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Sonntag, 25. Februar 2018

St. Annen und die mutigen Christen von Dahlem

Bei einer Veranstaltung der israelischen Botschaft hörte ich am Dienstag erstmalig den Namen Elisabeth Schiemann. Ihre Geschichte führte zu Pfarrer Niemöller und den Christen im Stadtteil Dahlem. Heute besuchten wir dort die evangelische Kirchgemeinde St. Annen.



Peinlich! Selbst regionale Ureinwohner kennen die Geschichte der mutigen Christen von Dahlem nicht.

Am Dienstag war ich 25 km quer durch die Stadt gefahren, um eine Veranstaltung der israelischen Botschaft in Dahlem zu besuchen. Eine gewisse Elisabeth Schiemann sollte den Titel einer "Gerechten unter den Völkern" erhalten. Die Jerusalemer Gedenkstätte Yad Vashem hat diesen Titel bereits an 26.513 Menschen aus 51 Ländern vergeben - darunter 601 Deutsche. Den Titel bekommt, wer keine jüdische Abstammung hat und während des Holocaust (lateinisches Wort für Brandopfer) das Leben von Juden gerettet hatte.

Elisabeth Schiemann und die Genetik

Elisabeth Schiemann war eine bedeutende Wissenschaftlerin des 20. Jahrhunderts. Ihr Fachgebiet war die Genetik. Ein Thema, das mit den Rassengesetzen des Dritten Reiches kollidieren musste. Einmal saß sie in einem Vortrag, in dem der Referent ausführte, dass es drei Rassen gäbe: eine schlechte, eine gute und Juden. Das Publikum teilte sich darauf in drei Gruppen: Zustimmung, Ignoranz und Elisabeth Schiemann. Wie Sandra Witte von der israelischen Botschaft ausführte, wurde Elisabeth Schiemann 1940 entlassen, da "Zweifel an der politischen Zuverlässigkeit" bestanden. Ein Satz, der wohl bei vielen im Saal haften blieb und sogar im Tagesspiegel zitiert wurde.

In der Laudatio wurde mehrfach erwähnt, dass Elisabeth Schiemann Kraft, Mut und Ethik aus ihrem starken christlichen Glauben gezogen hatte. Viele ihrer Handlungsmuster waren ein selbstverständliches Abbild ihres Vorbildes Jesus. Sie war Mitglied der evangelischen Kirche in Berlin-Dahlem. Dahlem hatte sich beharrlich gegen eine Eingemeindung in die DC - Deutsche Christen - gewehrt und war sämtlichen Tricks zur Übernahme der Machtpositionen zuvor gekommen. Die Verantwortungsträger der Deutschen Christen hatten ihren Fokus von Jesus auf Hitler verschoben und bekannten ihren Glauben, indem sie beispielsweise in SA-Uniformen zur Synode erschienen.

Martin Niemöller und St. Annen

Pfarrer Niemöller? Schon mal von gehört. Martin Niemöller war Pfarrer der St.-Annen-Kirche in Berlin-Dahlem. Er war Ansprechpartner für Elisabeth Schiemann und wurde bereits 1937 inhaftiert. Zu forsch war er in seinen Predigten gegen die politische Lage vorgegangen, hatte maßgeblich an der Gründung der Bekennenden Kirche mitgewirkt, einen Fonds für verfolgte Pfarrer gegründet und Hitler buchstäblich die Meinung ins Gesicht gesagt. Hitler hatte ihn dafür zum persönlichen Feind erklärt. Martin Niemöller überlebte das Konzentrationslager Dachau nur knapp. Er galt als prominente Geisel der SS und sollte in den Verhandlungen mit den Alliierten als Pfand eingesetzt werden. Am 30. April 1945 war seine Geiselgruppe durch eine beherzte Aktion der Wehrmacht befreit worden. Fast so spannend wie bei Martin Luther am 4. Mai 1521.

Martin Luther, St. Annen und der Friedhof

Apropos Luther: Pfarrerin Kulawik trug heute einen schwarzen Talar und das lutherische Beffchen. Das lutherische Beffchen ist von oben bis unten geteilt. Aber der Reihe nach ...

St. Annen ist deutlich kleiner als die Fotos auf der Webseite suggerieren. So fuhren wir zunächst daran vorbei. Nur die Nummer 55 überzeugte uns, einen Parkplatz zu suchen. Das alte Gemäuer ist von einem Friedhof umgeben. Mehrere Ruhestätten sind als Ehrengräber des Landes Berlin gekennzeichnet.

In der Kirche wurden wir freundlich begrüßt und bekamen zwei Gesangsbücher. Vor dem Altar übten einige Konfirmanden das Fürbittgebet. Es war gut geheizt. Die Kirche wirkte alt, schlicht und freundlich. Die Pfarrerin mit dem lutherischen Beffchen ging durch die Reihen und begrüßte die Gäste. Ein älteres Paar schien sonst auf unseren Plätzen zu sitzen, aber wir waren vor ihnen hier angekommen.

Bonhoeffer und die Christen in Ägypten

Die Liturgie nahm ihren Lauf. Lieder mit einer Null vor der Zahl wurden aus einem violetten Buch gesungen und die anderen aus einem grünen Buch. Das lernten wir relativ schnell. Die musikalische Begleitung erfolgte ausschließlich per Orgel. Es waren etwa 70 Personen zum Gottesdienst erschienen, deren Altersmix von Pubertät bis Rentner reichte.

Den Predigttext aus Jesaja 5, 1-7 verknüpfte die Pfarrerin sehr treffend mit einem Zitat von Dietrich Bonhoeffer. Darin ging es um billige und teuer erkaufte Gnade sowie die Mahnung an die Kirche, die Gnade Gottes nicht billig zu verschleudern. Der flüssige Start mündete in detaillierte Ausführungen über die Situation der Christen in Ägypten. Diese seien zum Spielball von Regierung und Terroristen geworden. Thematisch passte das zum Gebetstag für bedrängte und verfolgte Christen: Reminiszere.

Kälte, Gräber und die Batterie

Nach der Predigt wurde in zwei Gruppen das Abendmahl gefeiert. Es gab weitere Lieder, eine Kollekte und den Segen. Danach ein Postludium. Dann war der Gottesdienst zu Ende und wir traten hinaus in die eisige Kälte. Wir schlenderten durch die Grabreihen und hielten nach bekannten Namen Ausschau. Martin Niemöller ist hier nicht begraben. Er hatte seine reservierte Grabstelle 1979 an Rudi Dutschke abgetreten. Niemöller wurde 1984 in der Nähe von Osnabrück beigesetzt. Die 1972 verstorbene Elisabeth Schiemann ist hier begraben. In Ermangelung eines aussagekräftigen Planes fanden wir ihr Grab jedoch nicht.

Meine Autobatterie hatte sich beim Einparken vor der Kirche gemeldet. Sie sei leer, hatte das Display verkündet. Der Motor startete jedoch sofort und es erfolgte auch keine weitere Meldung der Batterie. So konnten wir mit Sitzheizung und 21-Grad-Klimatisierung den Rückweg antreten.

Samstag, 10. Februar 2018

Orthodoxie: Vesper beim Griechen

Die griechisch-orthodoxe Kirchengemeinde Christi Himmelfahrt zu Berlin haben wir schon lange auf der Agenda. Heute Abend besuchten wir die Vesper in der Steglitzer Mittelstraße.



Orthodoxie setzt sich aus den griechischen Wörtern orthós und dóxa zusammen. Orthós bedeutet richtig und dóxa steht für Glaube oder Meinung. In der Zusammensetzung heißt das also rechtgläubig. Da es auch jüdische Orthodoxie und islamische Orthodoxie (Sunniten) gibt, kann der Begriff nicht exklusiv der Ostkirche zugeschrieben werden.

Die orthodoxe Kirche orientiert sich an den ökumenischen Konzilen bis 787. Sie distanzierte sich vor etwa 1.000 Jahren von der katholischen - übersetzt allgemeinen - Kirche. 1054 fand das sogenannte morgenländische Schisma statt. Schisma bedeutet Spaltung - auch wenn es für unsere Ohren etwas anders klingt. Die orthodoxe Kirche wird von einem Patriarchen geleitet und ist hauptsächlich in Südosteuropa anzutreffen.

Erste Berührungspunkte

Orthodoxe Sakralbauten hatte ich punktuell schon betreten, mich aber nie genauer damit beschäftigt. Es bestand ein latenter Kontakt zum Archimandriten des Ökumenischen Patriarchats. Wir waren uns bei der Internetmission, beim Besuch des Patriarchen und bei EINS begegnet.

Im Flyer der Kirchengemeinde Christi Himmelfahrt zu Berlin stand 18:00 Uhr und im Internet 19:30 Uhr mit Ausrufezeichen. Das passte gut in unsere Tagesplanung. Wir waren mal wieder sehr pünktlich vor Ort und quetschten uns durch die Breite Straße. Diese war sehr eng, da rechts und links geparkt werden durfte. Das wurde so rege genutzt, dass wir erst nach einigem Hin- und Herfahren einen freien Platz fanden.

Beim Griechen

Vor der Kirche in der Mittelstraße standen Griechen, so wie man sie von Taverna Rhodos oder ähnlichen Restaurants kennt. Sie sprachen Deutsch. Da parallel Fasching gefeiert wurde, waren sie erstaunt, dass wir die Vesper, den Abend-Gottesdienst, besuchen wollten. Wir öffneten die Haustür und standen in einem kleinen Vorraum, der mit Kerzenhaltern, Tischen und Leuten gefüllt war. Eine steile Treppe führte in den Abgrund. Rechts ging es in einen Saal. Auch dieser war voll mit Besuchern. Fast alle in Jacken - sitzend und stehend.

Der Blick fiel auf einen bemerkenswerten Altarbereich. Kunstvolle Schnitzereien, goldene Ikonen, freier Blick zum Altar hinter der Holzwand und Blick auf ein riesiges Gemälde hinter dem Altar. Soweit wir das erkennen konnten, waren das die überdimensionierte Maria mit dem kleinen Jesus auf dem Schoß. An der rechten Seite gab es ein Gemälde mit Stephanus (Apostelgeschichte 6-7) und darunter ein Kreuz mit INBI. Nicht INRI - das wäre R wie Rex in der lateinischen Westkirche gewesen - INBI mit B wie Basileus (König).

Zettel, Predigt, Sprachkompetenz

Der Archimandrit stand vor dem Eingang zum Allerheiligsten und las Zettel vor. Namen über Namen. Ich verstand ab und zu mal "Alexander" - ansonsten nur Bahnhof. Liturgie inklusive Ansagen und Predigt liefen auf Griechisch. Griechisch ist so gar nicht meine Sprache. Griechisch ist ähnlich ausschweifend wie Russisch oder Deutsch. Das griechische Neue Testament hat bei vergleichbarer Textgröße gut 100 Seiten mehr als in den Kompaktsprachen Latein und Hebräisch. Ein Geschenk an die Umwelt oder einfach nur Effizienz.

Es trat der unerwartete Moment ein, dass alle Zettel verlesen waren. Wie bei einem Nachrichtensprecher waren sie in einem Korb gelandet, den ein kleiner Junge hielt. Später erfuhren wir, dass an diesem Abend der Toten gedacht wurde. Dann stand die Gemeinde auf. Einige gingen. Da wir kein Wort - außer ab und zu Christós - verstanden, vermuteten wir, dass im Stehen der Predigt gelauscht wurde. Es müssen so um die zehn Minuten gewesen sein.

Im Saal standen etwa 200 Besucher. Die Sitzplätze reichten nicht aus und auch die Stehplätze waren knapp. Es gab noch eine Empore und den Vorraum. Es konnten also nur 1,5% der in Berlin lebenden Griechen (Statistik 12/2016) an diesem Gottesdienst teilnehmen.

Gebäck und Gemeinschaft

Dann muss es wohl Ansagen gegeben haben. Einige der Anwesenden bekreuzigten sich. Dann begann eine Massenbewegung in Richtung Altarbereich. Dort standen Schüsseln mit Gebäck und Kerzen. Gespannt folgten wir dem Geschehen, ohne uns vom Platz zu bewegen. Über die Schulter bekamen wir eingepackte Kuchenstücke gereicht. Es folgten Becher mit süßen Nüssen, weiteres Gebäck und eine Art Pfannkuchen. Die Frauen mit den Schüsseln waren sehr freundlich und jeder im Raum bekam etwas ab. Ich klebte meinen Kaugummi ins Taschentuch und verzehrte die herzugetragenen Leckereien.

Der Archimandrit kam auf uns zu und erklärte, dass die 19:30 Uhr kurzfristig vorverlegt worden waren. Wir sollten am besten mal an einem Sonntag kommen. Das können wir gerne machen. Wissen wir doch nun, dass pünktliches Erscheinen und das Bleiben bis Ultimo keine Pflicht sind. Bei einer sonntäglichen Gottesdienstzeit von 9:00 bis 11:45 Uhr lässt sich das sicher flexibel gestalten oder mit einem anderen Gottesdienst kombinieren, insbesondere wenn in der Kirchengemeinde Christi Himmelfahrt alles auf Griechisch abläuft - ohne Simultanübersetzung oder multilinguale Folien an der Wand.

Archimandrit heißt übersetzt: Klostervorsteher. Während der Unterhaltung mit ihm bekamen wir weitere Leckereien und den dringend benötigten Löffel gereicht. Sehr freundlich, die Griechen! Obwohl die sakralen Ausdrucksformen der rechtgläubigen Griechen so diametral von unserem Kulturverständnis abwichen, fühlten wir uns doch integriert. Schnittmenge: Χριστός - Christós.

Unsere Beobachtungen ergaben, dass jetzt der Gemeinschaftsteil lief, der mit dem Heimweg abzuschließen sei. So tauchten wir in die Menge ein, schwammen dem Ausgang entgegen und wanderten zum Parkplatz. Eine interessante Erfahrung, die es bei einem Folgebesuch zu ergänzen gilt.

Montag, 5. Februar 2018

Macht in der Gemeinde

Nachdem hier schon viel über geistlichen Missbrauch geschrieben wurde, nun eine nicht ganz ernst gemeinte Auseinandersetzung mit den wahren Machthabern in der Gemeinde. Das sind nämlich Menschen wie du und ich.



Mehr als zwei Jahre hatte unsere Distanz zu jeglichen Gemeinde-Aufgaben gedauert. Kein Kinder-Gottesdienst, kein Willkommens-Team, kein eigener Hauskreis, keine Moderation, kein Putzdienst, kein Kochen, kein Backen - einfach Abstand von jeglichen Dingen, die uns in das Hamsterrad eines Gemeinde-Systems gepresst hätten.

Dennoch war uns bewusst, dass wir Gemeinde wollen. Wir waren auf die Suche gegangen, hatten bei 100 Gemeinden mit Zählen aufgehört und über die Erfahrungen berichtet. Parallel wurde ein neuer Freundeskreis aufgebaut und tatsächlich eine Gemeinde gefunden, die auf uns als ganze Familie passte. Das war gar nicht so einfach.

Macht die Familie eigentlich was?

Die Gemeinde ist vier Jahre alt, hat 300 Gottesdienst-Besucher, setzt sich aus 50 Nationen zusammen und spricht primär Englisch. Demnächst startet ein dritter Sonntags-Gottesdienst. Das fordert Ressourcen. Unsere Tochter war bereits vor einigen Wochen mit polizeilichem Führungszeugnis und Empfehlungen beim Kinder-Programm eingestiegen.

Meine Frau und ich waren bis zum Jahreswechsel resistent. Dann folgten wir einem multimedialen Hilferuf und sahen uns mal die Wirkungsweise des Technik-Teams an. Alles ging dann sehr schnell. Gestern saßen wir zu zweit im schalldichten Kasten und hatten die Verantwortung für den Beamer und die Simultan-Übersetzung.

Schon im Vorfeld sandte ich Smileys mit ängstlichen Mienen herum und warb um Gebetsunterstützung. Meine Frau hatte nur kurz mal zugeschaut, wie die Folien gewechselt werden und wo das Video mit der Predigt zu klicken sei. Allein die Einweisung in das präzise Starten des Countdowns flößte uns Respekt ein. Gestern war die Technik-Familie im Urlaub und wir sprangen ins kalte Wasser - sinnbildlich - wobei unser Glaskasten schon an ein Aquarium erinnerte.

Potenzielle Macht im Aquarium

Durch aufmunternde Bemerkungen unserer Kinder wurde uns bewusst, welche Macht wir plötzlich besaßen. Zehn nach halb zwölf waren wir vor Ort. Würden wir sofort den Countdown starten, würde das den Gottesdienst-Beginn vorverlegen. Hektik würde ausbrechen bei der Band und beim Pastor. Die Leute hinter der Kaffee-Theke würden sich wundern, dass so wenige Cappuccino zubereitet werden müssten. Menschen, die sich auf das akademische Viertel verließen, würden plötzlich vor der geschlossenen Tür zum Saal stehen. Irritation, Panik. Vielleicht hätten sie Schweißausbrüche und würden um einige Tage altern. Der Kaffee im großen silbernen Behälter würde sogar für die Gespräche nach dem Gottesdienst reichen.

Auch in den Gesprächen vor dem Start des Countdowns kamen wir immer wieder auf die Macht der Technik zurück. Mein Sohn meinte noch, wenn der Pastor zu schnell rede oder ich die Worte nicht kenne, solle ich einfach etwas anderes erzählen. Beispielsweise könne ich Werbung für den Church-Checker machen. Auch malten wir uns aus, welche weiterführenden Texte ich als Lückenfüller einflechten könnte. Hinweise auf unsere Youtube-Kanäle oder ähnliches. Immerhin wären mir die Gottesdienst-Besucher ohne Englisch-Kenntnisse hilflos ausgeliefert.

Macht praktisch

Das wäre normalerweise der Moment für ein sonores "Ho, Ho" und ein breites, fieses Grinsen. Da es aber auf zwölf zuging, wurden wir eher nervös. Wie war das noch mit dem Countdown? Fünf nach und 36 Sekunden oder sowas? Dann kam das manuelle Signal und meine Frau startete den Film: "5:00, 4:59, 4:58". Ich kauerte mich zu ihr und richtete mich neben dem massiven Sennheiser-Mikrofon ein. Oben war ein großer ON-OFF-Schalter. Die Lust auf Macht war mir gänzlich vergangen. "0:02, 0:01: 0:00", zum Glück startete sofort die Band und ich musste nichts übersetzen.

Meine Frau kam mit den Folien nicht klar. Niemand sang mit. Der durchbohrende Blick meiner Tochter traf den Glaskasten. Auch der Pastor schaute zur Technik. Experten drängten sich in unseren Kasten. Zum Ende des ersten Liedes sahen die Besucher die passende Folie. Dann begann plötzlich der Lobpreisleiter zu sprechen. Das war ja Englisch. Ich verstand alles. Darüber war ich so erstaunt, dass ich stumm vor dem Mikro saß. Meine Frau schaute mich erschrocken an. Erst als der unhygienische Friedensgruß in die Praxis umgesetzt wurde, hatte ich mich gefangen und teilte den Übersetzungs-Bedürftigen mit, dass sie jetzt aufstehen könnten um die Leute in ihrer Umgebung zu begrüßen. Ich hörte sogar meine eigene Stimme. Wie peinlich!

Macht langsam Spaß

Bereits nach dem Gruß hatte meine Frau die Folien voll im Griff. Auch meine Tochter drehte sich nicht mehr um. Sie musste statt dessen den Platz wechseln, weil noch zwei Leute nach dem akademischen Viertel gekommen waren. Unfassbar! Ein Schwarzer zwängte sich neben mir in den Glaskasten und teilte mir mit, dass er aus Kuba sei. Ja, schön. Dann setzte ich den Kopfhörer wieder auf und konzentrierte mich auf den nächsten Einsatz. Der kam nach dem Lobpreis.

Zur besseren Erklärung breitete ich die Zettelwirtschaft aus dem Begleitheft vor mir aus und erklärte nun simultan und mit einigen Lücken, was der eingeborene Germane an welcher Stelle anzukreuzen und auszufüllen habe. Auch Class 301, das Seminar zur Entdeckung des Gabenprofils, war Thema der Ansagen. Die oben erwähnten Werbeblöcke konnte ich gar nicht mehr platzieren. Egal, ich freute mich, dass ich die Simultan-Übersetzung, das parallele Reinquatschen in den Text des Redners auf der Bühne, als ideale Form der Translation für mich entdeckt hatte. Währenddessen suchte meine Frau nach der Folie für das parallele Jugendprogramm. Den Stress merkte man ihr gar nicht an.

Macht mal Pause für 48 Minuten

"Jetzt hast du 48 Minuten Zeit", sagte sie zu mir und lehnte sich entspannt zurück. Sie hatte das Video mit der Predigt gestartet. Alles reibungslos. Ich legte den Kopfhörer ab und ordnete die Zettel vor mir. Wenn die Leute saßen, konnte man vom Aquarium aus sehr gut das Geschehen auf den beiden Leinwänden verfolgen. In der Predigt ging es um die Handlungsmuster von Jesus: Hören - Stoppen - Gucken - Fragen - Tun. Dafür gäbe es viele Beispiele. Im konkreten Fall ging es um die Blinden von Jericho.

Als die Timeline auf die Null und der Pastor auf die Bühne zuging, fasste ich Mut und Mikrofon. Klack - ON - das Gebet begann. Wieder übersetzte ich simultan. Dann noch ein Lied mit Kollekte. Meine Frau sang und wippte mit. Die Folien wurden präzise gewechselt und unsere Tochter drehte sich nicht um. Geschafft!

Für 14:00 Uhr hatten wir einen Tisch beim Mexikaner reserviert. Durch das späte Starten des Countdowns waren aber Lobpreis, Predigt und Ansagen so weit nach hinten verlagert, dass wir nur noch zehn Minuten Zeit hatten. Wir würgten den nachfolgenden Smalltalk ab, versorgten uns mit Teewasser und Mänteln und liefen schnell zum Restaurant. Obwohl wir unsere Macht nicht zur Verschiebung der Zeiten missbraucht hatten, kamen wir sogar pünktlich zum Essen.

Samstag, 3. Februar 2018

Beit Schomer Israel in Steglitz

Die Gemeinde "Beit Schomer Israel" versteht sich als jüdisch-messianische Gemeinde. Vielen ist sie als "Beit Sar Shalom" bekannt. Die Anfänge lassen sich auf das Jahr 1995 datieren. Heute besuchten wir die Gemeinde an ihrem Standort in Steglitz.



"Shabbat Shalom", wurden wir bereits auf dem Hof des Gardeschützenwegs 96A begrüßt. Ein Mann mit weißem Hemd und Kippa stand auf dem Parkplatz. Kinder turnten um ihn herum. Eine Mutter räumte ihren Kleinbus leer. Herzliches Willkommen und Smalltalk auf dem Weg zum Eingang. Große hebräische Buchstaben wiesen auf Beit Sar Shalom und Beit Schomer Israel hin. Ersteres ist ein übergeordnetes Missionswerk und Letzteres der eigentliche Name der Gemeinde.

Shabbat Shalom

Durch eine Glastür betraten wir die Räume. Sie waren von Licht durchflutet und die wenigen Anwesenden kamen mit herzlichen Shabbat-Shalom-Grüßen auf uns zu. Eine bemerkenswert gute Willkommenskultur. Ich hatte die Kippa vergessen und bekam eine angeboten. Sie war leider nicht kompatibel mit meiner Frisur. Deshalb setzte ich sie wieder ab.

Ein A5-Blatt mit dem Programm verriet uns, dass von elf bis zwölf Liturgie und Thora-Lesung stattfinden werden und bis halb zwei der Gottesdienst mit Lobpreis und Predigt folgen sollen. "Wie lange willst du bleiben?", fragte mein Begleiter. Ich zeigte auf 13:30 Uhr. Für danach waren noch eine Gebetszeit und ein Nachmittagsseminar zur Kindererziehung avisiert.

Bedenke, vor wem du stehst!

Bis elf Uhr hatte sich der Raum tatsächlich gefüllt. Etwa 100 Besucher schauten Richtung Südost auf einen schlichten Thora-Schrank. Darüber auf Hebräisch der Spruch: "Bedenke, vor wem du stehst!"

Das Lobpreis-Team flankierte den Altarbereich auf der Südwest-Seite. Sie stimmten die Lieder auf Hebräisch, Deutsch und Russisch an. Die Folien wurden präzise gewechselt. Teilweise waren fünf Sprachen abgebildet: Hebräisch im Original, Hebräisch in lateinischer Umschrift, Deutsch, Russisch, Englisch. Es gab auch Folien, auf denen das Hebräische in Kyrillisch umgeschrieben war. Auf alle Fälle konnte jeder mitsingen. Ich entschied mich für die hebräischen Buchstaben. Endlich mal Praxis in der Urtext-Sprache.

Auch Aufstehen und Hinsetzen wurden gut geleitet. Unbedarfte Besucher konnten allen Elementen folgen. Die Liturgie-Abschnitte wurden zudem per Beamer in sämtlichen Sprachen an die Wand neben dem Thora-Schrank projiziert.

Anziehungskraft der Thora

Einige Männer mit Gebetsmänteln nahmen die Rolle aus dem Schrank, trugen sie durch den Saal, legten sie nach einem bestimmten Ritual auf den Tisch, rollten sie auf, lasen etwas vor, verpackten sie wieder und stellten sie in den Schrank zurück. Das Herumtragen der Thora löste eine emotionale Reaktion bei den Besuchern aus. Mit Armen, Handys und Bibeln wurde die samtige Hülle der Schriftrolle berührt und anschließend das Handy geküsst: Ehrfurcht vor der Bibel und die Erwartung eines besonderen Segens.

Im ersten Teil, dem sogenannten Shacharith, gab es einen kurzen Kommentar zum Text der Lesung. Dabei wurde Jithro als Respektsperson im Leben Moses vorgestellt. Jithro sei kein Name, sondern ein Titel: Vornehmer, Exzellenz. J-T-R bildet den Wortstamm für jater und bedeutet soviel wie überschüssig, mehr, groß, viel, übermäßig. Der Kommentator zitierte auch den wichtigen Vers "Lo-tov Hadavar asher atha osse" - "Nicht gut die Sache, die du tust" aus Schmot - pardon Exodus 18 Vers 17. Damit wies Jithro seinen Schwiegersohn Mose darauf hin, dass er seine Aufgaben verteilen solle. Ein Prinzip, mit dem sich auch heutige Pastoren noch schwer tun. Gegen Vers 18 ist Vers 17 sogar noch moderat formuliert.

Wer ist die Zielgruppe?

Zwischen traditioneller Liturgie und Gottesdienst gab es eine kurze Pause und einige personelle Veränderungen. Es strömten erstaunlich viele Menschen herein, die offensichtlich früher in Russland gelebt hatten. Die russische Fraktion machte gefühlt 60% der Anwesenden aus. Nur wenige hätte man auf der Straße als Menschen mit jüdischer Abstammung erkannt. Die weiteren Besucher überdeckten ihre deutsche Herkunft mit Gebetsmänteln, Kippas und auffälligen Chai-Ketten (Chai = Leben).

Es war auf den ersten Blick nicht festzustellen, wer eigentlich die Zielgruppe von Beit Shomer Israel wäre. Zunächst vermutete ich, dass die Gemeinde ein Sammelbecken für Spätaussiedler und christliche Israelfreunde aus den Gojim (Heidenvölker) sei. Auf Nachfrage wurde uns erklärt, dass sogar 40% der Gemeinde aus messianischen Juden bestehe. Israelfreunde seien zwar gerne gesehen, die Zielgruppe seien jedoch ganz klar Juden mit einer Beziehung zu Jeshua Hamashiach (Jesus dem Christus). Letzteres ist übrigens auch der definierte Fokus der weltweit aktiven Organisation Beit Sar Shalom.

Abba und der Rabbi

In der Predigt von Rabbi Wladimir Pikman ging es um Abba: Gott als Papa und seine damit verbundenen Eigenschaften. Wladimir Pikman sprach Russisch und wurde sehr professionell ins Deutsche übersetzt. Er bezog auch das Publikum ein, indem er immer wieder Fragen stellte. Zum Abschluss des Gottesdienstes wurde die Kollekte eingesammelt und ein hebräischer Segen gesprochen.

Gelebte Gastfreundschaft

Vor dem Altar wurde ein Tisch mit zwei Broten aufgestellt. Die beiden Brote sollten die doppelte Ration Manna am Vortag des Shabbats symbolisieren. Viele der Anwesenden bedienten sich daran. Wir wurden zum Mittagessen eingeladen. Allerdings waren wir nach zweieinhalb Stunden Liturgie und Gottesdienst etwas unter Zeitdruck geraten. Wir bedankten uns und verließen das gastliche Haus.

Auf dem Heimweg tauschten wir unsere Eindrücke aus und schafften es gerade noch rechtzeitig zum Kaffee mit den Omas. Apropos Heimweg:

Rabbi Wladimir Pikman war 1995 - so wie wir damals - zwecks Gemeindegründung nach Marzahn gekommen. Während wir unseren Fokus auf Einheimische legten, konzentrierten sich Wladimir und Inna Pikman im Ortsteil Ahrensfelde auf Aussiedler mit jüdischen Wurzeln. Durch eine gute Vernetzung innerhalb Berlins, konnten sie für die schnell wachsende messianische Gemeinde Räume der EFG Bethel und der LKG Eben Ezer nutzen. Die Standorte Steglitz und Lichterfelde sind allerdings knapp 30 Kilometer quer durch die Stadt vom ursprünglichen Wirkungsort Ahrensfelde entfernt.

Sonntag, 28. Januar 2018

Alt-Katholiken in Wilmersdorf

Angeregt durch eine Begegnung bei EINS besuchten wir heute den Gottesdienst der Alt-Katholiken in Wilmersdorf. Die katholische Freikirche ist zentral gelegen und hat am Innsbrucker Platz einen eigenen Autobahnanschluss.



Heute fuhren wir zu viert nach Wilmersdorf. 10:30 Uhr war ein guter Kompromiss zwischen Mittagessen und familiärer Morgen-Hektik. Überpünktliches Erscheinen sicherte uns einen guten Parkplatz. Neben dem Matchbox-Laden Cars & Boxes führte eine kleine Treppe in die Räume der Berliner Alt-Katholiken. Die Tür sah verschlossen aus, war sie aber nicht.

Wir betraten eine helle Stube mit Bildern in freundlichen Pastelltönen. An den Wänden klebten goldene Kreuze. Durch einen Vorhang schauten wir in einen weiteren Raum. Dort stand ein Tisch und darüber hing ein Gemälde von Josef-Hubert Reinkens.

Freikirche auf Katholisch

Reinkens wurde 1873 als erster Bischof der Alt-Katholiken geweiht und noch im selben Jahr von der preußischen Regierung als gleichberechtigt zu römisch-katholischen Bischöfen anerkannt. Damit hatte die katholische Kirche wieder eine Trennung erlebt. 1054 hatte sie sich schon von der orthodoxen Ostkirche verabschieden müssen, 1517 von den Protestanten und diesmal von den Alt-Katholiken. Während alt intuitiv mit konservativ gleichgesetzt wird, bedeutet es bei den Alt-Katholiken eher uralt, also Katholizismus aus einer Zeit, als es noch keine Unfehlbarkeit des Papstes und andere nachgelagerte Dogmen gab.

Mit ihren 145 Jahren sind die Alt-Katholiken eine recht junge Freikirche. Fast so jung wie der Mülheimer Verband, nur eben mit dreimal so vielen Mitgliedern. Während evangelische Freikirchen gerne die alten Liturgien über den Jordan werfen, praktizieren die Alt-Katholiken einen moderaten Übergang vom üblichen Stil der Landeskirche zum familiären Stil der Freikirche. So stand im Saal ein modernes Taufbecken, Kerzen, ein Altar, eine Kanzel und zwei Kruzifixe. Es gab Messdiener, Glöckchen, die Eucharistie - Abendmahl - und Gewänder in den Farben des Kirchenjahres.

Abendmahl, Weihnachten und Familien-Gottesdienst

Das Abendmahl durfte von allen genommen werden, die getauft waren und eine irgendwie geartete Kommunion absolviert hatten. So stellten auch wir uns in den Kreis und machten uns mit den Alt-Katholiken EINS.

Die Tatsache, dass hier immer noch Weihnachten zelebriert wurde, erstaunte uns. Der Vikar erklärte, dass die Weihnachtszeit erst am 2. Februar mit Mariä Lichtmess ende. Kein Wunder also, dass wir neben unzähligen weiteren Liedern auch "O, du Fröhliche" sangen und vor dem Altar Stall und Krippe bewundern konnten.

Heute war Familien-Gottesdienst und die Kinder durften den Hauptteil der Predigt übernehmen. Das heißt, sie wurden zum herbeigetragenen Gemälde von Josef-Hubert Reinkens befragt. Dabei lernten wir, dass der Mann auf dem Bild der erste Bischof gewesen sei und Bischöfe immer ein Kreuz auf der Brust tragen. "Außer vielleicht, wenn sie in Jerusalem den Tempelberg besuchen", dachte ich. Ein weiteres Bild zeigte eine Nonne - Computerausdruck. Zusammen mit den Kindern wurde festgestellt, dass Nonnen beten, putzen und kochen. Es wurde Kirchengeschichte vermittelt und die Wichtigkeit von Namen herausgestellt. Die Kinder wurden namentlich aufgerufen und jeweils eine Kerze für sie angezündet.

Eine Gemeinde weit und breit

Insgesamt nahmen etwa 50 Personen am Gottesdienst teil. Davon 20% Kinder. Da es in Berlin nur eine alt-katholische Gemeinde gibt, kamen die Besucher auch aus der weiteren Umgebung. Mit 23 Kilometern Anfahrt bewegten wir uns im Nahbereich. Die Alt-Katholiken in Berlin-Wilmersdorf sind im Radius von 200 Kilometern so ziemlich die einzigen ihrer Denomination. Dennoch haben die Räume ihre Wachstumskapazitäten ausgeschöpft. 20 Personen mehr würden einen Umzug erforderlich machen. Hier übrigens eine interessante Studie zu den Wachstumsschwellen von Gemeinden (bereitgestellt von https://der-leiterblog.de/).

Fast allen Anwesenden konnten wir während eines Friedensgrußes die Hände schütteln. Nach den jüngsten Klinik-Aufenthalten betrachte ich dieses liturgische Element sehr ambivalent. Es wird jedoch in vielen Gemeinden praktiziert. Laut Ansage sollte es heute wieder das traditionelle Familien-Gottesdienst-Mittagessen geben. Den Köchen winkt am Jahresende ein selbst gebasteltes Geschenk.

Da wir außer während des Friedensgrußes in unserer Anonymität belassen wurden, entfernten wir uns relativ zeitnah aus der umgebauten Wohnung im Hochparterre. Auf dem Rückweg entschlossen wir uns zum Test eines Inders am Winterfeldtplatz. Das war eine sehr gute Entscheidung, die zur Nachahmung anregt.

Montag, 1. Januar 2018

Silvester bei der Verklärung des Herrn in Marzahn

Gestern besuchten wir die katholische Kirche "Von der Verklärung des Herrn" in Marzahn. Die Kirche steht an der Landsberger Allee und ist nur wenige Minuten von der evangelischen Dorfkirche Marzahn entfernt.



Gegen halb vier schrillte unsere Klingel. Fragend schaute ich mich um.Alle zuckten mit den Schultern. Durch die Wechselsprechanlage klang die Stimme meiner Schwiegermutter. Un-geplant!

Schwiegermutter und Pfannkuchen

Kurz darauf der nächste Schreck: Die am Vormittag gekauften Pfannkuchen wurden für den sofortigen Verzehr freigegeben. Das war zwar tendenziell gut - aber - nur fünf Stück? Gab es eine zweite Lage? Nein - meine Frau sagte, sie wolle uns "beim Abnehmen helfen" und hatte tatsächlich nur fünf Pfannkuchen bestellt. Pro Person einen Pfannkuchen! Alle hatten die gleiche Marmeladenfüllung und befanden sich in der Metamorphose von luftig zu fest. Von daher hatte der spontane Besuch meiner Schwiegermutter den Alterungsprozess der Pfannkuchen rechtzeitig abgebrochen.

Die Oma hatte uns als Zwischenstation zur katholischen Kirche aufgesucht. Dort sollte um 17:00 Uhr eine ökumenische Andacht stattfinden. Das passte uns gar nicht, da wir am Vormittag bereits beim Gottesdienst waren und jetzt eigentlich unseren Jahresrückblick basteln wollten.

Jahresrückblick und Krippe

Wir änderten den Plan, ließen die Kinder mit dem Jahresrückblick zu Hause und begleiteten die Mutter durch die Nacht. Zumindest sah es aus wie Nacht. Nach Gebet war auch der Weg sicher und die Knaller trafen immer nur die Anderen.

15 Minuten zu früh erreichten wir die Kirche und konnten uns noch Plätze in der dritten Reihe aussuchen. Langsam füllte sich der Saal und alte Bekannte begrüßten uns. Vor dem Altar war eine Weihnachtsszene mit Jesus, Eltern und Hirten aufgebaut. Erwachsene und Tiere fokussierten das Baby in der Mitte. Die Szenerie strahlte einen tiefen Frieden aus.

Der Kantor übte noch schnell ein neues Lied mit den Anwesenden ein. Neu für die Gemeinde, ansonsten schon 80 Jahre alt: Jochen Klepper. Viele der Andachtsbesucher waren etwa 20 Jahre nach dieser Komposition geboren.

Jahreslosung und Jahresrückblick

Pünktlich um fünf klingelte ein Glöckchen und vier Herren schritten durch den Hauptgang nach vorne: Einer in weißem Kleid, zwei in schwarzem Kleid und einer in Jeans und Sakko. Die Herren in Schwarz unterschieden sich durch die Beffchen in reformiert und uniert. Ein Lutherischer mit komplett geteiltem Beffchen war nicht dabei. Dennoch ökumenisch genug für die Altjahresandacht.

Die Elemente des Gottesdienstes rotierten zwischen Weiß, Schwarz und Sakko. Die Predigt hielt der Unierte. Sein Thema war die 2017er Jahreslosung aus Hesekiel 36, 26. Dass jemand von den Anwesend tatsächlich "ein neues Herz" in 2017 bekommen habe, sah er für unwahrscheinlich an. Ich wollte das in dem Moment nicht relativieren, da ihn das wohl aus dem niedergeschriebenen Konzept gebracht hätte. bei der Reha in Teltow hatte ich Menschen mit einem buchstäblich neuen fleischernen Herzen erlebt. Ganz abgesehen von den Themen, die Jesus in mir nachjustiert hatte.

Den monatsweise vorgetragenen Jahresrückblick teilten sich die anderen drei Herren. Es wurde auf politische und gemeindliche Ereignisse eingegangen. So konnten die G20-Kravalle in einem Zuge mit der Seniorenfreizeit aufgezählt werden. Besondere Freude hatte ich bei der Liste des katholischen Paters und beschloss einen Folgebesuch bei einer seiner nächsten Predigten.

Lieder und Kollekte

Zwischendurch sangen wir Lieder aus einem grauen Gesangsbuch. Der Kantor trat dabei mehrfach mit Solo-Einlagen in Erscheinung. Die ökumenische Altjahresandacht endete mit einem Lied aus 1944: Bonhoeffer - Von guten Mächten. Es folgten der Segen von Pater Josef Kahmann und das Postludium.

Danach waren die vier Protagonisten verschwunden. Auch die avisierte Kollekte war nicht gesammelt worden. Ohne pyrotechnische Zwischenfälle gelangten wir nach Hause. Im Fahrstuhl packte meine Schwiegermutter ihre Kollekte ins Portemonnaie zurück. Der familiäre Teil des Abends konnte beginnen.

Sonntag, 17. Dezember 2017

Life Berlin in Moabit

Life Berlin versteht sich als Gemeinde für den Kiez: Berlin-Moabit. Life Berlin ist noch ganz frisch im Bezirk. Heute besuchten wir den "Pop Up Weihnachtsgottesdienst" in der Zunftwirtschaft.



Die Kekse hatten eine stilechte Prägung: Life Berlin. Ergänzend dazu trugen die etwa 12 Mitglieder des Kern-Teams gelbe Buttons mit ihren Namen. Alle hießen "Hello" oder so. Kaum hatten wir die Außentür der Zunftwirtschaft in der Markthalle Moabit passiert, waren wir von freundlichen Hellos umringt. Wir stellten uns kurz vor, hängten unsere Jacken weg und wurden dann zu den einprägsamen Keksen geleitet.

Kekse, Mittdreißiger und Kleinkinder

In der Tat mussten wir uns den Schriftzug Life Berlin einprägen, da die Kekse sehr schnell ihrem eigentlichen Zweck zugeführt wurden und dann eben nicht mehr sichtbar waren. Meine Frau kostete einen anderen Keks, der wie Brownie schmeckte. Sehr lecker.

An den Tischen tummelten sich jede Menge Moabiter, also die aus Berlin, nicht die Erben von Lot aus der Bibel. Es war die übliche Altersstruktur, die in Berlin wohl zum Standard gehört: Erwachsene um die dreißig und Kleinkinder. Kaum Jugendliche oder Senioren. Aber das kann wachsen. Immerhin feierte die Gemeinde heute erst ihr zweites Pop-Up-Treffen.

Leiterschulung und Team-Aufbau

Lotte Telzer und ihr Team gehen die Sache professionell und ohne Hektik an. Zwei Pop Ups, dann eine intensive Leiterschulung, Team-Aufbau und dann immer kürzere Intervalle der Meetings. Für das zweite Mal war der Gottesdienst schon sehr gut besucht. Etwa die Hälfte der Gäste kannte Lotte noch nicht. Der Kiez hat wohl das neue Angebot wahrgenommen.

Nach einer halben Stunde mit Smalltalk, Keksen und Kaffee ging der offizielle Teil los. Dazu verlegten wir unseren Standort in einen anderen Raum, der bereits für die übliche Frontal-Unterhaltung vorbereitet war. Es müssen um die 50 Personen Platz genommen haben. Wir setzten uns ans Fenster. Gegenüber leuchtete ein Gründerzeithaus - helles Pink. Sehr mutig, aber Geschmacksache.

Predigt aus dem Publikum

Der Gottesdienst selbst war alles andere als frontal. Lotte stand mitten aus dem Publikum auf und begann ihr Thema. Unterstützt wurde sie von ihrem Mann und einer größeren Gruppe von Sängern und Musikern. Im Verlauf des Nachmittags sangen wir viele Weihnachtslieder. Geschenke wurden verteilt und die Kinder durften in ihr eigenes Programm gehen.

Der Input rankte sich um den Namen Immanuel - Gott mit uns - und zielte auf die Pointe, dass Jesus auch in Moabit präsent ist. Neben Jesus rückte auch der Kiez immer wieder in den Fokus. Das Gründungsprojekt Life Berlin wurde vor 14 Monaten gestartet und richtet sich an Moabiter, die wohl keine Schwelle einer etablierten Kirche überschreiten würden. Bei der Zunftwirtschaft in der Markthalle gibt es gar keine Schwelle.

Social Network

Die Kommunikation von Life Berlin erfolgt über Facebook. Facebook weiß auch zu berichten, dass drei bekannte Pastoren der Stadt zur Gründungsmannschaft gehören. Das erscheint mir sehr clever, da sich die Moabiter damit Know-how und weitreichende Vernetzung in die Szene hinein sichern.

Wir können gespannt sein, wie sich dieses ambitionierte Projekt weiter entwickelt und wünschen Gottes Segen für die nächsten Schritte!

Sonntag, 3. Dezember 2017

Gemeinde Berlin in Moabit

Wer bei Google die Suchbegriffe "gemeinde" und "berlin" eingibt, bekommt als erstes Ergebnis Gemeinde-Berlin.de präsentiert. Nachhaltig setzt sich diese Domain gegen Webseiten des Mülheimer Verbandes und anderer Gemeinden in Berlin durch. Heute besuchten wir diese gut positionierte Gemeinde in Moabit.



Der Weg nach Moabit war gut bekannt. Vorbei an der Bundespressekonferenz, vorbei am Kanzleramt, vorbei am Innenministerium, vorbei am Hauptbahnhof, vorbei am Büro der Internetmission Berlin und dann noch zweimal rechts: Zwinglistraße.

"Katholisch können sie nicht sein", bemerkte mein Sohn mit Hinweis auf den Straßennamen. Das Häuser-Karree war dicht bebaut und präsentierte sich mit einer interessanten Innenhof-Landschaft, zu der auch das zweistöckige Haus der Gemeinde in Berlin gehörte. Nummer 32a machten wir anhand eines kleinen Schaukastens aus. Daneben eine breite Gitterpforte - verschlossen. Eine Viertelstunde vor Gottesdienstbeginn war eventuell zu früh. Wir begaben uns auf den Nachbarhof und suchten nach einem alternativen Zugang. Nichts!

Versammlung um den Tisch des Herrn

Wer bei eisiger Kälte nach Moabit fährt, gibt nicht so schnell auf. So gingen wir wieder zum Gittertor. Im gelben Gemeindehaus regte sich etwas. Ein junger Mann hatte uns erspäht und gewährte uns den Einlass auf den Hof und ins Haus. Helle schlichte Räume, sehr funktional eingerichtet. Im Hauptsaal waren jeweils zwei Stuhlreihen um einen Tisch gruppiert, den "Tisch des Herrn".

Wenig später trafen weitere Besucher ein und begrüßten uns freundlich. Überhaupt eine sehr integrative Atmosphäre bei der "Gemeinde in Berlin". Fast alle strahlten einen tiefen inneren Frieden aus. Das ist selten in dieser geballten Form anzutreffen.

Bibel dabei und wiedergeboren

"Hier hätten wir wohl unsere Bibeln mitbringen sollen", flüsterte mein Sohn herüber. Wegen des späteren Abendmahls wurden wir gefragt, ob wir wiedergeborene Christen seien. Das konnten wir positiv beantworten.

Die Versammlung begann mit einer spontanen Lesung aus Psalm 122. Die versammelten 20 Personen stimmten in den Text ein und bestätigten einzelne Passagen durch betonte Wiederholungen und mehrfaches Amen. Wenn Worte hängen blieben, wurden diese noch einmal ausgesprochen. Die Augen glänzten und es war zu merken, dass die Bibelverse regelrecht in den Menschen lebten. Sie inhalierten den Text und atmeten diesen mit Leidenschaft aus.

Zwei Frauen hatten uns Bibeln gereicht, so dass wir uns aktiv beteiligen konnten. Meine Bibel-App war nicht mehr nutzbar, da sich der Akku verabschiedet hatte.

Wenn ihr zusammenkommt, trägt jeder etwas bei.

Das Bibel-Wissen war faszinierend. Wir fühlten uns wie in 1. Korinther 14 Vers 26: "Wenn ihr zusammenkommt, trägt jeder etwas bei: einer einen Psalm, ein anderer eine Lehre, der dritte eine Offenbarung; einer redet in Zungen und ein anderer übersetzt es. Alles geschehe so, dass es aufbaut."

Psalmen, Lieder, Psalmen, Jeremia, Hebräerbrief, Epheser - je nach Assoziation von Kontext oder einzelnen Worten wurde quer durch die Bibel gesprungen. Dennoch ergab sich ein sinnvoller Faden. Ich war erstaunt, wie gut und harmonisch das funktionierte. So völlig ohne Alleinunterhalter auf der Kanzel. Zwei Stunden lang.

Abendmahl

Zur Halbzeit wurde das Abendmahl gereicht. Alle zitierten die entsprechenden Bibelstellen. Knack - brach das Brot auf dem Teller. Es gab Wein und Traubensaft. Dazu Lieder und Psalmen. Danach ging das Bibelgespräch weiter.

Am Ende gab es Ansagen und Segnungen. Anschließend wurden wir persönlich nach Karlsruhe eingeladen und verließen nach einem kurzen Smalltalk die Gemeinde. Schließlich hatten wir uns um 12 mit dem Rest der Familie verabredet.

Schublade

Auf der Fahrt zur Kalkscheune unterhielten wir uns über das Erlebte. Im Liederbuch hatten wir keine Namen von Autoren oder Komponisten gesehen. Es waren nur Noten, Texte und Bibelstellen abgedruckt. Als Bibelübersetzungen waren Luther und eine andere Version verwendet worden. Es klang nach Elberfelder, wohl weil die Urtexte von Nestle-Aland ins Deutsche übertragen worden waren. Ganze Passagen konnte die Gemeinde gemeinsam aus dem Gedächtnis rezitieren. So etwas hatte ich bisher nur in Brüdergemeinden erlebt. So richtig passte die Brüder-Schublade aber nicht, weil die Gemeinde zu charismatisch war.

Die bemerkenswerte Indizierung von gemeinde-berlin.de bei Google schien in Moabit niemanden zu interessieren. Die Webseite hat den optischen Stand von 2007. Die Informationen sind spärlich und die Wortwahl für langjährige Christen verständlich. Ein erklärtes Alleinstellungsmerkmal der Gemeinde in Berlin ist folgendes: Nur eine Gemeinde pro Ort. Deshalb auch keine Vernetzung innerhalb der durchaus lebendigen christlichen Szene der Stadt.

Vernetzung charismatischer Brüder

Vernetzung gibt es dennoch: bundesweit und weltweit, wie uns die Link-Seite der Gemeinde in Karlsruhe verriet. Dort wurde dann auch eine Brücke geschlagen zu den Prinzipien von Watchman Nee. Watchman Nee lebte von 1903 bis 1972 in China. Geprägt wurde er durch die Plymouth Brethren - also tatsächlich eine Brüdergemeinde.

Während sich die Brüderbewegung in Deutschland mit der Ausübung der im ersten Korintherbrief beschriebenen Geistesgaben schwer tut, wurden diese in China offensichtlich gerne angenommen und schwappten dann sehr zaghaft nach Europa zurück. Eine interessante Kombination, der man hier normalerweise nur als Entweder/Oder von evangelikal versus charismatisch, gesetzlich versus liberal oder bibelwissend versus erlebnisorientiert begegnet.

Mittwoch, 1. November 2017

Church Checker sagt Danke: 100.000 Leser

Vor 500 Jahren und einem Tag hatte Martin Luther seine 95 Thesen veröffentlicht. Passend dazu hat Church-Checker.de heute die Leserzahl von 100.000 überschritten. Ein Grund, allen Ideengebern, Darstellern, Co-Autoren und Lesern Danke zu sagen.



Der Blog war 2010 ins Leben gerufen worden. Damals hatte ich eine Mitarbeiterin gebeten, den Bezirk Marzahn multimedial mit christlichen Inhalten zu bearbeiten. Es war schon lange mein Hobby, Gemeinden und Werken bei Google eine bessere Position zu verschaffen. Diesmal ging es um die Suchergebnisse für das Keyword: marzahn. Dabei entstanden Beiträge mit einer Gesamt-Performance von etwa 1.000 Lesern. Es folgte eine längere Pause.

2015

Vor etwa zwei Jahren hatte ich den Blog reanimiert und mit Berichten über unsere diversen Gottesdienstbesuche in Berlin und Umgebung befüllt. Schon die ersten Texte erfreuten sich einer guten Resonanz, so dass ich fortan fast jede unserer Bewegungen in der Szene mit einem Blog-Beitrag kommentierte.

4.000 Leser

Um ein möglichst realistisches Bild zu bekommen, hatte ich den Statistik-Filter ist so eingestellt, dass Eigenaufrufe und Suchmaschinen nicht mitgezählt werden. Im aktuellen Durchschnitt hat sich die monatliche Leserzahl auf 4.000 eingepegelt.

Transparenz und Feedback

Die Artikel sende ich zeitnah an die Leiter der Gemeinden oder die Event-Verantwortlichen. In der Regel wird es als hilfreiches Feedback aufgenommen und gerne für eigene Publikationen genutzt.

Wichtig ist mir auch der Austausch mit Kennern der Szene und anderen Personen, die die besuchten Gemeinden oder Formate ebenfalls erlebt hatten. So kann es durchaus zu Evaluations-Besuchen kommen. Im Allgemeinen werden die Schilderungen jedoch als plausibel und zutreffend bestätigt.

Nun aber zum Dank!

Der erste und größte Dank gilt Jesus, der mir gezeigt hat, dass die Nutzung der Infrastruktur des Internets durchaus Teil einer Berufung sein kann. Das Internet ist längst als Werkzeug zum Bau des Reiches Gottes etabliert und ich darf damit arbeiten.

Der nächste Dank gilt meiner Familie, die mich zu fast allen hier beschriebenen Gottesdiensten und Veranstaltungen begleitet hatte. Manchmal kam nur meine Frau, mein Sohn oder meine Tochter mit, aber immer diskutierten wir über das Erlebte, so dass ein guter Mix an Eindrücken in die Artikel einfließen konnte. In unserer Familie herrscht Meinungs-Pluralität, so dass die eigene Meinung immer auf dem Prüfstand steht.

Ein genereller Dank gilt all den besuchten Gemeinden und Veranstaltern für die Gastfreundschaft, gute geistliche Impulse, Gespräche, neue Kontakte und gewachsene Freundschaften.

Einige Namen

Namentlich möchte ich hier den CVJM-Kaulsdorf herausstellen, der uns Ende 2015 sehr herzlich aufgenommen hatte, so dass wir dort bis heute am wöchentlichen Gebetsabend teilnehmen. Ich danke ferner der FBG, der Internetmission Berlin, Gemeinsam für Berlin, dem Gesprächsforum Leben + Glauben, der Evangelische Allianz und Saddleback, die mich in der Berufung bestärkt und die Luft zum Durchatmen in der Szene gegeben hatten. Ein herzliches Dankeschön auch an die Baptisten-Gemeinden der Stadt für ihre bemerkenswert gute Willkommenskultur.

Dank gilt auch unseren Freunden aus Marzahn, die leider nicht namentlich erwähnt werden möchten. Sie begleiten uns gerne und geben ihren kritischen Input zu den Artikeln. Befruchtend sind auch ihre Checklisten mit den bisher nicht besuchten Gemeinden. Wenn wir mit ihnen unterwegs sind, staunen wir immer über ihre gute Vernetzung quer durch die Denominationen Berlins.

Ich danke Saddleback-Pastor Dave Schnitter für sein weites Herz bei der Förderung des Reiches Gottes auch über den Tellerrand der eigenen Gemeinde hinaus.

Herzlichen Dank auch an Pfarrer Axel Nehlsen, der mir bei theologischen Fragen zur Seite steht und gerne ein prüfendes Auge auf Artikel über Bibel, Kirchengeschichte und globale Zusammenhänge wirft.

Einige Berichte wurden nur durch Pressestatus und die Akkreditierung bei der Bundesregierung möglich. Deshalb an dieser Stelle ein besonderer Dank an die Mitarbeiter des Presse- und Informationsamtes und die Kollegen in den Presseabteilungen des Präsidialamtes, des Kanzleramtes und weiterer Behörden.

Ferner danke ich dem Mülheimer Verband mit seinen Pastoren Torsten Klotzsche und Hans-Peter Pache. Beide hatten uns zum Betreten des weiten Landes (Psalm 31, 9) motiviert und einen großen Vorrat an Praxis-Beispielen geliefert.

Auch der Dank an Pfarrer Swen Schönheit darf nicht fehlen. Ohne sein Buch "Menschen mit Format" hätte ich wohl nie so intensiv zu geistlichem Missbrauch und Leitungsprinzipien recherchiert.

Leser

Der Blog lebt von den Lesern. Deshalb an dieser Stelle ein herzliches Dankschön an die Leser.

Es ist immer wieder eine Freude, Leute zu treffen, die ich bisher nicht kannte, die aber ganze Passagen aus dem Church Checker zitieren können und mir dann von ihren eigenen Erfahrungen berichten. Darüber haben sich schon interessante Querverbindungen ergeben, die die Grenzen der Parallelwelten im christlichen Berlin abbauen.

Sinn und Zweck und Frucht

Der Church Checker erfüllt damit nicht nur einen Informationszweck für Menschen, die auf der Suche nach der zu ihnen passenden Gemeinschaft sind. Er fördert auch die Offline-Vernetzung der Christen in der Stadt. Zudem setzt er Optimierungspotenzial in Gemeinden frei, wie gerade bei ICF Tempelhof erlebt.

Schön, dass das Reich Gottes mithilfe des Internets so gut gebaut und gefördert werden kann.

Sonntag, 29. Oktober 2017

ICF Tempelhof und die konstante Selbstoptimierung

Vor einem halben Jahr hatten wir ICF Berlin in der aktuellen Location in Tempelhof besucht. Seitdem hat sich einiges getan. Damals glänzten die Räume noch im Beton-Charme. In gleicher Weise die Willkommenskultur. Deshalb war mir ein erneuter Besuch wichtig.



Die Umstellung auf Winterzeit schenkte uns heute Morgen eine Stunde. So konnte ich mir in aller Ruhe noch das Galileo-Video zum Besuch bei einer Freichristlichen Gemeinde anschauen. ICF spielt darin eine zentrale Rolle. Gutes journalistisches Handwerk schließt eine Recherche zur Bestätigung einer Meinung aus. So war auch der Film eher neutral und informativ gehalten. Der Zuschauer konnte seine eigene Meinung bilden. Ebenso nüchtern wollte auch ich diesen zweiten Besuch in der Ringbahnstraße angehen.

Schön, dass Du da bist!

Kurz vor elf traf ich ein. Die ganze Straße war zugeparkt. Große Bäume am Straßenrand bewegten sich im Wind und avisierten einen Versicherungsfall. Deshalb fuhr ich auf den Hof und stellte das Auto etwas unkonventionell auf die letzte mögliche Freifläche. Den Weg zum Treppenhaus kannte ich noch. Stimmen und Lachen hallten mir entgegen. Mit einem großen Schild freute sich ICF darüber, "dass Du da bist". Eine Frau mit ICF-Badge trat durch die Tür und begrüßte mich sehr freundlich.

Im Vorraum, der nun weiß gestrichen ist, standen jede Menge Leute und tauschten sich angeregt aus. Ich kaufte einen Kaffee. Dieser wird neuerdings in echten Tassen gereicht. Sehr freundliche und schnelle Bedienung. Da die Zeit etwas knapp war - wie ich dachte - betrat ich den abgedunkelten Saal. Der ICF-Mitarbeiter an der Tür lächelte und grüßte.

Damit hatte sich der lange geplante Evaluationsbesuch gelohnt! Alle Punkte, die uns im April so massiv gestört hatten, waren bemerkenswert gut nachjustiert worden.

Rechts, links und Nebel

Das Mittelfeld vor der Bühne war schon voll besetzt. So steuerte ich den rechten Block an. Wobei ich mich seit dem letzten Gottesdienst mit dem Bundestag frage, wo in einer Kirche rechts und links ist. Beim Auto und in der S-Bahn ist das einfach. Rechts und links wird nach der Fahrtrichtung bestimmt. In einer kontemporären Gemeinde ist das wahrscheinlich auch so.

Von der Bühne her dampfte der Party-Nebel und sorgte für eine abwechslungsreiche Lichtwirkung. Über die drei Leinwände flimmerten kurze Videos und ein Countdown. Bei ICF geht es fünf nach elf los. Medial alles sehr professionell und ansprechend. Interessant wäre, in welchem Turnus die coolen Videos wiederholt und neu erstellt werden. Der Nebel machte meinen Hals trocken. Ich leerte die Kaffeetasse.

Lobpreis auf Englisch

Die große Handtasche auf dem Nachbarstuhl hatte ich gar nicht bewusst wahrgenommen. Plötzlich setze sich eine Frau zu mir und stellte sich kurz vor. "Dann lass uns einen schönen Gottesdienst haben", sagte sie nach dem Smalltalk und das Lobpreisteam startete mit dem ersten Lied. Fast Alles wurde auf englisch gesungen. Eine Übersetzung gab es unter den Texten an der Leinwand. Ich kannte nicht eines der Lieder, konnte aber relativ schnell mitsingen.

Predigtreihe über Johannes 15

Neben mir setzte sich ein Matthias - Sammelbegriff in meinem Alterssegment - und stieß meine Kaffeetasse um. Egal, die war ja schon leer. ICF-Pastor Stefan Hänsch schloss heute eine Predigtreihe ab: "Die Kraft des Gleichen". Heute sollte es um nachhaltigen Erfolg gehen. Dass ICF keine Trendwende zum Wohlstands- und Wohlfühl-Evangelium macht, war eine der ersten Aussagen der Predigt.

Durch das Referat zog sich die mathematische Formel 5x+1. In dieser Formel ist die Eins konstant. Und jeder Christ dürfte wissen, dass diese konstante Eins gleichbedeutend mit Jesus ist. Der nachhaltige Erfolg stelle sich also ein, wenn man sich auf die einzige Konstante, nämlich Jesus, konzentriert und ihn als Basis und Quelle sieht.

Gestützt war die Predigtreihe auf Johannes 15. Dort geht es um den wahren Weinstock, die Reben, die Frucht und den Weingärtner. Die Gemeinde war herausgefordert, mehrere Wochen lang, genau diesen Text täglich zu lesen und darüber nachzudenken.

Stefan Hänsch sprach aber nicht von der Herausforderung, sondern von der Challenge. Die Bedeutung dieses Wortes kannte wohl jeder im Saal. Überhaupt verwendete er viele Anglizismen und war dialektisch nicht ein einziges Mal als gebürtiger Sachse zu erkennen. Deshalb war ich beeindruckt, als er diese Herkunft in die Predigt einfließen ließ.

Postludium

Nach der Predigt gab es eine weitere bewegende Zeit mit Sologesängen unter anderem von Thirzah. Ich überlegte, welcher Bibelstelle dieser Name zuzuordnen sei und verortete sie zunächst bei Mose. Das war fast richtig. 4. Mose 27, 1 berichtet uns, dass Thirzah eine der fünf Töchter Zelophehads war, ihre Schwester Milka hieß und es keine männlichen Erben in dieser Familie gab. Das löste damals einen rechtlichen Sonderfall aus.

Von der Bühne aus wurde noch einmal kurz die Bedeutung der Beziehung zu Jesus erklärt und ein gemeinsames Gebet zur Auffrischung dieser Beziehung gesprochen. Dann folgte eine Art Segen und die offizielle Verabschiedung. Das war für fast alle ICF-Besucher ein Signal zum schnellen Verlassen des Saales.

Namensvetter und andere Bekannte

Mein Nachbar und Namensvetter fragte mich, wie lange ich schon bei ICF sei. Ich sagte ihm, dass ich nur Gast sei und gleich zu Saddleback fahre, um dort meine Familie abzuholen. Der unaufhörlich in den Saal strömende Party-Qualm ließ meine Stimme versagen. Matthias schien bereits daran gewöhnt zu sein. Jedenfalls stellten wir fest, dass wir so einige gemeinsame Bekannte hatten und dass auch ein Ex-Mitglied meiner Ex-Gemeinde aktiv bei ICF eingestiegen sei. Das freute mich.

Wir unterhielten uns eine ganze Weile. Anschließend grabbelte ich die Tasse unter dem Stuhl hervor und ging in den lichten Vorraum. Dort tobte das Leben. Der Pastor diskutierte an einem Stehtisch. Ich drängte mich durch die Besucher. Mitglieder gibt es bei ICF übrigens nicht. Wer kommt, ist da und wer nicht mehr kommt, muss nicht extra austreten.

Am Tresen stellte ich die Tasse in eine Geschirr-Kiste und verließ den Ort des Geschehens. Mit einer Zwei-Punkt-Wendung setzte ich den Wagen frei und rollte über die nassen Straßen in Richtung City.

Dienstag, 24. Oktober 2017

19. Bundestag startet mit Gottesdienst in die Arbeit

Der erste Arbeitstag des 19. Bundestages begann heute mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Französischen Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt. Spitzenpolitiker, Abgeordnete und ich waren dabei.



Die Rush Hour hatte ich bei der Zeit-Planung unterbewertet. So stand ich nun im Stau und fragte mich, ob die Frau im Nachbarauto nicht besser mit der Bahn gefahren wäre. Und überhaupt - wo sollten all diese Autos in der City parken? Die Zeit verstrich. Ich hatte einen wichtigen Termin: Gottesdienst am Dienstagmorgen. Beginn 8:30 Uhr am Gendarmenmarkt.

Gottesdienst - Dienstag 8:30 Uhr

Das war wohl einer der frühesten Gottesdienste, den ich seit Jahren besucht hatte. Am Gendarmenmarkt waren mehrere Bereiche gesperrt, so dass genügend Parkplätze für die Gottesdienstbesucher zur Verfügung standen. Zumindest interpretierte ich das so und stellte den Wagen ab. Am Eingang zur Kirche traf ich den neuen Bundestags-Präsidenten, den ich zuvor mehrfach als Finanzminister erlebt hatte. Er nutzte den Fahrstuhl und ich die Treppe.

Auf der rechten Seite hinter der Linken-Politikerin Petra Pau waren noch jede Menge Sitzplätze frei. Zwischen ihr und Kerstin Griese (SPD) konnte ich gut hindurchschauen auf die Sitzreihe der Kanzlerin. Neben Frau Merkel saßen Frank-Walter Steinmeier, Norbert Lammert, Wolfgang Schäuble, Landwirtschaftsminister Schmidt, Thomas de Maizière und zwei Kirchenvertreter. Dahinter verfolgten unter anderem Hermann Gröhe und Ursula von der Leyen den Gottesdienst.

Volle Kirche

Als Eingangslied besangen über 300 Anwesende "die güldne Sonne" von Paul Gerhardt. Eine gewisse Ambivalenz zur tatsächlichen Wetterlage. Es folgte die liturgische Einleitung und ein Wechselgebet aus Psalm 27. Interessant fand ich die musikalische Gestaltung unter der Leitung von Kilian Nauhaus. In Personalunion bediente er die Orgel und dirigierte den kleinen Chor auf der Empore. Das Ensemble nutzte die sagenhafte Akustik im Kuppelsaal.


Gottesdienst zur konstituierenden Sitzung des 19. Bundestages
Ökumenischer Gottesdienst anlässlich der konstituierenden Sitzung des 19. Bundestages
Der Sämann und der Abgeordnete nach Markus 4, 1-9

Der Predigttext stand in Markus 4, 1-9. Es geht darin um den Sämann, der das Saatgut verstreut und damit vier verschiedene Böden trifft. War die Liturgie bisher von evangelischen Akteuren gestaltet worden, trat nun der katholische Karl Jüsten auf und hielt die Predigt. Zuerst holte er die neuen, bleibenden und gehenden Abgeordneten in ihrer Situation ab. Dann ging er auf den Text ein und schlug immer wieder eine Brücke zum Arbeitsalltag des Politikers. Ein spannender Spagat, der ihm sehr gut gelang.

Man könne es einfach nicht allen Recht machen. Die Botschaft treffe, wie auch bei Predigern, auf unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Ansichten. Bei manchen fruchte es und bei anderen eben nicht. Das sei ein ganz normales Prinzip. So wertete er den Bibeltext als einen besonderen Trost für Politiker in ihren täglichen Auseinandersetzungen mit den Wählern und Abgeordneten der anderen Fraktionen.

Vereint in Jesus

Dass Gottesdienste partei-politische Grenzen überwinden können, zeigte die anschließende Fürbitte. Petra Pau von den Linken, Volker Beck von den Grünen, Kerstin Griese von der SPD und Christian Hirte von der CDU traten nacheinander ans Mikrofon und lasen ihre Gebetsanliegen vor. Besonders gut waren die Worte von Petra Pau haften geblieben. Sie betete für einen respektvollen Umgang und eine konstruktive Streitkultur innerhalb des Bundestages. Die Gemeinde quittierte die Fürbitten jeweils mit einem "Erbarme Dich".

Beim Vaterunser hatte ich die Augen geschlossen und genoss den vollen Klang im Kuppelsaal. Die Akustik verriet, dass wohl mehr Männer als Frauen anwesend waren. Nach "Komm Herr, segne uns" folgte der Friedensgruß mit Händeschütteln, der Segen vom Altar aus und "Verleih uns Frieden gnädiglich" von Felix Mendelssohn Bartholdy.

Abgang in ökumenischer Eintracht

Untermalt von Orgelmusik verließen die Gottesdienstbesucher die Französische Friedrichstadtkirche. Auch wenn keine Hektik zu spüren war, so doch eine gewisse Enge. Vor mir schob sich der Heilige Stuhl zum Ausgang. Das heißt, dessen Apostolischer Nuntius, der Doyen des Diplomatischen Korps. Neben ihm war die griechische Orthodoxie in die Menge integriert. Beide verstanden sich gut und unterhielten sich in gebrochenem Deutsch.

Draußen reichten uns der evangelische Theologe Martin Dutzmann und sein katholischer Kollege Karl Jüsten die Hand. Es nieselte. Während sich die Vertreter des Vatikans und der Orthodoxie zu einer Anschlussveranstaltung verabredeten, lief ich über den Gendarmenmarkt zu meinem Parkplatz. Der Arbeitstag konnte beginnen.

Sonntag, 22. Oktober 2017

Marienkirche am Alexanderplatz

Wenn Fotos der Kreuz-Reflexion auf dem Fernsehturm aufgenommen werden, dient die Marienkirche oft als willkommener Vordergrund - wegen der Bildtiefe. Heute besuchten wir einen Gottesdienst in der Marienkirche.



Der erste Todestag meines Schwiegervaters veranlasste uns heute zum Besuch der Marienkirche am Alexanderplatz. Anonymes Kirchenflair und Gottesdienste am heimischen Fernseher waren für ihn das gewünschte Maß christlicher Gemeinschaft gewesen. Seine Frau schaffte es heute jedenfalls, dass wir zu sechst vor Ort erschienen.

Ein großes Plus der Marienkirche ist es, dass sonntags um den Alex herum kostenlos geparkt werden kann. Die Sonne schien und ich bemerkte, dass ich mir die Kirche bisher noch nie so genau angeschaut hatte. Die Architektur ist schon etwas seltsam und wirkt - wie Berlin - heterogen.

Willkommen und Begleitheft

Wir passierten die Enge Pforte an der Westseite, vorbei an einem Bettler und einem Schild, auf dem vor betrügerischen Bettlern gewarnt wurde. Dann drückte uns ein freundlicher Herr ein Heftchen in die Hand.

Die Begleitung meiner Schwiegermutter hat den Vorteil, dass wir endlich mal wieder ganz vorne sitzen dürfen. Die Familie fühlt sich normalerweise unsicher wegen des Aufstehens und Hinsetzens. Das kann man aus den hinteren Reihen besser nachahmen. Vorne wird man selbst zum Trendsetter.

Hier war das aber kein Problem. Im 20-seitigen Begleitheft aus Ökopapier stand alles sehr genau beschrieben. Jeden liturgische Gesang mit Noten und Text, Aufstehen, Hinsetzen, jedes Mitmach-Gebet, das Glaubensbekenntnis und den Predigttext konnten wir chronologisch verfolgen. Ich war beeindruckt.

Evangelische Kirchengemeinde St. Petri - St. Marien

Anhand der Kerzen vor dem Altarbereich, der Marienstatuen, der weißen Kleider der Akteure und des mehrfach erwähnten "St. Petri - St. Marien" war ich mir wegen der konfessionellen Einordnung der Kirche unsicher. Auf Seite 20 fand ich dann endlich den auflösenden Hinweis: "Evangelische Kirchengemeinde St. Petri - St. Marien".

Die Marienkirche hatte ich als dunkles Gemäuer in Erinnerung. Das lag wohl daran, dass ich sie bisher immer nur abends besucht hatte. Heute Morgen wurde das helle Innere von Licht durchflutet. Das betraf insbesondere den Altarbereich auf der Ostseite. Ich bewunderte die bis ins Detail modellierten Skulpturen und fragte mich, wie die Künstler damals nur so gut die Bewegung von Kleidung und Haaren ohne Windkanal nachbauen konnten.

Markus, Lukas und die Engel

Im Saal saßen wohl etwas über 80 Personen. Die Aktionen fanden zunächst vor dem Altar statt. Dort war auch ein grünes Rednerpult aufgestellt. Von diesem aus wurde der Predigttext rezitiert: Markus 1, 32-39. Das ist eine Passage, die mit Lukas 4 und 5 harmoniert und einen interessanten Umdenkungsprozess bei Petrus ausgelöst hatte.

Als wir im Begleitheft die Heftklammern erblickten, also Seite 10, begann die Predigt. Leider nicht vom grünen Pult aus. Die Vikarin stieg eine schmale Treppe empor, verschwand kurz und dann erblickten wir sie wieder - umrahmt von einer unzählbaren Schar kleiner Engel, die über und unter ihr in und um ein Wolkengebilde herum schwebten. Es waren so viele, dass ihre Bewegungsfreiheit teilweise etwas eingeschränkt erschien. Einer der Engel hangelte sich an der Öffnung mit der Vikarin herab.

Exemplarischer Tagesablauf von Jesus

Plötzlich bemerkte ich, dass die erste Reihe doch keine so gute Idee war. Wir mussten jetzt etwa 45° schräg nach oben in die Engelswolke schauen. Es war ein Gebot der Höflichkeit, die Rednerin anzusehen. Sie schilderte einen Tagesablauf, wie ich ihn kenne: Kaffee, Ruhe, Kaffee, Frühstück, Kaffee, Lesen - dann begann auch bei ihr der Alltag und endete mit Erschöpfung am Abend. Das war die passende Brücke für den Arbeitstag von Jesus, der sich dann alleine auf einen Berg zurückgezogen und gebetet hatte.

Die Predigt war recht kurz. Um der ungesunden Körperhaltung keinen Dauerzustand zu verleihen, widmete ich mich wieder der Inneneinrichtung und der immer intensiver werdenden Licht-Durchflutung. Bei den folgenden Ansagen erfuhren wir, dass die Vikarin heute geübt habe. Am nächsten Sonntag solle ihre Predigt bewertet werden.

Knack!

Der Gottesdienst ging noch über weitere sechs Seiten des Heftchens und enthielt auch das Abendmahl: Oblaten und Weißwein. Bei den Einsetzungsworten brach Pfarrer Gregor Hohberg eine große Oblate. Der Bruch schallte durch das Schiff - immer wieder ein besonderer Moment. Es folgten Abschlusslieder und der Segen. Dann wurde die Gemeinde bei Orgelmusik in den Sonntag entlassen.

Kaffee, Kekse und Thailänder

Meine Frau traf beim Rausgehen noch ihre Religionslehrerin aus Steglitz. Die christliche Welt kann ab und zu recht klein sein. Mehrere Besucher gingen auf die Vikarin zu und bedankten sich für die Predigt. Sie freute sich. Ein Mitarbeiter trug große Teller mit Keksen in den Eingangsbereich. Dort waren Tische mit Kaffee aufgebaut. Das Angebot wurde rege genutzt. Allerdings nicht von uns.

Wir wollten anlässlich des Todestages meines Schwiegervaters zu einem Thailänder in Prenzlberg fahren. Bei Ingwer-Tee mit Zitronengras unterhielten wir uns über den Gottesdienst. Fast alle konnten Passagen der Predigt wiedergeben. Allein die Akustik sei in der ersten Reihe nicht so optimal gewesen.

Sonntag, 15. Oktober 2017

20 Jahre CVJM Kaulsdorf

Der CVJM in Kaulsdorf ist eine feste Größe im Bezirk. Auch wir pflegen seit zwei Jahren einen regen Kontakt zu den wertvollen Mitarbeitern. Heute feierte der CVJM Kaulsdorf seinen 20. Geburtstag.



Exakt 49 Jahre nach der Gründung des heutigen Staates Israel wurde am 14. Mai 1997 der CVJM Kaulsdorf gegründet.

Die Geschichte des CVJM ist eine Geschichte der Wunder. Der Kaufpreis des Gästehauses, die Finanzierung der Projekte, die Harmonie der Leitung und die positive Wirkung auf das Umfeld des Großbezirkes Marzahn-Hellersdorf sind mit wissenschaftlichen Argumenten nicht zu erklären.

Trotz der aktuellen Umbaumaßnahmen ist das Übernachtungspotenzial ausgelastet und die Gäste kommen gerne wieder. Die Wandelbar mit ihren Kinder- und Jugendaktivitäten platzt aus allen Nähten. Die Mitarbeiter sind jedoch hoch motiviert. Die richtigen Leute am richtigen Platz.

Flankiert wird die praktische Arbeit des CVJM Kaulsdorf durch eine wöchentliche Gebetsgruppe. Neben Wundern im privaten und beruflichen Umfeld konnten hier auch Wunder bezüglich des CVJM erbeten und erlebt werden.

Am heutigen 20. Geburtstag waren so viele Freunde und Mitglieder des CVJM Kaulsdorf gekommen, dass sogar noch Stehplätze genutzt werden mussten. Es gab Berichte aus der Historie, musikalische Untermalung, einen Gottesdienst, Grußworte und eine Hausbegehung inklusive der neuen Räume im Dachgeschoss.

Die Mitglieder und Mitarbeiter des CVJM Kaulsdorf sind in verschiedenen Gemeinden der Stadt beheimatet. Eine entsprechend freie Atmosphäre herrscht im Haus und auf den regelmäßigen Freizeiten. Auch zur Presse, der regionalen Wirtschaft und den politischen Akteuren in Bezirk und Bundesregierung bestehen sehr gute Beziehungen.

Samstag, 7. Oktober 2017

Kirche für Jedermann in Teltow

Die "Kirche für Jedermann" in Teltow ist eine freundliche und gemütliche Gemeinde, die sich jeden Samstag für zwei Stunden zum Gottesdienst trifft. Heute war ich dort zu Gast.


Hätte ich gewusst, dass die Hausnummer 18 am gefühlten Stadtrand von Potsdam liegt, wäre ich wohl mit Auto zur Kirche für Jedermann gefahren. So stellte ich beim Erblicken des ersten Straßenschildes "Potsdamer Straße" fest, dass ich noch über 70 Haunummern ablaufen müsse. Die Potsdamer Straße fiel durch zwei Dinge auf: Tod und Autohäuser. Zwei Bestatter, ein Denkmal mit mahnenden Toten und unzählige Gebrauchtwagen-Händler. Wenigstens regnete es nicht.

Willkommen!

Zehn nach zehn war ich endlich an der Eingangstür des großflächig bemalten Flachbaus angelangt. Die Begrüßung war sehr herzlich. Kaum hatte ich mich gesetzt, bekam ich als Gast einen Gutschein für den Buchertisch. Ich schnaufte noch etwas die 70 Hausnummern weg und hatte mich zum ersten Klang der Anbetungszeit wieder gefangen.

Anbetung

Die Anbetungszeit verdiente hier tatsächlich diese Bezeichnung, da die sehr bekannten Lieder aus den 1990ern klar auf die Ehre Gottes ausgerichtet waren und nicht auf unser Wohlbefinden. Wenn es um uns in den Liedern ging, dann mit der Bitte um ein neues Herz und die Symbiose mit Jesus. Der unterlegte Klangteppich aus Gitarren, Cajon und Keyboard hatte einen Drive, der mich die ganze Zeit über gefesselt hielt. Fasziniert war ich auch über die Harmonie der Stimmen.

Erlebt

Es schloss sich eine Zeit des Erzählens an. Endlich mal wieder eine Gemeinde, in der die Leute von ihren alltäglichen Erfahrungen mit Jesus berichten konnten. Die Leute von der Kirche für Jedermann hatten viel mitzuteilen und freuten sich gegenseitig an den Erfahrungen. Im Saal saßen etwa 50 Personen. In diesem Bereich bewegte sich auch das Durchschnittsalter mit leicht nach unten orientierter Tendenz. Hier entscheiden sich regelmäßig Menschen für Jesus. Heute sollte es sogar eine Taufe für einen Rollstuhlfahrer geben.

Die Gottesdienste finden samstags statt, weil die Wurzeln der Gemeinde auf die Adventisten zurück gehen. Hier ist aber Jedermann willkommen, so dass sich eine sehr heterogene Gruppe gebildet hat, die sich gegenseitig inspiriert.

Erziehung

Etwa zur Halbzeit wurde ein Bügelbrett mit Laken auf die Bühne getragen: das obligatorische Puppenspiel. Das Puppenspiel führte - wie auch diverse andere Elemente - zur Predigt hin. Es ging um Erziehung. Ein knuffiger Plüsch-Prinz wollte ein Praktikum als Erzieher machen und musste sich einem Test unterziehen. Er fiel durch.

Die Predigt wird bei der Kirche für Jedermann von Laien gehalten. Dadurch ist ein brauchbarer Alltagsbezug gewährleistet. Mit Hebräer 12, 6 wurden wir in die herausfordernden Facetten der Erziehung hineingenommen. Erziehung der eigenen Persönlichkeit durch schmerzliche Erfahrungen. Der heutige Prediger konnte das mit sehr vielen Beispielen plastisch erläutern und suchte auch immer wieder den Dialog mit den Zuhörern.

Segen

Zum Abschluss stellte sich die gesamte Gemeinde im Kreis auf, fasste sich an die Hände und sang ein Segenslied. Sehr familiär. Überhaupt hatte ich mich sehr heimisch gefühlt. Das Licht, die kneipenähnliche aber gemütliche Einrichtung und die natürliche Freundlichkeit der Anwesenden waren ein gelungener Mix, einen Schnupper-Gast zum Mitglied werden zu lassen.

Ich hätte mir noch ein Buch aussuchen können. Auch hätte ich noch zu Mittag essen können. Allerdings hatte ich heute noch weitere Termine und wollte das Diät-Essen in der Klinik nicht verpassen. So wechselte ich noch einige Worte und eilte hinaus. Auch der Rückweg über eine Parallelstraße dauerte 25 Minuten. Damit waren neben Laufband, Ergometer und Muskelaufbau noch zwei Einheiten Ausdauer-Training dazu gekommen. Eine ungeplante Sporteinlage von knapp sechs Kilometern schnell gelaufener Wegstrecke.

Sonntag, 1. Oktober 2017

Nehemia Potsdam

Die Nehemia-Gemeinde in Potsdam ist über die Grenzen der Landeshauptstadt hinweg bekannt. Dabei werden immer zwei Attribute genannt: Royal Rangers und charismatisch. Heute wollte ich den Gottesdienst bei Nehemia besuchen.



Und wieder regnete es in Brandenburg. Wieder auf der Fahrt zu einem Gottesdienst in Potsdam. Sehr seltsam. Mein Ergotherapeut bestätigte letzte Woche, dass auch bei tagelangem Regen immer zu Sport und Bewegung im Freien die Sonne herauskomme.

Die Pappelallee liegt hinter der Alexandrowka. Den Weg war ich schon mehrfach gefahren, zumal auch Verwandtschaft in dieser Straße wohnt. Auf der linken Seite erblickte ich ein Areal mit Hinweisen auf die Nehemia-Gemeinde. Ich stellte das Auto in einer Nebenstraße ab und lief zum Haupttor. Es regnete immer noch.

Stadtmauer gegenüber des eigenen Hauses

Nehemia war der, der die Stadtmauer von Jerusalem wieder aufgebaut hatte. Jeder Einwohner sollte gemäß Kapitel 3 die Mauer gegenüber seines Hauses aufbauen. Das war sehr effizient. Schließlich hatten die Leute ein gewisses Eigeninteresse an diesem Schutzwall.

Das große Gittertor war verschlossen. Das kleine Gittertor für die Fußgänger war mit einer Kette gesichert. Keine Anzeichen eines in wenigen Minuten beginnenden Gottesdienstes. Kein Mensch weit und breit. Ein verlassen wirkender Gewerbehof mit Gebäuden, Grünanlagen und Freiflächen, die wohl ihre besten Jahre hinter sich haben. Ich zückte das Handy und schaute noch einmal auf der optimierungsfähigen Webseite der Nehemia-Gemeinde nach: Ort korrekt, Zeit korrekt, Datum korrekt. Es regnete immer noch.

Gemälde an der Gitterpforte

Nach fünf Minuten ging ich zum Auto zurück. Ein seiner Halbwertzeit ausgesetztes Banner bewarb die Royal Rangers und die Nehemia-Gemeinde. Eine Frau mit Hund kam mir entgegen. Ich parkte aus und rollte noch einmal langsam am Areal vorbei. Im Augenwinkel huschte ein Person mit einem Kreuzigungs-Gemälde an mir vorbei. Im Rückspiegel sah ich sie die Straße überqueren. Bei der nächsten Möglichkeit wendete ich. Vielleicht stimmte ja nur die Zeit nicht: 10 Uhr.

Als ich das Pfadfinder-Eldorado erreichte, stand auch die Frau mit dem Bild ratlos vor der Gitterpforte. Sie sei jetzt drei Wochen nicht beim Gottesdienst gewesen und habe lediglich gehört, dass eine neue Location im Gespräch sei. Diese sei wohl in der City, also der City von Potsdam. Sie wisse aber auch nichts über die genaue Adresse. Sie bemühte das Smartphon und kam zum gleichen Ergebnis wie ich zuvor. Das beruhigte mich.

Was ist los mit Nehemia?

Das Bild habe sie extra für die Nehemia-Gemeinde gemalt, wo es an den Wänden immer so kahl ausgesehen habe. Zudem sei sie eine halbe Stunde durch den Regen unterwegs gewesen. Zu Fuß schon frustrierend. Sie fragte, ob ich sie in die City - also die von Potsdam - mitnehmen könne. OK, das lag auf meinem Rückweg nach Teltow. "Wollen wir zu einem anderen Gottesdienst fahren", fragte sie und ich scannte kurz einige Alternativen durch: erlebt-Potsdam, mittendrin-Potsdam, ICF. Für mich war keine Alternative dabei, da ich ja unbedingt rechtzeitig zur leichten Vollkost in der Klinik zurück sein wollte. So blieb nur die Mitnahme in die City.

Nehemia sei eine kleine Gemeinde mit offensichtlich integrativer Atmosphäre. Die Leute seien sehr freundlich, der Lobpreis sei zeitgemäß und werde vorwiegend durch den Pastor und einen Gitarristen gestaltet. Der Pastor sei Mitte dreißig. Das klang ganz gut und passte in die Struktur von erlebt und mittendrin. Über die Predigten erzählte meine Mitfahrerin nichts, aber dass die Gottesdienste immer von 10 bis 12 Uhr gehen.

Farbe und die passende Info

Da sie die Querstraßen zur City nicht so gut kannte, setzte ich sie an einer Straßenbahn-Haltestelle ab. Das Bild hatte unter dem Regen etwas gelitten, was ich an den weißen Farbrückständen auf dem Ledersitz erkennen konnte. Während die Künstlerin durch das nasse Potsdam stapfte, fuhr ich durch das herbstliche Teltow-Fläming zurück. Der Abdruck des Gemäldes ließ sich problemlos mit Papiertüchern und Desinfektionsmittel entfernen. Es war wohl keine Ölfarbe.

Beim erneuten Besuch der Webseite - diesmal per Laptop - entdeckte ich plötzlich im zweiten Slider der Startseite einen wichtigen Hinweis: "Ab 1. Oktober finden unsere Gottesdienste im Friedenssaal statt (Schopenhauer Straße 23, 14467 Potsdam) - herzlich willkommen!"

Sonntag, 24. September 2017

Erlebt in Potsdam

Die junge Gemeinde im Südosten von Potsdam sollte man einmal erlebt haben. "erlebt - Kirche für Potsdam" ist wie "Brücke Berlin" ein Gründungsprojekt unter dem Dach des Baptismus. Heute nutzte ich die Nähe meiner Reha-Klinik in Teltow, um den Gottesdienst bei "erlebt" zu erleben.



258 PS gleiten über die herbstlichen Straßen von Teltow-Fläming. Buntes Laub am Straßenrand, Nieselregen benetzt die Frontscheibe. LIMIT verhindert das obligatorische Blitzerfoto im Land Brandenburg. Untermalt wird das Ganze durch Anbetungsmusik von Michael W. Smith. Schon fast zu entspannend für eine Strecke, die ich noch nie gefahren bin.

K2 im Kuckucksruf 9

Nach einer halben Stunde habe ich das K2 im Kuckucksruf 9 erreicht. Immer noch erstaunt, dass mein Navi solch eine abenteuerliche Straße in einem gut bewaldeten Neubaugebiet überhaupt kennt. Ich parke in einer Nebenstraße und gehe zum einladenden flachen Gebäudekomplex des K2. Draußen begrüßt mich ein alter Bekannter. Ein Ex-Mitglied meiner Ex-Gemeinde, der mit seiner Frau bei erlebt eine neue geistliche Heimat gefunden hat.

Vor dem Flachbau stehen Leute um die 30, reden miteinander, lassen sich vom Regen berieseln und begrüßen mich sehr freundlich. Ab und zu huscht ein Kind an uns vorbei. Im Vorraum gibt es Kaffee und Kuchen und weitere Herausforderungen an mein Namensgedächtnis: Felix, Christoph, Tobias, Manuel, Christiane sind Namen, die ich mir auf die Schnelle merken kann. Ich baue Eselsbrücken und trainiere das Gelernte.

Herzlich Willkommen!

Mir wird eine Tüte in die Hand gedrückt: "Herzlich Willkommen! Schön, dass du da bist!!! JETZT ÖFFNEN", steht darauf. In der Tüte finde ich eine Beschreibung von erlebt, die fast identisch mit der Webseite ist und eine Gebrauchsanweisung für den Gottesdienst. Willkommenskultur wird bei erlebt groß geschrieben.

Der Gottesdienst beginnt fast pünktlich um 11 und startet nach einer kurzen Einleitung mit einigen flotten Lobpreisliedern. In unbekannte Lieder findet sich der Besucher schnell hinein. Im angemieteten Saal zähle ich etwa 50 Erwachsene: Altersdurchschnitt 35. Die Kinder werden vor der Predigt mit einem Bilderrätsel verabschiedet. Dann wird der Predigttext gelesen.

3 Sonntage, 3 Predigten, 3 Pastoren

Schon den dritten Sonntag geht es um Lukas 4 - die Versuchung von Jesus. Der Personalschlüssel von erlebt ist bemerkenswert: ein echter Pastor und zwei Azubi-Pastoren wechseln sich beim Predigen ab. Heute ist der Dritte von ihnen mit der dritten Versuchung dran. Das heißt, er predigt darüber. Immer wieder werden Beispiele aus dem persönlichen Erleben eingeflochten, so dass der Alltagsbezug des zukünftigen Berufs-Christen gesichert scheint. Die Predigt ist komplett ausformuliert, wird aber relativ frei vorgetragen. Er zitiert auch seine Vorredner in einer Weise, dass der Gast nicht den thematischen Anschluss verliert.

Nach der Predigt folgen weitere Lieder und das Abendmahl. Endlich mal wieder Abendmahl! Das erlebe ich viel zu selten. Bei erlebt kann ich es heute wieder erleben und freue mich sehr. Parallel wird Gebet angeboten. Eine Geste des Gitarristen suggeriert mir das plötzliche Ende des Gottesdienstes. Meine Nachbarin deutet an, dass noch der übliche Abspann komme. Tatsächlich folgen die Ansagen. Verschüchtert wird eine liebevoll gestaltete Spendenbox von hinten nach vorne durch die Reihen geschoben. Es folgt der Segen.

Mit Puls 100 nach Teltow

Beim Blick auf die Handy-Uhr sehe ich "6 Nachrichten in 2 Chats". Meine Familie inklusive Omas will mich heute in der Reha-Klinik in Teltow besuchen. Es ist schon halb eins. Ich rede noch kurz mit dem echten Pastor, verabschiede mich von meinen Bekannten und hetze zum Auto.

Handy raus. Meine Frau ist nicht erreichbar. Puls steigt. Baustellen und nicht beschilderte Umleitungen treiben den Puls weiter hoch. Die Zeit läuft. Puls steigt. 13:29 Uhr stelle ich den Wagen vor der Klinik ab und stürze in den Essenssaal. Es wird gerade aufgeräumt. "Sauerbraten ist alle, aber wir haben noch Cordon bleu", sagt mir die Dame im weißen Kittel. OK, passt zwar nicht zum Diätplan, ist aber lecker. Auf dem Zimmer messe ich den Puls: 100.

Sonntag, 10. September 2017

Gottesdienst im Klinikum

Wenn ich die Bibel richtig verstanden habe, ist Gottesdienst eine 24/7-Angelegenheit. Diese konnte ich in der vergangenen Woche im Vivantes Friedrichshain feiern.



Es begann mit einem Gottesdienst bei Brücke Berlin in Charlottenburg. Der Aufstieg ins Dachgeschoss war ein sicherer Indikator für die Familie, mich anschließend beim Krankenhaus abzusetzen. In der Notaufnahme ging alles sehr schnell. Ergebnis: Lungenembolie mit sehr ausgeprägter Diagnose.

Rote Tasche mit Elberfelder in großer Schrift

Während meine Frau die eine Zeitschrift im Wartebereich studierte, packten die Kinder zu Hause meine Krankenhaus-Ausrüstung ein. conhIT Connecting Healthcare IT stand auf der knallroten Umhängetasche. Ein Schlafanzug, eine Unterhose, ein T-Shirt, mein Handy mit Ladekabel und die Elberfelder in großer Schrift. "Du sollst dich ja nicht so anstrengen", war ihre Argumentation für die Wahl der Elberfelder. Danke, aber ich lese gerade eine andere Bibel. Deshalb bat ich meine Frau, mir am nächsten Tag die Vulgata mitzubringen.

Langzeit-Ehe und noch immer frisch

Meine Mitpatientin hinter der Spanischen Wand war fortgeschrittenen Alters und lag hier wegen eines Schlaganfalls. Ihr Gesundheitszustand wurde merklich besser, so dass wir bald ins Gespräch kamen. besonders beeindruckend war die Beziehung zu ihrem Mann. Liebe wie am ersten Tag. Ein Beispiel für jeden guten Ehekurs, nur eben keine wirkliche Beziehung zu Jesus. Das fand ich sehr schade. Leider ergab sich kein Anknüpfungspunkt, um noch etwas über das Danach mit ihr ins Gespräch zu kommen.

Dreibett-Zimmer

Nach etwa 24 Stunden wurde ich von den Kabeln befreit und auf die normale Abteilung verlegt. Dreibett-Zimmer. Bei den vielen guten Begegnungen taten mir die Privatpatienten leid, die sich im Einzelzimmer langweilen. Im Zimmer lag bereits ein älterer Herr, der sein Leben lang als Maler gearbeitet hatte und nun kurz vor dem Abschied stand. Ein feiner und freundlicher Bettnachbar.

Die Frage nach Gott quittierte er mit einer sehr emotionalen Antwort: "Die Pfaffen kannst du alle vergessen. Die quatschen nur dummes Zeug und helfen dir letztlich doch nicht." Ein nicht ganz unbekanntes Thema. Hätte ich ihm von unserem Gemeindeaustritt vor zwei Jahren erzählen sollen? Schade jedenfalls, dass ihm die pastorale Erfahrung nun bei der direkten Kontaktaufnahme zu Jesus im Weg stand.

Am zweiten Tag kam unser dritte Mann und keiner hatte Skat-Karten dabei. Er war tätowiert, sehr kräftig, sehr sportlich, eine wahre Kämpfernatur von Mitte 40. Die Krankheit sah man ihm nicht an. Seine Brüder vom Motorad-Club gaben sich die Klinke in die Hand. Ich war fasziniert über diese Community. Sie brachten Geburtstagsgeschenke, schoben ihn im Rollstuhl zur Cafeteria, spielten Mensch ärgere Dich nicht und freuten sich auf seine Genesung.

Bibel auf dem Nachttisch

Entspannung im Krankenhaus ist nicht! Bis zum Nachmittag wurden wir mit Behandlungen, Messungen und Essenseinnahmen beschäftigt. Meine 10 x Danke pro Tag konnte ich morgens kaum am Stück aufschreiben, weil Blutdruck oder Sauerstoff-Sättigung gemessen wurden. Auch das eine Kapitel aus 4. Mose war selten in einem Rutsch zu lesen. So lag die grüne Bibel mit der goldenen Schrift oft zugeklappt auf dem Nachttisch.

Die Blicke von Ärzten und Schwestern fixierten das Buch. "Lesen Sie die Bibel?", kam ab und zu eine interessierte Frage. Der 4. Mose enthält ja so einige Geschichten, die uns den Humor Gottes nahe bringen. "Ist die Bibel so lustig?", fragte unser Motorrad-Freund. Ja, das konnte ich bestätigen.

Abschied

Nach einer Woche wurde ich entlassen. Beim Zusammenpacken der Sachen fiel mir ein, dass ich ja noch die Elberfelder in großer Schrift dabei hatte. Diese hatte ich einmal durchgelesen, so dass ich sie jetzt auch weitergeben konnte. Ich schenkte sie dem Kämpfer aus dem Nachbarbett. Er freute sich und wollte darin lesen. Ich schüttelte das Buch aus, entnahm einen Notizzettel, schaute nach eventuellen Unterstreichungen und steckte die Visitenkarte des Orthopädie-Fachhandels beim Anfang des Neuen Testaments rein: "Am besten hier anfangen". Dann packte ich den Rest zusammen und verabschiedete mich von den beiden Patienten.

Irgendwie war in den paar Tagen eine Beziehung entstanden. Trotz unserer sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten und Ansichten hatten wir uns gegenseitig aufgemuntert, viel gelacht und auf unsere Sachen aufgepasst. Mit ein wenig Abstand muss ich sagen, dass das alles einen Sinn hatte. Ich nehme es mit Römer 8 Vers 28.

Sonntag, 3. September 2017

Brücke Berlin schließt Lücke in Charlottenburg

Brücke Berlin ist eine moderne Gemeinde und bedient seit einem Jahr eine Versorgungslücke in Charlottenburg. Zu siebent besuchten wir heute den Gottesdienst.



Es waren wohl vier Brücken, die wir auf der Fahrt zu Brücke Berlin in Charlottenburg überquert hatten. Was mit der Bahn etwa 80 Minuten dauerte, ging mit dem Auto auch in 35 Minuten vom Stadtrand aus. Vor der Hausnummer 94 stand bereits ein Mann mit blauem T-Shirt. "Brücke Berlin?", fragte er und streckte seinen Arm in Richtung Eingang aus. Wir schlenderten an einer orangen Fassadenfärbung entlang in den Hinterhof. Dort stand ein Mann mit Anzug. Dieser outete sich später als Fotograf. Er zeigte auf eine schmale Tür mit grauer Treppe.

Treppe ins Dachgeschoss

Als ich die Tür und die Treppe sah, versuchte ich tief durchzuatmen. Meine Familie hatte bereits eine halbe Etage erklommen. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, dass ich eine Lungenembolie hatte. Ein Mann ignoriert starkes Seitenstechen. Geht ja auch irgendwann wieder weg. Brücke Berlin hat neue Räume im Dachgeschoss mit Oberlicht. Oben angekommen, kroch ich in den Flur und versuchte die vielen Bekannten halbwegs im Stehen zu begrüßen und hechelte erst einmal am Tresen aus. Die Kinder schauten mich besorgt an. Man reichte mir einen Becher mit Wasser.

Lobpreis und Gründer-Mentalität

Sitzen war gut! Wir okkupierten zwei Reihen. Der Saal füllte sich, so dass letztlich um die vierzig Erwachsene und einige Kleinkinder anwesend waren. Ein Schwarzer mit Krawatte trat ans Keyboard und wurde von einer voluminösen schwarzen Frau mit Gesang begleitet. Die Frau hätte mit ihrer Performance einen kompletten Gospelchor ersetzen können. Wir gingen mit. Knie wippten. Oberkörper bewegten sich im Rhythmus.

Zur Einleitung des Gottesdienstes war Torsten Hebel eingeladen worden. Torsten Hebel ist Moderator, Comedian und Gründer. Brücke Berlin schaut sich zurzeit die verschiedenen Gründertypen der Bibel an, so dass Gründer Hebel sehr gut passte. Mit viel Humor brachte er uns das Thema nahe und erzählte auch von seinen tiefen Krisen und Herausforderungen beim Gründen. Seinen Leitgedanken zum Gründen könnte man wie folgt zusammenfassen:

Hier ist ein Problem. Keiner löst es. Ich habe eine Idee. Also mache ich!

Zwischendurch wurden immer wieder Lieder von der kernigen Sängerin vorgetragen. Das verleitete mich zu der Annahme, dass Torsten Hebel auch die Predigt gehalten hatte. Die Predigt kam aber anschließend. Es ging um die Gründertypen Aquila und Priscila. Dass Priscila im Neuen Testament immer zuerst genannt wird, fand ich auf Nachforschung nicht bestätigt. Die Aufzählung wechselt immer ab. Egal, es muss sich jedenfalls um ein Dream-Team gehandelt haben, das zudem ehelich verbandelt war. Sie werden immer zusammen genannt und an ihren Wirkungsstätten hatten sie wohl immer richtig was bewegt. Ein vergleichbares Ehepaar saß übrigens heute mit uns im Gottesdienst.

1 Jahr Brücke Berlin

Nach Kollekte, Ansagen, Segen und einigen Liedern wurde das Buffet freigegeben. Brücke Berlin feierte heute sein einjähriges Bestehen und den Umzug in die Location im Dachgeschoss. Wirklich schöne Räume mit Blick auf den Himmel über Charlottenburg. Ich hatte keinen Hunger und hielt mich an einem Becher Kaffee fest. Wir wurden mehrfach angesprochen und hatten längere gute Unterhaltungen. Die Willkommenskultur war ausgesprochen gut.

Hier kannst du deinen Chef mitbringen.

Erklärtes Ziel der Brücke Berlin ist es, eine Gemeinde zu sein, in die auch der Chef mitgebracht werden kann, ohne dass man danach die Firma wechseln muss. Verständliche Predigt, moderne Elemente wie Lobpreis und Kabarett können wir nach dem Besuch bestätigen. Während sich die "coolen" Gemeinden in Mitte, Prenzlberg und Friedrichshain auf die Füße treten, ist Charlottenburg noch unerschlossenes Land. Brücke Berlin ist ein erster Schritt zur Bedienung dieser Lücke westlich der City.

Brücke Berlin läuft unter dem Dach des Bundes der Baptisten. Auch dort ist der Bedarf an Gemeinden für die unterschiedlichen Zielgruppen der Stadt angekommen und wird nun konsequent bedient. Würde Gemeindegründung meiner aktuellen Berufung entsprechen, hätte ich dort sicher den richtigen Partner gefunden.

Rückweg über drei Brücken

Vorsichtig stieg ich die Treppe herunter. "Merkst du, wie langsam du läufst", schaute mich meine Frau an. Die Familie drängte mich nach nur drei Brücken zum Stopp am Krankenhaus Friedrichshain: Notaufnahme, 10 Minuten warten und dreieinhalb Stunden CT, Infusionen, Spritzen, Röntgen, Ultraschall und letztlich die Diagnose: Lungenembolie. "Ich muss Sie hier behalten", sagte die Ärztin und schob mich mit Tropf, Kabeln, Beatmung und Monitoren in die Beobachtungsstation.

Sonntag, 6. August 2017

Stadtkirche Offenburg

Offenburg liegt ganz in der Nähe von Straßburg, also an der Grenze zum Elsass. Da wir zu wenig Französisch verstehen, fuhren wir kurzentschlossen über den Rhein und besuchten einen evangelischen Gottesdienst in der Stadtkirche Offenburg.



Eine knappe halbe Stunde brauchten wir von Straßburg bis ins Zentrum von Offenburg. Das Navi kannte den Weg. Direkt vor der Tür der Stadtkirche wurde ein Parkplatz frei. Zwei Kinder, zwei Omas, meine Frau und ich verließen das gemietete Mehrzweckfahrzeug. Die Sonne schien.

Gastfreundschaft

Während wir noch die hohe Außenfassade und die Inschriften studierten, kam ein sportlicher Best Ager und begrüßte uns freundlich. Zusammen mit ihm betraten wir die Kirche und bekamen sofort zwei Gesangsbücher in die Hand gedrückt. Ein weiterer Mitarbeiter gesellte sich dazu und fragte, ob jemand von uns bei der Fürbitte mitmachen wolle. Ich bemerkte kurz, dass wir nur zu Besuch seien. Das sei egal, wir könnten es uns noch überlegen.

Suchmaschinen-Optimierung

Wegen der Hörgeräte meiner Schwiegermutter wurde eine der vorderen Reihen angesteuert. Der Saal füllte sich mit etwa 60 Erwachsenen. Der Best Ager hatte sich einen Talar übergeworfen: Pfarrer Kühlewein-Roloff. Bei der Suche nach einem Gottesdienst in der Nähe unseres Urlaubsortes hatte meine Frau anhand der guten Internet-Bewertungen und der Facebook-Präsenz die Entscheidung zum Besuch der Stadtkirche Offenburg getroffen. Auch der Name Kühlewein-Roloff fiel mehrfach und wurde von unseren Gastgebern als empfehlenswert bestätigt.

Zwei Gesangsbücher und drei Lesezeichen

Drei Bänder waren am dicken Gesangsbuch angebracht. Diese wurden mit den ersten drei Zahlen an den Wandtafeln harmonisiert. Nach jedem Lied oder Psalm wanderten die Bänder weiter im Buch, so dass wir gut vorbereitet durch die Liturgie kamen. Das letzte Lied wurde aus dem dünnen Jugend-Liederbuch gesungen. Geschätzter Altersdurchschnitt: 55 Plus. Allerdings passte das nicht so recht zur frischen und sehr gepflegten Optik der Kirche. Ein Großteil der Mitglieder muss wohl auf Reisen gewesen sein.

Rück-Formung durch Herz-OP

Der agile Pfarrer setzte die Zuhörer kurz in Kenntnis, dass er heute vom Predigttext aus dem Losungsbuch abweichen werde und sprach dann über die Jahreslosung. Zur Mitte des Jahres könne man das ruhig einmal machen. Die Jahreslosung aus Hesekiel 36 Vers 26 besagt, dass Gott uns ein neues Herz und einen neuen Geist schenkt. Zunächst zerlegte der Referent das inflationär genutzte Wort Reformation und machte daraus eine Rück-Formung. Über diese Rück-Formung des Menschen in einen Zustand, wie ihn sich Gott vorgestellt hatte, baute er das Sprungbrett zur Herz-Transplantation. Mir war bisher gar nicht bekannt, dass Menschen mit einem physisch neuen Herzen plötzlich anders ticken können.

Café und Alleinstellungsmerkmale

Nach dem Gottesdienst begaben wir uns in das Café. Dieses ist auf der Westseite an das Kirchenschiff angebaut. Dort unterhielten sich die Omas mit einigen Senioren. Das Café sei sehr beliebt bei Mitgliedern und Gästen. Die Stadtkirche Offenburg hat zudem ein beneidenswertes Alleinstellungsmerkmal: Potenzial an Kindermitarbeitern aber zu wenige Kinder. Der Normalfall ist ja umgekehrt.

Bemerkenswert ist auch die Eingangstür zur Kirche. Dort ist das Glaubensbekenntnis in Form einer Topic Cloud eingeprägt. Freundlich, hell und integrativ sind Attribute, die mir nach dem Besuch der Stadtkirche Offenburg im Gedächtnis haften. Wer in der Nähe ist, sollte dort einmal vorbeischauen.