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Donnerstag, 15. Dezember 2016

COEO mit C geschrieben

Von COEO hatte ich schon viel gehört, war aber bisher nie dort gewesen. Gestern nutzte ich die Gelegenheit eines Termins in der City, um auf dem Rückweg bei COEO, dem Haus der guten Taten, in den Potsdamer Platz Arkaden vorbei zu schauen.



Im Rahmen der unfreiwilligen Osteuropahilfe war ich mehrfach der Kamerafunktionen meines Autos beraubt worden. Deshalb hatte ich schon lange keine Tiefgaragen mehr benutzt. Am Nikolaustag war ich auf ein kleineres Auto umgestiegen und unternahm nun den erneuten Versuch einer unbeschadeten Fahrt in die Tiefen einer Garage. Und tatsächlich streifte nur einmal das rechte Hinterrad die Begrenzungskante. Das Parkhaus unter dem Potsdamer Platz (Einfahrt Hans-von-Bülow-Straße) wurde wegen seiner günstigen Stundensätze sogar vom ADAC empfohlen.

Potsdamer Platz Arkaden

Von dort aus sind es nur wenige Schritte zu den Potsdamer Platz Arkaden, in denen sich COEO befinden soll. Mit männlichem Tunnelblick ging ich systematisch vor. Zuerst lief ich durch das Erdgeschoss. Golden glitzernde Tannenbäume überall. Bei so viel Licht verblasste jegliche Werbung an den Geschäften. Kein COEO.

Mit der Rolltreppe fuhr ich ins Obergeschoss. Zwei junge Frauen in weißem Engelskostüm stellten die Kulisse für einen schwarzen Touristen. Überall Lichterglanz, Sushi, Döner, Eis, aber kein COEO.

Einen Versuch hatte ich noch: das Untergeschoss. Ich fuhr hinab, spähte durch die glitzernden Tannenbäume und sah dort an der mittleren Treppe den Schriftzug "Taten". Dort muss es sein: "COEO - Haus der guten Taten".

COEO Haus der guten Taten
COEO Haus der guten Taten - exklusive Lebensmittel und Kochzutaten
An der mittleren Treppe befindet sich auch einer der Zugänge zum Bahnhof Potsdamer Platz, wo Fahrgäste zwischen S-Bahn und Regionalbahn wählen können. Dadurch ergibt sich hier eine rege Frequenz an Laufkundschaft. Etwa 50% der Kunden sind Touristen. Das stellt gewisse Ansprüche an das Sortiment, welches bei einer etablierten Stammkundschaft anders gestaltet sein muss. Auf etwas über 300 Quadratmetern kann der Berlinbesucher recht ausgefallene Dinge finden.

Faires Konzept

Auf den ersten Blick dachte ich an Nanu-Nana, musste dann jedoch feststellen, dass COEO ein ganz anderes Konzept verfolgt. Das Geschäftsführer-Ehepaar Martina und Peter Röhner aus Glauchau erklärte mir, dass nicht nur die Artikel einen klaren Fokus auf Nachhaltigkeit und faire Produktionsbedingungen in Drittweltländern haben, sondern auch die regionalen Lieferanten hohe Wertemaßstäbe in ihren Unternehmen anwenden.

Besonders begeistert war ich von den eineinhalb Regalmetern mit den verschiedensten Bibelausgaben. Von der Paperback-Bibel für 2,50 Euro bis zur arabischen Bibel in rotem Ledereinband konnte hier fast jeder Berliner oder Tourist versorgt werden. Rein statistisch geben Touristen aus China oder der Ukraine das meiste Geld in Deutschland aus. Auf solche Bibeln hatte ich in dem Moment nicht geachtet. Ein junger Mann wollte seinem Freund ein "völlig abgedrehtes Buch" schenken, fragte an der Kasse und wurde zum Bibelregal geführt. Vielleicht treffen wir den Leser ja demnächst mal in einem Gottesdienst.

Es gibt aber auch eine breite Auswahl an christlichen Bestsellern, Kalendern und Grußkarten. Dabei wird auf eine gute Mischung katholischer und evangelischer Herausgeber geachtet.

Werbung - COEO mit C geschrieben

Die Mitarbeiter trugen schwarze T-Shirts mit der Aufschrift "kyBoot". Diese Walk-on-Air-Schuhe nehmen bei COEO einen präsenten Platz in der Mitte des Ladens ein. Ich habe sogar Bekannte, die diese Schuhe tragen.

Die Mitarbeiter selbst setzen sich zu 50% aus Menschen mit Behinderung zusammen. Das ist diesen nicht unbedingt anzusehen, wird aber in der Werbung bei Radio Paradiso erwähnt und gehört zum Beschäftigungskonzept des "Hauses der guten Taten".

Es gibt mehrere Werbespots zu COEO, die bei Radio Paradiso laufen. Während einige Agenturen immer noch mit markigen Domainnamen wie "Örben-Solluhschns Dot Komm Släsch Börlin" glänzen, heißt es zu COEO schlicht "Ko-Ejo Minus Berlin Punkt De Eh - COEO mit C geschrieben".

COEO Haus der guten Taten
COEO Haus der guten Taten - Tassen mit den Gemütszuständen eines Teenagers
Gerade jetzt in der Weihnachtszeit oder bei der Suche nach Geschenken für Geburtstagskinder, die ohnehin schon alles haben, bietet sich ein Blick in die Regale von COEO an. Neben einer großen Auswahl an exklusiven Ledertaschen und individuell auf Teakholz-Wurzeln geträufelten Glasschalen findet der Kunde hier auch Fairtrade-Schokolade, modern geschnitzte Weihnachtsdekoration, Tassen mit Charaktergesichtern sowie exklusive Lebensmittel und Zutaten für den privaten Kochgenuss.

Das Sortiment wird regelmäßig überarbeitet und in sinnvollen Stückzahlen vorgehalten, so dass schnell auf geändertes Nachfrageverhalten reagiert werden kann.

Nach einem kurzen Gespräch mit Martina und Peter testete ich noch einmal die Luftmatte für die myBoot-Schuhe und verließ die Potsdamer Platz Arkaden. Zwei Euro verlangte der Parkautomat. Die Ausfahrt erfolgte ohne Schrammen und Felgenschäden.

Sonntag, 20. November 2016

Mosaik Berlin und der Abgleich einer Webseite

Mosaik Berlin ist eine relativ neue multiethnisch geprägte Gemeinde in Berlin, die sich im Schatten des Axel-Springer-Hochhauses trifft. Ihr Alleinstellungsmerkmal ist eine Sonntagspredigt auf Englisch, die konsekutiv auf Deutsch übersetzt wird.



"Wir müssen viertel nach halb vor fünfzig los", erklärte mein Sohn noch einmal die Uhrzeit, wann wir startklar sein sollten. Er wollte zusammen mit meiner Frau zu Saddleback fahren, während ich endlich einmal Mosaik Berlin auf dem Programm hatte. Da sich anhand der Webseite schon ein Bild zur Gemeinde geformt hatte, wollte ich unbedingt meine Tochter als Zweitstimme dabei haben und aus der üblichen Meinungspluralität eine sinnvolle Schnittmenge extrahieren. 10:35 Uhr war ein guter Zeitpunkt des Losfahrens, den wir wie üblich um fünf Minuten überzogen.

Kurz nach elf setzten wir Frau und Sohn bei der Kalkscheune ab und fuhren weiter zu Axel Springer. "BILD Dir deine Meinung", war auch unser heutiges Motto. Im Sommer hatte ich erstmalig vom Gründungsprojekt "Mosaik Berlin" gehört, als wir Christopher auf dem SOLA getroffen hatten. Darauf googelte ich die Gemeinde und stellte fest, dass sie sich in unmittelbarer Nähe zu anderen modernen Gemeinden wie Berlin Connect, Kulturwerkstatt Mitte, Berlinprojekt oder Saddleback befindet. Es kam die Frage auf, wer in dieser Region so viele coole Gemeinden brauche? Während in Marzahn die geistliche Flaute herrscht, trampeln sich Missionare und kreative Mittdreißiger in der City auf den Füßen herum.

Der Häuserblock um die Besselstraße 13 wirkte verlassen. Herbstlaub wehte über Freiflächen und Straßen. Es gab sehr viele ungenutzte Parkplätze. Wir liefen am Haus entlang und kamen an einem großen bunten Schild vorbei, das auf ein Game-Science-Event hinwies. Durch die Schaufenster war ein dicht mit jungen Leuten gefüllter Raum zu sehen. Wir liefen weiter und kamen schließlich fast am Ende des Häuserblocks an. Wo war der Eingang zu Mosaik? Als wir uns umsahen, bemerkten wir ein kleines schwarzes Schild mit einem eingekreisten "M". Dieses war völlig von dem massiven Gamer-Schild überdeckt worden. Ein Problem, das sich durch die üblichen Aufstellfähnchen in Segelform lösen ließe.

Proaktiv grüßend betraten wir die hellen Räumlichkeiten und legten unsere winterlichen Jacken ab. An einer Theke konnte man sich mit Tee oder Kaffee bedienen. Der oben erwähnte Christopher kam vorbei und begrüßte uns freundlich, blieb einige Momente bei uns stehen. Smalltalk. Dann musste er noch einige Dinge für den Gottesdienst erledigen. Durch väterlichen Druck gelang es mir, endlich mal wieder etwas weiter vorne zu sitzen: fünfte Reihe.

Pastor Neville Jones lief hin und her und traf letzte Abstimmungen vor dem Beginn. Der Gottesdienst startete mit Lobpreis und den Ansagen. Das Mikro der Moderatorin versagte seinen Dienst. Sie erwähnte auch einen Welcome Desk, den wir beim Betreten der Location gar nicht bemerkt hatten. Dann trat Neville Jones mit einer Übersetzerin auf die Bühne. Noch einmal stellte er sich als Pastor vor, der gemeinsam mit seiner Frau Sue diese Gemeinde leite. Dass man ihn bei Kaffee und Kuchen nach dem Gottesdienst in der zweiten Etage kennen lernen könne, erfuhren wir mehrfach an diesem Vormittag. Das war uns auch schon durch die Webseite bekannt.

Anhand der bisher veröffentlichten Predigtmitschnitte zur Themenreihe "Seeing Jesus" hätte ich heute einen Text aus Johannes 6 oder 7 erwartet. Statt dessen predigte er über mein Lieblingskapitel Johannes 9. Neville Jones hatte die Predigt in drei Blöcke eingeteilt und ging darin auf die Jünger, die Pharisäer als geistlich Blinde und den Blindgeborenen ein. Er las dazu die ersten und die letzten Verse des Kapitels und blieb während der gesamten Predigt am Text. Besonders angesprochen war ich wieder einmal von den Ausführungen zu den Versen 28 und 34.

Nach der Predigt gab es Abendmahl, welches wahlweise mit Saft oder Wein genommen werden konnte. Begleitet wurde es musikalisch von der aus vier Personen bestehenden Lobpreisband. Danach trat die Moderatorin für ein Abschlussgebet und die Verabschiedung auf. Wieder versagte ihr schnurloses Mikro. Ich vermisste die Kollekte.

Der Gottesdienst hatte fast zwei Stunden gedauert, so dass der Rest der Familie bereits vor der Kalkscheune stand und uns per WhatsApp zum Aufbruch drängte. Auf dem Weg tauschte ich mit meiner Tochter die Eindrücke aus.

Die Webseite hatte abgesehen von den ständigen Sicherheitswarnungen des Browsers ein Bild gezeichnet, das durch diesen Besuch vor Ort korrigiert werden konnte. Anhand der Webseite war ich davon ausgegangen, dass es sich um eine auf den Pastor zentrierte und schwach besuchte Gemeinde mit erheblichem Mangel an Mitarbeitern handelt. Das entspricht jedoch so nicht der Realität:

Der Pastor und seine Frau scheinen sich zwar als zentrale Bezugspersonen zu sehen, dennoch lässt sich einiges an Leitungspotenzial in den Reihen von Mosaik erkennen. Die Gemeinde und die Mitarbeiterschaft wirken sehr intakt. Schade, dass letzterer Umstand auf der Webseite so unterrepräsentiert ist. Neben der Webseite birgt auch das Thema Welcome ein gewisses Optimierungspotenzial. Obwohl Mosaik erst vor wenigen Wochen nach Kreuzberg umgezogen ist, kommt der Raum bei über siebzig Besuchern so langsam an seine Kapazitätsgrenzen.

Sonntag, 6. November 2016

Psalm 23 @SaddlebackBLN

Während meine Tochter und ich krank zu Hause blieben, fuhren die übrigen Familienmitglieder in die City zu Saddleback. Wegen der starken Präsenz an Bekannten aus Marzahn, besuchten sie die Predigt mit Simultanübersetzung. Diese bediente ein Thema, dass sie bereits eine Woche vorher in der EFG Cantianstraße gehört hatten.



Auch diesen Sonntag ging es um Schafe und Hirten, allerdings nicht mit der Suche des Schafes sondern ganz klassisch mit Psalm 23.

Kann man noch Neues über Psalm 23 predigen? So, dass man bis zum Ende zuhören kann? Der Psalm den ich in Luther-Version schon in der Jungschar auswendig gelernt habe?

Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf grüner Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquickt meine Seele
und führet mich auf rechter Straße um Seines Namens Willen.
Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal,
fürchte ich kein Unglück.
Denn Du bist bei mir,
Dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch im Angesicht meiner Feine.
Du salbest mein Haupt mit Öl und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang
und ich werde bleiben im Hause des HERRN immerdar.

Ja man kann, denn in dieser hektischen Zeit ist es immer wieder gut erinnert zu werden an Urlaub für die Seele. "Wie Deine Seele zur Ruhe kommt" war die Überschrift von Tom Holladays Predigt.

Bemerkenswert an dieser Predigt war das Tempo, mit dem sie vorgetragen wurde. Es war so enorm, dass sich Pastor Dave Schnitter von Saddleback Berlin hinterher für die extrem schnell gesprochene deutsche Übersetzung entschuldigte.

Bemerkenswert war aber auch die Berlin-getreue Übertragung der Beispiele. Ich nehme nicht an, dass der Pastor aus der Hauptgemeinde in Kalifornien um die Neckereien von Berlinern und Spandauern weiß. Nichtsdestotrotz kam in der Predigt vor, dass manche Berliner annehmen, dass es in Spandau nur einen Ikea gibt. Ich weiß es inzwischen besser, es gibt auch eine sehr sehenswerte Zitadelle, aber das nur am Rande.

Nicht zuletzt war auch der Inhalt (be)merkenswert. Du bist nur ein (manchmal dummes) Schaf, also verlass dich auf Gott, deinen Hirten. Das Gras ist auf der anderen Wiese nur von weitem grüner. Vertraue auf Gottes Erfrischung. Genieße es, wenn du Überfluss hast und freue dich daran. Folge Gottes Weg. Erinnere dich daran, dass Gott bei dir ist. Er wird durch Schutz und Zurechtweisung trösten. Sei dankbar für alles, was Gott gibt. Es gibt Feinde und dunkle Täler, aber Gott deckt uns den Tisch. Schau auf das, was ewig bleibt.

Ja, innehalten fällt mir oft schwer. Ich renne rum und mache dies und das. Aber die Rückbesinnung auf meinen guten Hirten, Jesus Christus, wird meine Seele nachhaltig für die nächsten Herausforderungen erfrischen. Danke, Tom Holladay, für diese Erinnerung an den guten alten Psalm.

Autorin: Frau des Church Checkers

Sonntag, 16. Oktober 2016

SYM Saddleback Youth Ministry und die freundliche Übernahme in der Kalkscheune

Es gibt sie tatsächlich: Gemeinden mit Teenagern und Jugendlichen. @SaddlebackBLN veranstaltet seit einigen Wochen einen Jugendgottesdienst parallel zum englischen und deutschen Gottesdienst in der Kalkscheune. Unsere Kinder waren heute dabei.



Wir waren wieder einmal in der Kalkscheune zu Besuch, diesmal sogar für eine Kombination. Es gibt ja einen Gottesdienst auf Englisch, neuerdings einen auf Deutsch und auch noch einen Jugendgottesdienst - Saddleback Youth Ministry (SYM).
 
Dank des Akademische Viertels kamen wir wegen Unregelmäßigkeiten im S-Bahn-Verkehr zehn nach elf so pünktlich, dass wir uns sogar noch mit Tee bzw. Kaffee eindecken konnten. Dann ging es mit dem jeweiligen Gottesdienst los. Der Deutsche startete dreißig Sekunden später als der Englische, wie ich durchs Fenster über den Hinterhof beobachten konnte.
 
Wahrscheinlich sind englische Lieder einfach ausgeschmückter. Nach ein paar Liedern wurde per Beamer zum Youth Ministry aufgerufen. Das Timing war allerdings nicht so ganz ausgeklügelt, deshalb mussten wir, nach dem Durchqueren beider Gottesdiensträume, noch ein Lied abwarten, bis wir endlich mit ca. acht anderen Jugendlichen und zwei Leitern in einen mittelgroßen Raum mit ovalem Tisch gingen. Rund um den Tisch waren sehr bequeme Polsterstühle angeordnet und auf dem Tisch standen verschiedene Backwaren und Saft.
 
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ging es mit einem Quiz los, das so ähnlich wie Stadt-Land-Fluss konzipiert war. Obwohl die anderen Fragen nicht zum geografischen Thema passten, machte die Bonusfrage alles wieder wett (fürs geografische Thema und für uns): Welches Bundesland in Deutschland besteht aus zwei Städten? Naa? Diese Frage bescherte meinem Bruder und mir den Sieg und wir durften je einen coolen Preis, wie ein T-Shirt mit Logo (von SYM natürlich) oder eines diverser Bücher aussuchen.
 
Danach ging das Thema los. Doch nicht per Video, wie im großen Gottesdienst, sondern Live auf Englisch, mit Simultanübersetzung auf Deutsch, für das sprachlich gut durchmischte Publikum im Alter von zehn bis achtzehn. Dazu wurden englische Lückentexte zum Input ausgeteilt. Das finde ich voll super, man wird animiert mitzuschreiben und kann es, wenn man will, zu Hause zu jeder Zeit  rekapitulieren.
 
Heute ging es mit einer neuen Reihe los - „Flawed“. Heißt auf Deutsch „unperfekt“. Denn keine Person der Bibel (ausgenommen Jesus natürlich) war perfekt. Rahab zum Beispiel ist eine Prostituierte gewesen, Adam und Eva haben Gott nicht gehorcht und, und, und. Gott kann ganz normale Menschen benutzen, etwas Besonderes zu vollbringen. Würde er nur perfekte Menschen nehmen wollen, hätte er gar keine Leute zur Hand.
 
Nach zwei weiteren Spielen war auch der Gottesdienst der Erwachsenen zu Ende.
 
Alles in allem erinnerte SYM eher an einen Hauskreis. Man konnte Fragen stellen, es wurden Fragen gestellt, alles sehr interaktiv. Also nicht so, wie ich andere Jugendgottesdienste erlebt habe. Also wenn Ihr keine Lust auf 60 Minuten stilles rumsitzen habt, dann geht zu SYM.
 
Autorin: Tochter des Church Checkers

Sonntag, 25. September 2016

Saddleback auf Deutsch

Der Berlin-Zweig der Saddleback Church wurde erst vor drei Jahren gegründet. Seitdem wächst die Gemeinde und wächst und wächst und wächst. Seit September gibt es zwei neue Gottesdienstformen bei #SaddlebackBLN: einen Jugendgottesdienst und einen Gottesdienst auf Deutsch.



Die Kalkscheune, wo sich die Saddleback Church sonntags trifft, liegt im Inner Circle der Stadt. Das ist insbesondere dann zu berücksichtigen, wenn wieder einer der unzähligen Marathoni veranstaltet wird. Der Besucher aus dem grünen Stadtrand fühlt sich dann wie die "Christliche Gemeinschaft" am Tag des Mauerbaus. Wir entschieden uns zu einer Anfahrt per S-Bahn.

Kurz vor dem Alexanderplatz überfuhr die Bahn eine Brücke, unter der hunderte bunt gekleideter Athleten den über vierzig Kilometer langen Lauf zelebrierten. Am Bahnhof Friedrichstraße stiegen wir aus und konnten bequem die weiträumig abgesperrte Straße überqueren. Am Friedrichstadtpalast war ein Turm für den RBB aufgebaut und die Lawine der Läufer wälzte sich gerade an Charité und FDP vorbei.

"Wäre doch witzig, wenn der Erste einfach über die Absperrung klettert und zu Saddleback läuft", meinte mein Sohn, während wir zur Kalkscheune abbogen. Gleich am Eingang wurden wir sehr freundlich begrüßt. Das setzte sich im gesamten Haus weiter fort. Letztlich hatten wir ein Programmheft, einen Kugelschreiber und einen Becher Kaffee in der Hand. Der Gottesdienst auf Deutsch war deutlich ausgeschildert und fand in einem Nebenraum gegenüber dem englischen Gottesdienst statt.

Deutsch wurde tatsächlich sehr genau genommen. Alle Lobpreislieder waren ins Deutsche übersetzt. Wir sangen Lieder, von denen ich bisher nur die englische Fassung kannte. Das setzte sich konsequent in den Ansagen fort, die mit einem sehr einladenden Video von Pastor Dave Schnitter eingespielt wurden. Vor zwei Wochen gab es im Hof der Kalkscheune mehrere Taufen, die über und unter Wasser gefilmt worden waren (Video Taufe Juni 2016). Den Rest des Rahmenprogramms erledigten Anna und das Lobpreisteam.

Wie gewohnt gab es eine sehr impulsreiche Predigt. Diesmal von Rick Warren. Natürlich per Video, aber mit deutscher Simultanübersetzung. Wir folgten dem vierten Teil der Predigtreihe "Unerschütterlich" unter dem Motto "Wenn man das Unmögliche von dir fordert".

"Pastor Rick" hangelte sich am Text aus Daniel 2, 10-18 entlang und arbeitete zunächst heraus, woran man echte von falschen Propheten unterscheiden könne. Nebukadnezar wollte ja in den Versen bis 11 sehr konsequent mit den vermeintlichen Propheten seines Beraterstabes umgehen und ihrer Kompetenz auf den Zahn fühlen. Ab Vers 14 tritt Daniel auf und beeindruckt durch sein "ruhiges und überlegenes" Auftreten, das letztlich ihn, seine drei Freunde und seine ganzen Beraterkollegen vor der Hinrichtung bewahrte. Da der Text solch eine Fülle an wichtigen Prinzipien beinhaltet, die der Referent selbst schon oft praktiziert habe, wurden heute nur fünf von acht Grundprinzipien erläutert.

Wir schrieben auf unserem Begleitzettel eigene Gedanken zum Thema auf oder ergänzten Worte in Lückentexten. Das steigerte nicht nur die allgemeine Aufmerksamkeit, sondern ließ das Gesagte sofort aktiv reflektieren. Im Vergleich zu Volkhard Spitzer fragte ich mich, wie das Begabungsprofil von Rick Warren aussehe. Es muss eine starke Kombination aus Predigen und Lehren sein. Zumindest redete er fast die ganze Zeit frei und blickte selten auf einen kleinen Notizzettel auf seinem Stehtisch. Er erklärte gut verständlich die Zusammenhänge und stellte immer wieder passende Bezüge zu unserem Alltagserleben her. Die weiteren drei Prinzipien sollen am nächsten Sonntag beschrieben werden. Ein cleveres Konzept der Kundenbindung. Die Predigten können auf Deutsch per Podcast nachgehört werden.

Im Anschluss redeten wir mit unseren Bekannten über die Prinzipien 4 und 5, wo es um das Einholen von Gebetsunterstützung (Verse 17-18) und ferner darum ging, dass wir beim Beten übernatürliche Hilfe von Gott erwarten sollen. Von dieser Erwartung hatte ich heute schon auf meinem liebevoll beschriebenen Kaffeebecher gelesen: "God answers when you least expect". Ich bin gespannt.

Sonntag, 21. August 2016

CKB City Kirche Berlin mit Volkhard Spitzer

Die CKB City Kirche Berlin International befindet sich in der Nähe des Funkturms und ist daher aus sämtlichen Ecken Berlins gut erreichbar. Der Gottesdienst beginnt um 13:00 Uhr, wird auf diversen TV-Kanälen übertragen und ist wegen der tiefgehenden Predigt auch für Freunde und Bekannte geeignet.



Die CKB City Kirche Berlin International befindet sich an einem verkehrstechnisch gut angebundenen Punkt in der Stadt. Umgeben ist das Haus der St. George Kirche von einer namhaften Nachbarschaft wie dem Funkturm, dem Messegelände, der Residenz des pakistanischen Botschafters, dem Olympiastadion, der BMW-Niederlassung Berlin, dem International Club Berlin, dem Funkhaus von RadioBerlin 88,8 und dem Kabarett "Die Wühlmäuse". Am nahe gelegenen Theodor-Heuss-Platz fand übrigens auch vor etwa sieben Jahren das denkwürdige Ereignis statt, bei dem meine Frau fragte, wieviel Zeit wir noch bis zum Beginn des Kabaretts hätten. Nach halbstündigem Anstehen hatte ich gerade zwei volle Eistüten in der Hand und schaute reflexartig auf die Armbanduhr: "Zwanzig Min ... uups".

Bei der Fahrt über den Kaiserdamm setzte bereits die Mittagsmüdigkeit ein. Der Gottesdienst der CKB startet um 13:00 Uhr, was an einer Mehrfachnutzung der Räume zusammen mit der Anglican Episcopal St. George's Church liegt. Die Webseite avisiert Volkhard Spitzer als regelmäßigen Prediger. Volkhard Spitzer kaufte 1982 als verantwortlicher Pastor des CZB Christlichen Zentrums Berlin die neogotische Kirche am Südstern, deren Gottesdienst wir am letzten Sonntag besuchten. Der Name "Volkhard Spitzer" hat sich in den 52 Jahren seines Wirkens zu einer auch überregional bekannten Marke entwickelt.

"Der Kerl predigt gut", wurde unseren Begleitern mitgeteilt, als sie kurz nach uns das kleine helle Kirchengebäude betraten. Jeder Gast wurde freundlich und persönlich begrüßt und bekam eine Predigt-CD, einen Gutschein für Kaffee und Kuchen sowie einen Begleitzettel mit Liedtexten und den Sendezeiten der Predigt im BibelTV, bei ANIXE, Alex TV, TV Berlin, Schweiz 5, CGN Korea, Gott24.TV, RheinmainTV und im Live-Internetradio. Mein Vater hatte während der letzten Monate seiner Krankheit die virtuellen Gottesdienste mit Volkhard Spitzer im BibelTV verfolgt und wurde dadurch sehr ermutigt. Heute wollten wir ihn endlich einmal selbst hören.

Der agile Mittsiebziger trat im weiß-schwarzen Talar auf die Bühne und leitete den Gottesdienst mit Psalm 113, Gebet und einigen Liedern ein. Im Saal standen etwa einhundertzwanzig Gemeindemitglieder und Gäste. Erst kurz vor der Predigt, wurden die Sitzplätze in den mit britischen Wappen verzierten Holzbänken eingenommen. Der gefühlte Altersdurchschnitt lag bei sechzig, was aus meiner Sicht unangemessen hoch war, denn Volkhard Spitzer redete in heutigem Deutsch und hatte eine generationsübergreifende Botschaft.

Die Predigt war der zentrale Bestandteil des Gottesdienstes. Sie war von Anfang bis Ende auf das bewusste Einklinken in die Werke Gottes fokussiert. Ausgangspunkt war das erste Kapitel aus Nehemia, wo der jüdische Mundschenk des persischen Königs so bewegt war vom desolaten Zustand Jerusalems, dass er fastete, betete und dann im Rahmen einer temporären Freistellung vor Ort aktiv wurde. Interessanterweise führte der Referent als gegenwärtiges Beispiel die 90-jährige Huldah Buntain aus Kalkutta an, die er vor drei Wochen in Düsseldorf getroffen habe. Einen Tag zuvor hatten wir sie in Lüdenscheid erlebt und waren ebenfalls sehr beeindruckt.

Die besonderen Herausforderungen des Baus der Jerusalemer Stadtmauer unter dem Druck feindlich gesinnter Nachbarn und die Neuverpflichtung des Volkes auf das Gesetz schlossen den Bogen eines erfüllten Lebens in Gottes Bahnen. Nehemia war ein prototypischer Leiter. Das manifestierte sich darin, dass ihm die Leute freiwillig folgten und ihm Ressourcen zur Verwirklichung der Ausgangsvision zufielen. Nehemia brachte das Volk von Jerusalem zusammen und sorgte dafür, dass jeder gegenüber des eigenen Hauses die Stadtmauer baute und damit eine erhebliche Eigenmotivation entwickelte. Im abschließend zitierten Kapitel acht geht es um den Priester Esra, der dem Volk aus dem Gesetz vorlas und es an den Bund mit Gott erinnerte. Das Volk war begeistert und antwortete "Amen! Amen!". Und in Vers 10 wurde zum Feiern eingeladen: "Die Freude am Herrn ist eure Stärke".

Ein weiteres Bild brachte Volkhard Spitzer bezüglich der Menschen, die wie Huldah Buntain oder Nehemia voll im Leben und gleichzeitig in regem Kontakt zu Gott stehen:

"Mit beiden Beinen auf der Erde und mit dem Kopf im Himmel".

Wer sich solch eine Haltung für sein Leben wünschte und für einen Wendepunkt im Leben offen sei, sollte nach vorne kommen und für sich beten lassen. Diesem Aufruf folgte über die Hälfte der Anwesenden und alle fassten sich an den Händen und beteten gemeinsam. Bei solch einer gewaltigen Ansprache ist es fast eine logische Folge, dass in zwei Wochen wieder eine Taufe stattfindet, wo elf Menschen ihr Leben bewusst an Jesus übergeben.

Nach dem Gottesdienst lösten wir unsere Kaffee-Coupons ein und unterhielten uns noch etwas über den Gottesdienst. Dann fuhren wir zu meiner Mutter und erzählten ihr von der Gemeinde, die sie bisher nur aus dem BibelTV kannte.

Sonntag, 26. Juni 2016

Berlinprojekt mit Ernst Lubitsch

Das Berlinprojekt ist eine wachsende Gemeinde im Herzen Berlins. Wer sich einklinken möchte, ist herzlich willkommen. Wer nur mal schnuppern möchte, kann das auch. Die evangelische Freikirche punktet mit professionellem Lobpreis, biblischer Predigt, Abendmahl und gut durchmischter Altersstruktur. Aber wer ist Lubitsch?



"Wer bitte ist Lubitsch?", fragte ich mich unmittelbar nach Betreten des Kinos Babylon. "Ist Lubitsch da?", wollte ich von einer der regelmäßigen Besucherinnen wissen. "Keine Ahnung", sie wisse nicht, wer das sei. Darauf fragte ich den freundlichen jungen Mann am Info-Tisch. Er kannte Lubitsch auch nicht. Und dabei sitzt Lubitsch jeden Sonntag im Gottesdienst des Berlinprojektes. Mit Ernst lauscht er dem Lobpreis, der Predigt und den Gebeten. Am Abendmahl nimmt er allerdings nur als Zuschauer teil. Er grüßt auch nicht. Zu konzentriert beschäftigt sich die lebensgroße Nachbildung des deutsch-amerikanischen Regisseurs in der Mitte der dritten Reihe mit der Handpuppe auf seinem rechten Arm.

Wir erlebten heute eine sehr angenehme Willkommenskultur. Am Nebeneingang wurden wir herzlich begrüßt und schauten uns kurz darauf an der Getränketheke um. Dort wurden reichlich Kaffee und verschiedene Teesorten angeboten. Der letzte Besuch lag schon etwa ein Jahr zurück, so dass uns entfallen war, dass das akademische Viertel integraler Bestandteil des Elf-Uhr-Gottesdienstes im Babylon ist. Ein wichtiges Detail angesichts der Parkraumbewirtschaftung um das Kino herum. In der nahe gelegenen Torstraße parke man sonntags kostenlos.

Proaktiv klinkten wir uns in den Begrüßungsdienst ein und empfingen die nach und nach eintreffenden Gottesdienstbesucher. Mit einigen kamen wir ins Gespräch. Auch alte Bekannte waren darunter. Auf dem Weg in den Kinosaal wurde uns ein 16-seitiges Programmheft in die Hand gedrückt. Wir stellten die Kaffeebecher in die dafür vorgesehene Halterung und warteten auf die Vollendung des akademischen Viertels.

Der Gottesdienst startete mit einem Gesangsstück von Sarah Kaiser. Es folgte eine Begrüßung mit kurzem Erfahrungsbericht über praktisches Christsein am Arbeitsplatz. Und dann wurde mit Bass- und Cajónbegleitung "Befiehl du deine Wege" von Paul Gerhardt gespielt. Überhaupt fiel das Lobpreis-Quartett durch eine bemerkenswerte musikalische Harmonie auf. Meine Frau bewunderte die Stimme der Sängerin Susi. Die Lieder sangen wir vom Blatt, also von den Seiten 3 bis 9 des Begleitheftes. Auch die Erklärung des Abendmahls, das Vaterunser und der Predigttext waren dort abgedruckt.

Die Predigt beschäftigte sich mit Genesis 15, 1-21. Abram wird darin zum Vertrauen auf Gott ermutigt. Gott schließt einen Bund mit Abram und seinen Nachkommen, die zu dem Zeitpunkt noch gar nicht sichtbar waren. Pastor Konstantin von Abendroth entfaltete die Spannung, in der sich Abram befand. Eine Spannung von Glauben, Vertrauen, Zweifel und sichtbarer Realität. Dass Gottes Realitäten größer sind, wurde deutlich, als Abram aus dem Zelt treten und die Sterne zählen sollte. Neuer Sichtbereich, neue Betrachtungsweise, neuer Horizont, neue Zukunftsperspektive, Weite und ein Bund mit Gott, wie er auch bei Menschen damals üblich war. Geteilte Tiere, durch die die Vertragspartner hindurchschritten und sich damit selbst das Urteil für eine Missachtung des Vertrages sprachen. In diesem Falle lief nur Gott durch die Mitte und erfüllte diesen Vertrag letztlich durch das stellvertretende Sterben von Jesus.

An das Sterben von Jesus und die Einheit seines Leibes als Bild für die Gemeinde erinnerte das anschließende Abendmahl. Der Gottesdienst endete mit dem Vaterunser, den Ansagen und einem Segensgebet. Bei den Ansagen fiel uns eine signifikante Gemeinsamkeit von Berlinprojekt, Saddleback und Kulturwerkstatt auf:

Taufen, Taufen, Taufen ...

Taufen - insbesondere von Erwachsenen - sind ein Indikator für gesundes Gemeindewachstum. Gemeindewachstum durch Menschen, die eine bewusste Entscheidung für Jesus getroffen haben und in den Lebensabschnitt "Jünger werden" einsteigen. Die Frage "Können Alte Jünger werden?" ist demzufolge mit einem klaren Ja zu beantworten.

Als wir in den Vorraum traten, war dort bereits emsiges Treiben. Die Snacktheke des Kinos hatte geöffnet und es gab bunt belegte Baguettes. Am Infotisch verkaufte Sarah Kaiser ihre neue CD mit Autogramm und Widmung. An der Wand hinter dem Tisch lasen wir wieder die Frage: "How would Lubitsch have done it?". Lubitsch saß immer noch im Saal und ließ sich von der Handpuppe anschauen. Vielleicht sollten wir die Frage neu besetzten: "WWJD - What would Jesus do?".

Sonntag, 19. Juni 2016

Kulturwerkstatt Berlin

Die Kulturwerkstatt Berlin trägt schon den Charakter dieser jungen Gemeinde im Namen. Herzliche Aufnahme von Gästen, interessante Menschen, guter Lobpreis, Familienfreundlichkeit, Angebote für den Kiez und eine inhaltsreiche Predigt zeichnen diese evangelische Freikirche aus.


Das akademische Viertel der benachbarten Saddleback Church wäre heute sehr praktisch gewesen. Trotz weiträumiger Umfahrung des Alexanderplatzes wären wir zehn vor elf bei der in die Altbauhäuser der Auguststraße eingepassten Kirche eingetroffen. Ein Sperrschild konnte noch ignoriert werden, die massive Bauabsperrung zum Überqueren der Torstraße jedoch nicht. Der Veranstalter des innerstädtischen Fahrradrennens musste gewusst haben, dass wir uns nur ungerne am Gottesdienstbesuch hindern lassen. 150 Meter vor dem Ziel mussten wir wieder umkehren und in den folgenden zehn Minuten einen Parkplatz außerhalb des Velothon-Ringes suchen. Diesen fanden wir in der Nähe der Christuskirche. Von dort aus benötigten wir weitere zehn Minuten für den Fußweg zur Kulturwerkstatt.

Den ehrwürdigen Backsteinbau betraten wir zusammen mit einer jungen Frau und ihrem Coffee To Go. Im Altarbereich spielte eine Band aus drei Personen. In der Mitte des sakralen Saales hingen drei große Schalltrichter aus Messing. Durch diese konnte man bis zum Altar durchschauen und in deren Spiegelung einen schnellen Blick auf den Sitz der Frisur werfen. Wir setzten uns in den Ostblock der Stuhlreihen und schauten uns die ausgelegten Programmheftchen an. Ein Early Bird zwitscherte uns von hinten aus zu, dass wir bisher nur die Begrüßung verpasst hätten.

Der Gottesdienst lief sehr klar strukturiert in kurzen und knackigen Einheiten ab. Zuerst wurde ein Kind mit Schwarzwälder Zuwanderungsgeschichte gesegnet. Ein Teil seiner Badener Verwandtschaft war angereist und gestaltete einige der damit verbundenen Elemente. Die Segnung durften sich die anwesenden Kinder noch anschauen und wurden dann unter besonderer Beachtung in ihren Kindergottesdienst verabschiedet. Damit waren die Anwesenden im Saal auf 2/3 reduziert, was etwa vierzig Personen entsprach. Vierzig interessante Menschen, die Kreativität und Intelligenz ausstrahlten, so wie Pastor Rainer Schacke, der seine berufliche Laufbahn als Journalist begonnen hatte.

Rainer griff den Segnungstext für den kleinen Neuberliner auf. Dieser stand in Hebräer 11 Vers 1 und leitete damit in eines meiner Lieblingskapitel des Neuen Testamentes ein. Er thematisierte das Kapitel bis Vers 12 und setzte damit eine Predigtreihe fort, in der es darum geht, Teil von Gottes Werk und Wundern zu werden. Immer wieder schlug er eine Brücke zwischen Glauben, Glaubenshelden und dem Vertrauen eines Kindes. Der Aufzählung und kurzen Vorstellung der Glaubenshelden aus Hebräer 11 stellte er abschließend eine Liste von deren Defiziten entgegen. Es waren eben auch nur Menschen wie du und ich.

Vor der Kollekte und dem Segen gab es heute das monatliche Abendmahl. Dieses nehmen wir immer wieder gerne mit Geschwistern unterschiedlicher Gemeinden ein und freuen uns dabei über das Bild des Leibes Christi, wo jedes "Körperteil" seinen speziellen Platz im Gesamtgebilde hat.

Nach dem Gottesdienst wurden wir freundlich begrüßt und sofort in die Unterhaltungen einbezogen. So erfuhren wir viel über die Geschichte der Kulturwerkstatt, aßen sehr leckeren Kuchen und schauten uns auch die gegenüber liegenden Kinderräume an.

Die Evangelische Kulturwerkstatt Berlin (EKW) ist eine Gemeinde für den Kiez. Sie trifft genau die in Mitte wohnende Kreativszene und junge Familien mit ihren speziellen Bedürfnissen. Sie bietet Menschen, die noch keine persönliche Beziehung zu Jesus haben, einen niederschwelligen Zugang und distanziert sich bewusst vom üblichen Transferwachstum. Am nächsten Sonntag finden im Weißen See mehrere Taufen statt. Sehr gut sei der regelmäßige LEGO/Brunch frequentiert, der uns an die LEGO-Bautage bei der EFG Weißensee erinnerte. Hier wären Synergien möglich. Überhaupt ist die Kulturwerkstatt sehr gut in der Stadt vernetzt und setzt gerne auf externen christlichen Angeboten auf. Warum auch das Rad neu erfinden, wenn es bereits die passende Veranstaltung gibt?

Gesättigt mit Kuchen und guten Gesprächen traten wir den sonnigen Fußweg zum Parkplatz an. Meine Tochter trank dabei ihren Tea To Go. Wir überquerten die Absperrungen des Velothons und fanden ein Auto ohne Ticket vor. Diese Parkzone wird nur bis Samstag bewirtschaftet.

Sonntag, 15. Mai 2016

Saddleback @Kalkscheune - experience #SaddlebackBLN

Die Saddleback Church ist eine wachsende evangelische Gemeinde in Mitte. Eine Predigt per Video ist ihr Alleinstellungsmerkmal. Gottesdienst und Predigt laufen auf Englisch und werden simultan übersetzt. Inhaltlich bieten die Predigten einen guten Alltagsbezug und sind wegen ihrer thematischen Nachhaltigkeit empfehlenswert. Die Zielgruppe sind Singles, junge Familien, Touristen, Studenten oder Berufs bedingte Wahlberliner, die sich über das sprachliche Entgegenkommen freuen. Der Gottesdienst eignet sich wegen der Professionalität und offenen Atmosphäre zum Mitbringen von Kollegen und Bekannten.



"Dann können wir ja zur Schönen Party gehen und gleich dort bleiben", freute sich meine Frau als sie die Location unseres nächsten Gottesdienstbesuches erfuhr. "11:00, Kalkscheune", hatte unsere Tochter in ihren WhatsApp-Chat getickert.

Ob wir noch die letzten Nachtschwärmer und Überreste der Schönen Party sehen werden? "Nein, die Leute sind so alt wie wir und halten nur von zweiundzwanzig bis zwei Uhr durch", zügelte sie die Dramatik meiner Vorstellungskraft. Wie wird es wohl mit der Parkplatzsituation aussehen?

Letztere war traumhaft. Hinter dem Friedrichstadtpalast waren unzählige Parkplätze frei. Es gab Parkraumbewirtschaftung zu zwei Euro pro Stunde und von der Schönen Party zeugten lediglich die Hinweisschilder an der Kalkscheune. Besucher von Saddleback wurden durch mehrere Schilder in die oberste Etage des Hauses geleitet. Ein interessantes Gebäude mit niedriger Zugangsschwelle.

Die Saddleback Church hatten wir bereits vor zweieinhalb Jahren besucht, als sie kurz nach der Gründung des Berlin-Zweiges in der Nähe des Potsdamer Platzes ihre Gottesdienste durchführte. Die Predigtreihe war damals so interessant, dass ich mit meinem Sohn noch ein weiteres Mal dort war.

Die Zielgruppe sind offensichtlich Touristen, Studenten, internationale Professionals und Deutsche mit erweiterten Englischkenntnissen. Wir hätten per Kopfhörer zwar eine Simultanübersetzung bekommen können, verzichteten aber darauf. Nach einer freundlichen aber nicht aufdringlichen Begrüßung kamen wir zunächst an einer Kaffeetheke vorbei. Es war noch recht leer im Saal. Der Saal erinnerte an einen der Nebenräume in der Time Square Church am Broadway. Videoscreens rechts und links neben der Bühne und fünf bis sechs Sitzreihen mit Blick auf die Längsseite des Raumes.

Die besondere Form der Sitzflächen führte dazu, dass mein abgestellter Kaffeebecher mit der liebevollen Aufschrift "Johannes 15, 5" langsam nach vorne rutschte, in Zeitlupe abkippte und den Saddleback-Saal großflächig in das Duftkonzept "Kaffee" tauchte. Es war inzwischen gar nicht mehr so einfach, zur Theke zu gelangen und einen Lappen zu bekommen. Der Saal hatte sich kurz nach Elf merklich mit Kaffee trinkenden Besuchern gefüllt. Ich beseitigte die farblich harmonierende Fußbodenveredelung, während die Familie die Gelegenheit nutzte und eine Bankreihe nach hinten umzog. Der Countdown lief. Akademisches Viertel.

Dann begann die Band zu spielen und Pastor David Schnitter leitete den Gottesdienst mit Grüßen und Ansagen ein. Alles auf Englisch. Das ist aber für den deutschen Gottesdienstbesucher noch recht harmlos. Der gewöhnungsbedürftige Teil kam nach der Anbetungszeit:

Public Viewing ohne Fußball.

Das Alleinstellungsmerkmal - Neudeutsch auch USP oder Unique Selling Proposition genannt - ist eine Predigt per Videoübertragung. Ich hatte mich bisher immer gefragt, wozu dann noch ein regionaler Pastor und der Aufwand einer Gemeindeorga notwendig sind. Heute erlebte ich die Antwort. Das einzige Video-Element ist die Predigt. Wenn man die Predigt als einen wichtigen Teil, aber nicht den einzig entscheidenden Teil von Gemeinde ansieht, lässt sich bei Saddleback erkennen, dass nachhaltige Professionalität in sämtlichen Bereichen wie Lobpreis, Kleingruppen, Kindergottesdienst, Evangelisation, sozialem Engagement usw. eine Gemeinde durchaus wachsen lassen kann. In den letzten zwei Jahren muss die Gemeinde offensichtlich um das Vierfache gewachsen sein.

Saddleback #SaddlebackBLN
In der heutigen Predigt ging es um Vergebung. Ausgangstext war Matthäus 6 Vers 12 aus dem Vaterunser. Anhand diverser weiterer Bibelstellen wurden die Facetten der Vergebung skizziert. Mein Sohn stieß mich an, ich solle auch mitschreiben und das Begleitblatt zur Predigt ausfüllen. Ab und zu notierte ich Zitate und festigte meine Ansichten zum Thema. Gut, wenn man das noch einmal so klar formuliert bekommt und weitere Zusammenhänge entdecken darf. Wir waren sehr berührt und nahmen gute Impulse auf, über die wir anschließend weiter redeten, wie beispielsweise, dass Vergeben nicht unbedingt etwas mit Vergessen zu tun hat und dass man nicht vergessen solle, dass einem vergeben wurde oder man selbst bereits vergeben habe. Ein wichtiger Fokus lag auf dem Vergeben im Sinne des Abgebens an Gott.

Die Beschriftung des Bechers meiner Frau musste etwas mehr Zeit in Anspruch genommen haben. Dort war zu lesen, dass Gott in diesem Jahr noch etwas Besonderes für sie geplant habe. Seltsam, dass bei den Ansagen, auf meinem Notizzettel und später auch in der Predigt das Wort "Ruanda" vorkam. Hatten wir doch am letzten Sonntag bereits etwas über Ruanda gehört. Nun klang die zarte Saite wie ein unüberhörbarer Gong. Wir füllten die Kontaktkarte aus und sind gespannt, wie es mit Saddleback, Ruanda und uns weitergeht.

"Das war cool! Hier können wir öfter hingehen", sagte unsere Tochter bei der Abfahrt. Solch ein deutliches Teenager-Statement gab es in den letzten zehn Monaten nur einmal: Heute.

Sonntag, 8. Mai 2016

ChristusKirche Berlin Mitte - Anklamer Straße

Der freundliche helle Gottesdienstsaal der ChristusKirche befindet sich auf einem Hinterhof in der Anklamer Straße. Der Lobpreis ist gut und die Predigt stellt einen hohen Alltagsbezug her. Es handelt sich um eine Pfingstgemeinde mit moderatem Fokus auf den Heiligen Geist. Die Altersstruktur ist gut durchmischt. Dem Kiezbesucher stehen nach dem Gottesdienst diverse Cafés und Restaurants zur Verfügung.



Die ChristusKirche in der Anklamer Straße ist eng mit der deutschen Geschichte verbunden. Heute vor einundsiebzig Jahren wurde in der Mitte Berlins der Zweite Weltkrieg beendet.

Der 13. August 1961 war ein Sonntag. An diesem Tag wollten die Mitglieder der Christlichen Gemeinschaft (heute Lukas-Gemeinde, Mülheimer Verband) zur Potsdamer Straße in den Gottesdienst gehen. Es ging nicht mehr. Der langjährige Lukas-Gemeindediakon Peter Hass ist immer fast zu Tränen gerührt, wenn er an den nur halb gefüllten Gemeindesaal am Tag des Mauerbaus denkt. Nach dem Mauerfall gab es vorsichtige Bemühungen der Annäherung zwischen den Hinterbliebenen aus dem Osten und den Leuten aus Schöneberg. Man hatte sich inzwischen deutlich auseinander gelebt. Die ChristusKirche gehört dem Bund Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) an. Der Mülheimer Verband war wegen unglücklicher Passagen seiner Satzung in der DDR verboten.

Und noch mehr Geschichte: Heute vor zweiundzwanzig Jahren wütete in Ruanda ein Völkermord, dem innerhalb von dreieinhalb Monaten knapp eine Million Menschen zum Opfer fielen. Die Tutsi-Frau Denise überlebte und konnte im heutigen Gottesdienst berichten, wie sie durch das Eingreifen Gottes aus mehreren hoffnungslosen Todessituationen gerettet wurde. Sie war mir schon zu Beginn des Gottesdienstes durch ihr güldenes Kleid mit aufgedruckten Bibeln und christlichen Botschaften aufgefallen. Da sie seit den traumatisierenden Erfahrungen immer näher zu Gott gekommen war und ein intensives Gebetsleben pflegt, kann sie nun als Botschafterin der Vergebung fungieren. Das brachte ihr teilweise mehr Stress mit den eigenen Leuten ein als mit den Hutu-Tätern. Auch ihre Gemeinde habe damals kein nachahmenswertes Vorbild abgegeben. Über ihre Erfahrungen schrieb sie ein Buch.

"Du bist das Zentrum der Geschichte", hieß es dann auch über Jesus im ersten Anbetungslied. Die Anbetungszeit schloss sich einer ausführlichen Einleitung mit Verabschiedung in den Kindergottesdienst, den Grüßen zum Muttertag und dem Bericht von Denise an. Eine Anbetungszeit, in der wir alle Lieder ohne Textbedarf mitsingen konnten.

ChristusKirche Berlin Mitte - Anklamer Straße
Der erste Teil des Gottesdienstes war eine Steilvorlage für die Predigt von Erhart Zeiser. Es ging um die Größe Gottes, wie sie in Apostelgeschichte 5, 17-32 beschrieben wird. Die gerade erst entstandene Gemeinde redet öffentlich vom Leben und wird aus Eifersucht angegriffen und ins Gefängnis geworfen. Ein Engel befreit die Inhaftierten in der Nacht, diese gehen wieder in den Tempel und erzählen einfach weiter von Jesus, dem Leben. Wenn man sich den Text einmal auf der Zunge zergehen lässt, spürt man, dass hier keine menschliche Kraft am Werk ist und sich Gott sogar einen Spaß daraus macht, seine Leute durch einen Engel zu befreien, wo doch die Sadduzäer als initiale Neider (Vers 17) die Existenz von Engeln und auch die Auferstehung leugnen.

Erhart Zeiser thematisierte Widerstände als Trainingseinheit zur eigenen Stärkung und Weiterentwicklung. Immer wieder forderte er die Zuhörer zum Mit- und Umdenken heraus: "Wo Jesus ist, da ist das Leben". Man solle sich in diesem Zusammenhang fragen, warum in Gemeinden manchmal so wenig Leben sei. Er predigte lebendig und alltagsrelevant, so dass man gar nicht merkte, wie die zwei Stunden des Gottesdienstes vergingen. Damit war dann auch genau der richtige Zeitpunkt für ein Mittagessen im Kiez erreicht.

Nachdem wir einige Worte gewechselt und uns verabschiedet hatten, verließen wir den äußerst gepflegten Gemeindesaal im zweiten Hinterhof der Anklamer Straße 31 und stürzten uns in das bunte Treiben zwischen Bernauer Straße und Kastanienallee. Trödelmarkt, Mauerstreifen, Hipster-Bärte, Cafés, Radfahrer und internationale Restaurants wechselten sich ab. Nach gefühlten zwanzig Kilometern Spaziergang kehrten wir beim Inder ein.

Wir waren uns einig, dass man die ChristusKirche gerne ein weiteres Mal besuchen könnte.

Donnerstag, 5. Mai 2016

Himmelfahrt im Jüdischen Museum

Das Jüdische Museum ist wegen der Verbindung zwischen Architektur, Geschichte und Themen äußerst interessant. Die Eintrittspreise sind moderat und man sollte gute vier Stunden für einen Rundgang einplanen.



Obwohl Christi Himmelfahrt auf den Herrentag alias Vatertag alias Männertag alias Bollerwagentag umgewidmet wurde, ist dieser Tag in Berlin noch ein gesetzlicher Feiertag. Das ist nicht selbstverständlich, da ja auch der Buß- und Bettag abgeschafft wurde und die unzähligen katholischen Feiertage in unserer Region gar nicht greifen. Ob sich das nach dem heute und morgen stattfindenden Besuch der Kanzlerin beim "Heiligen Stuhl" in Rom ändern wird?

Gegen Mittag hatten wir uns endlich geeinigt, dass wir an diesem christlichen Feiertag nicht in der Wohnung versauern oder im Garten grillen, sondern zunächst arabisch essen gehen und dann ins Jüdische Museum fahren. Damit waren alle Weltreligionen vertreten, die Abraham als ihre Wurzel haben.

Die Idee für das Jüdische Museum kam von meinem Schwager und dessen Freundin. Mit dem Berlinpass können sie jeden Donnerstag kostenlos die Berliner Museen besuchen. Wir zahlten als Familie vierzehn Euro, was auch vertretbar war. Da wir das Jüdische Museum bereits kannten, wollten wir uns diesmal auf positive und zukunftsorientierte Exponate konzentrieren. Immerhin war nach dem herausfordernden Netanjahu-Besuch im Oktober 2015 eine Trendwende der deutsch-israelischen Beziehungen eingetreten, so dass beim darauf folgenden Treffen Mitte Februar 2016 in der Einleitung der Kanzlerin einmal kurz das Wort "Schoa" auftauchte und sonst nur über aktuelle und zukünftige Projekte geredet wurde. Es ging um Start-ups, Wissens- und Technologietransfer, eMobility, Infrastruktur, erneuerbare Energien und den Klimawandel.

Himmelfahrt im Jüdischen Museum
Jüdisches Museum - Glashof mit Spiegelung der Dachkonstruktion
Entspannt und mit Shawarma gesättigt betraten wir das Museum und strebten erst einmal das "Café Schmus" an. Es ist wohl alles koscher und deckt die Differenzkosten des oben erwähnten Eintrittspreises gegenüber den Tickets bei Madame Tussaud in New York City. Kaffee und Kuchen genossen wir im Glashof, den der Architekt Daniel Liebeskind mit "Sukkot" (Hütten beim Auszug aus Ägypten) bezeichnet hatte. Für mich sah die Konstruktion eher wie ein mehrdimensionaler Davidstern aus.

Der Weg in die Ausstellung führte den Besucher zuerst eine Treppe hinab, die am Beginn mehrerer Kreuzwege endete. So wie die Juden während der Verfolgungszeit die verfügbaren Optionen abwägen mussten, musste sich hier der Besucher für eine Reihenfolge entscheiden. Wir fanden uns in einem verwinkelten Infobereich wieder, gingen dann in die Sackgasse mit ein wenig aber nahezu unerreichbarer Hoffnung, flüchteten von dort und kamen in eine bedrückende Freiluftinstallation, die das Exil in der vermeintlichen Freiheit symbolisieren sollte und dabei immer wieder interessante Sichtachsen bot.

Himmelfahrt im Jüdischen Museum
Jüdisches Museum und die Fühlbarkeit von Bedrängnis und nahezu unerreichbarer Hoffnung
Dann gingen wir weiter und kamen über eine endlos wirkende Treppe immer höher und höher. Die Treppe endete plötzlich an einer weißen Wand. Der letzte Seiteneingang führte in einen Komplex von Exponaten, die das reichhaltige jüdische Leben an sich und die Wechselwirkung mit Deutschland und Europa darstellten. Viele Juden hatten unsere Gesellschaft nachhaltig geprägt, für Wachstum gesorgt und gesellschaftspolitische Denkprozesse angeregt. Wem etwas gelingt, der zieht auch die Neider an. Das war schon bei Isaak in Genesis 26, 12-17 so. Damals begann der Konflikt mit den Philistern, ähm den Palästinensern. Neid und daraus resultierende Verfolgung gab es über die Jahrhunderte immer wieder und gipfelte in der "Schoa", übersetzt der "Katastrophe" oder dem "Untergang", die sechs Millionen Juden das Leben kostete. Da im Mai 1948 der Staat Israel gegründet wurde, könnte man die Schoa fast als das Ende der Selbstverurteilung aus Matthäus 27, 25 sehen.

Theodor Herzl, der die theoretischen Grundlagen für die Staatsgründung gelegt hatte, starb jedoch schon vierundvierzig Jahre vorher, was ihm auch die beiden Weltkriege ersparte. Dennoch konnte er sehen, dass es zu einem eigenen Staat auf dem alten Boden, der schon Abraham versprochen worden war, kommen wird. Apropos Sehen: Überall bietet die Architektur interessante Blickwinkel und Sichtachsen. Schaut man jedoch durch die schmalen Fenstern nach draußen, ist immer irgendein architektonisches Element im Wege, so dass man nur mit akrobatischem Geschick oder partiellem Verzicht auf die Außenwelt blicken kann.


Himmelfahrt im Jüdischen Museum
Jüdisches Museum in der Abendsonne

Insgesamt war es ein sehr buntes Bild, das im Jüdischen Museum gezeichnet wurde. Anschließend setzten wir uns noch in den Garten und warteten, bis die Familie wieder komplett war.

Nach so viel Judentum war zum heutigen christlichen Feiertag wieder etwas muslimisches angesagt: Abendessen beim Türken. Mein Schwager kannte sich in der Gegend erstaunlich gut aus und lud uns zu Pizza, Salat und Falafel ein.