigte sich dem Namen entsprechend mit den Herausforderungen des urbanen Umfeldes. Vormittags wurden diverse Einzelvorträge und Panel-Diskussionen auf der Bühne präsentiert, während nachmittags je zwei Seminar-Blöcke im Untergeschoss des Jacob K. Javits Convention Center angeboten wurden. Ich entschied mich für vier Tracks, in denen es um gesunde Leiter, die nächste Generation und Christen im Beruf ging. Leider konnten in eineinhalb Stunden die Themen immer nur angerissen werden. Zudem setzte im zweiten Block die biorhythmische Müdigkeit ein.

#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016
#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 - Eingang zum Nordflügel des Javits Centers
Es traten jede Menge hochkarätiger Leiter und Pastoren auf. Bill Hybels (Willow Creek), Alan Platt (Doxa Deo), Timothy Keller (Redeemer Presbyterian Church) und Tony Evans (Oak Cliff Bible Fellowship) waren nur einige davon und wurden regelmäßig innerhalb unserer Gruppe genannt oder zitiert. Bill Hybels sieht zwei Hauptherausforderungen in der heutigen Zeit: Rassismus und Flüchtlinge. Der trotz seines geistlichen "Erfolges" sehr bescheidene Bill Hybels ermutigte zur Annahme der Herausforderung, machte aber auch klar, dass es nur über folgenden Weg gehe:

See it! Smell it! Touch it!

In diesem Zusammenhang habe sich Bill Hybels einst bewusst für "Respect Everyone Everytime" entschieden und regelrechte innere Kämpfe durchlebt. Er berichtete auch über sein Gabenprofil und wie wichtig ein Laufen in der Berufung sei. Effektiv und effizient versuche er sein Leben zu gestalten und keine Zeit mit unwichtigen Dingen zu verplempern (not wasting my time). Er erinnerte er sich an gute Erfahrungen bei der Vernetzung mit anderen Pastoren der Stadt. Als ihm zu einer Osterpredigt nichts weiter einfiel, fuhr er in der Nachbarschaft herum, klingelte bei den Pastoren und fragte, ob ihnen auch gerade nichts einfalle. Daraus seien Freundschaften und ein überkonfessionelles Beter-Netzwerk entstanden.

#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016
#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 - Blick vom Javits Center auf das Empire State Bulding
#ChurchUnited war dann auch ein wichtiges Stichwort von Alan Platt, der die Einheit der Christen einer Stadt als Schlüssel für den gesellschaftlichen Einfluss, den Impact, ansah. Impact war ohnehin eines der am häufigsten verwendeten Schlagworte des Kongresses.

Besonders gute und nachhaltige Impulse bekamen wir von Tony Evans, der als Schwarzer mit Schnurrbart erst einmal recht unscheinbar wirkte, aber eine sagenhafte Rhetorik inklusive witziger Beispiele aus dem eigenen Leben mit intelligenter Pointe zum Thema passend entfaltete. Tim Keller ist ein Vorreiter für Berliner Gemeinden wie Berlinprojekt oder Berlin Connect. Akustisch und biorhythmisch kam ich bei seinem Vortrag nicht ganz mit. Da er jedoch ständig von unseren Teammitgliedern zitiert wurde, muss das wohl ein recht wertvoller Input gewesen sein.

Wenig Beachtung fanden leider die Vorträge und Diskussionen über Social Media und journalistische Disruption. Religion sei momentan gut als Bad News zu verkaufen. An die Google AdGrants mit ihrem 10.000-Dollar-Werbebudget konnte sich kaum ein Teilnehmer erinnern. Schade und zugleich seltsam, dass ich mich gerade auf diese Themen fokussiert hatte.

Der letzte Prediger bei der Abschlussveranstaltung am Donnerstag war Buchautor und Pastor A.R. Bernard (Christian Cultural Center). Optisch könnte er als stilechter Mafia-Boss durchgehen, brachte aber während seiner Ansprache die durchaus bedenkenswerte Aussage: "Die Bibel beginnt in einem Garten und endet in einer Stadt".

Städte wachsen zur Zeit schneller als die Gemeinden. Missionare müssen gar nicht mehr in die Welt hinaus gehen. Die Welt kommt zu uns in die Städte.

Seminare

Am Mittwoch wurde auf der Bühne ein Hocker mit drei Beinen zusammen geschraubt. Diese sollten die drei Säulen der Zusammenarbeit symbolisieren: außergemeindliche Organisationen, Christen im Berufsleben und die lokale Gemeinde. Die Sitzfläche verband die drei Bereiche, so dass der Hocker stabil auf dem Boden stehen konnte. Es wurden drei Personen aus diesen Bereichen interviewt.


#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016
#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 - Plenum mit Dreibeinhocker
Bei "The Power of Workplace facing Pastors" wurde zunächst die Zusammensetzung des recht schwach besuchten Seminars abgefragt. Wenige Leute aus den hinteren Reihen outeten sich als Pastoren. "The rest of you work", war die Beschreibung dieser Situation durch den Seminarleiter. Es wurden Leute auf die Bühne geholt, die als Unternehmer, Beamte oder Angestellte ihre Bagels verdienen. Es stellte sich heraus, dass oft ein Doppelleben aufgebaut und gefördert wird. Der Christ in der Gemeinde und der Mensch am Arbeitsplatz. In der Gemeinde lerne man zwar Wachstum im Gebet, beim Lobpreis und beim Bibellesen, aber nur sehr wenig über den ganzheitlich christlichen Lebensstil, der sich im Berufsalltag bewähren muss. Ein Thema, das mich schon sehr lange beschäftigt.

Eine der Damen auf der Bühne sagte, dass ihr Glauben deutlich gewachsen war, als sie den Glauben bewusst in ihre Arbeit einbezogen habe. Sie bete jetzt sogar für ihre Kunden. Übrigens eine Herangehensweise, die auch die FBG verfolgt. Aufgabe der Gemeinde sei es daher, die Leute für außerhalb der Gemeinde auszurüsten, statt alle Ressourcen in die Gemeinde selbst einzuspeisen. Und wenn der Christ während der Arbeitswoche über seinen Pastor sagen kann "he is a colaborator for me", wurde alles richtig gemacht.

Bei "Entrepreneurs on the Frontlines of the City" ging es ergänzend zum vorherigen Seminar um die Herausforderungen von Unternehmern bei der geistlichen Einflussnahme in der Stadt. "Increase the Size of Your Impact", beinhaltete mal wieder das Wort Impact und die besonderen Möglichkeiten, die sich durch Kontakte und das Wirken in die Geschäftswelt ergeben. "Warum will ich ein Unternehmen gründen? Was ist die Vision? Wie soll das konkret umgesetzt werden?", waren Fragestellungen, denen man ebenfalls nachging.

Länder, Teams und Flaggenchaos

Kein Wunder, dass ich mich beim finalen Team-Treffen am Donnerstag der über dreißig Deutschen in der Kleingruppe mit dem Fokus auf den oben beschriebenen Dreibeinhocker wiederfand. Als Board Member der Internetmission Berlin und als IT-Unternehmer konnte ich gleich zwei dieser Beine bedienen.

Im Raum gab es zwei weitere Ländergruppen, die sich parallel über die Konferenz austauschten und beteten. Die geistlich eventuell etwas ambivalente Dominanz war jedoch auf unserer Seite. Apropos Dominanz: je ein Teilnehmer des nationalen Teams durfte bei der Abschlussveranstaltung die Fahne tragen. Ich sagte für unser Team zu und eilte eine Stunde vor Beginn zur Einweisung.

#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016
#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 - Fahnen der 95 anwesenden Nationen (hier Philippinen)
Abgesehen davon, dass die Einweisung erst eine halbe Stunde später begann, entwickelte sich die Flaggen-Aktion zu einem regelrechten Chaos. Nachdem ich unsere Fahne gefunden hatte, suchte ich noch die von Österreich, da diese wohl oft vergessen werde und man dann hinter Deutschland herlaufen solle. Die Fahne war aber bereit gestellt, so dass die junge Dame im Dirndl wieder fröhlich wirkte. Ich platzierte sie direkt vor Deutschland, damit man dennoch die gewisse Verwandtschaft erkennen konnte. Der Stab war zweiteilig, was für ständiges Klirren bei der Entnahme der Fahnen sorgte. Die Security schritt recht grob ein, als sich Unmengen von Indern, Asiaten und Afrikanern in ihre Nationalflaggen hüllten und Gruppenfotos machten. Das Sternenbanner der USA war sogar mit einem güldenen Adler auf der Messingstange verziert. Auch wenn Bill Hybels oben vor Rassismus gewarnt hatte, entbrannten doch einige Kämpfe um die Fahnen. So wurde Tschechien letztlich von einem Inder repräsentiert, Australien von einer schwarzen Frau dargestellt und der Australier war mit einer für mich nicht identifizierbaren bunten Flagge unterwegs. Soweit ich mich erinnere, wurden die USA von einem Philippiner vertreten. Nur Österreich und Deutschland waren in der Hand der Eingeborenen verblieben, wobei auch die Frau im Dirndl deutsche Wurzeln hatte.

Lobpreis mit Geige und Dudelsack

Der Lobpreis von Getty Music im irischen Stil war absolut mitreißend. Im Hintergrund flimmerten Stadtszenen aus New York. Darüber waren die Liedtexte zum Mitsingen gelegt.

#MDCG16 und die größere Perspektive

Mehrfach wurde auf der Konferenz der Blick von der lokalen Gemeinde auf das globale Reich Gottes gelenkt. Bill Hybels untermauerte das mit 2. Kor 11,28: "...all the churches". Lokale Gemeinden stehen in einem größeren Kontext und erfüllen eine Säule des oben beschriebenen Hockers.

Beachtenswert war der starke soziale Fokus der amerikanischen Gemeinden und Organisationen. Das resultiert wohl daraus, dass dort deutlich weniger soziale Verantwortung seitens des Staates übernommen wird. Dennoch stand Jesus auf der Konferenz deutlich im Mittelpunkt, während er in unserem Lande eher der Soziologie weicht.

Am Rande des offiziellen Geschehens gab es viele interessante Begegnungen, bei denen wir erfuhren, dass in Nigeria für Sri Lanka und Europa gebetet werde oder dass in indischen Gemeinden Klassentrennungen schon dadurch begünstigt werden, dass man buchstäblich eine andere Sprache spreche. Auch Griechen und Mazedonier, Polen und Deutsche mussten sich des gemeinsamen Zentrums Jesus bewusst sein, um ein entspanntes Miteinander zu erleben. Letzteres ist wohl die Power of Jesus, die einzelne Menschen, Städte und Nationen verändern kann.

Donnerstag, 27. Oktober 2016

NYSUM New York School of Urban Ministry

Die NYSUM New York School of Urban Ministry liegt im New Yorker Stadtteil Queens und diente uns während der Konferenz #MDCG16 als Unterkunft.



Elf Tage vor Abflug erhielten wir ein Mail von Team-Leiter Axel Nehlsen, worin er mitteilte, dass für die über tausend ausländischen Teilnehmer wohl keine ausreichende Anzahl Privatquartiere mehr gefunden werden konnte. So waren drei Ehepaare in der Bronx untergebracht und mehrere Einzelpersonen aus unserem Team in Queens. Darauf entschieden sich einige Deutsche für den Umstieg auf Hotels in Manhattan. Da die Unterbringung in der NYSUM für uns von einem unbekannten Sponsor bezahlt wurde, entschied ich mich für das als Studentenwohnheim angekündigte Haus.

Regen und weitere Frustrationen

Beim Landeanflug auf EWR (Newark Liberty International Airport) zogen Regentropfen über die Scheiben unserer Maschine. Durch die Lautsprecher wurden herbstliche Temperaturen angekündigt, die beim Verlassen des Terminal C bestätigt wurden. Nach neun Stunden Flug war ich nicht mehr sonderlich munter und fuhr im Halbschlaf mit dem Airport Express nach Manhattan. Es nieselte. Treppe hoch, Treppe runter, über lange schmale Bahnsteige des Subway ging es unterhalb der 42nd Street zur Linie R. Ich kaufte ein 7-Tage-Ticket für 31 Dollar plus sonstiger Aufschläge und fuhr nach Queens. Den Weg zur School of Urban Ministry hatte ich mir eingeprägt und lief sogar in die korrekte Richtung.

NYSUM New York School of Urban Ministry
Selbstportrait mit Zahnbürste @NYSUM Zimmer 216
In der Lobby wurde ich sehr herzlich empfangen und in das Zimmer 216 geschickt. Daniel begleitete mich und zeigte mir zunächst den Fahrstuhl, der nur für Männer vorgesehen war. Der "Mens Elevator" war nicht etwa wegen genderfokussierter Werbeansprachen separiert, sondern um der Versuchung einer Durchmischung mit den weiblichen Gästen entgegen zu wirken. Die Männer waren im 2nd und 4th Floor untergebracht und die Frauen im 3rd Floor. Ein klarer Indikator für männliches Übergewicht, auch bei der Besetzung geistlicher Ämter.

Daniel zeigte mir eine Dusche am Ende des Ganges. In Indien wäre "am Ende des Ganges" verheerend gewesen. Zimmer 216 ließ sich ohne Schlüssel öffnen. Es gab auch keinen Schlüssel für dieses Zimmer. Der Platz war fast so gut ausgenutzt wie beim Eheseminar im CVJM-Haus Waldsieversdorf. Auf etwa sechzehn Quadratmetern waren vier Doppelstockbetten, drei Nachttische, ein Stuhl und ein Waschbecken untergebracht. Eine weitere Tür führte innerhalb des Raumes zu einem WC. Diese Tür war auch nicht abschließbar. Da ich der erste Bewohner von Raum 216 war, suchte ich mir ein Bett aus, hängte meine Hemden davor und schob den Koffer darunter. Dann sondierte ich die Umgebung und fand weitere Duschen, Waschbecken und sogar ein abschließbares WC.

Da ich mich wegen des Jetlags zum Wachbleiben zwingen wollte, fuhr ich noch einmal mit der R-Linie an den Times Square. Umwogt von Touristen und Leuchtreklame taperte ich einige Häuserblocks entlang, machte wenige Fotos und fragte mich die ganze Zeit, was ich hier eigentlich mache. Nieselregen, bunte aber bekannte Locations, eine Konferenz, die ich mehr aus privater Ambition besuchte, keine Bezugsperson in der Nähe und dann dieses Massenquartier in der NYSUM.

Die Rückkehr

Immer noch im Halbschlaf kam ich drei Stunden später wieder in die NYSUM. Im Zimmer waren nun vier weitere Personen eingetroffen und breiteten entsprechend ihre Koffer und Kleidungsstücke aus. Mit Rainer Schacke von der Kulturwerkstatt Mitte war wenigstens ein Bekannter dabei. Sie waren gerade angekommen und wollten erst einmal die Umgebung erkunden. Ich setzte mich aufs Bett und sortierte meine Sachen. Ein Südafrikaner kam hereingestürzt und holte seinen Koffer. Er habe in Manhatten eine Alternative gefunden. Somit waren nur die unteren Betten belegt.

In der Nacht

Bis zur Wiederkunft von Rainer, Uli (Österreich) und Michael (Tschechien) hatte ich mich wach gehalten. Dann wickelte ich mich in die Decke ein und war sofort eingeschlafen. Nebulös realisierte ich, wie jemand im Dunkeln auf eines der oberen Betten stieg. Clemens Schweiger von Campus für Christus war gekommen. Gegen ein Uhr Ortszeit schnarrte plötzlich der Feueralarm. Dreimaliges penetrantes "Ähm, Ähm, Ähm", sollte uns wohl zur Teilnahme an einer der in New York üblichen Feuerwehr-Übungen wecken. Aber nicht mit mir und schon gar nicht mit Jetlag und im Tiefschlaf. "Ähm, Ähm, Ähm", hörte gar nicht mehr auf. Stimmen waren auf dem Flur zu hören. Unser Zimmer überzeugte jedoch mit kollektiver Testalarm-Verweigerung. Die englischen Dialoge auf dem Flur klangen recht entspannt, wenngleich kaum etwas zu verstehen war. Ein staubsaugerähnliches Geräusch untermalte nun das Tröten des Feueralarms. Eine faszinierende Vielfalt akustischer Reize mitten in der Nacht.

Am nächsten Morgen

"Hast du die Schabe eben gesehen", fragte mich Rainer, als wir am Kaffeeautomaten standen. "Nein, wie groß war die denn", fragte ich zurück. OK, das ging dann noch. Das Frühstück war reichlich und sehr lecker. Der Kaffee wirkte unserer Restmüdigkeit entgegen. Am Tisch sondierten wir die unterschiedlichen Optionen von Gottesdienstbesuchen. Einige Team-Mitglieder wollten sich in der Bronx treffen, andere bei Brooklyn Tabernacle, bei Tim Keller oder in Harlem. Rainer, Ulli und ich entschieden uns für einen gemeinsamen Besuch der Times Square Church.

Der Warmduscher

Von zwei Stadtmissionaren erfuhren wir beim Frühstück auch, dass es sich in der Nacht gar nicht um einen Fehlalarm gehandelt hatte. Es waren sogar drei Löschzüge auf den Hof gefahren und die Nichtverweigerer hatten sich sogar angezogen und das Gebäude verlassen. Der Grund für den Alarm war ein Warmduscher. Mitten in der Nacht muss ein Gast die Wanne am Ende des Ganges benutzt und dabei zu heiß geduscht haben. Die Lüftung hatte das nicht mehr kompensieren können, so dass der Alarm ausgelöst und ergänzend die Sprinkleranlage aktiviert wurde. Das Staubsaugergeräusch war also ein Gebläse, das den durchnässten Fußbodenbelag wieder trocknen sollte. Offensichtlich ist solch ein Szenario keine Seltenheit in der NYSUM, so dass auch das Duschen explizit in der Hausordnung geregelt wird.

Zumindest lernen wir daraus, dass Urban Ministry nichts für Warmduscher ist.

Der Schalter

Schon beim Einschlafen hatte ich realisiert, dass wir in der NYSUM mit einen Lebensstil konfrontiert werden, wie ihn tausende von Flüchtlingen in ihren Notunterkünften erleben: keine Privatsphäre, Sammeltoiletten, Sammelwaschgelegenheiten, unterschiedliche Nationen mit ihren Eigenheiten auf engstem Raum. Als wir uns beim Frühstück darüber unterhielten, stellte sich heraus, dass ich nicht der Einzige war, der sich darüber Gedanken gemacht hatte. Rainer sagte, dass wir diese Situation hier ja nur punktuell für eine Woche erleben und es eher als eine Art Fasten und Besinnung auf unseren sonstigen Standard dienen könne. Außerdem seien wir von vertrauenswürdigen und freundlichen Personen umgeben, die fast alle zum #MDGC16 angereist waren oder andere christliche Aktivitäten in der Stadt geplant hatten. Er hatte Recht. Auf diese Weise legte sich in meiner Einstellung der Schalter um.

Sonne und #ChurchUnited

Als wir nach dem Frühstück aus dem Haus traten, wurden wir von herrlichem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen begrüßt. Der Schalter war nicht nur mental, sondern auch in der Umwelt bedient worden.

Auch wenn Uli an einem der Tage noch eine Maus über den 2nd Floor hatte rennen sehen, erlebten wir doch in den folgenden Tagen ein herzliches Miteinander der eigenen Gruppe und der vielen Pastoren und geistlichen Leiter aus aller Welt. Christen aus Südafrika, Indien, Griechenland, Polen, Tschechien, Mazedonien, Österreich, Australien, Ghana oder Nigeria trafen wir im eigenen Zimmer, beim Duschen, auf dem Gang oder beim Frühstück. Die Intensität der Kontakte hätte sich in einem anderen Nachtquartier wohl kaum so entwickelt. Auch bei den Fahrten zur Konferenz gab es internationale Durchmischungen.

Deshalb kann der Aufenthalt in der NYSUM als eine sehr wertvolle Erfahrung verbucht werden.

Das wurde auch am Eröffnungstag der #MDCG16 durch Bill Hybels bestätigt: "See it! Smell it! Touch it!"

New York School of Urban Ministry

Die NYSUM New York School of Urban Ministry bietet Seminare mit unterschiedlichem Zeitrahmen an. Es stehen diverse Seminarräume und die bereits beschriebenen Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Seminare beschäftigen sich im Schwerpunkt mit Stadt-Themen (Urban Courses), internationaler Mission, lokalem Dienst mit sozialem Fokus sowie der Charakter-Entwicklung.

Die NYSUM eignet sich wegen der geringen Kosten auch hervorragend für Jugendgruppen, die einen günstigen Aufenthalt in New York suchen. Die Verkehrsanbindung ist hervorragend. Mit der Linie R oder E befindet man sich innerhalb von zwanzig Minuten im pulsierenden Leben Manhattans. In etwa 45 Minuten fährt man mit der R-Linie ohne Umsteigen nach Brooklyn. Das Frühstück ist wirklich gut und sollte unbedingt dazu gebucht werden.

Dienstag, 25. Oktober 2016

Gebet in der Brooklyn Tabernacle Church

Am Vorabend des Movement-Day-Kongresses #MDGC16 trafen sich gestern christliche Leiter aus 95 Nationen zum Gebet in der Brooklyn Tabernacle Church. Die Kurzpredigten insbesondere von Tony Evans waren sehr gut. Wogegen Adam Durso etwas an den deutschen Gehörpräferenzen vorbei geht.



Bereits am Vormittag war ich mit der R-Linie nach Brooklyn gefahren und spontan an der Jay Street ausgestiegen. Nach wenigen Metern hatte ich die Tabernacle Church erreicht und lief weiter und weiter und weiter. Der Spaziergang durch Brooklyn nahm letztlich drei Stunden in Anspruch und führte mich durch Straßen mit dreistöckigen Häusern, vorbei an Hafenanlagen, über Radwege, Sportplätze und Parkanlagen. Der Blick über den East River war ein Genuss. Nach einem finalen Schlenker unter der Brooklyn Bridge hindurch war ich wieder am Ausgangspunkt.

Das qualifizierte mich als abendlicher Guide für eine Pastorengruppe aus Südafrikanern, Deutschen und Asiaten. Auch die Brooklyn TabernacIe Church muss ein ehemaliges Theater sein. In der Lobby wartete neben den Damen am Registrierungsstand auch Axel Nehlsen, unser Teamleiter aus Berlin. Nach einer herzlichen Begrüßung nutzten wir Jacken, Taschen und Infomaterial als Badetuch-Ersatz und reservierten mehrere Sitzreihen in der Nähe der Bühne. Dann trafen wir uns erstmalig als deutsche Teilnehmergruppe.

Wir stellten uns alle kurz vor und trafen die ersten konkreten Absprachen. Dann begaben wir uns zu den reservierten Plätzen und warteten auf den Beginn. Auf der Bühne lag eine riesige Aufblas-Weltkugel, die uns auf das internationale Gebet einstimmen sollte.


Brooklyn Tabernacle Church
Internationales Gebet in der Brooklyn Tabernacle Church
Ein Tabernacle-Pastor leitete den Abend ein und berichtete von seiner Mutter, die an der gegenüberliegenden Küste der USA durch den Heiligen Geist zum dringenden Gebet für ihren Sohn aktiviert wurde. Zeitgleich fand ein Überfall auf den Pastor statt und der Täter wollte diesen aus nächster Nähe erschießen. Klack, machte es und Dimas betete: "Jesus, tue ein Wunder". Klack, klack, klack, die Pistole versagte. Das Gebet hatte gewirkt. Das erinnerte mich an eine ähnliche Erfahrung, bei der mein 1000km entfernter Vater mitten in der Nacht zum konkreten Gebet aufgeweckt worden war.

Das war eine Steilvorlage für den weiteren Abend. Wir beteten in kleinen Gruppen für verschiedene Themen. Der Lobpreis war sehr proklamativ und überstieg an manchen Stellen die evangelikalen Gewohnheiten. Er war jedoch klarer Ausdruck der Prägung von Brooklyn Tabernacle.

Es traten mehrere christliche Leiter auf und hielten mehr oder weniger kurze Grußworte. Auch an diesem Abend ging es um Eph 3,20 und Erfahrungen mit Gottes Antworten auf Gebet. Antworten, die oftmals unsere Vorstellungskraft übersteigen, wie beispielsweise die konkrete Beeinflussung des Wetters während einer Open-Air-Veranstaltung. Ähnliches hatte mein Vater von einer Evangelisation mit Billy Graham berichtet.

Mehrere Teilnehmer waren von der Aussage beeindruckt, dass Gott uns nach dem Manna-Prinzip so viel gibt, wie wir fassen können. Pastor Tony Evans verglich das mit dem Pazifik. Wenn man ein Glas habe, könne man auch nur ein Glas abschöpfen. Mit einem Eimer könne man nur einen Eimer und mit einer Gallone nur eine Gallone abschöpfen.

Zum Abschluss kamen Kinder mit Fahnen auf die Bühne und beteten für Völker, Nationen und Kontinente.

Während fast alle Teilnehmer den Heimweg antraten, suchten wir zu dritt noch eine Kneipe und ließen den Abend bei Skat und Bier ausklingen. Um Mitternacht wurden jedoch auch hier die Stühle hochgestellt. Draußen waren bereits die Bürgersteige hochgeklappt. New York ist eben eine Stadt, die never sleeps.