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Sonntag, 11. Dezember 2016

Fernsehpredigt mit der Oma

Wenn Ehepartner unterschiedliche Glaubensauffassungen haben, kann es vorkommen, dass sich die Gottesdienstbesuche auf Weihnachten und Ostern reduzieren oder der unmündige Christ maximal einen Hauskreis unter der Woche besuchen darf. Oft bleibt dann noch der Ausweg über Fernseh- oder Podcast-Predigten.



Meine Schwiegermutter ist es gewohnt, Gottesdienste im Fernsehen zu verfolgen. Das ist abwechslungsreich, gemütlich, hygienisch und logistisch effektiv. Verbindlichkeit, christliche Gemeinschaft und Bekanntheit in der Ortsgemeinde sind dadurch allerdings kaum möglich. Das musste sie erschrocken zur Kenntnis nehmen, als das Ableben ihres Mannes zum Totensonntag in der Dorfkirche keine Erwähnung fand.

Bereits am letzten Sonntag war es uns in Chemnitz gelungen, sie zu einem echten Gottesdienst mitzunehmen. Echte Sänger, ein echter Prediger und echte Leute um uns herum in einem echten Gemeindehaus. Die Alternative wäre ein Fernseh-Gottesdienst aus Herrnhut gewesen.

Fernsehen war ein guter Aufhänger, sie heute einmal mit zu Saddleback zu nehmen. Wir entschieden uns für den Gottesdienst auf Deutsch. Forrest aus Alabama hatte einen Weihnachtschor zusammengestellt und präsentierte das Ergebnis. Da die Oma weder etwas sah noch hörte, wechselten wir die Sitzreihe und konnten nun das Geschehen von sehr weit vorne aus verfolgen. Der Chor sang Weihnachtslieder auf Deutsch und auf Englisch und ging dann in den Nachbarsaal.

Dann begann die Predigt. Es ging um "die gute Nachricht" von Weihnachten. Tom Holladay erzählte ein Beispiel von seinen Enkeln, die in New York Kakao gekauft bekamen. Eines der Kinder ließ sofort die Tasse fallen und produzierte eine riesige "Sauerei". Der Verkäufer reagierte souverän, indem er einen Wischmopp nahm, die "Sauerei" großflächig reinigte, hinter den Tresen ging, einen neuen Kakao zapfte und ihn dem Enkelkind überreichte. "Geht aufs Haus", sagte er und lehnte den Zahlungswunsch des Referenten ab. "Gott macht unsere Sauerei sauber - kostenlos", war die Lehre aus dieser Situation.

Wo sonst die vielen freien Stellen zum Ausfüllen auf dem Beiblatt zum Gottesdienst waren, standen heute Bibelstellen über Bibelstellen zur "guten Nachricht" von Weihnachten. Wir hörten die geballte Ladung des Evangeliums. Tom Holladay redete allerdings sehr schnell und Dave Schnitter übersetzte in einer entsprechenden Geschwindigkeit simultan. Nach zwei Lobpreisliedern und der Kollekte war der Gottesdienst zu Ende und wir füllten noch einmal Kaffee und Tee nach.

Gespannt fragten wir die Oma, wie sie denn diese spezielle Art der Fernsehpredigt fand. Sie stellte fest, dass sie neue Hörgeräte benötigt, da sie das schnelle Reden nicht so richtig verstehen konnte. Erschwerend kam hinzu, dass die Mundbewegungen des amerikanischen Predigers nicht zur deutschen Übersetzung passten. Sehr schade!

Dennoch waren wir begeistert, dass sie sich auf diesen Test eingelassen hatte und freuen uns schon auf ihre nächste Begleitung. Immerhin sorgt sie dafür, dass ich weiter vorne sitzen kann. Falls dann zufällig ein Fernseh-Gottesdienst aufgenommen wird, sind wir hoffentlich öfter mal im Bild.

Sonntag, 4. Dezember 2016

FEG Chemnitz

Wegen eines runden Geburtstages waren wir an diesem Wochenende im Großraum Chemnitz unterwegs. Auf Empfehlung besuchten wir die wenige Kilometer südlich der City gelegene FEG Chemnitz.



Die Suche nach einem passenden Gottesdienst in Chemnitz begann damit, dass wir uns bei der Heilsarmee, dem Kirchenportal Kirche-Chemnitz.de und weiteren Webseiten umschauten. So wirklich aussagekräftig waren die Webseiten und Informationen jedoch nicht, so dass wir etwas ratlos waren. Erschwerend kamen weitere Parameter hinzu, nämlich dass das Altersspektrum der Besucher zwischen dreizehn und neunundsechzig lag und die Geschmäcker von anglophiler Trendgemeinde bis traditioneller Kirche gingen. Die Heilsarmee wurde mehrheitlich abgelehnt, da der dortige Gottesdienst erst um 16:00 Uhr beginnt. Sogar der Vormittag stand auf der Kippe, da der Besuch einer Tante eingeschoben werden sollte. Schon war ein Fernsehgottesdienst mit Direktübertragung aus Herrnhut im Gespräch.

Mein Halbschwager feierte am Samstag seinen Fünfzigsten. Verlässliche Prognosen über den Restalkoholpegel der am Gottesdienst Interessierten waren dadurch auch nicht möglich. Die angereiste Verwandtschaft wohnte in einer Pension in Rabenstein. Rabenstein liegt westlich von Chemnitz, verfügt über eine Burg und ein Schloss sowie eine imposante Fußgängerbrücke. Wir waren bereits am Freitag angereist und konnten beim samstäglichen Freikratzen der Autoscheiben den Morgennebel, die tief stehende Sonne und den weihnachtlichen Duft des Kaffeehauses unterhalb der rostigen Stahlträgerbrücke genießen. Dann fuhren wir in die Radon-Therme Schlema.

Lutherkirche oder FEG Chemnitz?

Nachdem wir genügend Radon getankt hatten, klingelte das Handy und Frank Heinrich MdB begrüßte uns in seinem Wahlkreis. Er freute sich, dass wir ausgerechnet im heimatlichen Rabenstein übernachten und feiern. Dann gab er uns zwei Gottesdienst-Empfehlungen unter Berücksichtigung der oben geschilderten personellen Herausforderungen: Lutherkirche Chemnitz und FEG Chemnitz.

Der Gottesdienst in der Lutherkirche startet um 9:30 Uhr und der Gottesdienst in der FEG um 10:30 Uhr. Meine Schwiegermutter plädierte für die Lutherkirche, so dass wir die Geburtstagsfeier schon kurz vor elf verließen und ein frühes Aufstehen anpeilten. Erwartungsgemäß zog sich das Frühstück jedoch so lange hin, dass wir flexibel auf FEG Chemnitz umdisponieren mussten.

Wir trafen eine halbe Stunde vor Beginn bei der FEG ein. Das Kirchengebäude ohne Glockenturm steht separat inmitten eines Wohngebietes mit niedrigen sanierten Plattenbauten. Ein großes schlichtes Kreuz markiert das helle Gemeindehaus. Die Klapptafel mit der Gottesdiensteinladung hatten wir übersehen, da wir nicht aus Richtung City gekommen waren.

Schwiegermutter setzt Akzente

Im Gemeindesaal wurden Lobpreislieder geübt und Tüten für eine weihnachtliche Verteilaktion sortiert. Es war noch sehr leer. Meine Schwiegermutter strebte die zweite Reihe an. Solche Momente stärken die Beziehung zwischen angeheirateter Mutter und Schwiegersohn. "Warum sitzen wir so weit vorne? Hier sehen wir doch nicht, wann wir aufstehen müssen", protestierte die Familie. "Ich höre sonst nichts", war das unschlagbare Argument meiner Schwiegermutter. Ich saß schützend neben ihr und unterstützte sie bei der Verteidigung ihrer Position. Allerdings hoffte ich, dass wir keine Stammplätze besetzt hatten.

Pastor Bernard Millard und einige Verantwortliche kamen an uns vorbei und grüßten sehr freundlich. Besonders unterhaltsam war der nicht erwartete Countdown. Jede der fünf Minuten blinkte eine Zahl auf. Dazwischen wurden Informationen zu den WCs, den parallelen Kindergruppen und dem Gemeinschaftsteil eingeblendet. Die verantwortlichen Mitarbeiter wurden wahlweise aus Sicht der Kinder, der Jugendlichen oder des Geschirrspülers dargestellt.

Gottesdienst

Mit der letzten Filmsequenz schritt ein Mitarbeiter an die Kanzel und begrüßte die Gemeinde. Der Raum hatte sich in der letzten halben Stunde gut gefüllt, so dass es um die achtzig Besucher gewesen sein müssen. Die Altersstruktur war sehr gut durchmischt. Es gab viele Kinder und Jugendliche, aber auch Senioren. Das sah gesund und auf Wachstum angelegt aus.

Es folgten Weihnachtslieder und Jugendlieder aus den 1990ern, die wir weitestgehend ohne Blick auf den Text mitsingen konnten. Meine Tochter fand es "cool", dass immer schon der Text der nächsten Strophe eingeblendet war. Das hilft, falls der Techniker einmal abgelenkt ist. Bei der FEG Chemnitz klappte es jedenfalls perfekt.

Beziehung statt Betriebsamkeit

Die Predigt startete mit einem Rückblick auf den vergangenen Sonntag, wo es um Psalm 24 gegangen sei. "Wer ist der König der Ehren?" und "Öffnet die Tore!" ist dort zu lesen. Bernard Millard leitete zu Off 3,20 über: "Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an". Es war also immer noch der rote Faden vorhanden. Jesus solle in alle unsere Lebensbereiche eingelassen werden. Um das zu unterstreichen, sprang er zu Off 2,4, wo es um das Schreiben an die Gemeinde in Ephesus geht, die die erste Liebe mit gemeindlicher Betriebsamkeit vertauscht hatte. Ergänzend hätte noch Off 3,1 zitiert werden können, worin zur Gemeinde Sardis gesagt wird: "Ich kenne deine Werke. Du hast den Ruf, lebendig zu sein, aber du bist tot". Statt dessen leitete er zu Joh 21 über, wo es ebenfalls um die Liebe bzw. die Beziehung zu Jesus geht.

Dank einer Bibel-App konnte ich recht schnell die sämtlichen Stellen aufrufen und nachlesen. Zusammengefasst ging es darum, die persönliche Beziehung zu Jesus zu intensivieren und sich nicht durch andere Dinge inklusive innergemeindlicher Betriebsamkeit ablenken zu lassen. Die Predigt stieß auf familiäres Wohlwollen.

Ich wunderte mich nur, warum die dunkelbraune Holzkanzel so sehr in die Ecke des Altarbereiches gestellt war. Sollte das eine besondere Art der Demut demonstrieren, oder war das ein ungeplanter Nebeneffekt der jüngsten Reinigungsaktion? Redner mit ausladenden Armbewegungen wären regelmäßig mit der Wand kollidiert.

Aufstehen zum Segen

Weitere Lobpreislieder, eine Kollekte und ein sehr umfangreicher Programmpunkt mit Ansagen rundeten den Gottesdienst ab. Die Befürchtungen meiner Frau, dass man nicht wisse, wann Aufstehen und Hinsetzen gewünscht sei, wurden nicht bestätigt. Ein Alleinstellungsmerkmal der FEG Chemnitz ist wohl, dass lediglich zum abschließenden Segen aufgestanden wird. Gebete, Ansagen, Kollekte und Lobpreis fanden komplett im Sitzen statt.

Gemeindemitglieder bedankten sich beim Pastor für die Predigt. Wir wechselten einige Worte mit ihm, ließen unseren Blick über das muntere Treiben im Gemeindesaal schweifen und verließen kurz darauf die FEG.

Es standen noch der Chemnitzer Weihnachtsmarkt und ein gemeinsames Essen am Schlossteich auf dem Programm. Bei letzterer Gelegenheit trafen wir auch die übernächtigten Geburtstagsgäste wieder und ließen mit einem gestellten Gruppenfoto per Selbstauslöser unseren Besuch in Chemnitz ausklingen.

Sonntag, 20. November 2016

Mosaik Berlin und der Abgleich einer Webseite

Mosaik Berlin ist eine relativ neue multiethnisch geprägte Gemeinde in Berlin, die sich im Schatten des Axel-Springer-Hochhauses trifft. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist eine Sonntagspredigt auf Englisch, die konsekutiv auf Deutsch übersetzt wird.



"Wir müssen viertel nach halb vor fünfzig los", erklärte mein Sohn noch einmal die Uhrzeit, wann wir startklar sein sollten. Er wollte zusammen mit meiner Frau zu Saddleback fahren, während ich endlich einmal Mosaik Berlin auf dem Programm hatte. Da sich anhand der Webseite schon ein Bild zur Gemeinde geformt hatte, wollte ich unbedingt meine Tochter als Zweitstimme dabei haben und aus der üblichen Meinungspluralität eine sinnvolle Schnittmenge extrahieren. 10:35 Uhr war ein guter Zeitpunkt des Losfahrens, den wir wie üblich um fünf Minuten überzogen.

Kurz nach elf setzten wir Frau und Sohn bei der Kalkscheune ab und fuhren weiter zu Axel Springer. "BILD Dir deine Meinung", war auch unser heutiges Motto. Im Sommer hatte ich erstmalig vom Gründungsprojekt "Mosaik Berlin" gehört, als wir Christopher auf dem SOLA getroffen hatten. Darauf googelte ich die Gemeinde und stellte fest, dass sie sich in unmittelbarer Nähe zu anderen modernen Gemeinden wie Berlin Connect, Kulturwerkstatt Mitte, Berlinprojekt oder Saddleback befindet. Es kam die Frage auf, wer in dieser Region so viele coole Gemeinden brauche? Während in Marzahn die geistliche Flaute herrscht, trampeln sich Missionare und kreative Mittdreißiger in der City auf den Füßen herum.

Der Häuserblock um die Besselstraße 13 wirkte verlassen. Herbstlaub wehte über Freiflächen und Straßen. Es gab sehr viele ungenutzte Parkplätze. Wir liefen am Haus entlang und kamen an einem großen bunten Schild vorbei, das auf ein Game-Science-Event hinwies. Durch die Schaufenster war ein dicht mit jungen Leuten gefüllter Raum zu sehen. Wir liefen weiter und kamen schließlich fast am Ende des Häuserblocks an. Wo war der Eingang zu Mosaik? Als wir uns umsahen, bemerkten wir ein kleines schwarzes Schild mit einem eingekreisten "M". Dieses war völlig von dem massiven Gamer-Schild überdeckt worden. Ein Problem, das sich durch die üblichen Aufstellfähnchen in Segelform lösen ließe.

Proaktiv grüßend betraten wir die hellen Räumlichkeiten und legten unsere winterlichen Jacken ab. An einer Theke konnte man sich mit Tee oder Kaffee bedienen. Der oben erwähnte Christopher kam vorbei und begrüßte uns freundlich, blieb einige Momente bei uns stehen. Smalltalk. Dann musste er noch einige Dinge für den Gottesdienst erledigen. Durch väterlichen Druck gelang es mir, endlich mal wieder etwas weiter vorne zu sitzen: fünfte Reihe.

Pastor Neville Jones lief hin und her und traf letzte Abstimmungen vor dem Beginn. Der Gottesdienst startete mit Lobpreis und den Ansagen. Das Mikro der Moderatorin versagte seinen Dienst. Sie erwähnte auch einen Welcome Desk, den wir beim Betreten der Location gar nicht bemerkt hatten. Dann trat Neville Jones mit einer Übersetzerin auf die Bühne. Noch einmal stellte er sich als Pastor vor, der gemeinsam mit seiner Frau Sue diese Gemeinde leite. Dass man ihn bei Kaffee und Kuchen nach dem Gottesdienst in der zweiten Etage kennen lernen könne, erfuhren wir mehrfach an diesem Vormittag. Das war uns auch schon durch die Webseite bekannt.

Anhand der bisher veröffentlichten Predigtmitschnitte zur Themenreihe "Seeing Jesus" hätte ich heute einen Text aus Johannes 6 oder 7 erwartet. Statt dessen predigte er über mein Lieblingskapitel Johannes 9. Neville Jones hatte die Predigt in drei Blöcke eingeteilt und ging darin auf die Jünger, die Pharisäer als geistlich Blinde und den Blindgeborenen ein. Er las dazu die ersten und die letzten Verse des Kapitels und blieb während der gesamten Predigt am Text. Besonders angesprochen war ich wieder einmal von den Ausführungen zu den Versen 28 und 34.

Nach der Predigt gab es Abendmahl, welches wahlweise mit Saft oder Wein genommen werden konnte. Begleitet wurde es musikalisch von der aus vier Personen bestehenden Lobpreisband. Danach trat die Moderatorin für ein Abschlussgebet und die Verabschiedung auf. Wieder versagte ihr schnurloses Mikro. Ich vermisste die Kollekte.

Der Gottesdienst hatte fast zwei Stunden gedauert, so dass der Rest der Familie bereits vor der Kalkscheune stand und uns per WhatsApp zum Aufbruch drängte. Auf dem Weg tauschte ich mit meiner Tochter die Eindrücke aus.

Die Webseite hatte abgesehen von den ständigen Sicherheitswarnungen des Browsers ein Bild gezeichnet, das durch diesen Besuch vor Ort korrigiert werden konnte. Anhand der Webseite war ich davon ausgegangen, dass es sich um eine auf den Pastor zentrierte und schwach besuchte Gemeinde mit erheblichem Mangel an Mitarbeitern handelt. Das entspricht jedoch so nicht der Realität:

Der Pastor und seine Frau scheinen sich zwar als zentrale Bezugspersonen zu sehen, dennoch lässt sich einiges an Leitungspotenzial in den Reihen von Mosaik erkennen. Die Gemeinde und die Mitarbeiterschaft wirken sehr intakt. Schade, dass letzterer Umstand auf der Webseite so unterrepräsentiert ist. Neben der Webseite birgt auch das Thema Welcome ein gewisses Optimierungspotenzial. Obwohl Mosaik erst vor wenigen Wochen nach Kreuzberg umgezogen ist, kommt der Raum bei über siebzig Besuchern so langsam an seine Kapazitätsgrenzen.

Montag, 7. November 2016

Was machst du morgen um diese Zeit?

Beim Movement Day #MDGC16 wurde in einer Plenumsrunde ein Hocker mit drei Beinen zusammen geschraubt. Ein Bein symbolisierte übergemeindliche Organisationen und Werke, ein weiteres Bein stand für Christen im Berufsalltag und das dritte Bein für die lokale Gemeinde. Die Sitzfläche Verband die Teile zu einer stabilen Einheit.



Vor einigen Jahren hatte ich im Dünenhof die Predigt eines international bekannten Evangelisten gehört. Die Rede hatte einen roten Faden und war mit ordentlich viel Humor gewürzt. Ein brillanter Rhetoriker! Er hatte diverse Beispiele parat, die die Zuhörer bei der Stange hielten. Als wir das in unserer Gruppe reflektierten, fiel mir auf, dass ich die ganzen Beispiele schon kannte. Glyn Norman, unser erster Missionsleiter in der Jugendkirche Marzahn, hatte schon Mitte der 1990er von diesem Mann geschwärmt und genau dieselben Beispiele aus dessen Leben erzählt. Darauf stellte ich mir ernsthaft die Frage:

Erlebt der Mann inzwischen nichts mehr mit Gott?

Beim Movement Day Global Cities #MDGC16 gab es einige Panels und Seminare, die am Großteil der Teilnehmer vorbei gerauscht waren. Auf Nachfrage konnten sie sich nicht mehr daran erinnern.

So verpuffte die wertvolle Information, dass Social Media und Suchmaschinenoptimierung ein wichtiges Werkzeug moderner Gemeinden sind und von Google sogar mit einem AdGrants-Werbebudget über 10.000 Dollar pro Monat unterstützt werden können.

Ebenso wenig Beachtung fand die Sektoren übergreifende (cross sectoral) Diskussionsrunde mit dem dreibeinigen Hocker, einem Symbol für das Zusammenspiel von parakirchlichen Organisationen, Christen im säkularen Beruf und der lokalen Gemeinde.

Doppelleben in Gemeinde und Beruf

Genau an diesem Tag fanden auch zwei Seminare für Unternehmer und Christen im außergemeindlichen Berufsleben statt. Diese waren ebenfalls recht überschaubar besucht.

Es wurde deutlich, dass Christen oft ein Doppelleben von Gemeinde versus Alltag führen. Dieser Zustand werde dadurch gefördert, dass in der Gemeinde gelehrt werde, wie man der Gemeinde selbst diene, bete, Lobpreis mache oder andere geistliche Übungen verrichte. Die Ganzheit des christlichen Lebensstils, auch Jüngerschaft genannt, werde jedoch weitestgehend vernachlässigt. Pastoren verlieren je nach Programmhäufung den Kontakt zur Außenwelt und seien dann gar nicht mehr in der Lage, ihre Gemeindeleute für den Alltag fit zu machen.

Plötzlich tauchte der Pastor auf

Einer der wenigen anwesenden Pastoren verblüffte einmal sein Gemeindemitglied, als er auf einer säkularen Konferenz erschien und auch mal schauen wollte, was seine Leute so die Woche über beschäftigt. Das brachte Punkte und intensivierte die Relevanz des pastoralen Standings.

In einer Abschlussrunde mit den deutschen Teilnehmern der Konferenz setzte ich mich in die Gruppe der "Cross-Sectoralen", da ich ja zwei der Beine bediene. Ein Mann aus Stuttgart erzählte, dass in seiner Gemeinde jeden Sonntag jemand auf die Bühne geholt und gefragt werde:

"Was machst du morgen um diese Zeit? Wofür können wir beten?"

Teamleiter Axel Nehlsen fragte mich darauf, in welcher der achtundfünfzig bis Oktober besuchten Gemeinden mir solch eine konkrete Aussendung in die Arbeitswoche bereits begegnet sei. Irritiert stellte ich fest, dass mir ad hoc keine dazu einfiel.

Bei ICF Tempelhof, EFG Weißensee, Saddleback, Christus Kirche Mitte, Berlin Connect und einigen weiteren Gemeinden hatten die Predigten zwar einen starken Alltagsbezug, aber an eine konkrete Aussendung in die Arbeitswoche konnte ich mich nicht erinnern. Beim Christus Treff, der Kirche43 oder in der FCJG Lüdenscheid wurde zu Beginn des Gottesdienstes von den Erlebnissen der Woche erzählt, was schon der richtige Ansatz ist.

Ein gut funktionierendes Netz an Kleingruppen oder Zweierbeziehungen mit Fokus auf Jüngerschaft kann sicher sehr förderlich sein. Dennoch sollte diese große Sicht auf das Reich Gottes außerhalb der eigenen Räume ein Teil des gelebten Selbstverständnisses einer lokalen Gemeinde sein. Uns ist in den letzten fünfzehn Monaten immer wieder aufgefallen, dass viele wertvolle Kräfte innerhalb des Gemeindesystems gebunden sind und dann gar keine Kapazitäten mehr für den außergemeindlichen Bau des Reiches Gottes inklusive Kontakt zu nichtchristlichen Freunden zur Verfügung stehen.

Beim Gebetsabend des CVJM Kaulsdorf geht es regelmäßig um offene Türen bei befreundeten Nachbarn und Kollegen. Verblüfft stellen wir dann fest, wie diese Gebete erhört werden und sich Menschen sogar zwei Wochen vor dem Ableben nachweislich für Jesus entscheiden oder sehr komplexe Alltagssituationen von Gott gelöst werden.

Noch viel zu oft spreche ich das Wort "Gemeinde" aus, obwohl ich den "Leib Christi" als wesentlich größere Einheit erlebe. Nach vielen Gesprächen mit Pastoren und geistlichen Leitern in den letzten Wochen gewöhne ich mir so langsam den Begriff "Reich Gottes" an.

In diesem Zusammenhang sei auf das Buch "97 Prozent" von Roger Fraser verwiesen, worin es um die Berufung zum Bau des Reiches Gottes außerhalb der Gemeinde geht.

Erhart Zeiser von der ChristusKirche Mitte brachte das cross-sectorale Umdenken als Pastor und ehemaliger Manager sehr gut auf den Punkt:

"Ich sehe mich als Unterstützer der Profis."

Sonntag, 6. November 2016

Psalm 23 @SaddlebackBLN

Während meine Tochter und ich krank zu Hause blieben, fuhren die übrigen Familienmitglieder in die City zu Saddleback. Wegen der starken Präsenz an Bekannten aus Marzahn, besuchten sie die Predigt mit Simultanübersetzung. Diese bediente ein Thema, dass sie bereits eine Woche vorher in der EFG Cantianstraße gehört hatten.



Auch diesen Sonntag ging es um Schafe und Hirten, allerdings nicht mit der Suche des Schafes sondern ganz klassisch mit Psalm 23.

Kann man noch Neues über Psalm 23 predigen? So, dass man bis zum Ende zuhören kann? Der Psalm den ich in Luther-Version schon in der Jungschar auswendig gelernt habe?

Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf grüner Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquickt meine Seele
und führet mich auf rechter Straße um Seines Namens Willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück.
Denn Du bist bei mir,
Dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feine.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Ja man kann, denn in dieser hektischen Zeit ist es immer wieder gut erinnert zu werden an Urlaub für die Seele. "Wie Deine Seele zur Ruhe kommt" war die Überschrift von Tom Holladays Predigt.

Bemerkenswert an dieser Predigt war das Tempo, mit dem sie vorgetragen wurde. Es war so enorm, dass sich Pastor Dave Schnitter von Saddleback Berlin hinterher für die extrem schnell gesprochene deutsche Übersetzung entschuldigte.

Bemerkenswert war aber auch die Berlin-getreue Übertragung der Beispiele. Ich nehme nicht an, dass der Pastor aus der Hauptgemeinde in Kalifornien um die Neckereien von Berlinern und Spandauern weiß. Nichtsdestotrotz kam in der Predigt vor, dass manche Berliner annehmen, dass es in Spandau nur einen Ikea gibt. Ich weiß es inzwischen besser, es gibt auch eine sehr sehenswerte Zitadelle, aber das nur am Rande.

Nicht zuletzt war auch der Inhalt (be)merkenswert. Du bist nur ein (manchmal dummes) Schaf, also verlass dich auf Gott, deinen Hirten. Das Gras ist auf der anderen Wiese nur von weitem grüner. Vertraue auf Gottes Erfrischung. Genieße es, wenn du Überfluss hast und freue dich daran. Folge Gottes Weg. Erinnere dich daran, dass Gott bei dir ist. Er wird durch Schutz und Zurechtweisung trösten. Sei dankbar für alles, was Gott gibt. Es gibt Feinde und dunkle Täler, aber Gott deckt uns den Tisch. Schau auf das, was ewig bleibt.

Ja, innehalten fällt mir oft schwer. Ich renne rum und mache dies und das. Aber die Rückbesinnung auf meinen guten Hirten, Jesus Christus, wird meine Seele nachhaltig für die nächsten Herausforderungen erfrischen. Danke, Tom Holladay, für diese Erinnerung an den guten alten Psalm.

Autorin: Frau des Church Checkers

Freitag, 28. Oktober 2016

#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 in New York City

Die internationale Konferenz Movement Day Global Cities kann inhaltlich mit dem in Deutschland bekannten Transforum verglichen werden. Es geht um die Vernetzung von Gemeinden, Werken, Organisationen und Leitungspersönlichkeiten, denen eine disruptive Beeinflussung der urbanen Gesellschaft durch das Evangelium wichtig ist.



Schon im März wurden die ersten Reisevorbereitungen getroffen. Dann fand ein Meeting des deutschen Teams statt, welches von Axel Nehlsen geleitet wurde. Axel Nehlsen war lange Jahre Geschäftsführer von Gemeinsam für Berlin und damit für diese Rolle prädestiniert. Unsere Delegation reiste individuell an und war auch an sehr unterschiedlichen Stellen der Stadt untergebracht.

#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016
#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 - Teilnehmer aus Deutschland und Österreich
Gebet in Brooklyn

Auftakt war ein internationaler Gebetsabend in der Brooklyn Tabernacle Church. Bereits dort bekamen wir einen Vorgeschmack auf die Konferenz. Insgesamt wurden 3.000 Leiter erwartet, von denen etwa 1/3 aus den verschiedensten Teilen der Welt angereist war. 95 Nationen waren vertreten.

#MDGC16 in Manhattan

Die eigentliche Movement Day Global Cities Conference begann am Dienstag und beschäftigte sich dem Namen entsprechend mit den Herausforderungen des urbanen Umfeldes. Vormittags wurden diverse Einzelvorträge und Panel-Diskussionen auf der Bühne präsentiert, während nachmittags je zwei Seminar-Blöcke im Untergeschoss des Jacob K. Javits Convention Center angeboten wurden. Ich entschied mich für vier Tracks, in denen es um gesunde Leiter, die nächste Generation und Christen im Beruf ging. Leider konnten in eineinhalb Stunden die Themen immer nur angerissen werden. Zudem setzte im zweiten Block die biorhythmische Müdigkeit ein.

#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016
#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 - Eingang zum Nordflügel des Javits Centers
Es traten jede Menge hochkarätiger Leiter und Pastoren auf. Bill Hybels (Willow Creek), Alan Platt (Doxa Deo), Timothy Keller (Redeemer Presbyterian Church) und Tony Evans (Oak Cliff Bible Fellowship) waren nur einige davon und wurden regelmäßig innerhalb unserer Gruppe genannt oder zitiert. Bill Hybels sieht zwei Hauptherausforderungen in der heutigen Zeit: Rassismus und Flüchtlinge. Der trotz seines geistlichen "Erfolges" sehr bescheidene Bill Hybels ermutigte zur Annahme der Herausforderung, machte aber auch klar, dass es nur über folgenden Weg gehe:

See it! Smell it! Touch it!

In diesem Zusammenhang habe sich Bill Hybels einst bewusst für "Respect Everyone Everytime" entschieden und regelrechte innere Kämpfe durchlebt. Er berichtete auch über sein Gabenprofil und wie wichtig ein Laufen in der Berufung sei. Effektiv und effizient versuche er sein Leben zu gestalten und keine Zeit mit unwichtigen Dingen zu verplempern (not wasting my time). Er erinnerte er sich an gute Erfahrungen bei der Vernetzung mit anderen Pastoren der Stadt. Als ihm zu einer Osterpredigt nichts weiter einfiel, fuhr er in der Nachbarschaft herum, klingelte bei den Pastoren und fragte, ob ihnen auch gerade nichts einfalle. Daraus seien Freundschaften und ein überkonfessionelles Beter-Netzwerk entstanden.

#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016
#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 - Blick vom Javits Center auf das Empire State Bulding
#ChurchUnited war dann auch ein wichtiges Stichwort von Alan Platt, der die Einheit der Christen einer Stadt als Schlüssel für den gesellschaftlichen Einfluss, den Impact, ansah. Impact war ohnehin eines der am häufigsten verwendeten Schlagworte des Kongresses.

Besonders gute und nachhaltige Impulse bekamen wir von Tony Evans, der als Schwarzer mit Schnurrbart erst einmal recht unscheinbar wirkte, aber eine sagenhafte Rhetorik inklusive witziger Beispiele aus dem eigenen Leben mit intelligenter Pointe zum Thema passend entfaltete. Tim Keller ist ein Vorreiter für Berliner Gemeinden wie Berlinprojekt oder Berlin Connect. Akustisch und biorhythmisch kam ich bei seinem Vortrag nicht ganz mit. Da er jedoch ständig von unseren Teammitgliedern zitiert wurde, muss das wohl ein recht wertvoller Input gewesen sein.

Wenig Beachtung fanden leider die Vorträge und Diskussionen über Social Media und journalistische Disruption. Religion sei momentan gut als Bad News zu verkaufen. An die Google AdGrants mit ihrem 10.000-Dollar-Werbebudget konnte sich kaum ein Teilnehmer erinnern. Schade und zugleich seltsam, dass ich mich gerade auf diese Themen fokussiert hatte.

Der letzte Prediger bei der Abschlussveranstaltung am Donnerstag war Buchautor und Pastor A.R. Bernard (Christian Cultural Center). Optisch könnte er als stilechter Mafia-Boss durchgehen, brachte aber während seiner Ansprache die durchaus bedenkenswerte Aussage: "Die Bibel beginnt in einem Garten und endet in einer Stadt".

Städte wachsen zur Zeit schneller als die Gemeinden. Missionare müssen gar nicht mehr in die Welt hinaus gehen. Die Welt kommt zu uns in die Städte.

Seminare

Am Mittwoch wurde auf der Bühne ein Hocker mit drei Beinen zusammen geschraubt. Diese sollten die drei Säulen der Zusammenarbeit symbolisieren: außergemeindliche Organisationen, Christen im Berufsleben und die lokale Gemeinde. Die Sitzfläche verband die drei Bereiche, so dass der Hocker stabil auf dem Boden stehen konnte. Es wurden drei Personen aus diesen Bereichen interviewt.


#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016
#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 - Plenum mit Dreibeinhocker
Bei "The Power of Workplace facing Pastors" wurde zunächst die Zusammensetzung des recht schwach besuchten Seminars abgefragt. Wenige Leute aus den hinteren Reihen outeten sich als Pastoren. "The rest of you work", war die Beschreibung dieser Situation durch den Seminarleiter. Es wurden Leute auf die Bühne geholt, die als Unternehmer, Beamte oder Angestellte ihre Bagels verdienen. Es stellte sich heraus, dass oft ein Doppelleben aufgebaut und gefördert wird. Der Christ in der Gemeinde und der Mensch am Arbeitsplatz. In der Gemeinde lerne man zwar Wachstum im Gebet, beim Lobpreis und beim Bibellesen, aber nur sehr wenig über den ganzheitlich christlichen Lebensstil, der sich im Berufsalltag bewähren muss. Ein Thema, das mich schon sehr lange beschäftigt.

Eine der Damen auf der Bühne sagte, dass ihr Glauben deutlich gewachsen war, als sie den Glauben bewusst in ihre Arbeit einbezogen habe. Sie bete jetzt sogar für ihre Kunden. Übrigens eine Herangehensweise, die auch die FBG verfolgt. Aufgabe der Gemeinde sei es daher, die Leute für außerhalb der Gemeinde auszurüsten, statt alle Ressourcen in die Gemeinde selbst einzuspeisen. Und wenn der Christ während der Arbeitswoche über seinen Pastor sagen kann "he is a colaborator for me", wurde alles richtig gemacht.

Bei "Entrepreneurs on the Frontlines of the City" ging es ergänzend zum vorherigen Seminar um die Herausforderungen von Unternehmern bei der geistlichen Einflussnahme in der Stadt. "Increase the Size of Your Impact", beinhaltete mal wieder das Wort Impact und die besonderen Möglichkeiten, die sich durch Kontakte und das Wirken in die Geschäftswelt ergeben. "Warum will ich ein Unternehmen gründen? Was ist die Vision? Wie soll das konkret umgesetzt werden?", waren Fragestellungen, denen man ebenfalls nachging.

Länder, Teams und Flaggenchaos

Kein Wunder, dass ich mich beim finalen Team-Treffen am Donnerstag der über dreißig Deutschen in der Kleingruppe mit dem Fokus auf den oben beschriebenen Dreibeinhocker wiederfand. Als Board Member der Internetmission Berlin und als IT-Unternehmer konnte ich gleich zwei dieser Beine bedienen.

Im Raum gab es zwei weitere Ländergruppen, die sich parallel über die Konferenz austauschten und beteten. Die geistlich eventuell etwas ambivalente Dominanz war jedoch auf unserer Seite. Apropos Dominanz: je ein Teilnehmer des nationalen Teams durfte bei der Abschlussveranstaltung die Fahne tragen. Ich sagte für unser Team zu und eilte eine Stunde vor Beginn zur Einweisung.

#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016
#MDGC16 Movement Day Global Cities Conference 2016 - Fahnen der 95 anwesenden Nationen (hier Philippinen)
Abgesehen davon, dass die Einweisung erst eine halbe Stunde später begann, entwickelte sich die Flaggen-Aktion zu einem regelrechten Chaos. Nachdem ich unsere Fahne gefunden hatte, suchte ich noch die von Österreich, da diese wohl oft vergessen werde und man dann hinter Deutschland herlaufen solle. Die Fahne war aber bereit gestellt, so dass die junge Dame im Dirndl wieder fröhlich wirkte. Ich platzierte sie direkt vor Deutschland, damit man dennoch die gewisse Verwandtschaft erkennen konnte. Der Stab war zweiteilig, was für ständiges Klirren bei der Entnahme der Fahnen sorgte. Die Security schritt recht grob ein, als sich Unmengen von Indern, Asiaten und Afrikanern in ihre Nationalflaggen hüllten und Gruppenfotos machten. Das Sternenbanner der USA war sogar mit einem güldenen Adler auf der Messingstange verziert. Auch wenn Bill Hybels oben vor Rassismus gewarnt hatte, entbrannten doch einige Kämpfe um die Fahnen. So wurde Tschechien letztlich von einem Inder repräsentiert, Australien von einer schwarzen Frau dargestellt und der Australier war mit einer für mich nicht identifizierbaren bunten Flagge unterwegs. Soweit ich mich erinnere, wurden die USA von einem Philippiner vertreten. Nur Österreich und Deutschland waren in der Hand der Eingeborenen verblieben, wobei auch die Frau im Dirndl deutsche Wurzeln hatte.

Lobpreis mit Geige und Dudelsack

Der Lobpreis von Getty Music im irischen Stil war absolut mitreißend. Im Hintergrund flimmerten Stadtszenen aus New York. Darüber waren die Liedtexte zum Mitsingen gelegt.

#MDCG16 und die größere Perspektive

Mehrfach wurde auf der Konferenz der Blick von der lokalen Gemeinde auf das globale Reich Gottes gelenkt. Bill Hybels untermauerte das mit 2. Kor 11,28: "...all the churches". Lokale Gemeinden stehen in einem größeren Kontext und erfüllen eine Säule des oben beschriebenen Hockers.

Beachtenswert war der starke soziale Fokus der amerikanischen Gemeinden und Organisationen. Das resultiert wohl daraus, dass dort deutlich weniger soziale Verantwortung seitens des Staates übernommen wird. Dennoch stand Jesus auf der Konferenz deutlich im Mittelpunkt, während er in unserem Lande eher der Soziologie weicht.

Am Rande des offiziellen Geschehens gab es viele interessante Begegnungen, bei denen wir erfuhren, dass in Nigeria für Sri Lanka und Europa gebetet werde oder dass in indischen Gemeinden Klassentrennungen schon dadurch begünstigt werden, dass man buchstäblich eine andere Sprache spreche. Auch Griechen und Mazedonier, Polen und Deutsche mussten sich des gemeinsamen Zentrums Jesus bewusst sein, um ein entspanntes Miteinander zu erleben. Letzteres ist wohl die Power of Jesus, die einzelne Menschen, Städte und Nationen verändern kann.

Dienstag, 25. Oktober 2016

Gebet in der Brooklyn Tabernacle Church

Am Vorabend des Movement-Day-Kongresses #MDGC16 trafen sich gestern christliche Leiter aus 95 Nationen zum Gebet in der Brooklyn Tabernacle Church. Die Kurzpredigten insbesondere von Tony Evans waren sehr gut. Wogegen Adam Durso etwas an den deutschen Gehörpräferenzen vorbei geht.



Bereits am Vormittag war ich mit der R-Linie nach Brooklyn gefahren und spontan an der Jay Street ausgestiegen. Nach wenigen Metern hatte ich die Tabernacle Church erreicht und lief weiter und weiter und weiter. Der Spaziergang durch Brooklyn nahm letztlich drei Stunden in Anspruch und führte mich durch Straßen mit dreistöckigen Häusern, vorbei an Hafenanlagen, über Radwege, Sportplätze und Parkanlagen. Der Blick über den East River war ein Genuss. Nach einem finalen Schlenker unter der Brooklyn Bridge hindurch war ich wieder am Ausgangspunkt.

Das qualifizierte mich als abendlicher Guide für eine Pastorengruppe aus Südafrikanern, Deutschen und Asiaten. Auch die Brooklyn TabernacIe Church muss ein ehemaliges Theater sein. In der Lobby wartete neben den Damen am Registrierungsstand auch Axel Nehlsen, unser Teamleiter aus Berlin. Nach einer herzlichen Begrüßung nutzten wir Jacken, Taschen und Infomaterial als Badetuch-Ersatz und reservierten mehrere Sitzreihen in der Nähe der Bühne. Dann trafen wir uns erstmalig als deutsche Teilnehmergruppe.

Wir stellten uns alle kurz vor und trafen die ersten konkreten Absprachen. Dann begaben wir uns zu den reservierten Plätzen und warteten auf den Beginn. Auf der Bühne lag eine riesige Aufblas-Weltkugel, die uns auf das internationale Gebet einstimmen sollte.


Brooklyn Tabernacle Church
Internationales Gebet in der Brooklyn Tabernacle Church
Ein Tabernacle-Pastor leitete den Abend ein und berichtete von seiner Mutter, die an der gegenüberliegenden Küste der USA durch den Heiligen Geist zum dringenden Gebet für ihren Sohn aktiviert wurde. Zeitgleich fand ein Überfall auf den Pastor statt und der Täter wollte diesen aus nächster Nähe erschießen. Klack, machte es und Dimas betete: "Jesus, tue ein Wunder". Klack, klack, klack, die Pistole versagte. Das Gebet hatte gewirkt. Das erinnerte mich an eine ähnliche Erfahrung, bei der mein 1000km entfernter Vater mitten in der Nacht zum konkreten Gebet aufgeweckt worden war.

Das war eine Steilvorlage für den weiteren Abend. Wir beteten in kleinen Gruppen für verschiedene Themen. Der Lobpreis war sehr proklamativ und überstieg an manchen Stellen die evangelikalen Gewohnheiten. Er war jedoch klarer Ausdruck der Prägung von Brooklyn Tabernacle.

Es traten mehrere christliche Leiter auf und hielten mehr oder weniger kurze Grußworte. Auch an diesem Abend ging es um Eph 3,20 und Erfahrungen mit Gottes Antworten auf Gebet. Antworten, die oftmals unsere Vorstellungskraft übersteigen, wie beispielsweise die konkrete Beeinflussung des Wetters während einer Open-Air-Veranstaltung. Ähnliches hatte mein Vater von einer Evangelisation mit Billy Graham berichtet.

Mehrere Teilnehmer waren von der Aussage beeindruckt, dass Gott uns nach dem Manna-Prinzip so viel gibt, wie wir fassen können. Pastor Tony Evans verglich das mit dem Pazifik. Wenn man ein Glas habe, könne man auch nur ein Glas abschöpfen. Mit einem Eimer könne man nur einen Eimer und mit einer Gallone nur eine Gallone abschöpfen.

Zum Abschluss kamen Kinder mit Fahnen auf die Bühne und beteten für Völker, Nationen und Kontinente.

Während fast alle Teilnehmer den Heimweg antraten, suchten wir zu dritt noch eine Kneipe und ließen den Abend bei Skat und Bier ausklingen. Um Mitternacht wurden jedoch auch hier die Stühle hochgestellt. Draußen waren bereits die Bürgersteige hochgeklappt. New York ist eben eine Stadt, die never sleeps.

Sonntag, 23. Oktober 2016

TSCNYC Times Square Church

Wer das urbane Gefühl von New York einatmen und einen Vorgeschmack auf Off 7,9-10 erleben möchte, sollte die Times Square Church besuchen. Beachtenswerte Professionalität von der Begrüßung bis zum Bekehrungsaufruf.




Beim Frühstück war noch unklar, ob wir in eine Tim-Keller-Gemeinde, Brooklyn Tabernacle, in die Bronx oder in die Times Square Church fahren. Während wir mit Unmengen von Kaffee den Jetleg kompensierten, entschieden wir uns für eine Teilung unseres Teams und fuhren zu dritt an den Times Square.

Die vielen Touristen des Vorabends schlummerten noch in ihren Hotelbetten, die üppige Leuchtwerbung flimmerte über die elektronischen Billboards und dann entdeckten wir über einem großen gelben "M" den Namen der angesteuerten Gemeinde. Vor dem Eingang standen zwei Schwarze im Dresscode "Black Tie" und Iuden die Passanten zum Gottesdienstbesuch ein. Wir passierten weitere Mitarbeiter des Welcome Teams und wurden nach einem "Yes!" auf die Frage "First time?" über mehrere weitere Herrschaften mit gelben Sakkos in einen Theatersaal durchgeroutet. Eine Dame mit asiatischen Wurzeln platzierte uns in einer der vorderen Reihen.

Der Screen über der Bühne wies darauf hin, dass man auf die Beter im Sanctuary Rücksicht nehmen und bitte in der Lobby Fellowship machen solle. Der Saal wurde in den nächsten Minuten komplett besetzt. Jede Lücke wurde von den Einweisern effektiv genutzt. Punkt zehn wurde der Vorhang nach oben gezogen.

TSCNYC Times Square Church
TSCNYC Times Square Church - Gottesdienst im Theatersaal
Ein spontanes "Wow" rutschte mir heraus, als ein Chor von mindestens einhundert Sängern sichtbar wurde. Davor waren mehrere Sessel aufgebaut, auf denen elf Älteste saßen. Lobpreis im besten Gospel-Style begann und brachte den ganzen Saal in Bewegung. Die Besucher waren ethnisch so durchmischt wie die Nutzer der New Yorker Untergrundbahn. Asiaten, Latinos und Schwarze waren in der deutlichen Überzahl. Die 7% europäischer Weltbevölkerung repräsentierten wir zusammen mit einigen weißen Amis.

In der Predigt ging es um Bad News and Good News im Zusammenhang mit Gebet. Interessanterweise wurde wieder einmal das biblische Buch genutzt, das mich gerade in meiner Looping-Lese beschäftigt: Epheser. Eph 3,20 wurde flankiert von Röm 8,26 und zunächst als schlechte Nachricht mitgeteilt, dass wir nicht wissen, wie wir beten sollen. Die gute Nachricht war dann, dass der Heilige Geist als Übersetzer eintritt. Als Eliah geflohen war, bat er im Gebet, dass Gott ihn killen solle. Der Heilige Geist habe dann "kill" in "kick" uminterpretiert und ihm dazu noch eine "cake" geliefert.

Pastor Tim Dilena präsentierte viele Beispiele aus seinem eigenen Leben. Besonders beeindruckend war eine Begebenheit an einem typischen Gebetsabend, an dem plötzlich ein Mann mit gebrochenen Rippen mitgebracht wurde. "Los Pastor, bete für Heilung", wurde er aufgefordert und bekam Panik. Und nachdem um den heißen Brei herum gebetet und das Nichteintreffen begründet wurde, meinte der Patient, er sei geheilt. "Das kann nicht sein", sagte Tim. Der Mann schlug sich an die Rippen und sagte: "Doch, ich bin geheilt".

"Oh my Goodness, it works!"

Die Predigt löste nachhaltige Erheiterung aus, hatte jedoch einen erheblichen Tiefgang. Am Ende wurde zur Entscheidung für Jesus aufgerufen. Es kamen etwa zwanzig Leute nach vorne und Pastor Tim Dilena ging sehr aufmerksam auf die Mutigen vor der Bühne ein. Sie wurden nicht einfach an ein Gebetsteam oder ähnliches delegiert, sondern von einem zweiten Pastor herzlich in die Gemeinde eingeladen.

Wie wir später erfuhren, hatten auch im Abengottesdienst viele Menschen eine Entscheidung für Jesus getroffen. Dass das zur Kultur der Times Square Church gehört, erlebten wir auch beim anschließenden Kaffee, wo wir von mehreren Mitarbeitern des Welcome Teams angesprochen wurden. Sie freuten sich, dass wir für eine Konferenz nach New York gekommen waren. Ansonsten hätten sie uns sicher direkt vor die Entscheidung für Jesus gestellt.

Der Gottesdienst bei der TSCNYC war eine gute Einstimmung auf den weiteren Tag, den wir mit einem typischen Touristenprogramm in Downtown verbrachten.

Sonntag, 16. Oktober 2016

SYM Saddleback Youth Ministry und die freundliche Übernahme in der Kalkscheune

Es gibt sie tatsächlich: Gemeinden mit Teenagern und Jugendlichen. @SaddlebackBLN veranstaltet seit einigen Wochen einen Jugendgottesdienst parallel zum englischen und deutschen Gottesdienst in der Kalkscheune. Unsere Kinder waren heute dabei.



Wir waren wieder einmal in der Kalkscheune zu Besuch, diesmal sogar für eine Kombination. Es gibt ja einen Gottesdienst auf Englisch, neuerdings einen auf Deutsch und auch noch einen Jugendgottesdienst - Saddleback Youth Ministry (SYM).
 
Dank des Akademische Viertels kamen wir wegen Unregelmäßigkeiten im S-Bahn-Verkehr zehn nach elf so pünktlich, dass wir uns sogar noch mit Tee bzw. Kaffee eindecken konnten. Dann ging es mit dem jeweiligen Gottesdienst los. Der Deutsche startete dreißig Sekunden später als der Englische, wie ich durchs Fenster über den Hinterhof beobachten konnte.
 
Wahrscheinlich sind englische Lieder einfach ausgeschmückter. Nach ein paar Liedern wurde per Beamer zum Youth Ministry aufgerufen. Das Timing war allerdings nicht so ganz ausgeklügelt, deshalb mussten wir, nach dem Durchqueren beider Gottesdiensträume, noch ein Lied abwarten, bis wir endlich mit ca. acht anderen Jugendlichen und zwei Leitern in einen mittelgroßen Raum mit ovalem Tisch gingen. Rund um den Tisch waren sehr bequeme Polsterstühle angeordnet und auf dem Tisch standen verschiedene Backwaren und Saft.
 
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ging es mit einem Quiz los, das so ähnlich wie Stadt-Land-Fluss konzipiert war. Obwohl die anderen Fragen nicht zum geografischen Thema passten, machte die Bonusfrage alles wieder wett (fürs geografische Thema und für uns): Welches Bundesland in Deutschland besteht aus zwei Städten? Naa? Diese Frage bescherte meinem Bruder und mir den Sieg und wir durften je einen coolen Preis, wie ein T-Shirt mit Logo (von SYM natürlich) oder eines diverser Bücher aussuchen.
 
Danach ging das Thema los. Doch nicht per Video, wie im großen Gottesdienst, sondern Live auf Englisch, mit Simultanübersetzung auf Deutsch, für das sprachlich gut durchmischte Publikum im Alter von zehn bis achtzehn. Dazu wurden englische Lückentexte zum Input ausgeteilt. Das finde ich voll super, man wird animiert mitzuschreiben und kann es, wenn man will, zu Hause zu jeder Zeit  rekapitulieren.
 
Heute ging es mit einer neuen Reihe los - „Flawed“. Heißt auf Deutsch „unperfekt“. Denn keine Person der Bibel (ausgenommen Jesus natürlich) war perfekt. Rahab zum Beispiel ist eine Prostituierte gewesen, Adam und Eva haben Gott nicht gehorcht und, und, und. Gott kann ganz normale Menschen benutzen, etwas Besonderes zu vollbringen. Würde er nur perfekte Menschen nehmen wollen, hätte er gar keine Leute zur Hand.
 
Nach zwei weiteren Spielen war auch der Gottesdienst der Erwachsenen zu Ende.
 
Alles in allem erinnerte SYM eher an einen Hauskreis. Man konnte Fragen stellen, es wurden Fragen gestellt, alles sehr interaktiv. Also nicht so, wie ich andere Jugendgottesdienste erlebt habe. Also wenn Ihr keine Lust auf 60 Minuten stilles rumsitzen habt, dann geht zu SYM.
 
Autorin: Tochter des Church Checkers

Sonntag, 25. September 2016

Saddleback auf Deutsch

Der Berlin-Zweig der Saddleback Church wurde erst vor drei Jahren gegründet. Seitdem wächst die Gemeinde und wächst und wächst und wächst. Seit September gibt es zwei neue Gottesdienstformen bei #SaddlebackBLN: einen Jugendgottesdienst und einen Gottesdienst auf Deutsch.



Die Kalkscheune, wo sich die Saddleback Church sonntags trifft, liegt im Inner Circle der Stadt. Das ist insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn wieder einer der unzähligen Marathoni veranstaltet wird. Der Besucher aus dem grünen Stadtrand fühlt sich dann wie die "Christliche Gemeinschaft" am Tag des Mauerbaus. Wir entschieden uns zu einer Anfahrt per S-Bahn.

Kurz vor dem Alexanderplatz überfuhr die Bahn eine Brücke, unter der hunderte bunt gekleideter Athleten den über vierzig Kilometer langen Lauf zelebrierten. Am Bahnhof Friedrichstraße stiegen wir aus und konnten bequem die weiträumig abgesperrte Straße überqueren. Am Friedrichstadtpalast war ein Turm für den RBB aufgebaut und die Lawine der Läufer wälzte sich gerade an Charité und FDP vorbei.

"Wäre doch witzig, wenn der Erste einfach über die Absperrung klettert und zu Saddleback läuft", meinte mein Sohn, während wir zur Kalkscheune abbogen. Gleich am Eingang wurden wir sehr freundlich begrüßt. Das setzte sich im gesamten Haus weiter fort. Letztlich hatten wir ein Programmheft, einen Kugelschreiber und einen Becher Kaffee in der Hand. Der Gottesdienst auf Deutsch war deutlich ausgeschildert und fand in einem Nebenraum gegenüber dem englischen Gottesdienst statt.

Deutsch wurde tatsächlich sehr genau genommen. Alle Lobpreislieder waren ins Deutsche übersetzt. Wir sangen Lieder, von denen ich bisher nur die englische Fassung kannte. Das setzte sich konsequent in den Ansagen fort, die mit einem sehr einladenden Video von Pastor Dave Schnitter eingespielt wurden. Vor zwei Wochen gab es im Hof der Kalkscheune mehrere Taufen, die über und unter Wasser gefilmt worden waren (Video Taufe Juni 2016). Den Rest des Rahmenprogramms erledigten Anna und das Lobpreisteam.

Wie gewohnt gab es eine sehr impulsreiche Predigt. Diesmal von Rick Warren. Natürlich per Video, aber mit deutscher Simultanübersetzung. Wir folgten dem vierten Teil der Predigtreihe "Unerschütterlich" unter dem Motto "Wenn man das Unmögliche von dir fordert".

"Pastor Rick" hangelte sich am Text aus Daniel 2, 10-18 entlang und arbeitete zunächst heraus, woran man echte von falschen Propheten unterscheiden könne. Nebukadnezar wollte ja in den Versen bis 11 sehr konsequent mit den vermeintlichen Propheten seines Beraterstabes umgehen und ihrer Kompetenz auf den Zahn fühlen. Ab Vers 14 tritt Daniel auf und beeindruckt durch sein "ruhiges und überlegenes" Auftreten, das letztlich ihn, seine drei Freunde und seine ganzen Beraterkollegen vor der Hinrichtung bewahrte. Da der Text solch eine Fülle an wichtigen Prinzipien beinhaltet, die der Referent selbst schon oft praktiziert habe, wurden heute nur fünf von acht Grundprinzipien erläutert.

Wir schrieben auf unserem Begleitzettel eigene Gedanken zum Thema auf oder ergänzten Worte in Lückentexten. Das steigerte nicht nur die allgemeine Aufmerksamkeit, sondern ließ das Gesagte sofort aktiv reflektieren. Im Vergleich zu Volkhard Spitzer fragte ich mich, wie das Begabungsprofil von Rick Warren aussehe. Es muss eine starke Kombination aus Predigen und Lehren sein. Zumindest redete er fast die ganze Zeit frei und blickte selten auf einen kleinen Notizzettel auf seinem Stehtisch. Er erklärte gut verständlich die Zusammenhänge und stellte immer wieder passende Bezüge zu unserem Alltagserleben her. Die weiteren drei Prinzipien sollen am nächsten Sonntag beschrieben werden. Ein cleveres Konzept der Kundenbindung. Die Predigten können auf Deutsch per Podcast nachgehört werden.

Im Anschluss redeten wir mit unseren Bekannten über die Prinzipien 4 und 5, wo es um das Einholen von Gebetsunterstützung (Verse 17-18) und ferner darum ging, dass wir beim Beten übernatürliche Hilfe von Gott erwarten sollen. Von dieser Erwartung hatte ich heute schon auf meinem liebevoll beschriebenen Kaffeebecher gelesen: "God answers when you least expect". Ich bin gespannt.

Sonntag, 21. August 2016

CKB City Kirche Berlin mit Volkhard Spitzer

Die CKB City Kirche Berlin International befindet sich in der Nähe des Funkturms und ist daher aus sämtlichen Ecken Berlins gut erreichbar. Der Gottesdienst beginnt um 13:00 Uhr, wird auf diversen TV-Kanälen übertragen und ist wegen der tiefgehenden Predigt auch für Freunde und Bekannte geeignet.



Die CKB City Kirche Berlin International befindet sich an einem verkehrstechnisch gut angebundenen Punkt in der Stadt. Umgeben ist das Haus der St. George Kirche von einer namhaften Nachbarschaft wie dem Funkturm, dem Messegelände, der Residenz des pakistanischen Botschafters, dem Olympiastadion, der BMW-Niederlassung Berlin, dem International Club Berlin, dem Funkhaus von RadioBerlin 88,8 und dem Kabarett "Die Wühlmäuse". Am nahe gelegenen Theodor-Heuss-Platz fand übrigens auch vor etwa sieben Jahren das denkwürdige Ereignis statt, bei dem meine Frau fragte, wieviel Zeit wir noch bis zum Beginn des Kabaretts hätten. Nach halbstündigem Anstehen hatte ich gerade zwei volle Eistüten in der Hand und schaute reflexartig auf die Armbanduhr: "Zwanzig Min ... uups".

Bei der Fahrt über den Kaiserdamm setzte bereits die Mittagsmüdigkeit ein. Der Gottesdienst der CKB startet um 13:00 Uhr, was an einer Mehrfachnutzung der Räume zusammen mit der Anglican Episcopal St. George's Church liegt. Die Webseite avisiert Volkhard Spitzer als regelmäßigen Prediger. Volkhard Spitzer kaufte 1982 als verantwortlicher Pastor des CZB Christlichen Zentrums Berlin die neogotische Kirche am Südstern, deren Gottesdienst wir am letzten Sonntag besuchten. Der Name "Volkhard Spitzer" hat sich in den 52 Jahren seines Wirkens zu einer auch überregional bekannten Marke entwickelt.

"Der Kerl predigt gut", wurde unseren Begleitern mitgeteilt, als sie kurz nach uns das kleine helle Kirchengebäude betraten. Jeder Gast wurde freundlich und persönlich begrüßt und bekam eine Predigt-CD, einen Gutschein für Kaffee und Kuchen sowie einen Begleitzettel mit Liedtexten und den Sendezeiten der Predigt im BibelTV, bei ANIXE, Alex TV, TV Berlin, Schweiz 5, CGN Korea, Gott24.TV, RheinmainTV und im Live-Internetradio. Mein Vater hatte während der letzten Monate seiner Krankheit die virtuellen Gottesdienste mit Volkhard Spitzer im BibelTV verfolgt und wurde dadurch sehr ermutigt. Heute wollten wir ihn endlich einmal selbst hören.

Der agile Mittsiebziger trat im weiß-schwarzen Talar auf die Bühne und leitete den Gottesdienst mit Psalm 113, Gebet und einigen Liedern ein. Im Saal standen etwa einhundertzwanzig Gemeindemitglieder und Gäste. Erst kurz vor der Predigt, wurden die Sitzplätze in den mit britischen Wappen verzierten Holzbänken eingenommen. Der gefühlte Altersdurchschnitt lag bei sechzig, was aus meiner Sicht unangemessen hoch war, denn Volkhard Spitzer redete in heutigem Deutsch und hatte eine generationsübergreifende Botschaft.

Die Predigt war der zentrale Bestandteil des Gottesdienstes. Sie war von Anfang bis Ende auf das bewusste Einklinken in die Werke Gottes fokussiert. Ausgangspunkt war das erste Kapitel aus Nehemia, wo der jüdische Mundschenk des persischen Königs so bewegt war vom desolaten Zustand Jerusalems, dass er fastete, betete und dann im Rahmen einer temporären Freistellung vor Ort aktiv wurde. Interessanterweise führte der Referent als gegenwärtiges Beispiel die 90-jährige Huldah Buntain aus Kalkutta an, die er vor drei Wochen in Düsseldorf getroffen habe. Einen Tag zuvor hatten wir sie in Lüdenscheid erlebt und waren ebenfalls sehr beeindruckt.

Die besonderen Herausforderungen des Baus der Jerusalemer Stadtmauer unter dem Druck feindlich gesinnter Nachbarn und die Neuverpflichtung des Volkes auf das Gesetz schlossen den Bogen eines erfüllten Lebens in Gottes Bahnen. Nehemia war ein prototypischer Leiter. Das manifestierte sich darin, dass ihm die Leute freiwillig folgten und ihm Ressourcen zur Verwirklichung der Ausgangsvision zufielen. Nehemia brachte das Volk von Jerusalem zusammen und sorgte dafür, dass jeder gegenüber des eigenen Hauses die Stadtmauer baute und damit eine erhebliche Eigenmotivation entwickelte. Im abschließend zitierten Kapitel acht geht es um den Priester Esra, der dem Volk aus dem Gesetz vorlas und es an den Bund mit Gott erinnerte. Das Volk war begeistert und antwortete "Amen! Amen!". Und in Vers 10 wurde zum Feiern eingeladen: "Die Freude am Herrn ist eure Stärke".

Ein weiteres Bild brachte Volkhard Spitzer bezüglich der Menschen, die wie Huldah Buntain oder Nehemia voll im Leben und gleichzeitig in regem Kontakt zu Gott stehen:

"Mit beiden Beinen auf der Erde und mit dem Kopf im Himmel".

Wer sich solch eine Haltung für sein Leben wünschte und für einen Wendepunkt im Leben offen sei, sollte nach vorne kommen und für sich beten lassen. Diesem Aufruf folgte über die Hälfte der Anwesenden und alle fassten sich an den Händen und beteten gemeinsam. Bei solch einer gewaltigen Ansprache ist es fast eine logische Folge, dass in zwei Wochen wieder eine Taufe stattfindet, wo elf Menschen ihr Leben bewusst an Jesus übergeben.

Nach dem Gottesdienst lösten wir unsere Kaffee-Coupons ein und unterhielten uns noch etwas über den Gottesdienst. Dann fuhren wir zu meiner Mutter und erzählten ihr von der Gemeinde, die sie bisher nur aus dem BibelTV kannte.

Sonntag, 7. August 2016

ICF Berlin am Gasometer Schöneberg

ICF Tempelhof ist inzwischen zum Gasometer Schöneberg umgezogen. Der für Gäste ohne christlichen Hintergrund gut geeignete Gottesdienst ist jedoch ebenso professionell und ansprechend wie vorher.



Nach der Rückkehr aus dem Urlaub fiel die Entscheidung für ICF Tempelhof alias ICF Berlin sehr kurzfristig. Strahlender Sonnenschein, coole Location und ausreichend Parkplätze auf dem Gasometer-Gelände Schöneberg waren eine gute Einstimmung auf den um halb elf beginnenden Gottesdienst. Flankiert wurde das durch einen Kaffee, eine freundliche Begrüßung im Vorraum und das Countdown-Video.

Die offizielle Begrüßung widmete sich insbesondere den im Sommer hereinschnuppernden Gästen. Die Ansprechpartner für Wissenswertes und Kleingruppen wurden vorgestellt. Es folgte ein kurzer musikalischer Teil mit Kollekte und dann begann auch schon die Predigt.

"Ultraleicht" war das Thema, das Stefan Hänsch heute vortrug. Schwer bepackt mit einer braunen Umhängetasche trat er auf die Bühne und las die altbekannte Stelle aus Matthäus 11, 28-30: "Kommt her zu mir alle...". Anhand von zwei gut geschnittenen Gleitflugvideos, wie man sie von McFit kennt, zeigte er die Stationen von Anstrengung, Last, Gegenwind und Auftrieb. Loslassen und Neues wagen, sich mit Jesus in ein Joch einspannen, um sich von ihm führen zu lassen, wurde aus dem Text herausgeholt. "Yes! But how", hatte Saddleback-Gründer Rick Warren einmal in den Raum gestellt. Deshalb ergänzte Stefan Hänsch die Predigt mit Galater 6 und zeigt drei Punkte zur Entlastung auf:

  • Entwickle deine Persönlichkeit
  • Lebe wertvolle Beziehungen
  • Verbringe regelmäßig Zeit mit Gott (Bibel, Gebet)

Zu jedem der Punkte holte er ein Gewicht aus der braunen Tasche. Die Beziehung zu Gott hatte mit fünf Kilo das größte symbolische Gewicht.

Anschließend wurde die Lobpreiszeit eingeleitet. Parallel erlebten wir ein liturgisches Novum: Abendmahl per Selbstbedienung. Anhand der finalen Ansagen erfuhren wir, dass noch Auf- und Abbauhelfer gesucht werden und ICF weiterhin nach einer größeren Location Ausschau halte, wo der Bedarf an Roadies möglichst entfalle.

Nach dem Gottesdienst gab es diverse Wiedersehen und Gespräche bei Kaffee und Brezeln. Alte und neue SOLA-Connections wurden gepflegt und die virale Reichweite dieses Blogs erfreut zur Kenntnis genommen.

Schöneberg animierte uns zur Suche des obligatorischen Inders. OK, es gab dort indische, nepalesische und tibetische Speisen, was geschmacklich nicht wirklich den Unterschied machte. Unterschiedlich waren jedoch die Berichte der sieben Leute am Tisch über die letzten Wochen urlaubsbedingter Alleingänge. Das reichte von Jerusalem über süddeutsche Pietisten bis hin zu unseren Erlebnissen im rheinischen Bibelbelt.

Samstag, 30. Juli 2016

FCJG Lüdenscheid

Die FCJG Lüdenscheid lässt sich am besten mit den Begriffen Charisma und Weltmission charakterisieren. Ihre Gottesdienste finden samstags statt und laufen unter dem Korintherbrief-Motto "Wenn ihr zusammenkommt, so hat ein jeder etwas...".



"Uups, sind wir zu alt", rutschte mir spontan heraus, als wir von drei jungen Damen herzlich am Eingang der FCJG Lüdenscheid begrüßt wurden.

Das Haus Wiedenhof befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft des übersichtlichen Bahnhofs von Lüdenscheid. Die Freie christliche Jugendgemeinschaft (FCJG) in Lüdenscheid verbindet den Ruf von Charisma und Weltmission. FCJG-Präsident Walter Heidenreich ist über die Grenzen des Sauerlandes hinweg bekannt und eine befreundete Missionarin in Kambodscha wurde in Lüdenscheid maßgeblich auf ihren Dienst vorbereitet.

Heute wollten wir uns selbst ein Bild von dieser berühmten Gemeinde verschaffen.

OK, wir waren nicht zu alt. Die etwa einhundertfünfzig Besucher des Abendgottesdienstes waren zwischen zwanzig und fünfzig Jahre alt. Darüber hinaus sahen wir etwa zwei Kinder und eine ältere Dame mit amerikanischer Optik. Letztere wurde im Rahmen der Begrüßung als Huldah aus Kalkutta vorgestellt.

Nach dem recht kurzen Begrüßungs- und Ansagenteil ging es in eine Doxologie über, die an den Lobpreis in der Offenbarung erinnerte. Eines der beiden Lieder, die in der ersten Stunde gesungen wurden, sprach den Reiter auf dem weißen Pferd aus Offenbarung 19 ab Vers 11 an. Viele der Anwesenden flankierten den Gesang mit Melodien und Texten, die ihnen ad hoc eingegeben wurden.

Dann trat Huldah Buntain ans Pult. Die 90-jährige Kanadierin blickt auf über sechzig Jahre harter aber gesegneter Arbeit in Kalkutta zurück. Durch den frühen Tod ihres visionären Mannes war ihre besondere Organisationsbegabung gefordert, wodurch inzwischen viele Schulen, Krankenhäuser und Gemeinden in Indien entstanden sind. Huldah rollte ihre kraftvolle Stimme aus und zog die Zuhörer in der nächsten Stunde in den Bann ihrer persönlichen Gotteserfahrungen. Das Fazit war, dass Gott das Wort "impossible" (unmöglich) mag, um seine unbegrenzten Fähigkeiten zu demonstrieren. Die Seniorin machte deutlich, dass sie bis zum letzten Atemzug darauf achten werde, was Gott gerade tue und wo sie sich einklinken könne.

Dieser Bericht ermutigte uns sehr und bestärkte uns in der Bereitschaft, nach den konkreten nächsten Schritten zu fragen. Diese Frage muss wohl allgemein im Raum gestanden haben, da anschließend eine längere Gebetszeit eingeleitet wurde, wo sich die Besucher ganz neu für Gott zur Verfügung stellen konnten. Obwohl es bereits nach 22:00 Uhr war, wollte unser Sohn noch bleiben. Die Leute in der Mitte zeigten körperliche Reaktion wie Zittern, Lachen oder Umfallen. Kissen wurden herbeigetragen und die Zeit mit Musik untermalt.

Gegen 23:00 Uhr verließen wir die FCJG und fuhren durch das nächtliche Sauerland zurück nach Iserlohn. Unterwegs tauschten wir unsere Eindrücke aus. Für jeden von uns war etwas dabei gewesen. Das war der Umkehrschluss des FCJG-Slogans aus 1. Korinther 14 Vers 26 : "Wenn ihr zusammenkommt, hat jeder etwas zur Erbauung der Gemeinde".

Sonntag, 24. Juli 2016

EFG Wiedenest

Wiedenest liegt in der Nähe von Köln und ist bekannt für gute christliche Musik und seine Bibelschule. Auch in den Ferien ist der Gottesdienst der EFG Wiedenest gut besucht.



"Hier ist ja nichtig was los", raunte mir mein Sohn zu, als die umfangreichen Ansagen für die nächste Ferienwoche vorgetragen wurden. Es waren so viele Dinge, dass selbst die Kollekte während dieser Zeit eingesammelt wurde.

Wiedenest ist, wie der Name erahnen lässt, ein kleiner Ort im romantischen Ebbegebirge und liegt 60 km südlich von Dortmund und etwa 30 km östlich von Köln nahe des Kreuzes Olpe/Süd, wo sich A4 und A45 begegnen. Die Anfahrt ist wegen der vielen Kurven insbesondere für Motorradfahrer reizvoll. Parkplätze für Motorräder und Autos stehen reichlich zur Verfügung.

Das helle und freundliche Haus der EFG Wiedenest ist in den Räumen, Treppenhäusern und Fluren mit Piktogrammen dekoriert, zu denen man sich den passenden Bibelvers eingeprägen kann. Die Piktogramme sind teilweise so witzig, dass das VerseIernen einfach Spaß macht.

EFG Wiedenest Baptisten Forum Wiedenest
Bibelverse in der EFG Wiedenest
Beim Betreten des Saales wurden wir freundlich begrüßt. Wir stellten uns gegenseitig vor und erhielten ein Begleitblatt zum Gottesdienst. Der Saal bot Platz für etwa 250 Besucher. Trotz der Ferienzeit waren über zweihundert Leute gekommen. Die aus vier jungen Musikern bestehende Lobpreisband war gut abgemischt. Gut gemischt war auch die Altersstruktur der Gemeinde.

Der Gottesdienst begann mit einer Schweigeminute und Gebet für die Opfer des Amoklaufs in München. Dann folgten gemeinsame Lieder und die eingangs erwähnten Ansagen. Beim Kinderlied kam ich ins Schunkeln. Mein Sohn stieß mich an. Die ältere Dame neben ihm lächelte.

Die EFG Wiedenest beschäftigt sich in der Ferienzeit mit der Themenreihe "Beispiels-Weise" und berichtet über Menschen der Bibel, die im Laufe ihres Lebens deutlich an Weisheit zugenommen hatten. Dem gelben Begleitzettel war zu entnehmen, dass die sechs Themen von sechs verschiedenen Referenten vorgetragen werden.

Die heutige Predigt hielt Bernd Brockhaus. Mit seiner bemerkenswerten Radiostimme rezitierte er zwei Texte aus den Samuelbüchern, deren Zusammenhang wohl selten in einer Predigt behandelt wird. David bekommt darin die Ankündigung der Konsequenzen für seine Bathseba-Entgleisung und erlebt diese schließlich im zweiten Text im Rahmen der Machtergreifung seines Sohnes Absalom. Bernd Brockhaus entfaltete Davids menschliches Machtpotenzial, die persönliche Beziehung zu Gott, die Übernahme der Verantwortung für sein Handeln, die unkonventionelle Hilfe Gottes in dieser Situation und den damit verbundenen Weisheitsgewinn Davids. Die bekannten Regale mit Brockhaus-Lexika lassen auf die Länge der Predigt schließen. Trotz des interessanten Inhaltes übten sich einige Wiedenester in der Stabilisierung ihrer Konzentrationskraft.

Nach dem Segen verteilten sich die Gottesdienstbesucher im Gebäude. Wir schlenderten durch das Untergeschoss, erfreuten uns an den Piktogrammen, schauten in die vielen einladenden Kinderräume und mischten uns unter die Wiedernester, die bei Kaffee, Tee und Wasser ins Gespräch kamen. Dann verließen wir das Haus und freuten uns, dass das Auto nicht zugeparkt war. Die Rückfahrt durch das malerische Ebbegebirge konnte beginnen.

Sonntag, 26. Juni 2016

Berlinprojekt mit Ernst Lubitsch

Das Berlinprojekt ist eine wachsende Gemeinde im Herzen Berlins. Wer sich einklinken möchte, ist herzlich willkommen. Wer nur mal schnuppern möchte, kann das auch. Die evangelische Freikirche punktet mit professionellem Lobpreis, biblischer Predigt, Abendmahl und gut durchmischter Altersstruktur. Aber wer ist Lubitsch?



"Wer bitte ist Lubitsch?", fragte ich mich unmittelbar nach Betreten des Kinos Babylon. "Ist Lubitsch da?", wollte ich von einer der regelmäßigen Besucherinnen wissen. "Keine Ahnung", sie wisse nicht, wer das sei. Darauf fragte ich den freundlichen jungen Mann am Info-Tisch. Er kannte Lubitsch auch nicht. Und dabei sitzt Lubitsch jeden Sonntag im Gottesdienst des Berlinprojektes. Mit Ernst lauscht er dem Lobpreis, der Predigt und den Gebeten. Am Abendmahl nimmt er allerdings nur als Zuschauer teil. Er grüßt auch nicht. Zu konzentriert beschäftigt sich die lebensgroße Nachbildung des deutsch-amerikanischen Regisseurs in der Mitte der dritten Reihe mit der Handpuppe auf seinem rechten Arm.

Wir erlebten heute eine sehr angenehme Willkommenskultur. Am Nebeneingang wurden wir herzlich begrüßt und schauten uns kurz darauf an der Getränketheke um. Dort wurden reichlich Kaffee und verschiedene Teesorten angeboten. Der letzte Besuch lag schon etwa ein Jahr zurück, so dass uns entfallen war, dass das akademische Viertel integraler Bestandteil des Elf-Uhr-Gottesdienstes im Babylon ist. Ein wichtiges Detail angesichts der Parkraumbewirtschaftung um das Kino herum. In der nahe gelegenen Torstraße parke man sonntags kostenlos.

Proaktiv klinkten wir uns in den Begrüßungsdienst ein und empfingen die nach und nach eintreffenden Gottesdienstbesucher. Mit einigen kamen wir ins Gespräch. Auch alte Bekannte waren darunter. Auf dem Weg in den Kinosaal wurde uns ein 16-seitiges Programmheft in die Hand gedrückt. Wir stellten die Kaffeebecher in die dafür vorgesehene Halterung und warteten auf die Vollendung des akademischen Viertels.

Der Gottesdienst startete mit einem Gesangsstück von Sarah Kaiser. Es folgte eine Begrüßung mit kurzem Erfahrungsbericht über praktisches Christsein am Arbeitsplatz. Und dann wurde mit Bass- und Cajónbegleitung "Befiehl du deine Wege" von Paul Gerhardt gespielt. Überhaupt fiel das Lobpreis-Quartett durch eine bemerkenswerte musikalische Harmonie auf. Meine Frau bewunderte die Stimme der Sängerin Susi. Die Lieder sangen wir vom Blatt, also von den Seiten 3 bis 9 des Begleitheftes. Auch die Erklärung des Abendmahls, das Vaterunser und der Predigttext waren dort abgedruckt.

Die Predigt beschäftigte sich mit Genesis 15, 1-21. Abram wird darin zum Vertrauen auf Gott ermutigt. Gott schließt einen Bund mit Abram und seinen Nachkommen, die zu dem Zeitpunkt noch gar nicht sichtbar waren. Pastor Konstantin von Abendroth entfaltete die Spannung, in der sich Abram befand. Eine Spannung von Glauben, Vertrauen, Zweifel und sichtbarer Realität. Dass Gottes Realitäten größer sind, wurde deutlich, als Abram aus dem Zelt treten und die Sterne zählen sollte. Neuer Sichtbereich, neue Betrachtungsweise, neuer Horizont, neue Zukunftsperspektive, Weite und ein Bund mit Gott, wie er auch bei Menschen damals üblich war. Geteilte Tiere, durch die die Vertragspartner hindurchschritten und sich damit selbst das Urteil für eine Missachtung des Vertrages sprachen. In diesem Falle lief nur Gott durch die Mitte und erfüllte diesen Vertrag letztlich durch das stellvertretende Sterben von Jesus.

An das Sterben von Jesus und die Einheit seines Leibes als Bild für die Gemeinde erinnerte das anschließende Abendmahl. Der Gottesdienst endete mit dem Vaterunser, den Ansagen und einem Segensgebet. Bei den Ansagen fiel uns eine signifikante Gemeinsamkeit von Berlinprojekt, Saddleback und Kulturwerkstatt auf:

Taufen, Taufen, Taufen ...

Taufen - insbesondere von Erwachsenen - sind ein Indikator für gesundes Gemeindewachstum. Gemeindewachstum durch Menschen, die eine bewusste Entscheidung für Jesus getroffen haben und in den Lebensabschnitt "Jünger werden" einsteigen. Die Frage "Können Alte Jünger werden?" ist demzufolge mit einem klaren Ja zu beantworten.

Als wir in den Vorraum traten, war dort bereits emsiges Treiben. Die Snacktheke des Kinos hatte geöffnet und es gab bunt belegte Baguettes. Am Infotisch verkaufte Sarah Kaiser ihre neue CD mit Autogramm und Widmung. An der Wand hinter dem Tisch lasen wir wieder die Frage: "How would Lubitsch have done it?". Lubitsch saß immer noch im Saal und ließ sich von der Handpuppe anschauen. Vielleicht sollten wir die Frage neu besetzten: "WWJD - What would Jesus do?".

Sonntag, 19. Juni 2016

Kulturwerkstatt Berlin

Die Kulturwerkstatt Berlin trägt schon den Charakter dieser jungen Gemeinde im Namen. Herzliche Aufnahme von Gästen, interessante Menschen, guter Lobpreis, Familienfreundlichkeit, Angebote für den Kiez und eine inhaltsreiche Predigt zeichnen diese evangelische Freikirche aus.


Das akademische Viertel der benachbarten Saddleback Church wäre heute sehr praktisch gewesen. Trotz weiträumiger Umfahrung des Alexanderplatzes wären wir zehn vor elf bei der in die Altbauhäuser der Auguststraße eingepassten Kirche eingetroffen. Ein Sperrschild konnte noch ignoriert werden, die massive Bauabsperrung zum Überqueren der Torstraße jedoch nicht. Der Veranstalter des innerstädtischen Fahrradrennens musste gewusst haben, dass wir uns nur ungerne am Gottesdienstbesuch hindern lassen. 150 Meter vor dem Ziel mussten wir wieder umkehren und in den folgenden zehn Minuten einen Parkplatz außerhalb des Velothon-Ringes suchen. Diesen fanden wir in der Nähe der Christuskirche. Von dort aus benötigten wir weitere zehn Minuten für den Fußweg zur Kulturwerkstatt.

Den ehrwürdigen Backsteinbau betraten wir zusammen mit einer jungen Frau und ihrem Coffee To Go. Im Altarbereich spielte eine Band aus drei Personen. In der Mitte des sakralen Saales hingen drei große Schalltrichter aus Messing. Durch diese konnte man bis zum Altar durchschauen und in deren Spiegelung einen schnellen Blick auf den Sitz der Frisur werfen. Wir setzten uns in den Ostblock der Stuhlreihen und schauten uns die ausgelegten Programmheftchen an. Ein Early Bird zwitscherte uns von hinten aus zu, dass wir bisher nur die Begrüßung verpasst hätten.

Der Gottesdienst lief sehr klar strukturiert in kurzen und knackigen Einheiten ab. Zuerst wurde ein Kind mit Schwarzwälder Zuwanderungsgeschichte gesegnet. Ein Teil seiner Badener Verwandtschaft war angereist und gestaltete einige der damit verbundenen Elemente. Die Segnung durften sich die anwesenden Kinder noch anschauen und wurden dann unter besonderer Beachtung in ihren Kindergottesdienst verabschiedet. Damit waren die Anwesenden im Saal auf 2/3 reduziert, was etwa vierzig Personen entsprach. Vierzig interessante Menschen, die Kreativität und Intelligenz ausstrahlten, so wie Pastor Rainer Schacke, der seine berufliche Laufbahn als Journalist begonnen hatte.

Rainer griff den Segnungstext für den kleinen Neuberliner auf. Dieser stand in Hebräer 11 Vers 1 und leitete damit in eines meiner Lieblingskapitel des Neuen Testamentes ein. Er thematisierte das Kapitel bis Vers 12 und setzte damit eine Predigtreihe fort, in der es darum geht, Teil von Gottes Werk und Wundern zu werden. Immer wieder schlug er eine Brücke zwischen Glauben, Glaubenshelden und dem Vertrauen eines Kindes. Der Aufzählung und kurzen Vorstellung der Glaubenshelden aus Hebräer 11 stellte er abschließend eine Liste von deren Defiziten entgegen. Es waren eben auch nur Menschen wie du und ich.

Vor der Kollekte und dem Segen gab es heute das monatliche Abendmahl. Dieses nehmen wir immer wieder gerne mit Geschwistern unterschiedlicher Gemeinden ein und freuen uns dabei über das Bild des Leibes Christi, wo jedes "Körperteil" seinen speziellen Platz im Gesamtgebilde hat.

Nach dem Gottesdienst wurden wir freundlich begrüßt und sofort in die Unterhaltungen einbezogen. So erfuhren wir viel über die Geschichte der Kulturwerkstatt, aßen sehr leckeren Kuchen und schauten uns auch die gegenüber liegenden Kinderräume an.

Die Evangelische Kulturwerkstatt Berlin (EKW) ist eine Gemeinde für den Kiez. Sie trifft genau die in Mitte wohnende Kreativszene und junge Familien mit ihren speziellen Bedürfnissen. Sie bietet Menschen, die noch keine persönliche Beziehung zu Jesus haben, einen niederschwelligen Zugang und distanziert sich bewusst vom üblichen Transferwachstum. Am nächsten Sonntag finden im Weißen See mehrere Taufen statt. Sehr gut sei der regelmäßige LEGO/Brunch frequentiert, der uns an die LEGO-Bautage bei der EFG Weißensee erinnerte. Hier wären Synergien möglich. Überhaupt ist die Kulturwerkstatt sehr gut in der Stadt vernetzt und setzt gerne auf externen christlichen Angeboten auf. Warum auch das Rad neu erfinden, wenn es bereits die passende Veranstaltung gibt?

Gesättigt mit Kuchen und guten Gesprächen traten wir den sonnigen Fußweg zum Parkplatz an. Meine Tochter trank dabei ihren Tea To Go. Wir überquerten die Absperrungen des Velothons und fanden ein Auto ohne Ticket vor. Diese Parkzone wird nur bis Samstag bewirtschaftet.

Sonntag, 12. Juni 2016

EFG Lichtenberg

Die EFG Lichtenberg ist eine helle freundliche Baptistengemeinde mit guter Verkehrsanbindung zum Bahnhof Lichtenberg. Gäste werden freundlich empfangen. Die Predigt ist modern und biblisch. Das Engagement für den Kiez ist vielseitig und kreativ. In den Sommermonaten ist das Altersniveau etwas gehoben.



Drei Straßenecken und nur etwa 250 Meter liegen zwischen der Stadtmission Lichtenberg und den Baptisten in der Heinrichstraße. Zwei Gemeinden im Kiez mit ähnlicher geistlicher Zielsetzung und derselben Anfangszeit des Gottesdienstes: zehn Uhr. Unser letzter Besuch bei den Lichtenberger Baptisten muss schon um die zehn Jahre zurück liegen. Die etwa zehn Kilometer in den Nachbarbezirk fuhren wir innerhalb von zehn Minuten und bekamen sogar einen Parkplatz direkt vor der Tür. Zehn Minuten vor der Zeit betraten wir das relativ neue Gemeindehaus, obwohl des Baptisten Pünktlichkeit bei sprichwörtlichen fünf Minuten liegt.

Wir wurden sehr freundlich von vielen der Anwesenden begrüßt und suchten uns im hellen Gemeindesaal einen Platz. Die Kinder gaben diesmal die Richtung vor, so dass wir in einer der hinteren Reihen am Rand landeten. Ich hätte lieber in der dritten Reihe vor der Kanzel gesessen. Die blau-weiße Inneneinrichtung vermittelte eine angenehme und freie Atmosphäre. Das Metallkreuz in der Nordostecke bildete ein architektonisches Ensemble mit der davor liegenden in Kreuzform durchbrochenen Wand. Immer mehr Gottesdienstbesucher strömten herein, so dass letztendlich etwa siebzig Personen gezählt wurden. Darunter waren wenige Kinder und Jugendliche.

Drei Hauptakteure traten auf: eine Moderatorin, eine Pianistin und ein Pastor, dessen Optik weniger den seelsorgerlichen Standard bediente und eher auf die Bühne einer Filmpreisvergabe als nominierter Regisseur passen würde. Nach dem pünktlichen Beginn wurde über der Moderatorin ein Teil des Programms eingeblendet. So erfuhren wir, dass nach der Lesung von Lukas 19 Vers 10 die Grüße vorgetragen werden, danach die Geburtstagskinder an der Reihe sind und dann die Kollekte folgen wird. Die Gedanken kreisten: "Nein, ich habe keine Grüße". Die traumatischen Erinnerungen an die Situation in einer Baptistengemeinde im Südosten Berlins waren noch zu präsent. Die Moderatorin war damals durch die Reihen gegangen und hatte sämtlichen Gästen das Mikrofon vor den Mund gehalten. "Und willst du nicht grüßen...", das Gefühl dieses Momentes muss mit dem Erleben der Jesusfernen aus Offenbarung 6 Vers 16 korrelieren. In Lichtenberg verlief dieser Teil heute jedoch wesentlich entspannter und wir lernten gleich einige Sparten des Gemeindejugendwerkes und der Bandaktivitäten kennen.

Die Lieder entstammten dem Gemeinde Liederbuch. Das Buch ist dunkelgrün und steht sogar bei uns im Schrank. Die Texte wurden an die Leinwand über der Kanzel geworfen. Der Wechsel der "Folien" erfolgte bemerkenswert präzise. Anschließend kam ein älteres Gemeindemitglied auf uns zu und entschuldigte sich für die betagten Gesangsstücke. Das sei sonst alles viel moderner. Egal. Unsere Kinder beschäftigte eher der Zeitpunkt der Kollekte, die vor der Predigt eingesammelt wurde.

In der Predigt wurde ein Bogen zwischen Matthäus 18, 21-35 zu Genesis 4, 13-24 gezogen. In beiden Texten geht es um sieben, siebzig und siebenundsiebzig und den Umgang mit Rache, Sünde und Vergebung. Der Text aus Mose stellt sozusagen die Initialzündung für den finalen Auflösungstext aus Matthäus dar. Thorsten Schacht ist der zweite uns bekannte pastorale Thorsten, der im Anzug und mit einem beachtlichen Alltagsbezug predigt. Auch im Kiez ist er unterwegs. Er verteilt Flyer für regionale Events und kommt mit seinen Nachbarn ins Gespräch. "Du bist schön", bestätigt er so manch einem verblüfften Lichtenberger.

Nach dem Gottesdienst kamen wir mit mehreren Besuchern ins Gespräch, die uns kompetente Antworten zur Entwicklung und Vernetzung der Gemeinde geben konnten. Auch hier erlebten wir Querverbindungen über die Evangelische Allianz oder einfach nur die urbanen Einzugsgebiete.

Beim Verlassen des Gemeindehauses in der Heinrichstraße stellten wir fest, dass unsere Marzahner Begleiter und ich komplett passend zum Haus in Blau/Weiß gekleidet waren.

Sonntag, 22. Mai 2016

Zukunft für Dich in Oberschöneweide

"Zukunft für Dich" ist eine evangelische Freikirche in Oberschöneweide mit einem starken Fokus auf soziales Engagement. Der Lobpreis ist flott und lädt zum Mitmachen ein. Die Predigt ist auf Jesus zentriert und wird in einer alltagsgerechten Sprache und Form vorgetragen. Nach dem Gottesdienst gibt es reichlich Essen. Gäste werden sehr herzlich empfangen und in das Geschehen integriert.



"Ja, die kenne ich", sagte meine Mutter und wollte gleich mitkommen. "Ja, Olli und Kathrin sind dort", erfuhr ich von ganz anderer Seite und sollte Grüße bestellen. "Zukunft für Dich" scheint eine gewisse Reichweite zu haben, die mir bisher nicht bewusst war. Immerhin hatte sich auch der NDR in seiner Dokumentation "Mission unter falscher Flagge" mit dem Verein aus Oberschöneweide beschäftigt. Die regionale Linke fand es verdächtig, dass Kinder auf dem Spielplatz mit Süßigkeiten zu Veranstaltungen eingeladen wurden und starteten damals eine Plakatkampagne gegen die vermeintliche Sekte.

Uns war deshalb nicht wirklich klar, was uns erwartet. Eines wussten wir jedoch: Anschließend gebe es ein gemeinsames Essen. Deshalb nahmen wir vorsorglich Rhabarberkuchen mit.

Oberschöneweide verkörpert zunehmend das, was Marzahn seit dreißig Jahren nachgesagt wird. Trotz renovierter Fassaden, vieler Grünanlagen und einem KWO-Gelände im Friedrichshain-Stil ist ein deutlicher sozialer Verfall zu bemerken. Das beginnt bei der äußerst aggressiven Stimmung auf dem Parkplatz vor REWE, erstreckt sich über die allgegenwärtigen Alkoholiker und endet bei der trostlosen Edisonstraße, deren Baumlosigkeit an die elend langen Straßenzüge Manhattans erinnert. Oberschöneweide dient als mehrspurig durchfahrbare Transitregion zur Stadtautobahn oder in den Südwesten Berlins.

Die Räume von "Zukunft für Dich" waren gut zu erkennen. Das Erdgeschoss des Eckhauses in Höhe der Klarastraße ist orange angestrichen und lädt den Passanten mit mehreren Schildern zum Besuch ein. So groß hatte ich mir das nicht vorgestellt. Vor der Tür hielten sich potenzielle Gottesdienstbesucher auf und begrüßten uns sehr herzlich. Wir betraten den Saal. Mit gleichbleibender Freundlichkeit begrüßten uns Frauen im Rollstuhl, Männer in Jogginghosen, Kinder in Deutschland-Trikots und junge Leute aus dem Mitarbeiterteam. Einer Mitarbeiterin drückten wir den Kuchen in die Hand und bekamen das Backblech kurz darauf abgewaschen zurück. Service!

Zukunft für Dich Oberschöneweide
Der Saal füllte sich, so dass die Zahl der Gottesdienstbesucher bei etwa fünfzig gelegen haben muss. Es begann mit einer flotten Anbetungszeit und präzise per Beamer eingeblendeten Texten. Dann wurden Geburtstagskinder und Gäste noch einmal offiziell und mit einem Willkommensgeschenk begrüßt.

Der gebürtige Hesse Jörg Kohlhepp predigte ausgehend von Römer 8 Vers 31 (Ist Gott für uns, wer kann gegen uns sein?) über Ängste und Zweifel sowie das aktive Eingreifen Gottes in unsere Herausforderungen. Unfälle, Depressionen, Krankheiten oder finanzielle Engpässe wurden aus dem Leben gegriffen und mit Beispielen für Gottes Hilfe beantwortet. Die Telefonnummer Gottes Fünfzig Fünfzehn oder Fünftausendfünfzehn oder Psalm Fünfzig Fünfzehn wurde uns vermittelt. Jörg hatte die gesamte Predigt über einen Draht zum Publikum, stellte Fragen und ging auf Bemerkungen der beiden Rollstuhl-Fahrerinnen aus der ersten Reihe ein.

Auch beim anschließenden Essen bemerkten wir einen liebevollen und empathischen Umgang miteinander. Menschen, die bisher selten mit den Sonnenseiten des Lebens in Berührung gekommen waren, werden bei "Zukunft für Dich" mit Respekt behandelt. Sie erhalten praktische Hilfe und ihr geleerter Selbstwerttank wird aufgefüllt. Besonders hilfreich ist dabei das ausgewogene Verhältnis von Mitarbeitern und Nutzern. Jörg ist einer von zwei hauptamtlich Angestellten. Darüber hinaus bringen sich etwa fünfzehn Ehrenamtliche ein.

Ich fragte mich die ganze Zeit, wie man dieses Projekt mit einem kurzen Satz beschreiben könne und blieb immer wieder bei einem Slogan der Bundeswehr hängen:

Wir. Dienen. Oberschöneweide.

Sonntag, 15. Mai 2016

Saddleback @Kalkscheune - experience #SaddlebackBLN

Die Saddleback Church ist eine wachsende evangelische Gemeinde in Mitte. Eine Predigt per Video ist ihr Alleinstellungsmerkmal. Gottesdienst und Predigt laufen auf Englisch und werden simultan übersetzt. Inhaltlich bieten die Predigten einen guten Alltagsbezug und sind wegen ihrer thematischen Nachhaltigkeit empfehlenswert. Die Zielgruppe sind Singles, junge Familien, Touristen, Studenten oder Berufs bedingte Wahlberliner, die sich über das sprachliche Entgegenkommen freuen. Der Gottesdienst eignet sich wegen der Professionalität und offenen Atmosphäre zum Mitbringen von Kollegen und Bekannten.



"Dann können wir ja zur Schönen Party gehen und gleich dort bleiben", freute sich meine Frau als sie die Location unseres nächsten Gottesdienstbesuches erfuhr. "11:00, Kalkscheune", hatte unsere Tochter in ihren WhatsApp-Chat getickert.

Ob wir noch die letzten Nachtschwärmer und Überreste der Schönen Party sehen werden? "Nein, die Leute sind so alt wie wir und halten nur von zweiundzwanzig bis zwei Uhr durch", zügelte sie die Dramatik meiner Vorstellungskraft. Wie wird es wohl mit der Parkplatzsituation aussehen?

Letztere war traumhaft. Hinter dem Friedrichstadtpalast waren unzählige Parkplätze frei. Es gab Parkraumbewirtschaftung zu zwei Euro pro Stunde und von der Schönen Party zeugten lediglich die Hinweisschilder an der Kalkscheune. Besucher von Saddleback wurden durch mehrere Schilder in die oberste Etage des Hauses geleitet. Ein interessantes Gebäude mit niedriger Zugangsschwelle.

Die Saddleback Church hatten wir bereits vor zweieinhalb Jahren besucht, als sie kurz nach der Gründung des Berlin-Zweiges in der Nähe des Potsdamer Platzes ihre Gottesdienste durchführte. Die Predigtreihe war damals so interessant, dass ich mit meinem Sohn noch ein weiteres Mal dort war.

Die Zielgruppe sind offensichtlich Touristen, Studenten, internationale Professionals und Deutsche mit erweiterten Englischkenntnissen. Wir hätten per Kopfhörer zwar eine Simultanübersetzung bekommen können, verzichteten aber darauf. Nach einer freundlichen aber nicht aufdringlichen Begrüßung kamen wir zunächst an einer Kaffeetheke vorbei. Es war noch recht leer im Saal. Der Saal erinnerte an einen der Nebenräume in der Time Square Church am Broadway. Videoscreens rechts und links neben der Bühne und fünf bis sechs Sitzreihen mit Blick auf die Längsseite des Raumes.

Die besondere Form der Sitzflächen führte dazu, dass mein abgestellter Kaffeebecher mit der liebevollen Aufschrift "Johannes 15, 5" langsam nach vorne rutschte, in Zeitlupe abkippte und den Saddleback-Saal großflächig in das Duftkonzept "Kaffee" tauchte. Es war inzwischen gar nicht mehr so einfach, zur Theke zu gelangen und einen Lappen zu bekommen. Der Saal hatte sich kurz nach Elf merklich mit Kaffee trinkenden Besuchern gefüllt. Ich beseitigte die farblich harmonierende Fußbodenveredelung, während die Familie die Gelegenheit nutzte und eine Bankreihe nach hinten umzog. Der Countdown lief. Akademisches Viertel.

Dann begann die Band zu spielen und Pastor David Schnitter leitete den Gottesdienst mit Grüßen und Ansagen ein. Alles auf Englisch. Das ist aber für den deutschen Gottesdienstbesucher noch recht harmlos. Der gewöhnungsbedürftige Teil kam nach der Anbetungszeit:

Public Viewing ohne Fußball.

Das Alleinstellungsmerkmal - Neudeutsch auch USP oder Unique Selling Proposition genannt - ist eine Predigt per Videoübertragung. Ich hatte mich bisher immer gefragt, wozu dann noch ein regionaler Pastor und der Aufwand einer Gemeindeorga notwendig sind. Heute erlebte ich die Antwort. Das einzige Video-Element ist die Predigt. Wenn man die Predigt als einen wichtigen Teil, aber nicht den einzig entscheidenden Teil von Gemeinde ansieht, lässt sich bei Saddleback erkennen, dass nachhaltige Professionalität in sämtlichen Bereichen wie Lobpreis, Kleingruppen, Kindergottesdienst, Evangelisation, sozialem Engagement usw. eine Gemeinde durchaus wachsen lassen kann. In den letzten zwei Jahren muss die Gemeinde offensichtlich um das Vierfache gewachsen sein.

Saddleback #SaddlebackBLN
In der heutigen Predigt ging es um Vergebung. Ausgangstext war Matthäus 6 Vers 12 aus dem Vaterunser. Anhand diverser weiterer Bibelstellen wurden die Facetten der Vergebung skizziert. Mein Sohn stieß mich an, ich solle auch mitschreiben und das Begleitblatt zur Predigt ausfüllen. Ab und zu notierte ich Zitate und festigte meine Ansichten zum Thema. Gut, wenn man das noch einmal so klar formuliert bekommt und weitere Zusammenhänge entdecken darf. Wir waren sehr berührt und nahmen gute Impulse auf, über die wir anschließend weiter redeten, wie beispielsweise, dass Vergeben nicht unbedingt etwas mit Vergessen zu tun hat und dass man nicht vergessen solle, dass einem vergeben wurde oder man selbst bereits vergeben habe. Ein wichtiger Fokus lag auf dem Vergeben im Sinne des Abgebens an Gott.

Die Beschriftung des Bechers meiner Frau musste etwas mehr Zeit in Anspruch genommen haben. Dort war zu lesen, dass Gott in diesem Jahr noch etwas Besonderes für sie geplant habe. Seltsam, dass bei den Ansagen, auf meinem Notizzettel und später auch in der Predigt das Wort "Ruanda" vorkam. Hatten wir doch am letzten Sonntag bereits etwas über Ruanda gehört. Nun klang die zarte Saite wie ein unüberhörbarer Gong. Wir füllten die Kontaktkarte aus und sind gespannt, wie es mit Saddleback, Ruanda und uns weitergeht.

"Das war cool! Hier können wir öfter hingehen", sagte unsere Tochter bei der Abfahrt. Solch ein deutliches Teenager-Statement gab es in den letzten zehn Monaten nur einmal: Heute.